: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Sonntag, 7. Mai 2006

BWV 140, später









Für I.G.

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Neue Freundinnen und alte Bekannte

Mit angehenden Freundinbloggern kann man sich hier direkt auseinandersetzen, denn noch sind sie nicht tits up gegangen und verteidigen das, was sie machen, auch wenn es eine billige Nummer* ist. Daselbst auch Neues von Jung von Matt, den Klowandverfolgten der Weisspulverbranche.

*Update: Siehe auch die Kommentare, wo sich gerade jemand um Kopf und Kragen kommuniziert. Da schläft Herrn Burdas Blogkrisentaskforce, mag mir scheinen.

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Samstag, 6. Mai 2006

Der Himmel über der geistigen Wüste

oder: Moralisches, all zu Moralisches, gar Doppelmoralisches zum Tee

Man mag es kaum glauben, aber schwerer Heuschnupfen hat auch so seine Vorteile. Man kann zum Beispiel berufliche Termine, die voller Druck vor einem stehen, bequem verschieben, und sich angenehmeren Dingen widmen. So zum Beispiel diesem vorzüglichen Heuschnupfentext von Madame Modeste. Es ist das Allergiker-Äquivalent des hochgeehrten Messer Boccaccios Einleitung zum Decamerone, der darin die Pest behandelt, nur um dann 7 anmutige Frauen und 3 aparte Herren zum 10 mal 10 plus 1 geheimene Geschichten erzählen zu lassen. Würde Madame Modeste in 11 Tagen nun auch 101 Novellen, oder von mir aus, widerwillig, auch nur ein Heptameron folgen lassen, wäre die Frage der Sommerlektüre, die ja nie eine leichte ist, geklärt.

Es steht aber zu befürchten, dass es so viele Geschichten nicht werden. Da ist es schön, in den Blogs ausweichen zu können zu einer Dame, die auf englisch schreibt und den grandiosen Begriff "low fuckability ratio" für eine mir bekannte Bar in meinen Wortschatz gebracht hat. Ich werde mich hüten, diese Geschichte zu verlinken; manch Pflänzchen soll im Verdorb äh Verborgenen seine zarten Blüten treiben, aber es gibt sie, die edlen Damen, die einen mit dem tristen Dasein fern der Zivilisation versöhnen.

Entfliehen wäre leicht, mit einem Cabrio ohne Heuschnupfen, ab nach Italien, es sind von hier aus gerade mal 258 Kilometer, halb so weit wie nach Berlin, und endlich mal ein Reiseblog führen, das den Namen verdient - auf Stendhals, Heines und Eichendorffs Spuren. Statt dessen eben der Katzenjammer, das weinerliche Selbstmitleid, die Schandtaten, die man sich nur in diesem Dämmerzustand zwischen Leben und Siechtum leisten kann: Ein ganzes Glas Schwarzkirschenmarmelade zum Tee löffeln. Pur. In 20 Minuten. Geht schnell. Oder daran zu denken, dass beim offenen Fahren auch andere Gefahren lauern, die hier beschrieben sind. Und sich dann aus der Matratzrngruft wühlen, zum Hutmacher der Familie seit 5 Generationen gehen, in diesen wunderbaren Laden mit dem Flair der 20er Jahre, und sich eine Cabriomütze aus braunem Cordsamt kaufen. Für die Italienreise.



Bäh, wird die Leserschaft sagen, dieses Ekelpaket wollte ich soeben noch bemitleiden, und dann sowas, Marmelade silberlöffeln und dem Land, wo vielen Hartz IV blüht, mit einem spritsaufenden Monster entgehen. Noch was? Eine vielgeschmähte Elitesse auf dem Beifahrersitz? Papas unlimitierte Scheckkarte? Und die Ausrede, dringend in die Berge zu müssen, 2000 Meter hoch hinauf, wo es keine Pollen mehr gibt? Ihr seid herzlos. Aber, das muss ich Euch lassen: Ihr habt gute Ideen! Einmal dem - wirklich sagenhaften - Himmel über dieser geistigen Wüste hier entgehen, das wär´s.



Das Dunkle da auf dem Bild, was so aussieht wie die Chartkurve eines Startups, in das brunzblöde Neoconnards ihre paar erbärmlichen Kröten versenken, ist übrigens der Stadtpalast. Genauer, ein oberer Teil davon und das Dach, die unteren Stockwerke und das Hinterhaus kann man mit einem normalen Objektiv eigentlich nur aus der Luft knipsen. Das da rechts oben, das Geländer vor dem letzten Absturz, ist die Dachterasse, von der die Bilder normalerweise kommen. Wenn ich das mal so sagen darf. So vertraulich. Eigentlich wurden wir uns ja nicht vorgestellt. Wir schieben es einfach mal auf die Überdosis Antiallergikum. Und die Sauerkirschmarmelade, von der der Hersteller behauptet, es wäre Konfitüre. Depp in meine Augn. Und nun zurück zur Matratzengruft.

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Real Life 04.05.06 - Die NichthartzIVReise, Teil II

Da steht dieser Crossfire, breit, schwarz, niedrig, energiegeladen, und kommt nicht weiter. Das hat man davon, wenn die Karre niedriger als ein mittleres Kind ist, im Gedränge geht sie unter. Und die Stelle am Ausgang des Wochenmarktes ist sehr eng, da herrscht viel Gedränge. Endlich hat eine Mama ihren Kinderwagen beiseite geschoben, da beugt sich das nächste Muttervieh zur Seite, packt ihr Balg, schiebt es vor die Karre mitsamt dem darin kochenden Jungdynamiker, zeigt darauf und sagt; Schau, was für ein tolles Auto. Oh ja, sagt das Balg, geht hin und tatscht drauf rum. Drinnen platzt einer vor Wut.

So wie vorgestern Abend, als du endlich, nach langer Schleichfahrt, in München angekommen bist. Kurz vor dem Tagungsort ist dieser dunkelgrüne Jaguar an dir und deiner Begleiterin vorbeigeprescht, um dann vor der Tiefgarage des Hotels eine Vollbremsung hinzulegen. In der Einfahrt steht ein Mercedes Cabrio, und an dessen Lenkrad klammert sich eine recht auffällige Frau orientalischer Herkunft, die offensichtlich mit den Rasern auf dieser Strecke überfordert ist. Sie schaut sich immer wieder um, fährt etwas an, bremst, rollt zurück, schaut wieder, und als der Jaguarfahrer dann auch noch hupt und nebenbei ein paar japanische Touristen erschreckt, verliert sie endgültig die Nerven, schreit etwas, das wenig fein klingt, und gibt bei nächster Gegelegenheit richtig Gas, eine Kalligraphie in schwarzem Gummi auf dem Aspahlt hinterlassend. Der Jaguar nimmt einem Radler die Vorfahrt, und donnert in das schwarze Loch der Einfahrt. Sind die hier immer so drauf, fragt Iris, und du sagst: Immer. Willst du wirklich da rein, oder sollen wir nicht doch lieber raus nach Starnberg und Essen gehen?

Ein Portier nimmt euch die Entscheidung ab und sagt, wo die verbeulte Karre hin soll. Du parkst zwischen einem Audi A8 und einem wenig dezenten Ferrari ein, und noch bevor du Iris sagen konntest, beim Aussteigen vorsichtig zu sein, die Tür schwingt leicht auf, klackt die schartige Kante des Fiatbleches an das polierte Pininfarina-Rot irgendeines durchlöcherten Prollspoilers, derer der Ferrari viele besitzt. Dieses eine Mal gewint der Barchetta-Hersteller Maggiora - mutmasslich - vollplastisch gegen die verhasste Konkurrenz. Du lässt also die Handbremse los, der Wagen rollt etwas zurück, so dass die kleine Verformung nicht an der Stelle ist, wo die Tür aufgeht. Iris nimmt es locker und bemerkt, dass die mit ihren Eltern befreundeten Ferrarihändler sowieso eigentlich davon abraten, sowas zu kaufen.

Auf dem Weg zum Aufzug kommt der Jaguar von vorhin wieder vorbei, schneidet euch und fährt in eine Parklücke. Du drehst dich nicht um, hast du einen gesehen kennst du alle. Hinten klappt die Tür, kurze schnelle Schritte, die Wichtigkeit vortäuschen. Dabei seid ihr erst 40 Minuten zu spät, allenfalls die Key Notes und die Schleimerei für die zahlenden Machthaber habt ihr verpasst, das Buffet macht erst in einer halben Stunde auf, frühestens. Ihr tretet in den Aufzug, aber der Liftboy wartet noch, und dann hetzt, die Einladungskarte schwingend, auch noch der Herr der Hupe in die mit sanftem easy listening akustisch ausgeschlagene Marmorspiegelkabine.

Er ist gnomenhaft klein, wegen seiner - hierzulande nicht atypisch - kurzen Stummelbeine, das dunkelblaue Hemd ist einen Knopf zu weit offen, das Goldketterl hat er vielleicht zu Hause gelassen, und zum Friseur hat er es auch nicht mehr geschafft. Der hätte ihm beim Rasieren auch den Hals durchschneiden können, um ihm den Auftritt im senfgasgrünen Pepitasakko zu ersparen, das nicht in der Lage ist, den Spitzbauch ganz zu umschliessen. Nichts an ihm lässt aber auf die fraglos angebrachte Erkenntnis schliessen, dass er seine besten Tage längst hinter sich hat. Mit einem Schnauferer greift er nach hinten an die schwarze Hose und zieht sie hoch, so dass sie logischerweise vorne nach unten sinkt und Teile des wenig sorgsam hineingestckten Hemdes zum Vorschein bringt. Er schiebt vorne die Hemdschösse wieder rein, zerknittert bei der Aktion die Einladung, starrt euch dann an, entdeckt eure Einladung und sagt: Ah, se san a aufm Weg zua Supawichtig Late evenenig Lounge des Digital Brunzbiesl Summits?, steckt zu dir seine Pranke, die gerade aus der Zwischenhölle von Hose und Wanst kommt, überlegt es sich unter Zuhilfenahme seiner Restkinderstube - oder vielleicht des Benimmseminars? - nochmal anders und leitet sie in Richtung Iris um, die dieselbige vorsichtig wie eine scharfe Handgranate mit den Fingerspitzen berührt - aber erst, als die Hand schon fast zum Tittengrapschen übergeht.

Es wird nicht besser, Freunde. Teil drei kommt morgen.

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Freitag, 5. Mai 2006

Verkettung unglücklicher Umstände

Zu spät daheim, zu lange draussen geredet, Hustenanfall, keine Tablette, Asthma, Tablette zu spät, wach bis um 7, schlecht geschlafen, Migräne, weiter Husten, Kopf im liquiden Zustand, Fahrt nach Nürnberg und Auftritt abgesagt, hier geblieben, Tag verpennt, dann am Abend kurz raus und unter diesem Himmel,



darunter im Hof qualmt & stinkt es erbärmlich, weil die Elitessen den Beweis antreten, dass sie zur besten Hausfrauenmusik der 80er, 90er und den Pesten von heute noch nicht mal grillen können. So wird das nix mit dem Hausfrau und Mutter werden nach dem vergeblichen Versuch, beim Middle Management unterzukommen. Üben. Aber bitte woanders.

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Der Teufel ist ein Eichhörnchen

Im Leben eines notorischen Teetrinkers gibt es eine Reihe von Gefahrenquellen, die auszuschliessen sind:

- Kein Tee im Haus (hier sind mindestens vier Sorten)

- Die Teekanne zerbricht (Ich habe zwar zwei Teekannen aus Porzellan, verwende sie aber nicht. Statt dessen habe ich 7 Silberkannen, jeweils eine für die 3 selten getrunkenen Sorten, eine für Pfefferminztee sowie 3 in verschiedenen Grössen für den Standardtee)



- Die Tasse zerbricht (ist in den letzten Jahren nicht passiert, würde jetzt aber bei 2 Services a 12 und 1 a 8 und 1 a 6 Personen nicht den Nachschub stoppen)

- Der Wasserkocher geht kaputt (Hat er gerade getan, als das Wasser ungefähr 80 Grad warm war. Dabei habe ich enorme Kopfschmerzen, Nachwirkungen von gestern Abend. Und natürlich keinen Wassertopf. Der Tee ist gerade eben geniessbar.)

Der Teufel, wie gesagt, ist ein Eichhörnchen.

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Goya II

Schon als ich die Werbung für "Belle et Fou" sah und erfuhr, dass es kein - in Berlin immer gehendes - Grossbordell mit schlauem Marketing war, wusste ich, die sind auf Goyas Spuren. Sie haben auch überzogene Preise, für die 69 Euro Eintritt bekommt man in Berlin andernorts horizontalen Stundensevice, sie haben eine Seite mit Flash-Intro, und sie haben Kronleuchter, und der Laden hat 5 Millionen gekostet. Beste Vorraussetzungen für einen armen Provinzler wie mich, der für den Stadtpalast noch 23 Kronleuchter braucht, abzüglich der Exemplare, die ich vielleicht aus dem Goya bekomme. Es kann nur ein paar Wochen dauern.

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Real Life 04.05.06 - Die NichthartzIVReise, Teil I

Sie kommt gleich, sagt er. Und mustert wenig angetan das Auto. Er weiss nicht, was er davon halten soll, vom Roadster, von dir, vom Trip nach München, der familienintern als Versuch, irgendwie eine geregelte Arbeit zu bekommen, ausgegeben wird. Es gibt durchaus Freunde in der Stadt, über die man etwas erreichen könnte, es hätte halt nichts mit dem Studium zu tun, aber halbtags irgendwas, da findet sich schon was, und vielleicht auch ein befreundeter Sohn, der ihr den Kopf wäscht und das mit der Ehe nochmal mit ihr übt. Man würde sogar jemand akzeptieren, der nicht ganz aus der Scjicht kommt und noch kein Abo beim Konzertverein hat. Trotz deiner idealen Vorraussetzungen auf dem Papier kommst du auf diesem Heilsplan nur als das nacheheliche gschlamperte Verhältnis vor, das einzuladen man, ups, wie könnte das passieren, das tut uns so leid, vergessen hat.

Umgekehrt weisst du zu viel über ihn und die Familie. Dunkelvioletter Lacoste-Pulli beim Rosenschneiden an der Einfahrt für S-Klasse und Shopping-SUV, das geht gar nicht. genauso wie Gespräche zwischen jemanden, der 18 Jahre woanders war und einem, der hier in einem Haus und in einer Firma mit einer Frau Karriere gemacht hat. Die Welt ist was für Vertriebler, drei Wohnsitze statt der sicheren Nachfolge im provinzfamiliären Clan ist was für Zigeuner oder Playboys, bekanntermassen eine in mal in Lissabon, dann wieder Berkeley und gerade in Südspanien lebende Freundin haben und trotzdem mit seiner Tochter nach München fahren ist unsittlich, mindestens, und dann auch noch in diesem verbeulten Roadster, aber sie ist auch über 30, da kann man ihr nicht mehr einreden.

Du plauderst mit ihm über den Garten, an dem drei Generationen gelangweilter Ehefrauen ihren Frust abgearbeitet haben und betonst, dass diese Pracht nur durch Alter und Kontinuität zu erreichen ist, nichts kann das ersetzen, so wie bei den K.s, die ihrem Sohn bei deinen Eltern um die Ecke zwar 1300 m² gekauft und eine Villa hingeklotzt haben, aber trotz aller Bemühungen eines Landschaftsarchitekten sieht es einfach, eana deaf Is sogn, wirst du vertraulich, so gschissn aus wia da neie Rodhausplods. Die Abendsonne scheint, eine Amsel zerrt einen Wurm aus dem schwarzen Boden der Tiefebene, das Leben ist schön, und die Treppe herunter, eine viertel Stunde zu spät, kommt Iris, in leicht, hell, durchscheinend und frühlingshaft. Das letzte Angebot, doch den schwarzen 500er zu nehmen, lehnst Du charmant ab, und dann geht es los.

Fahr nicht so schnell, jammert Iris, als es sie schon bei Tempo 90 durchbläst. Ach komm, beruhigst du sie, das passt so, du wirkst dann nicht so streng, eher so, als hättest du gerade Sex gehabt, sowas kommt da an, glaub mir. Don, verweist sie dich, ich will aber nicht wirken wie deine alten PR-Huren. Was weisst du schon über meine - setzt du an, aber da fällt dir ein, dass sie tatsächlich was darüber weiss, viel sogar, du und deine grosse 2001er Munich Area Klappe, also hältst du den Mund, gehst runter auf 75 und lässt dich von Familienvätern überholen, deren grösster Traum, nach ihrem verkniffenem Gesichtsausdruck zu schliessen, das Vorbeirasen an einem Roadster in ihrem weissen Opel Kombi war. Vor euch, in der Hochebene, liegt München, ein Abend und eine immer noch andauernde Geschichte mit einem senfgasgrün gekleideten Jaguarfahrer und seiner bekreuzten Gattin sowie viele andere Gestalten, deren Freakshow vorzuführen du irgendwann nicht umhin können wirst, im bald folgenden zweiten Teil.

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Donnerstag, 4. Mai 2006

Die Schlange legt zu Ehren der Schafe den Wolfspelz an

Heute Abend, Munich Area Auftrieb. Irgendein koksbedröhnter Faltenhaufen hat vergessen, mich aus dem richtigen Verteiler zu streichen. Ich muss sowieso hoch, danach drei Städte in drei Tagen, warum also nicht ein wenig Amüsement wie in den alten Tagen. Das Ministerium zahlt, Iris und die Rolex brauchen mal wieder etwas anderes als immer nur die Kleinstadt, es ist ein billiges Vergnügen, die paar Euro Selbstbeteiligung sind den Spass allemal wert, bevor es danach in die andere Richtung, zu den Tischen der ganz anderen geht. Eine Laudatio noch schreiben, hoffen, dass die Bleibe in der Munich Area später dann vorzeigbar ist, es wäre zwar auch ein Hotelzimmer mit inbegriffen, momentan steht sowieso alles leer und der Laden tritt als Premium Partner auf, aber man muss ja nicht alles mitnehmen, das überlässt man den armen Kollegen von der Hurenpresse, beim schönen, schnellen Leben mit den Stakeholdern des Success und der Future und des Dresscodes.



A hell of fun, you know I love you, Darling, an solchen Abenden, wenn draussen vor der Fensterfront die Sonne untergeht, da könnten wir uns mal chinchen, aber ja doch, noch einen Prosecco my Dear? Man könnte so viel tun an diesen Abenden, wo keiner den anderen kennt und trotzdem jeder networken muss, ran an die Schweine da drüben zum letzten Businessgefecht, schliesslich kommt man genau dafür her, nicht nur wegen der Eitelkeit und dem Zwang, das Dazugehören durch einen Auftritt zu manifestieren. Man muss Kontakte machen, wichtige Kontakte, den richtigen Mix finden aus Jung und Alt, Dynamisch und Besonnen, solider Basis und emerging market, eine Abmahndrecksau sollte dabei sein, ein Fondsjongleur, einer, der einen in der Topebene bei der Bank kennt und auch irgendwas Fickbares in Veilchenblau und dürren Füssen unter dem Rock, wenn´s sein muss auch mit dranhängender PR-Freundin in Medievil und Bestetagesindvorbei. Es ist alles so einfach, immer das gleiche, das einzige Problem ist die Farbe der Krawatte und der Knoten. Windsor, I suppose.

Und das Briefen der Begleiterin. Wir wollen ja nur spielen. Und wenn ich sage, dass ich gerade in der Vermögensverwaltung tätig bin, ist das noch nicht mal gelogen. Ach, werden sie sagen, wie kommt man denn vom Journalismus da hin? Tja, werde ich sie anstrahlen, das ist das Vorrecht der Geburt. Sie werden nicken, die dreisten Säue mit ihren weniger guten Lügen, bei dieser Behauptung, und ich werde hoffen, dass meine Finger wirklich frei von allen Acrylresten sind, die verraten könnten, in welchem abgeschliffenen Stadium sich die Verwaltung des Stadtpalastes gerade befindet. So ist es, das pralle Leben, die prallen Menschen, meine pralle italienische Haut mit ihren zwei Reihen und irgendwann, vielleicht, wird jemand kommen und das alles wegputzen, den stinkenden Morast, langsam wird´s echt Zeit, zu viele Häute, zu viel Gerberei und Pisse für alle die Wolfspelze, massgeschneidert für all die Idioten, die miesen Cretins mit der nuschligen Prollaussprache zwischen Hohenpeissenberg und Wolnzach, diese sogenannte Gesellschaft derer, die als einzige Leistung vorweisen könenn, dass sie auf der richtigen Liste sind.

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Ich will gar nicht erst anfangen,

in diesem Fall meine Befriedungung zu verheimlichen. Geschieht ihnen Recht, so schmählich aus der Blogosphäre zu schimmeln.

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Donnerstag, 4. Mai 2006

Real Life 03.05.2006/2001 - Die andere Seite

der Strasse ist gesäumt mit den ehemaligen Häusern der Professoren. Die Gebäude stammen aus dem späten Mittelalter, die barocken Giebel hat man erst später aufgesetzt. In den letzten Jahren wurde das Wohnen in der Altstadt modern; wer hier einziehen will, braucht viel Geld. Manche Studenten-WGs nehmen in dieser Ecke, kurz vor den hoch aufragenden Palästen der Kapuziner, der Franziskanerinnen und der Gesellschaft Jesu 180 Euro für ein 10 m²-Zimmer.



Das Kopfsteinpflaster leuchtet in der späten Sonne golden, als du zum Bäcker gehst. Am Eck, beim Tor, vor der Kneipe auf silbigren Aluminiumstühlen sitzt eine Gruppe von Beratern und assessmentgecenternden Nachwüchsern, eindeutig, die Hunde des Wirtschaftskrieges, diese Mormonenanzüge, die immer gleichen Haarschnitte, die dezenten Krawatten, die Haltung, fast alles Jungs, nur eine Frau ist dabei und auch die übersieht man leicht, weil sie der gleiche Typ ist. Du weisst nicht, warum die her schauen, du siehst sie nur aus den Augenwinkeln an, vielleicht ahnen sie, dass du trotz der weissen Hose, dem weichen, hellbraunen Sakko mit den Lederknöpfen, den altmodischen Budapestern und dem offenen, einfachen Hemd nicht immer so gewesen bist, vielleicht erfühlen sie deine schlammgrüne Anwesenheit wie du sie, du könntest sogar darauf wetten, dass es keine McKs sind, dafür sind sie zu auffällig, BCGs schon eher oder E&Y, da rennen sie so rum, Post Thermonuclear New Economy Meltdown Outfit, die McKs sind immer schwarz geblieben wie sie waren, aber die anderen verstrahlten Jungs, die hingen 2003ff. anzugtechnisch in den Modeseilen. Könnte auch sein, dass es welche aus der Munich Area sind, du schaust etwas genauer hin, aber du kennst keinen von denen, und die meisten sind ohnehin aufgebohrte Studis in den letzten Unitagen. Sofort kommt alles wieder hoch, die Luft schmeckt so wie vor fünf Jahren, als im Sommer alles schwarz wurde, so lang ist das schon her, also rein zum Bäcker, verdrängen, an die Semmeln denken und den Apfelkuchen, raus, nicht rüberschauen, oder doch, sie schauen schon wieder her. Vielleicht hätten sie etwas weiter hinterherschauen sollen, um die Ecke, denn da, wo ein paar typische Münchner Dienstwägen der gehobenen Klasse im Parkverbot stehen, wurde gerade aufgeschrieben.



C. hat in diesem Sommer vor 5 Jahren mal erzählt, wie sie eine Aufschreiberin angefahren hat. Ganz leicht nur. Blauer Fleck, mehr nicht. Hinter dem ersten Büros gab es keine richtigen Parkplätze, also haben sie sie täglich aufgeschrieben. Und eines Tages war der Wagen weg, abgeschleppt. Es ging C. nucht um das Geld, es ging um die Demütigung da raus zu müssen, in ihrer Freizeit, und es zu holen. Ein paar Tage später ging die altbekannte Aufschreiberin unvorsichtig an der Ecke auf die Strasse, und C. nutzte die Gelegenheit, sie mit Schwung ihrem Aussenspiegel vorzustellen. Danach ging es ihr prima. Es gibt einen gewissen Typ Mensch, der einfach nicht damit fertig wird, dass er sich unterordnen muss, wenn er wenige Stunden davor ein paar Dutzend High Potentials restrukturiert hat. C. war so ein Fall. Wenn etwas nicht möglich war und mit ihrem Willen kollidierte, musste es eben möglich gemacht werden. Letztendlich hat sie auch die kognitive Dissonanz umgebracht, die Mischintoxination war nur das Mittel zum Zweck. Im verfluchten Sommer des Jahres 2001.



In dem du fast nie den Sonnenuntergang gesehen hast. In dem die Tasks die Kontrolle übernahmen, in dem du dachtest, ihr könntet so punktgenau den Flug beenden, so sauber runterkommen wie die Taube auf dem Kamin, zum turteln. Die anderen haben eine Punktlandung hingelegt, senkrecht in den Boden rein. Du bist ausgestiegen. Das Beste, was man tun kann, solange man einen Fallschirm hat. Und den einzigen lichten Moment nach Monaten der Finsternis, in dem man begreift.

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10 Monate zur Bewährung und 30.000 Euro

für einen gewissen Herrn Hunzinger, wenn es dabei bleibt. Flowtex, wenn einem das noch was sagt. Und Liberale, die zeigen, was das Wort bedeutet.

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Yahoo boykottieren

Wer ist eigentlich so verrückt, diesem Kollaborateurkonzern via Flickr und Yahoo Mail seine persönlichen Dinge anzuvertrauen? Wie kann man diese

BÜTTEL DER CHINESISCHEN MÖRDER

unterstützen? Die lustige Welt von Yahoo wird erkauft durch die Ausforschung und Überwachung von Menschen, die sich gegen eine Diktatur wehren, die Opfer von Yahoo werden die nächsten Jahrzehnte in Gefängnissen sitzen, während die Bosse des Konzerns vom integrierten Web2.0 und den tollen Onlinemärkten faseln.

Zur Hölle mit dem Laden: STIRB YAHOO!

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Globalisierung einmal anders

In den 80ern gab es selbst in der kleinen, schwarzem Provinzstadt Läden, die Kaffee aus Nicaagua anboten, in schwarzen Verpackungen mit roten Sternen drauf. Ich persönlich fände es wirklich schön, wenn ich hier in Zukunft mit bolivianischen Gas heizen und mit venezuelanischen Benzin tanken könnte. Man könnte es ja entsprechend branden: Gas Simon Bolivar zum Beispiel - die warme Flamme der Revolution. Oder Bushsucker Petrol Corp.. Mit so roten Sternen und grinsenden Indios, die einen Gringo in den Toches treten, auf den Abrechnungen. Das wäre schön. Garantiert heuschreckenfreie Energie, bei der das Geld bei denen landet, die es brauchen können.

Das wäre sicher eine gute Sache. Sogar das andere Lager sollte umdenken. Wo doch selbst der dreckigste Neoconazi und die braunste Puppe eher die katholischen Herren Morales und Chavez und ihre christliche Bevölkerung mit deren auf die USA ausgerichteten Konsum unterstützen müsste, als arabische Despoten, die nach deren Weltbild mit unserem Geld nichts anderes tun, als Autos der europäischen Kriegsgegner zu kaufen, den terroristischen Islam zu unterstützen und nach der Atombombe zu streben.

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Mittwoch, 3. Mai 2006

Siesta

Die Sonne brennt das Leben aus den Strassen. Die Spiesser drücken sich schon wieder in den Schatten und blinseln missmutig den Himmel an.



Am Abend ist es dann zu spät, um noch etwas zu tun. Und zu kalt, um lange draussen zu sein. Wieder ein Tag verloren, für manche.



Unten herrscht Stille, irgendwo, hört man en passant, ist wieder ein Trauerfall in der besseren Gesellschaft gewesen, und die Elitessen lernen beharrlich für die nächste Prüfung. Es ist sehr still hier, abgesehen von der Amsel.

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Begehbar

Ab einem gewissen Alter hört man auf, intensive Alpträume zu haben. Manchmal wüsste ich gern, ob es zumindest bei mir die Folge einer Lebensentwicklung ist, in der ich meine Alpträume begehen und befahren kann. Und wie das bei denen ist, die weitab in den Vorstädten nie wissen, dass es noch diese anderen Welten gibt. Sie allenfalls bei heute oder RTLII sehen. Sehen und erleben sind zweierlei, es ist ein unüberbrückbarer Gegensatz.



Daheim sind sie alle so glatt, da sind keine Narben, keine Grate, keine Brüche, das Leben fliesst in engen Bahnen und alles, was nicht direkt den Lauf kreuzt, existiert nicht wirklich. Der Schmerz, das Unglück entzündet sich am Nichts, banal und leer sind alle Konflikte derer, die nie ahnen werden, wie es ist, hinter der Mülltonne jemanden mit der Spritze zu sehen, und die Testosteronstinker, die darüber hinwegsteigen auf der Suche nach einem weniger auffälligen, mit Sperma füllbaren, vielleicht risikoloseren Zerfallsprodukt unserer Gesellschaft. Daheim kennen sie auch nicht die Schüsse und das Tablettenproblem, das langsame Abgleiten in die Katastrophe, sie kennen nur die paar kleinen Skandale, und wann immer ich zurück komme von den Boulevards der realen Alpträume zu den traumlosen Schläfern, fühle ich mich unendlich alt und durchgeprügelt, ohne dass mich je ein Schlag wirklich getroffen hätte, denn es sind nur meine Alpträume und nicht die Realität derer, die darin vorkommen. Es ist manchmal nur eine Kreuzung im vorderen Orient, ein Wald in Ostbayern, drei Blocks in Frankfurt am Fuss der Türme oder eine noch immer nicht gelöschte Website, die von denen erzählt, deren Tod die Schläfer nie verstanden haben und auch nicht verstehen wollten. Und wahrscheinlich längst vergessen haben. Warum auch nicht. Sie waren nicht dabei, sie kennen es nicht, und es ist weder ein Verdienst noch eine Ehre. Es geht auch ohne den Tanztee mit den Erynnen im Separee der Erinnerung.

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Jetzt aber her mit den Kronleuchtern!

Die werden nun nicht mehr am Nollendorfplatz gebraucht: Die Party-AG Goya erlebt nach allen Schrecken des Krieges jetzt ihre finale Entdärmung und wird definitiv geschlossen - kein Weiterbetrieb, keine 2. Chance, und das Insolvenzgeld vom Arbeitsamt ist damit auch durchgebracht, die Mitarbeiter wurden gekündigt. Vielleicht macht jetzt wieder ein Pornokino in den Räumen auf. Bayern sollten allerdings nicht hochmütig auf Berlin herabblicken: Kaum weniger schnell platzen auch in der immer noch einzigartigen Munich Area ähnlich grosse Träume von den vergnügungssüchtigen Kunden.

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Montag, 1. Mai 2006

1. Mai Folklore

Zuerst kommen die Betriebsorchester, in dunkelroten Jacken und Blasmusik, danach die Funktionäre in ihren schlecht sitzenden Sonntagsanzügen, und die anderen Mitglieder, die auch nicht wirklich gesellschaftsfähig aussehen, Typus weisse Socken, gebügelte Jeans und kurzarmige Hemden unter dem Sakko, das sie sichtlich ungern tragen. In den Gliederungen ihrer Gewerkschaften marschieren sie auf, die Hauptstrasse hinunter, und manche Passanten schauen lächelnd zu, ironisch lächelnd, wenn sie gerade beim am Feiertag offenen Bäcker Torte gekauft haben. So ist das, am ersten Mai, und die Jugend hat einen grossen Wagen, von dem sie Robbie Williams spielen, let me entertain you.

Später werden einige dann das Wort ergreifen, von der Wichtigkeit, hier und heute Flagge zu zeigen, denen das Feld nicht zu überlassen und einen fairen Anteil zu bekommen, den die globalisierten Märkte schon lange nicht mehr einsehen, denn es geht ja auch anders. Ohne anspruchsvolle Typen, die am Paradeplatz in ihren Sonntagsanzügen Rechte einfordern, die längst abgeschafft sein sollten und auch nie da gewesen sein werden, in den Swaet Shops in China und den Young Professionals, die in ihren Türmen 80 Stunden die Woche leisten und das auch cool finden, Hauptsache, die Gratifikation ersetzt die Überstundenregelung. Und wenn die korrupten Drecksäue der Mediengossen, der Schleim, der Aussatz der Publizität, der wieder angekrochene pay-per-lie-Versager aus der New Rconomy das nur oft genug verkündet, für die 30 Cent pro Zeile vom Verlag und die 30 Euro fürs Catering, dann werden die das schon irgendwann schlucken. Denn es geht auch ohne Rechte.



Sage keiner, dass rechtlose Sklaven keine Qualität hinbekommen - der Turm etwa, gebaut von Fronarbeitern, aus schweren Buckelquadern, unter vielen Gefahren gehauen von Idioten, die keine andere Wahl hatten als sich unterzuordnen unter Herrschaft, Propaganda und Gewalt - dieser Turm zur Niederdrückung der armen Schweine steht bis heute. 800 Jahre, Qualität, Dauerhaftigkeit, zum Hohn für die Typen in ihren schlecht sitzenden Anzügen, die glauben, nur freie Partner in einem sozial gerechten System könnten dauerhaft solide Leistungen erbringen.

Also weg mit dem verlogenen Sozialquatsch, immer feste drauf auf diese lustigen Linksspiesser in ihren billigen Klamotten, die sich noch nicht mal richtig ausdrücken können, im Zug nach ihrer Blaskapelle. Was ist das schon gegen schlaues Marketing, was vermag es schon gegen geschickt platzierte Spezialisten, was hilft es gegen die Einflüsterungen in den Ämtern, Ministerien und Parlamenten.

Letztlich ist alles Markt, der reguliert alles, auch den Frust und den Ärger, das werden die schlecht angezogenen Leute schon begreifen, wenn sie hartzvieren. Der Markt entscheidet.

Und zwar spätestens dann, wenn einer von denen in einen von rumänischen Schwarzarbeitern errichteten globalisierten Glasturm, in die hübsche Vorhalle aus Marmor mit den lächelnden, vielsprachigen Empfangsdamen, einen wirklich farblich unpassenden Transporter mit einer Ladung Diesel und Dünger steuert. Manche Marktmechanismen - das werden die darüber arbeitenden globalen Leistungsträger möglicherweise noch merken - wie etwa die der sozialen Gerechtigkeit, lassen sich nie dauerhaft zurechtfälschen wie eine Studie, die die Forderungen der verachteten Leute mit ihrer Blaskapelle als überzogen einstuft.

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Provisionsfrei zum Erstbezug

und zwar direkt vom Eigentümer. Der an einer viel befahrenen Strasse in einer geschäftigen Grossstadt mit folgendem Spruch für sein Office Center wirbt.



Und das nun schon eine ganze Weile, mindestens ein halbes Jahr, ich glaube aber, es in seiner Powerpoint-Weisheit schon früher gesehen zu haben. Erfolg ist eine Frage von Qualität und Effizienz. Leerstand ist eine Frage von falscher Planung und überzogenen Mieten. Werbung ist eine Frage von Kreativität und Kontextsensibilität. Frankfurt am Main ist eine Frage von Dunmheit und Arroganz.

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Sonntag, 30. April 2006

Date mit Walburga

Ich hatte mit Frau D. nichts zu tun. Frau D. hatte ich – mit einer Ausnahme - nur gesehen, ab und zu geisterten wenig erbauliche Geschichten über sie durch das Klassenzimmer, in dem ich meine ersten beiden Schuljahre durchbrachte. Die anderen lernten sie bald kennen – und auch den Mann, in dessen Auftrag sie unterwegs war.

Denn in dieser Schule im tiefsten Bayern gab es neben der staatlichen Autorität, repräsentiert von Frau G., auch noch eine andere Macht. Für 29 der 30 Schülerinnen und Schüler der Klasse 2b war diese Macht Frau D.. 29 Schüler hatten Erfahrungen gemein, bei denen ich ausgeschlossen war. Im Prinzip war es kein Problem, bedeutete es doch, dass ich 2 Stunden Schule pro Woche weniger hatte als die anderen. Die anderen waren katholisch – ich war es nicht. Ich war ein Treppenwitz der Geschichte, eine Lücke im Heilsplan von Frau D., den zu beheben ihr nicht vergönnt war. Nur einmal, zu Beginn der ersten Klasse, wurde ich mehr oder weniger willenlos in den Religionsunterricht gebracht. Was da von Frau D. erzählt wurde, weiss ich nicht mehr, aber ich habe dann zu Hause erzählt, dass ich eben in diesem Unterricht war. Am nächsten Tag war dann meine Mutter in der Schule, sprach mit dem Direktor, und mir wurde gesagt, dass ich in Zukunft nicht mehr in diesen Unterricht kommen sollte.

Frau D. war in der Folge nicht mehr gut auf mich zu sprechen, schien mir, denn in ihrem Unterricht wurde nicht nur gebetet und gemalt – so komische genagelte Leute auf Balken und Füsse, die aus dem Himmel baumeln, und was da sonst noch in den Malblöcken meiner Kameraden war. Den Kindern wurden auch Geschichten erzählt von gut und böse, von Himmel und Hölle und davon, dass die Evangelen aus der Parallelklasse 1c wohl nicht so leicht in den Himmel kommen würden. Die durften auch keine roten Kerle mit Zipfelmützen und Engel und all so Zeug malen. Die hatte der liebe Gott nicht so lieb. Besonders unlieb aber, so Frau D., hatte der liebe Gott die anderen, die nicht an seinen Sohn glaubten. Und ihn statt dessen umgebracht hatten. Die würden später mal bitter zahlen, in der Hölle. Das waren die Juden. Von denen es durch Zufall einen an der Schule gab. Mich.

Aber wie Kinder nun mal so sind, die Höllenfeuer sind fern: Die Bonanzaräder und die Paninibilder dagegen sehr nah. Hin und wieder auf den Dreckbergen hinter unserer Siedlung, in unseren selbstgegrabenen Burgen, berichtete mancher, was die D. wieder gesagt hatte, über Juden wie mich, die Feinde des HerrGotts. Manchmal erzählten sie auch von dem Mann hinter ihr, den sie in der Folge kennengelernt hatten; den Stadtpfarrer K., der später ins Gerede kam, weil er das Geld der Sammelbüchsen für die kleinen afrikanischen Neger für den Blumenschmuck seiner hässlichen gelben Kirche verwendete, die zu betreten mir aber versagt blieb. Meine Eltern, die ich fragte, ob sie oder Oma denn auch diesen Christus da gekreuzigt hätten, so wie es auf den Zeichnung zu sehen war, mit viel Wasserfarben-Blut und riesigen Kugelschreibernägeln in den Armen, und wie es verkündet wurde vom Stadtpfarrer K. zu St Josef – meine Eltern also intervenierten ein zweites Mal, und danach war Ruhe. Erstmal.

Die erste Klasse ging vorüber, der Winter kam und wieder ein Frühling, die anderen mussten am Ende in einen Gottesdienst, während ich auf der Schaukel im Garten sass und mich des Daseins freute. Dann kamen die Ferien, und dann wieder die Schule. Und der Schulausflug. Frau G. sagte, dass wir in das Altmühltal fahren, und nach Eichstätt, und auf dem Hinweg auch in der Linde einkehrten. Die Linde war ein grandioses Ausflugslokal, in das meine Eltern oft mit mir fuhren, mit fantastischen Kartoffelknödeln, die ich damals gern roh verschlang, aber gleich vier Stück auf einmal. Alles wies auf einen traumhaft schönen Tag mit einem kulinarischen Höhepunkt hin, als wir in den Bus einstiegen. Die Sonne lachte uns unschuldige Kinder an, und als wir sassen und anfingen, die Sunkistbeutel zu tauschen, dachte ich mir nichts böses. Auch als der Bus hinter der Schule anhielt, vor der schwefelgelben St.Josefskirche, keimte kein Verdacht in mir ob des Schreckens, das da kommen sollte. In den Bus stiegen Frau D. und der Stadtpfarrer K.....

Den schaurigen Rest mit der gesamten Wallburgageschichte gibt es dann heute Abend im Twisted Bavarian in der Tengstrasse 20.

Und während der Bus durch das saftige Grün der Juraanhöhen glitt, im warmen Glanz des Spätsommers, das durch die Blätter und Zweige flackerte, während uns die Idylle und Pracht dieser weitgehend unberührten Landschaft umschloss mit ihren weissen Kalkfelsen, den dunklen Äckern und den hohen Bäumen, da trat dann also Pfarrer K. in die Mitte des Buses, und sprach: Dass wir uns nachher bei der heiligen Wallburga ordentlich verhalten sollten, sonst – schebbats. Mitte der 70er Jahre galten Ohrfeigen, zumindest für Herrn K., noch als probates Mittel zur Erziehung.

Der Auftritt vom Pfarrer und die Erwähnung besagter Heiliger hätte mich misstrauisch machen sollen, allein, was soll´s, für mich galt er ja nicht, weshalb ich später in der Hölle sein würde – was mir als durchaus lohnender Tausch erschien angesichts der Angstzustände, die sich wegen dieser Ansprache bei Freund und Feind breit machte. Und Feinde gab es natürlich auch, der dicke Jürgen zum Beispiel, und seine Freunde. Jürgen hatte mich beim Tausch der Schlumpfbilder übers Ohr gehauen, die wir zusammen mit den Wundertüten im Laden hinter der Schule gekauft hatten. Ich hatte mich später damit gerächt, dass ich meiner Mutter das grosse Geodreieck entwendete und bei der nächsten Linealfechterei von der harmlosen Hieb zur ungleich effektiveren, da Wunden verursachenden Stichwaffe überging.

Nach der Ansprache des Stadtpfarrers wurde dann auch mir mitgeteilt, was es denn mit der Wallburga, der D. und dem K. auf sich hatte: In Eichstätt liegt diese Heilige begraben, und irgendwie hatten es die fette Blondine und der kugelrunde Pfarrer mit seinem enormen Nasenhaarwuchs geschafft, den Klassenausflug dorthin umzuleiten. Der Bus fuhr, zum Aussteigen war es zu spät, und ein Handy, mit dem ich meine Mutter hätte anrufen können, gab es damals nicht. Und so glitt der Bus weiterhin seinem Ziel entgegen, immer noch im satten Grün des traumhaft schönen Sommers, aber mit einem etwas unsicheren Kind auf der hinteren Bank, das nicht wusste, ob es sich freuen sollte, jetzt auch mal so eine Kirche zu erleben, oder ob es nicht einfach Angst haben sollte vor dem Ungewissen, das da an einer Flussbiegung, im tiefen Gemäuer vergraben, auf ihn wartete.

Irgendwann kam der Bus auf einem Platz an, wir stiegen aus, und der Pfarrer K. erzählte die Geschichte der heiligen Wallburga: Eine Königstochter aus England, die nach Deutschland kam, um die Heiden zu missionieren und deshalb heilig war. Irgendwann starb sie und wurde hier begraben, aber sie tue immer noch Wunder, besonders durch das Walburgisöl, das wir später kaufen sollten. Keinesfalls aber habe sie etwas mit dem „Heia Walpurgisnacht-wenn der Mond vom Himmel lacht“-Gesängen zu tun, die mir nicht unbekannt waren – im Frühling zuvor hatte ich, dasselbige singend, versucht, beim Hexentanz in Frau Martins Garten den Kirschbaum abzufackeln, an den ich vorher mit Hilfe ihrer Tochter Bettina die andere Tochter Vreni gefesselt hatte.

Das also war es nicht, was uns in der hochaufragenden Kirche erwartete. Über eine Treppe ging es hinauf, dann öffnete sich das Tor, ich ging hinein – und der Sommer war vorbei. Kühl und modrig war es in dem Gemäuer, durch die kleinen Fenster fiel wenig Licht auf die fast schwarzen Wände. Beim genaueren Hinsehen entpuppte sich die Wandfarbe als endlose Fläche von kleinen, dunklen Bildern, auf denen Menschen mit allen möglichen Gebrechen zu sehen waren. Da wurde geschossen, Knochen entzweiht und vom Wagen gefallen, da stürzten Menschen in Schluchten, und alle waren sie unsagbar hässlich, grob gemalt und voller grausamer Details. Wo keine Bilder hingen, waren abnorme Krücken an die Wand genagelt, oder auch Ketten, Handschellen und Halseisen. Das alles, erklärte uns Frau D., seien die Gaben von Leuten, die die heilige Walburga geheilt hatte, auch das da in dem Kasten – und sie wies auf die rechte Wand, wo ein roter Fleck unter all dem Schwarz hervorstach. Wir gingen hinüber. Der rote Fleck erwies sich als mit Samt ausgeschlagener Schaukasten, in dem Knochensplitter, Kugeln, Magensteine, böse Zähne und viele andere Körperteile ausgestellt waren. Ein Magenstein, so gross wie eine Faust, hatte die Form eines Herzens, ein aschfahles, pickliges Herz in einer schwarz angelaufenen Silberfassung. Die Zähne waren braun, abgekaut, zerborsten oder lange, schiefe Missbildung, manchmal noch mit Kochensplittern daran. Menschentrümmer in allen Varianten, zackig, geborsten, morsch und faulig. Was immer in den diversen Glasampullen war – Eiter, Ausfluss, Blut – es war dunkel-klebrig eingetrocknet und verharzt. Frau D. erklärte, welch grosses Leid den Menschen genommen worden war, ich hingegen begann, dasselbige inzwischen im Magen zu verspüren, in den tiefsten Eingeweiden, die seit dem Frühstück auf Knödel, goldgelbe saftige Knödel warteten, und nun vom Anblick dieser Trümmer gepeinigt und aufgewühlt wurden. Jürgen, die Strebersau, und auch einige andere knieten sich auf Frau D.s Kommando hin und sagten ein Gebet auf, während ich mich in Richtung Ausgang drückte. Doch der erwies sich als vom Pfarrer K. blockiert.

Und etzad gemma nunta, sagte der Stadtpfarrer, und wies mir und den Nachfolgenden den Weg eine Treppe hinab in das Erdreich unter diesem schwarzen Saal. Es öffnete sich ein kleiner Raum, wo wir eng zusammengedrängt an einem Gitter standen. Dahinter leuchtete fahl ein grosser, weisser, rechteckiger Streinsarg – und in dem, so erklärte uns der nachgekeuchte Stadtpfarrer, befinde sich die Wallburga, die all die Wunder mache. Und das geht so: Zu einer gewissen Zeit im Frühjahr tropft aus diesem Sarg, in dem Wallburga liegt, ein Öl, das die Nonnen hier auffangen. Das Öl wirkt Wunder, heilt und segnet alles, was damit in Berührung kommt, und wir alle werden dadurch gesegnet. Jetzt. Gleich. Und auf der anderen Seite, über eine zweite Treppe, kam eine finstere Gestalt herunter, über und über schwarz, mit einem Kästchen in der Hand, und trat auf uns zu. Es war eine hässliche, verschrumpelte alte Frau in diesem dunklen, stinkenden Loch unter der Erde, neben uns lag diese Leiche in ihrem Sarg und badete in diesem Verwesungsöl aus ihrem Körper, ich konnte es riechen, dieses saftige, stinkende, schwarz aufgedunsene Kadaver mit wirren Haaren, borstig und abstossend wie das Gewächs aus des Stadtpfarrers Nase, und der gleiche verfaulte Saft war in den Ampullen, die im Kästchen auf uns warteten. Der K. postierte sich neben ihr, zwei alte Fleischklumpen in der Finsternis, und hinter uns machte Frau D. die Räume dicht. Das erste Kind musste vortreten, der Pfarrer tauchte seine Pranke in eine Schale mit diesem Leichenöl, streckte, murmelnd, die Hand aus und machte ein Kreuz auf dessen Stirn. Das Kind musste eine Ampulle nehmen, die schwarze Krähe steckte die Hand aus, um eine Gabe zu nehmen. Es war nicht der Gedanke, dass ich da auch zahlen müsste und deshalb nachher in der Linde einen oder zwei Knödel weniger essen könnte, es war auch nicht die lange Reihe meiner Mitschüler, die sich wie willenlose Zombies für das Ritual einreihten, hier unter der Erde, mit den schwarzen Bildern, den Nierensteinen über und der in Öl eingelegten Wallburga neben uns, es war nicht der K. und das Ritual und auch nicht die massige Figur der D. in dieser Szene – letztlich war es Jürgen, der Schlumpfbildbescheisser, der sich zu mir umdrehte, meine Panik erkannte und sagte: Du bekommst kein Kreuz, du musst das Öl trinken, und meines bekommst Du auch.

Ich drehte mich um, presste mich am Fleischberg von Frau D. vorbei, der ins Wanken geriet, raste die Treppe hoch und rannte, ohne noch einen Blick auf die schwarzen Tafeln, die Gallensteine und Krücken zu werfen, auf die Tür zu, wo ich in eine Gruppe Touristen knallte, an ihnen vornbei hinein in das gleissende Licht, in den unfassbar schönen Sommer, in die klare, reine Luft des Jura, von Helligkeit durchdrungen und gereinigt von all der Verwesung, die mich zu umfangen drohte, unendlich weit weg vom K., der schwarzen Frau und dem Kadaver im fahlen Stein und seinem schleimigen Öl, das meiner im Bauch der Erde harrte.

Kurz darauf war das jüdische Neujahrsfest Rosch ha Schana, an dessen Ende es zu Jom Kippur Geschenke für die Kinder gibt. Meine Mutter war sehr zufrieden mit ihrem mathematisch interessierten Sohn, der von den bislang gewünschten Ritterfiguren Abstand nahm und ein 35 Zentimeter langes, spitzwinkliges Geodreieck haben wollte, lang genug, um notfalls auch einen fetten Stadtpfarrer zu erstechen, falls er ihm mit dem Saft der Wallburga zu nahe kam.

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