: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Samstag, 29. April 2006

Morgen Abend, Walpurgisnacht in München.

Das mit dem alten nördlichen Friedhof wird nichts - schliesslich wollen wir bei der III. Münchner Bloglesung den Winter beerdigen und Schauergeschichten vortragen, nicht unbedingt schaurigen Husten bekommen und unsere an Unterkühlung verendeten Leser begraben - obwohl man das sicher prima bloggen könnte. Aber: Lieber einen guten Blogtext verlieren als einen guten Zuhörer, und deshalb treffen wir uns um 19 Uhr zum gleichen Programm - inclusive den auswärtigen Stargästen Andrea Diener und dem Boandlkramer. Und ich werde vorher ein paar Requisiten aus dem Stadtpalast mitbringen - eventuell hätte ich im Keller soger einen Grabstein.

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Freitag, 28. April 2006

Ein kleiner Nachtrag

zum Verhältnis zwischen Radio und Internet angsichts dieser Entwicklung findet sich an der Blogbar.

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Oha. Der SPon. Mal wieder

Diesmal in der unsauberen Rolle des Content-Übernehmers: Der Bestseller-Autor Bastian Sick. Sowas kommt in den besten Familien vor, warum nicht auch in der Spiegel-Online-Kloake. Ich würde keine Mail, sondern eine Rechnung schicken. Lassen. Vom Anwalt.

Und bei der Gelegenheit auch gleich mal seine Bücher filzen. Just fo the fun of it. In der Regel erwischt man solche Leute nicht beim ersten Vergehen. Mal schaun, wann sie das Teil vom Netz nehmen. Und ob sie ihn feuern - in den USA stände das jetzt an.

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Donnerstag, 27. April 2006

BR und Zündfunk steigen ins Haifischbecken

oder werden hineingeworfen, je nach Sichtweise. Oh, ist das ein Spass: Als erste deutsche öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt wagt sich der Bayerische Rundfunk mit einem kombinierten Vollprogramm ins Internet. Kinder, als ich die Pressemitteilung las, dachte ich erst an einenWitz, aber nein, die meinen das wohl ernst. Ich erlaube mir hier, die Pressemitteilung aus dem BR-Dialekt zu übertragen und mit Randglossen zu versehen - während ein gewisser H. Röde auf gute Laune macht und kein Wort über das Anstehende verliert. Dabei sind das - gebe selbst ich zu - Horrorpläne, die wohl kaum jemanden erreichen werden.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zündfunk, von Bayern 3, aus der Multimedia-Redaktion und des Bayerischen Fernsehens haben in vier Arbeitsgruppen für Musik, Wort, Multimedia und Marketing Ideen gesammelt, Visionen entworfen und zu einem stimmigen Vorschlag zusammengeführt.

Oh Gott. Bayern Brei plus ein die Macher einer wirklich grottigen Site plus dem linientreuen Staatsfernsehen plus Zündfunk oder was dabei herauskommt, wenn man eine schleimige Tiefseequalle, einen Regenwurm, einen Lemming und eine brennende Motte kreuzt. Und das soll stimmig sein? Na dann.

Ihre Aufgabe dabei: Eine junge Zielgruppe an den Bayerischen Rundfunk zu binden, die sich bislang nur zum Teil von den bestehenden Angeboten angesprochen fühlt und in ihrer aktuellen Mediennutzung auf Radio in der traditionellen Form immer mehr verzichtet.

Warum nicht zu Beginn mal was Leichteres, wie, sagen wir mal, die kalte Kernfusion oder die Weltrevolution? Ist ja schön, wenn sie begreifen, dass sich viele aus dem Radio ausklinken, aber das sind doch genau die Leute, die bislang die Zielgruppe vergrault haben, mit dröger Glotze, dummen Festplattenschleim, kranke Navi und leeres Geschwafel.

Im Blick haben die Macher ein aufgeschlossenes aktives Publikum bis 30 Jahre, das sich durch ein breites Musikinteresse auch außerhalb des Mainstream auszeichnet und an der bayerischen Kulturszene interessiert ist.

Aufgeschlossen passt nicht zu Vernagelt a la BR. Wer aufgeschlossen ist, braucht keine Radiokrücke mehr.

Aktuelle Popmusik mit Einflüssen aus Rock, Black und Elektronik bilden das musikalische Grundgerüst. Wesentlicher Bestandteil ist die breite Förderung junger, unbekannter Musiker vor allem aus Bayern und Deutschland, die gleichberechtigt neben bekannten Stars zu hören sein sollen.

Doitsch und Hinterwaldqoute neben Robiiiieeee und Madonah-ah-ah, prima, da fahren alle Zielgruppen voll drauf ab. Die Mainstreamzielgruppe hat doch schon Bayern Brei, und ähnlich positionierte Jugendwellen haben gerade das Problem, das der neue Laden bekämpfen soll.

Dabei ist geplant, bereits bestehende Elemente des Bayerischen Rundfunks – beispielsweise die Veranstaltungsreihe „Bavarian Open“ und ihre Download-Plattform „Bavarian Open Source“ – auszubauen.

Super! Kozerte, die es schon gibt, und Musik als Download, die man auch bei Kazaa Lite bekommt, und Beiträge als MP3, bei denen die Leute schon im Radio wegschalten! Brandneu und irre!

Auch bei den Wortinhalten setzt die Junge Welle auf die verlässliche Qualität des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit seinem weltweiten Korrespondenten-Netz und den zahlreichen Fachredakteuren und Spezialisten. Der journalistische Anspruch des Zündfunks wird auch in der Jungen Welle eine Heimat haben. Regionalität spielt dabei die Hauptrolle.

In meinem früheren Leben sagte man über geschasste Units wie den Zündfunk: Die neue Division wird ihre bewährte Arbeit fortsetzen. Blabla wird unserem Unternehmen auch weiterhin im lokalen Support beratend zur Seite stehen.

Das Team arbeitet mit zeitgemäßen und in der jungen Zielgruppe verbreiteten Elementen aus der Online-Welt wie Videoblogs und Podcasts.

Heisst: Wir haben keine Ahnung, aber wenn es die PR-Agenturen vorplappern, sagen wir das auch.

Das Angebot von jungen Menschen für junge Menschen soll beispielsweise auch über Beteiligungsformen wie „akustische Hörer-Tagebücher“ aus der Region zum Runterladen auf ein mp3-Gerät realisiert werden.

Oh, man wird also Podcastingblog-Plattform. Spannend. Wie 189.442.837 andere Anbieter. Aber wir in Bayern, wir packen das, gell?

Die Grundhaltung der Jungen Welle ist dabei immer: „Bayerisch, selbstbewusst, lebensfroh und nah“ – vier Attribute, die den Umgang mit den Themen und den Hörern on-air, off-air und online bestimmen.

Eigentlich könnte man jetzt aufhören zu lesen. Aber trinken wir es aus bis zur Neige.

Der lineare Programmablauf wird bei der Jungen Welle des Bayerischen Rundfunks bewusst aufgebrochen: Das Publikum ist teilweise selbst Sender und kann zum Beispiel einen Blick in den Audio-Speicher der Programmmacher werfen und online Inhalte vorhören, noch bevor sie von den Moderatoren im Radio ausgestrahlt werden.

Aha, teilweise selbst (!) Sender - also nicht jeder, sondern nur der, der den Machern genehm ist. Beiträge vorhören ist sowieso ein ganz grosses Thema und wird sich bei manchen Zündfunkern allergrösster Beliebtheit erfreuen - besonders der Spezies, die ihre Beiträge prinzipiell erst während der laufenden Sendung - ooops.

Die Junge Welle reagiert damit auf neue Nutzungsgewohnheiten junger Menschen.

Ich kenne mich ja ein bisschen aus in dem Thema, aber ehrlich gesagt kenne ich keinen, der unbedingt Beiträge vor der Ausstrahlung hören will. Vielleicht kenne ich auch nur die falschen "jungen Menschen". Oder man schliesst beim BR von der kleinen Schwester auf die Allgemeinheit.

Interaktivität, Nachhaltigkeit und die Realisation des Community-Gedankens bilden den multimedialen Kern der Jungen Welle.

Manche Zündfunker haben ein intensives Vorleben in der New Economy - man merkt es hier.

Über die klassischen programmbegleitenden Datendienste hinaus können die Hörer und Macher der neuen Welle auch auf Angebote anderer Fernseh- und Radiosendungen des BR zugreifen.

Irre. Jetzt muss man sie nur noch dazu bekommen, zuzugreifen. Ist ganz einfach, echt jetzt. Hauptsache, man hat die technische Lösung, der Nutzer kommt von selbst. War schon immer so bei allen Pleitefirmen des Nemax.

Mit diesem Angebot realisieren wir systematisch eine enge, programmübergreifende Vernetzung“, sagt Hörfunkdirektor Johannes Grotzky. „Professioneller Journalismus auf Augenhöhe mit jungen Hörern, Authentizität in der Präsentation und Vielfalt in der Musikauswahl sind die Wege, mit denen wir junge Menschen für ein anspruchsvolles Programm begeistern können und wollen.“

Das mit dem "können" "wollen" wir sehen. Dazu gehört mehr als das aktuelle IT-New-Media Buzzword Bullshit Bingo.

Die Hörer von Bayern2Radio werden auch nach einem Start der Jungen Welle nicht auf ein breites Angebot aus dem Bereich der „Popkultur“ verzichten müssen. Der Teil der journalistischen und musikalischen Kompetenz des Zündfunks, der ein Publikum jenseits der „30“ erreicht, soll wie bisher ein Bestandteil des Programms Bayern2Radio bleiben.

Übersetzt: Zündfunk ist tot, die Mitarbeiter dürfen sich in einem neuen Umfeld abstrampeln, gegen das Bayern2Radio inclusive Kirchenfunk und bayerische Chöre eine prima Sache war, und auf echtem UKW-Radio bleiben ein paar von den Zündfunkern, die mutmasslich für die Jugendwelle zu alt sind. Das ganze, ohne dass es expressis Verbis gedagt wird, nicht auf UKW, sondern DAB.

Liebe Zündfunker, Unterstützer, Freund und Feind: Ich hätte vielleicht auch Mitleid. Schliesslich ist das seit heute bekannt, und wenn die wirklich so cool und kritisch wären, hätten sie heute das Programm gekippt und sich selbst thematisiert. Rebelliert. Angegriffen, sich gewehrt. Ich weiss, dass viele das so richtig scheisse finden, wenn sie nicht total gebrainwashed wurden. Aber sie sind erwartungsgemäss nicht aufgestanden, die haben es einfach nicht getan, obwohl das Mikro offen war. Kinderstress, Informationsfreiheit, Musik, denen geht´s prima. Klingt zumindest so. Und nachdem alle weiterarbeiten wollen, halten sie offiziell die Klappe.

He Zündfunker, Ihr seid keine Rebellen, und Ihr habt keinen Markt. Nächstes Jahr treffen wir uns wieder - hier im Netz. Ohne Radiomonopol, ohne Netzwerke, ohne Hilfestellungen. It´s a brand new world - aber mit der Denke des neuen Senders ist es ein verdammt lebensfeindliches Umfeld.

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Popetown, die Kirche, ihre CSU und deren Strategie

Viel Spott haben derzeit einige Autoren für das Geschrei der CSU und der katholischen Kirche im Fall "Popetown" übrig. Thomas Knüwers Meinung steht hier für viele andere, die glauben, die CSU würde damit erst die Serie gross machen. Das mag von Nichtbayern aus betrachtet stimmen. Aus bayerischer Sicht und mit etwas Kenntnis der "innenpolitischen" Lage muss man aber der CSU ein ausgesprochen intelligentes Vorgehen zugestehen.

Denn die CSU spielt mit der Kirche perfekte Doppelpässe. Der Popetownskandal ist mit dem leicht zeitversetzten Aufschrei von Kirche und Staatspartei hervorragend abgestimmt, und MTV kommt ausgesprochen schlecht weg. Die Kirche, hier das mit der CSU eng verzahnte Erzbistum München/Freising, legt mit Erklärungen und einer Unterlassungsverpflichtungserklärung gegen MTV inhaltlich vor, und jede folgende Abwehr wird von der CSU mit rechtlichen Konsequenzen angegangen. Dass MTV seine Werbung zurückzieht und jetzt nur eine Folge der Serie zeigt, ist das Ergebnis einer skrupellos eingesetzten Angriffsmaschinerie, deren Motto ist: Unterwirf Dich der Kirche, oder der Staat kommt mit den Folterwerkzeugen.

Neu ist das nicht, die Inquisition und ihre staatlichen Büttel verfuhren genauso. Während also ein Haufen von engagierten Christen über Weikersheimer Rechtsradikalen bis Neonazis (siehe die bei Myblog.de gehosteten und von deren Webmaster auch bei klaren Rechtsverstössen unbehelligten braunen Blogs) gegen die Ausstrahlung mobil machen, gegen die nach Gesetzeslage nichts einzuwenden ist, schraubt die CSU im Hintergrund an Reformen, die solche öffentlichen Meinungen später gesetzlich oder sonstwie mit Mitteln der Obrigkeit ausschliessen sollen. Bayern hat über die BLM mit der Lizenz für 9live zwar das Tor zur Spielhölle aufgeschlossen, aber Kritik am Papst und Institutionen der katholischen Kirche soll mit dem Entzug der Lizenz bestraft werden - fordern nicht nue Hinterbänkler.

Dabei ist es hochspannend zu sehen, wer sich da an die Front wirft. Neben Ede dem Geknickten, der endlich mal wieder Schlagzeilen machen darf, sind es die konservativen Granden der CSU, die Stimmung machen: Söder und Hermann stehen mit Verbalgewalt und Anzeigen an vorderster Front, dazu läuft auch noch Vertriebenenchefin Steinbach auf. Und wie schon 1998 wird der Versuch gemacht, den §166 StGB Gotteslästerung auch auf irdische Einrichtungen der Religionen auszuweiten.

Das zeigt vor allem zwei Dinge: Einerseits weiss die CSU, dass Popetown nur einzelne weltliche Aspekte der Kirche - sanft - angreift. Popetown ist nichts gegen Panizzas Liebeskonzil, um auf einen 112 jahre alten Fall zu verweisen. Dass manche Päpste sozialauffälliges Verhalten an den Tag legten, gegen die die Kindereien in Popetown banal sind, weiss man auch ohne Blick in Marx´Kirchengeschichte. Und über die Darstellung korrupter Kardinäle braucht man sich nicht wundern, wenn man weiss, dass der Vatikanstaat einen italienischen Haftbefehl wegen Mafiaverbindungen gegen den Leiter der Vatikanbank Kardinal Marcinkus ignoriert hat. Gottes- oder Anschauungslästerung wird man in der Serie kaum finden, im Gegenteil, auch die positiven Helden sind Kirchenvertreter. Das ist dann auch der grosse Unterschied zum Konflikt um die Mohammed-Karikaturen, die nicht einzelne Vertreter, sondern den Islam allgemein aufs Korn nahmen. Die CSU weiss also, was sie tut: Es geht nicht um den Glauben, es geht um die knallharte Unterstützung des hiesigen Bodenpersonals.

Zum anderen schweigen auch manche Leute. Erwin Huber etwa, der MTV nach München geholt hatte. Der kann jetzt schlecht lospoltern, sonst sieht es nicht gut aus bei weiteren Gesprächen für Medienansiedlungen in München. Solche Einflussnahmen sind Gift für Medien, die mitunter solche Krawalle brauchen, ohne dass dauernd ein keifender Anstandswauwau angezockelt kommt. Auch von Seehofer hört man nichts. Das ist insofern von Bedeutung, als in Bayern längst über die Ablösung von Stoiber nachgedacht wird. Das Rennen dürfte zwischen dem christlistischen Fraktionschef Hermann, der für die alte CSU steht, und dem beim Wahlvolk beliebten Reformer Seehofer laufen. Hermann hat mit seiner - sinnlosen - Anzeige gegen MTV und Popetown schon mal ein paar Nägel bei der Stammwählerschaft eingeschlagen. Dass man Hermann deshalb in Köln, Berlin und Hamburg für einen knierutschenden Vatikanzögling hält, spielt keine Rolle, denn Hermann muss nur in Bayern gewinnen. Und da hilft das Geschrei aus dem Norden mehr, als es schadet.

Und MTV? Zieht tatsächlich den Schwanz vor der schwarzen Kampagne ein. Nur eine Folge dieser harmlosen Serie wird laufen. So macht man das. Die CSU. Die kann das. Zusammen mit der Kirche. Man hat die Schulkreuze verteidigt, man wird auch mit so ein paar renitenten Amis in Berlin fertig. Tun sie auch. Weil auf der anderen Seite feige Medien sitzen, die in solchen Fällen kuschen. MTV ist halt auch nur eine Geldmaschine, und hat mit Aufklärung so viel zu tun wie jeder andere Renegat, der des Geldes wegen zu Kreuze kriecht.

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Mittwoch, 26. April 2006

Dies illa

Für Allergiker wie mich ist es die lang ersehnte Rettung von allem Übel, es verheisst, dass man bald wieder atmen kann.



Und für alle anderen ist es - hoffentlich - ein grandioser Anblick. Es sind nur 15 Meter über der Stadt, aber nirgends wirkt das Unwetter näher als oben auf der Dachterasse.

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Sehr zu empfehlen - Regale füllen

Ich habe sie nicht gezählt. Am Ende, so gegen 3 Uhr, war ich zu müde. Ich wollte nur noch kochen (Semmelknödel mit Austernpilzen in Rahmsosse), die selbigen essen und schlafen. Es sind geschätzt 1.300 auf ungefähr 15 Meter Regalen. Und ganz hinten, hinter dem Lesesessel, gibt es jetzt auch eine versteckte Ecke für Bücher, die ich nicht sehen will, weil sie abartig schlecht sind, aber ich kann sie nicht wegwerfen. Jedes erzählt zudem eine ganz eigene Geschichte des Hasses, die mich bei der Präsentation oder dem Lesen überkam, und das sind bekanntlich nicht die schlechtesten Geschichten.



Wie auch immer: Der Zeitplan, in dem bei "Bücher einräumen" 6 Stunden veranschlagt wurden, liess sich nicht halten. 2 Tage mit einer langen Nachtschicht hat es gedauert, und man hätte manches besser machen können. Vielleicht in den nächsten Tagen, wenn ich genig habe vom Lack und vom Besen, gehe ich hinüber und sortiere den Waugh in das richtige Regal und füge den Roth wieder zusammen. Den Dostojewski habe ich zerissen, und zu oft steht noch Photographie neben Architektur. Überhaupt, das Mittelalter ist zerstreut und grässlich von Malerei durchdrungen. Da geht also noch einiges. Immerhin ist die Ausleuchtung mit vier Lampen ausreichend - merke: Mit gelblichen Schirmen oder in Messinglampen sind auch Energiesparlampen mit freundlichem Licht gesegnet.

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Dienstag, 25. April 2006

Amsel nochmal

heute etwas früher, ohne Elitesse



aber dafür mit Wolken. Man nennt das einen Donauschulenhimmel. Die Donauschule, mit Albrecht Altdorfer als bekannestem Vertreter, malte in der deutschen Renaissance im 16. Jahrhundert diese Himmel. Wenn man die Gemälde sieht, mag man es kaum glauben, aber doch, manchmal sieht der Himmel hier so aus.

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Liebe Verleger, darf ich mal kurz stören?

Was, werdet ihr sagen, will denn der von uns? Einen Verlag hat er doch, vielleicht will er uns was andrehen, wer weiss, junge Autoren haben heute ja die komischsten Ideen, sogar mit diesem Internet da, und dann setzt ihr einen ablehnenden Gesichtsausdruck auf und legt Euch zurecht, dass ihr nur was von Leipziger Absolventen mit FAZ-Garantie druckt, oder zumindest was mit Beziehung zum Zündfunk.

Aber darum geht es mir nicht. Nicht als Autor stehe ich unter vor Euch, sondern als Käufer. Als ein Käufer, der Eure Produkte gern im Liegestuhl auf der Dachterasse lesen würde. Ich habe ja keinen Fernseher und bin leidenschaftlicher Bücherfresser, im Jahr kaufe/bekomme ich sicher über 100 Stück, von der Belletristik über Sphragistik und Buchillumination bishin zu den grossen Katalogen meiner alten Zunft, durchmischt mit antiquarischen Erwerbungen. Gerade heute wäre ein wunderbarer Tag... aber was tue ich, ihr lieben Verleger? Hä? Na was? ich will Euch sagen, was ich tue: Ich sitze im Zimmer und fluche, wegen Euch versiffter, dreckiger Verlegermafia!

Nein, es geht nicht um die nächste lektoratsgefickte Debutantennutte, deren Rezi ich schreiben muss. Ich muss Eure Produkte einordnen. Ich bin ja kein Proll und stelle meine 30 Bücher strategisch in Billys auf, damit es nach mehr aussieht. Ich habe hier noch etwa 1.000 Bücher rumliegen, von Mühsams Lyrik bis zum Druckwerk der Familie Carracci in 1:1. Dass die unterschiedlich gross sind, verstehe ich, aber warum, frage ich Euch Ausgeburten der Papierhölle, warum um alles in der Welt bekommt Ihr bei normalen Büchern keine normalen Formate hin?



Ich besitze ca. 600 Bücher, die älter als 100 Jahre sind. Sie einzuordnen ist kein Problem, die venezianische Aldine von 1542 passt neben die bayerische Religio Prudentis von 1727 und die wiederum neben Tucholskys Pyrenäenbuch von 1932. Alle haben ungefähr das gleiche Längen/Breitenverhältnis, und alle haben stumpfe, angenehme Farben, seien sie nun in Leder, Halbleder, Pergament oder noch unaufgeschnitten. Es ist eine Freude, sie einzuordnen, sie ergänzen sich in Farbe und Grösse und ergeben die schönste Wand der Welt.

Aber Eure moderne Scheisse, mit Verlaub, ist eine echte Qual. Grauenvoll bunt, als ginge es darum, zu einer DVD-Sammlung zu passen. Bei der Tiefe ist vom schmalen Grischperl bis zum breiten Quadrat wirklich alles dabei. Eine einheitliche Linie ist nicht mal innerhalb eines Verlages, noch nicht mal bei einer Taschenbuchreihe möglich. Mal ehrlich, Leute: Was soll das? Was sollen diese Scheissriesenphotos auf dem Cover? Wieso sind die sogar unter dem Schutzumschlag? He? Macht Ihr Euch auch mal Gedanken um die, die die Hauptkäufer Eurer Produkte sind? Die Bücher bewahren und nicht gleich auf den Müll kippen? Die eine Bibliothek füllen wollen und nicht sinnvoll sortieren und ordnen können, weil sonst der kostbare Platz verschwendet wird.

Macht jeweils 2 Grössen für Taschenbücher und Hardcover. Spart bei der Tiefe. Dann habe ich einen ruhigen Vormittag beim Sortieren, das Staubwischen ist schnell geschehen, und ich kann weitere Bücher kaufen. Aber sowas wie heute: Geht gar nicht.

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Statistiken, richtig herum gelesen

Ach, so schaut´s aus - Deutsche Mütter, früher die strammen Kanonenfutterwerferinnen für morgen die Ganze Welt jawoll, sind faule Schlampen, die zu wenig Zeit mit den Drecksblagen verbringen. Nur 2 Stunden 18 Minuten am Tag. Das kommt sicher auch davon, dass man das Mutterkreuz abgeschafft hat.

Aber hallo: Kommt denn da keiner auf die Idee, dass deutsche Kinder einfach keinen Bock auf Mutters Gelaber, Gehirnwäsche und Nachhilfe haben und alles versuchen, die Zeit mit ihr auf 2 Stunden 18 Minuten zu begrenzen? Schliesslich gibt es heute Handy, iPod und hausgemachte Pornovideos, die man bei Youtube online stellen kann! That´s Entertainment! Wenn ich an meine Kindheit zwischen Ferienschule und Anstandsunterreicht denke, scheint das eine logische Erklärung zu sein.

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Dienstag, 25. April 2006

Real Life 24.04.06 - Die Amsel

Eigentlich musst du fünf Löcher bohren, in ein Brett, um die Regale seitlich abzustützen. Aber dann wartest du noch etwas, setzt dich auf den Liegestuhl und schaust zu, wie der Abendflug aus Nordwesten seine weisse Linie zieht und das Firmament langsam tief blau wird, und hörst auf das Gewirr der Vogelstimmen.



Das mit dem Regen morgen kannst du nicht glauben, die Schwalben fliegen viel zu hoch, 20 Meter über dem Stadtpalast. Auf dem Kamin singt eine männliche Amsel nach einem Weibchen, und lässt sich vom Rauschen des Staubsaugers nicht stören. Der verrichtet, von einer Elitesse geschoben, einen zweifelhaften Kampf gegen den Schmutz im zweiten Stock des Wohnheims. Ein Student kommt dazu und spricht sie an. Er trägt einen blauroten Trainingsanzug mit den drei Streifen, sie einen weissen Rock, ein rosa T-Shirt und Stränchen in den schulterlangen, blonden Haaren. Sie reden eine Weile miteinander, er draussen auf dem Gang, sie drinnen in ihrer Wohnung, und als sie nochmal rauskommt und vor ihm ihren Fussabstreifer ausschüttelt, ist klar, dass das heute nichts mehr wird mit den beiden.

Dann gehen sie in ihre Wohnungen, und überlassen der Amsel das Feld. Nach einer Weile fliegt sie auf das Hausdach neben der Dachterasse, und wenige Momente später landet die Angebetete ein paar Meter weiter. Er sagt jetzt fast gar nichts mehr, schaut sie an, und sie ignoriert ihn. Dann stürzt sie sich in steilem Flug hinunter in die Schlucht zwischen den Palästen, und er jagt sofort hinterher. Du störst jetzt niemanden mehr, also holst du das Brett und bohrst im letzten Licht des Tages fünf Löcher.

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Die räudige Mähre an den Abdecker verkaufen

Ich hatte mal mit der Financial Times direkt zu tun. Da hatte ein Spirituosen- und Muckemilliardär für einen von ihm bezahlten und - wie später bekannt wurde - am Rande des Kriminellen geführten Verein mit einem brunzblöden Editorial die transatlantischen Beziehungen in einem recht sensiblen Umfeld an den Rand der Katastrophe gebracht. Erst als sein Untergebener in Europa angekrochen kam und alles ein Missverständnis sein sollte, renkte sich das wieder so weit ein, dass am Ende zumindest das jetzige Bundeskanzler (das Sun-Seite1-Girl) sich nicht zu schade war, diese Organisation zu hofieren - angesichts der weiteren Entwicklung des Vereins mal wieder ein Griff ins Klo.

Damals schrieb ich ein grosses Feature über die Kräfte, die das transatlantische Verhältnis ruinierten, sei es mit den sinnlosen Programmen auf Kosten der Berliner Republik zum Erhalt ihrer Stellen (1,4 Mitarbeiter pro handverlesenem Gastaufenthalt der Kinder der Freundeskreise der leitenden Mitarbeiter, ein Buttler und am Abend ein Stripper oder ein Freudenmädchen wäre billiger gewesen), oder eben Brachialcholeriker wie obiges Beispiel. Nachdem sich alle Welt fragte, wie die FT so einen Dreck abdrucken konnte, hakte ich bei einem ehemaligen Mitarbeiter nach. Und bekam eine Antwort. Die mich zart lächeln lässt, wenn ich heute vernehme, es gäbe in den Topmedien noch unabhängigen Journalismus, und problematisch wären allenfalls schweissflecklöschende, freie Mitarbeiter.

Insofern freut mich heute die Meldung, dass die Mutterfirma der FT, das Verlagshaus Pearson, den Verkauf der FT nicht mehr ausschliesst. Vermutlich werden da längst Zigarren an den Kaminen der britischen Private Equity Firmen geraucht. Ein, zwei Namen mit einem hübschen Portfolio, die für anstehende Exits gute Presse bräuchten, fallen mir da ein, zumal die Kosten für so ein schlingerndes Flackschiff mit Geldlecks und Wasser bis ins erste Kanonendeck nicht mehr allzu hoch sein dürften. Und der deutsche Ableger, der bislang enorme Verluste eingefahren hat, könnte dann den Beweis antreten, dass sie Wirtschaftskompetenz und Neoliberalismus bis zum im Strassengraben verrecken nicht nur abdrucken, sondern auch praktizieren: Ab mit den Leuten zu Hartz IV und ein bodenloses Fass weniger in den Bilanzen von Pearson und G+J.

Und bitte: Bei den abartig miesen FTD-Bloggern anfangen.

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Claim 2.0 für bedohte rechte Tierarten

Freies Denken
ist bei Panik nicht so leicht.
Freie Märkte
können sich auch mal gegen Handlanger der Rechtsextremisten entscheiden.
Freie Menschen
bleiben meist frei, wenn es nur um einen Zivilprozess geht.

Nachtrag: Ein Benutzer des Claims, ein A.H. aus B. (nein nicht der A.H. aus B., ein anderer), hatte es gerade nötig, mich um Geld anzubetteln - offensichtlich geht eine Domainregistrierung über seine lausigen finanziellen Verhältnisse. Arme Sau.

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Sehr zu empfehlen - Der Wintergarten

Reichtum, sagt ein altes Familienspruch dieses Clans, der nicht immer wohlhabend war, Reichtum ist die Kunst, aus Nichts etwas zu machen. Und aus wenig viel zu machen. Meine Vorfahren also stellten sich hin, kauften neben dem Stadtpalast und dem Dienstbotenhaus schräg dahinter auch noch einen Hof und bauten - schwarz natürlich, schliesslich befinden wir uns in Bayern - einen Anbau. Aus der Luft, wie es bei uns heisst, gewannen sie 45 Quadratmeter und eine ebenso grosse Terasse für das Piano Nobile, in dem sie wohnten. Ebenso schwarz errichteten sie dann in den 50er Jahren, stilecht aus massiven Trümmersteinen, einen Wintergarten, eine Erinnerung gewissermassen an die schlimme Zeit, die manche von ihnen im Heimatland der Wintergärten, in England, verbracht hatten. Damals war es ein Verbrechen am Stadtpalast, aber: Die Denkmalbehörden trugen ihn in den 70er Jahren ohne Murren ebenfalls als Denkmal ein. Wieder 8 Quadratmeter aus der Luft gewonnen.



Deutschland hat es nicht so mit Wintergärten. Dabei sind solche - heute würde man sagen Parasitenbauten - eigentlich hochmoderne Raumideen in den dicht verbauten Ballungszentren. Und gerade in einem Winter wie dem letzten und seinem elenden Ausklang wäre ein Wintergarten, der sich nach einer Stunde Licht sommerlich aufheizt, eine schöne Sache gewesen. Draussen genug, um die Dunkelheit zu vergessen, und soweit drinnen, um warm zu sein. Man kann ihn immer brauchen, ausgenommen Hochsommer. Morgen kommt das Glasdach drauf, und nächsten Winter Herbst Spätsommer (falls es den geben sollte) ist es dann soweit.

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Montag, 24. April 2006

Missgeschick vor dem grossen Regen

Dass ich den Spiegel, den kleinen mit den klassizistischen Bordüren, dringend gebraucht hätte, begriff ich nicht, als ich ihn schon fast genommen hätte, sondern erst, als ich daheim vor dem Wandstück stand, an das er gepasst hätte. Wenn der Regen nicht gekommen wäre, häte ich sogar nochmal vorbeigeschaut. Habe ich aber nicht.

Spiegel sind wundervolle Antiquitäten. Im Prinzip passen sie fast immer, sie sind nützlich, machen Räume hell und weit, und wenn doch nicht mehr passen, findet sich immer jemand, den man damit beglücken kann. Und die Restaurierung ist meist nicht weiter problematisch. Ganz im Gegensatz zu Möbeln.



Stühle zum Beispiel sind hart. Im Originalzustand ist der Bezug und das Polster meist am Ende. So auch beim Exemplar links. Dass es dennoch seinen Weg in den Stadtpalast gefunden hat, verdankt es der Form, die nah am zweiten Stuhl ist, dessen Pimpung hier bereits Thema war. Die Zargen sind gleich geschwungen, die Lehne ist ähnlich, wenngleich qualitativ bei weitem nicht so herausragend wie beim Gegenstück. Die gedrechselten Beine muss man mögen, das Furnier ist dagegen unstrittig schön, und statisch betrachtet fehlt nichts - kein Wackeln, keine losen Verbindungen, und ein gebrochenes Bein wurde sauber wiederhergestellt. Ein paar Wurmlöcher, ein paar Macken dürfen schon sein bei einem späten Biedermeierstuhl, der mit 20 Euro nicht teuer war. Noch ein Brocken Arbeit. Als stünden in den nächsten Monaten nicht 16 weitere Räume an. So langsam verstehe ich, wieso dieses Haus vor 100 Jahren vier Dienstboten hatte.

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Das Beschissene am Familienministerium ist

dass man da so gut wie nichts tun kann, um zurücktreten zu müssen - ausser, man greift zu handelsüblichem Nepotismus. Aber Bestechung kommt da nicht vor, Kontakt zu Waffenlobbyisten, Bordellbetreibern und Farmbesitzern in Afrika ist unwahrscheinlich, und die Rechtsauffassung, dass die Kirchen verfassungsfeindliche Organisationen wären, hat sich trotz derer Druckwerke bislang noch nicht durchgesetzt - also ist auch deren Unterstützung bislang kein Anlass, die aktuelle blonde Peinlichkeit zwingend zu beenden. Noch nicht mal Mutterschaftsurlaub ist zu erwarten.

Actually, we´re fucked. Bloss gut, dass es der Geburtenrate nichts bringt.

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Dies Irae

Heute versuche ich, meiner Mutter den Computer, das Betriebssystem und das Textprogramm nahe zu bringen, Thema Seite einrichten, Vorlagen suchen, Brief schreiben und ausdrucken.

Nur falls sich jemand wundert, wenn ich die nächsten Tage keine Lust auf Rechner und Netz haben sollte.

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Sonntag, 23. April 2006

Stichwort Werbende Beiträge & Provokateure

Nachdem das jetzt ein paar Mal im Laufe der Zündfunk-Sache passiert ist, ein kleiner Hinweis: Ich habe inzwischen nicht mehr viel Verständnis für irgendwelche Selbstdarsteller, die im Rahmen derartiger Debatten meinen, für ihre eigenen Zwecke, Profilneurosen und Egotrips Werbung machen zu müssen. Sowas, ganz gleich ob es nun ein Turi oder anonymer Feigling ist, fliegt hier und an der Blogbar in Zukunft ohne weitere Debatte raus. Derartige Gestalten sollten also, wenn sie weiter mitspielen wollen, sich ihre Linkspammereien gut überlegen.

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Wie man in der Provinz nie ankommt,

auch wenn man sich alle Mühe gibt. Ein Erklärungsversuch.

Gestern Nacht war ich kurz mit Iris aus. Ich hatte mal wieder ein Konzert geschwänzt, und so den neuesten Tratsch über den Tennislehrer, die Tochter, ihre Mutter und deren Schwangerschaft verpasst. Iris wäre gestorben, wenn sie diese Geschichte über die ex-angeheiratete Verwandtschaft nicht losgeworden wäre. Also trafen wir uns in einer recht modernen Bar, derer die kleine Stadt einige besitzt. Das Ding ist normalerweise sehr leer, nur am Freitag und Samstag Abend erfüllt es so eine Art Überlauffunktion in der mit ausgehsüchtigen Landtritschn* und Elite-Studenten überfüllten Innenstadt. Am Nachbartisch sass eine Clique in Casual Business Wear, die unsereins sofort als fortgeschrittene BWL-Kids erkennt, blass, etwas eingefallen und laut; kein Wunder, in den letzten Tagen waren mal wieder Examen.

Während mir Iris also aufzählte, wen der Tennislehrer schon alles beglückt haben soll und dabei auch nicht mit pikanten Details über andere Clans der besseren Gesellschaft sparte, wechselte am Nachbartisch das Gesprächsthema zum anstehenden Golfturnier, zur eher mauen Anmeldung und dann auch zur Frage, warum das eigentlich immer so isoliert ist, in dieser Stadt, vielleicht ist es auch manchen peinlich, hierher zu kommen, andererseits gehe auch so wenig mit den Leuten und Firmen vor Ort, ausser dem Autokonzern, dem global Player, aber sonst, ach, es ist nicht leicht, hier anzukommen.

Nun interessiert mich das gestörte social Life hierher verschlagener Upper Middle Class Young Generation so gut wie gar nicht, wenn mir Iris von den panischen Vertuschungsversuchen einer Familie erzählt, die schon mein Urgrossvater nachweislich als gschtingads Gschleaf vom Glosscheamviadl** diffamiert hat. Umgekehrt behaupteten diese Leute, deren Stammhaus mit seinen lunpigen 2 Geschossen und der 3-Fenster-Front noch heute von der Schmach ihrer niedrigen Herkunft kündend an der Strasse raus zu dem Dreckskaff steht, von dem sie zugezogen sind, diese Brunzkacheln*** also sagen, wir, die Stadterer, hätten damals minderwertiges Brot an Bauarbeiter verkauft. Dennoch, das war gestern Abend, gerade heute tröpfelt es vom sagenhaft blauweissen bayerischen Himmel, und so will ich heute für alle, besonders aber für Golfturnierorganisatoren erklären, wie das geht, mit dem Nichtankommen in einer bayerischen Stadt.

Es ist nämlich so: Die kurzen Zeiträume von 4, 5 Jahren, die sich die typische Elitesse und ihr männliches Gegenstück hier aufhalten, reichen weder zur Gründung einer Tradition noch zur Erkenntnis dessen, was Tradition bedeutet. Würden sie die hiesige Tradition von dem unterscheiden können, was nur wie Tradition tut, liesse sich manches vielleicht beheben - schliesslich kommen die meisten aus einer national homogenen Schicht, und die Sprachbarrieren sind in meiner Generation praktisch weg. Wenn ich normal rede und nicht den Bayern einschalte.

Aber dazu dürfte man, wie bei diesem studentischen Golfturnier, nicht alles falsch machen, was man falsch machen kann. Es beginnt mit der Auswahl des Platzes. Der gehört nicht in diese Stadt, sondern liegt westlich davon. Und gehört zu einem Landkreis namens Neuburg. Als Autokennzeichen hat dieser Landkreis ND, was nach gängiger Auffassung für NationalDepp steht. Die Raserduelle auf den Landstrassen gegen die NationalDeppen sind der letzte Ausfluss einer jahrhundertealten politischen und religiösen Feindschaft zwischen den beiden Städten. In diesem Landkreis ein Turnier abhalten, das nach der anderen Stadt benannt ist - das ist mehr als ein Fehler. Das ist eine Sünde.

Nun steht der Golfplatz zu allem Überfluss auch noch unter der Fuchtel der Wittelsbacher. Das mag international gut ankommen bei neureichen Amerikanern und sissigeilen Japanern. Über den Ruf dieses Clans gerade in dieser Ecke Bayerns sollte man sich aber keine Illusionen machen. Die Wittelsbacher stehen seit dem Ende des hiesigen Teilherzogtums für konsequente Benachteiligung dieser Stadt. Gegen die Schweden und die Österreicher hat sich die Stadt wehren können, aber nicht gegen den Zentralismus und die Obrigkeit aus München. Beim Namen Wittelsbach tut sich hier bei uns gar nichts, die sollen wieder in ihre Boazn bei Aichach gehen - aus Aichach nämlich kommen sie, was noch schlimmer als die NationalDeppen ist.

Dergestalt das Problem erkannt habend, wenden wir uns nun dem Programm zu. Nach der ersten Runde Golf geht es zur "Bavarian Night" in ein Lokal, das als "eines der ältesten Brauhäuser" beschrieben wird. Es handelt sich dabei um das wahrscheinlich übelste Touristendisney, das die Stadt zu bieten hat. Der schlechte Ruf kommt vor allem daher, dass es eben nicht alt ist, sondern brandneu: An seiner Stelle war früher die als Suffschuppen bekannte Discothek "Why not", die bei Eltern und Kindern gleichermassen übel beleumundet war. Da ging von uns niemand hin, das war ein ganz mieser Laden, und erst, als er - vielleicht durch das alkoholische Aussterben seiner Suffköppe? - weg war, wurde dort besagten "Brauhaus" hineinkonstruiert. Echt wie ein Pappbayer auf dem Tokioter Oktoberfest, und mit einem Glockenspiel ausgestattet, das nicht nur eine Lärmbelästigung, sondern auch der Gipfel der Geschmacklosigkeit einer Stadt ist, in der man heute noch lebensgrosse Porzellantiger in die Wohnzimmer stellt.



Kurz, in diesen Laden geht keiner, der auch nur ansatzweise Ahnung von dieser Stadt hat. Die Grünen (!) machen dort ihren politischen Aschermittwoch, so lebensecht ist das dort. Übernachtet wird dann in diesem Hotel, ein schwarzoranger "Kult"-Komplex, dessen positives Merkmal in seiner Lage weit draussen an der Ausfallstrasse zu finden ist - sollte es in dem umliegenden Blockgettho, der Antwort dieser Stadt auf Berlin-Marzahn und München-Hasenbergl, zu Unruhen kommen, ist man wenigstens schnell weg. In dieser plebsbewohnten Ödnis und dem darin liegenden Sushi-Restaurant findet in der folgenden Nacht auch die - nicht mehr "bavarian" - Abschlussparty statt.

Davor, am gleichen Tag, werden die Newbies statt zum Golfen in ein Factory Outlet Center verfrachtet, nah bei den idyllischen, wohlriechenden Raffinerien der Stadt. ""Ingolstadt Village, die Chic Outlet Shopping Sensation in Deutschland" nennt sich die Retortenanlage, gegen die und die investmentgeilen Stadtväter die Staatsregierung einen langen, aussichtslosen Kampf geführt hat. Dort, in der halbfertigen Shoppingeinöde, kann man das erwerben, was es eben in den internationalen Outlets so an Geschmacklosigkeiten zu Supersonderkonditionen gibt. Das ist sicher interessanter als irgendso eine weltberühmte Rokokokirche oder eines der feinsten Beispiele für spätmittelalterliche Profanarchitektur.

Kurz, man schleift die internationalen Gäste durch ein brandneues Universum, das überall von Karatchi bis Houston, Texas stehen könnte. Zielsicher wird nur das angesteuert, was nichts, absolut nichts mit der Region zu tun hat, in der man sich befindet, abgesehen vielleicht von den Sickos in der Stadtregierung, die in globalised markets die challenge taken wollen. Man stelle sich vor, in Oxford würde man Gäste in eine Shopping Mall mit 50% off, in ein Hollywood Hotel an der Autobahn, auf einen von Saudis betriebenen Golfplatz in der Pampa und in die nagelneue Neppkopie eines Pubs mit Old-Bailey-Glockenspiel schleifen, in der sich ausschliesslich schmerbäuchige Touristen aus Liverpool herumtreiben, und sie dann nötigen, Bowlerhüte zu tragen - aber genau das ist es, was hier an dieser Stadt und ihren normalen Bewohnern vorbei veranstaltet wird. Ich habe nichts dagegen, so haben die ihre Reservate und kommen mir erst gar nicht in die Quere.

Aber hey, aus Sicht des Bewohners sieht es so aus: Wenn es mit solchem Kitsch angibt wie ein Proll, wenn es einkauft wie ein Proll, wenn es feiert wie ein Proll und wohnt wie ein Proll mit halbnackten Weibern an der Decke - dann ist es vielleicht auch ein Proll. Es ist sehr wahrscheinlich, dass es das Leben zukünftiger multinationaler Sachbearbeiter vorweg nimmt, die überall auf das immer gleiche, für sie erfundene Umfeld treffen, neu, sauber, ohne Vergangenheit und Tradition. Allein schon, weil sowas in seinem dummen Prolltum nie dauerhaft gewünscht wird, nie irgendwo eingeladen wird, daheim noch nicht mal vorzeigbar ist, selbst wenn im Wohnzimmer Porzellanleoparden stehen und Mamas Bauch sich obszön vom Return auf des Tennislehrers Spermaaufschlag wölbt.

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