Die Skalpe meiner Feinde - die Kamera der Japanerinnen

Nehmen wir mal an, wir haben uns im Mai 2006 eine dieser superschnieken kleinen Edelkameras gekauft, die wir in Salzburg und Wien in den Händen dieser feinen, jungen Japanerinnen sehen. Diese ultraschlanken Metallkästchen mit riesigen Displays, die mehr ein Modeartikel denn ein technisches Gerät sein könnten, wäre da nicht die modernste Technik des 21. Jahrhunderts verbaut, weshalb es auch keine Knöpfe mehr gibt, sondern ein zweifarbiges Gehäuse ohne Unterbrechungen und ein berührungssensibles Touchpad, auf dem dann fein manikürte japanische Finger - ist eigentlich schon mal jemandem aufgefallen, dass es absolut keine einzige japanerin mit abgekauten Fingernägeln gibt? - Bilder herumschieben und lustige Rähmchen einfügen. Kurz, die Sorte Kamera, die wirklich kein Arbeitsgerät für die Mille Miglia mehr ist, sondern das Gadget, dessen Prestige etwas teurer ist. 400 Euro. Das kostete die Pentax Optio T10 vor 32 Monaten, als sie auf den Markt kam, und es war keine von den Billigklunkern, die mit angeblichen Riesennachlässen beim Grosshändler an Idioten vertickt werden.



Wenn wir das bezahlt haben, sollten wir es tunlichst vermeiden, heute im Photofachgeschäft in der Innenstadt eine frische SD-Karte zu kaufen. Wir könnten etwas entsetzt vor der Vitrine stehen, in der gerade sowas wie eine Preisindung stattfindet. Da ist nämlich unsere Kamera - unbenutzt, originalverpackt und funkelnd - für 50 Euro zu haben. Was in etwa bedeutet, dass selbst bei diesem teuren Luxusprodukt der Wertverlust nach 32 Monaten bei 87,5% liegt.

Früher sagte man in unseren Kreisen, wir seien zu arm, um uns schlechte Dinge leisten zu können. Oder auch, wie meine Grossmutter immer sagte "Das Glump is zwoamoi deia", und natürlich hatte sie damit wie immer recht. Hatte. Denn der Preisverfall auch hochwertigster Technikgegenstände ist ein Widerspruch, vielleicht sogar der hedtigste Widerspruch zu dieser alten Sicherheit. Bei diesem Wertverfall besitzt man auch die besten und exklusivsten Dinge nicht mehr - selbst wenn die Kamera bis heute durchgehalten haben sollte, zwei andere Pentax, die ich besass, haben jeweils nur ein paar Monate gehalten. Bei diesem Wertverfall least man allenfalls, man zahlt monatlich 10 Euro für das Gefühl, eine Kamera zu besitzen, aber eigentlich ist es nur ein Kameraupdate, das man da in Händen hält, das nur dazu geschaffen wurde, um wieder zu verschwinden und teuer ersetzt zu werden. Früher kaufte man teuer, weil das Teure seinen Wert behielt, heute kauft man teuer Geliehenes, um bald wieder teuer zu leihen.

Wenn wir das alles weiter denken, fällt uns ein, dass wir das auch aus der Religion kennen, die uns verarscht, wir hätten unsere Lebenszeit nur geliehen. Die Gadgetindustrie ist klüger, sie gaukelt Besitz vor, tatsächlich aber hat man das Eigentum nur temporär geborgt, bis zum Ausfall und Kauf des nächsten Gadgets. Und wie der Idiot im Mittelalter findet man dieses Leihverhältnis mit irgendwelchen japanischen Fabrikbesitzern normal. Es gibt Blogs, die das alles begeistert empfehlen, es ist ein Lebensstil, und wir fragen uns, wann der erste die Kirche der Gadgets eröffnet, wo man gegen Bezahlung den ganzen Plunder jährlich neu bekommt, wo einem der Ablass dieser Dinge nach einem Jahr gewährt wird und man immer das Gefühl hat, den richtigen technischen Lebensstil in seiner jeweiligen Ausformung anzugehören.

Vormodern wäre das natürlich, aber das Perverse daran ist: Vormodern funktioniert bis heute, weil der Mensch vormodern ist, sich ungern Gedanken macht und obendrein trotzdem gern modern wäre. Etwas, das in dieser Kombination nicht möglich ist, es sei denn, man findet jemanden, der einem das Leben und das Umfeld für Geld entprechend definiert. Wir dagegen sagen uns, dass wir um unsere Vormodernität wissen und daran arbeiten, aber gegen so einen Skalp von denen, die sich von der Kirche der Gadgets jedes Jahr den Arsch bis zum Haaransatz aufreissen lassen, haben wir natürlich nichts einzuwenden. Den Wertverlust haben sie, wir haben das Gadget.

Und Angst, dass es wieder so ein miserables Drecksding wie die anderen Pentax ist.

Samstag, 10. Januar 2009, 22:07, von donalphons | |comment

 
@Don

Der Witz an diesem "Wertverfall" ist aber, dass die Kameras "immer mehr können", dabei aber immer schlechtere Bilder machen.

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Ich habe grade dank des aktuellen Pfundkurses und Rabattaktion eine neues Objektiv für meine alte Leica leisten können, das verliert so schnell nicht an Wert, die Kamera auch nicht. Bei digitalen Leicas ist der Wertverlust zwar deutlich schneller als bei Film-Kameras aber immernoch bedeutend langsamer als bei anderen Herstellern. Aber solange ich fotografieren und nicht wiederverkaufen möchte ist mir das eh relativ egal, die Bilder werden nicht schlechter weil die Technik billiger wird.

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Ich hätte sie nicht gekauft, hätte sie nicht wieder ein Spezialmenü für Essenbilder. Das habe ich beim Foodporn schmerzlich vermisst. Angesichts der Grösse und 6MP-Sensor schaut es nach einem sauberen Kompromiss aus.

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Abgesehen davon, dass mir nichts über meine Nikon geht ist alles, was es hierzu zu sagen gibt schon bei Marx abgehandelt, in dem Kapitel "Der Fetischcharakter der Ware und sein Geheimnis".

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Der Kunde ist halt inzwischen darauf trainiert sich immer wieder neue Handies und Digicams zu kaufen. Immer mehr Megapixel, Zoom und was weiß ich. Hätten die Leut Ahnung von Photographie wär alles anders. Aber es gibt ja gott-sei-dank noch ein paar Hersteller die sich dem Irrsinn so gut wie möglich entzeihen, leider nur nicht in meiner Preisklasse.

Übrigens, meine Lieblingskameras: Alle mindestens so alt wie ich und selten mehr als 20 Euro auf'm Flohmarkt oder bei eBay.
Aber dieses Jahr bringt Olympus wahrscheinlich was Neues auf den Markt dem ich nicht wiederstehen kann, sehr kompakt mit Wechselobjektive und für den Bruchteil einer M8.2

Achja, wenn ich dies Jahr mal zuviel Geld hab, dann die hier: http://www.voigtlaender.de/cms/voigtlaender/voigtlaender_cms.nsf/id/pa_fdih7jzjul.html

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Die Pentax Optio T10 ist eine Kamera mit einem lichtschwachen Objektiv - die Aufnahmen sind bei Innenraumaufnahmen bereits ab ISO 160 verrauscht. Erhält sie hingegen genügend Licht, so neigt sie zur Überbelichtung, zu leicht grellen Farben, ungenügender Farbdynamik sowie einer gewissen Blaustichigkeit der Aufnahmen. Die Aufnahmeverzögerung ist (auch verglichen mit ähnlichen Wettbewerbern aus dem Jahr 2006) unerfreulich langsam, sodass sie sich eher nicht als Schnappschusskamera eignet. Mit ihrer schlechten Makrofunktion (erst ab 15 cm) lohnt sie sich auch nicht für den Schmuckverkauf, bzw. zur Herstellung der Bilder für den krisenbedingten Notverkauf bei Ebay (vgl: Robert Basic).

Dafür ist die Pentax Optio T10 flach (2 cm) und stylisch - und dies sogar so sehr, dass sie auch im Jahr 2009, ja sogar noch im Jahr 2011 als heißes Gadget durchgeht. Man kann diese Knipse zudem prima in die Hosentasche packen. Sie nimmt zudem Videobild und Ton auf.

Für 50 Euro? Ein Kauf. Sie ist trotz allem eine recht schöne Kamera für unterwegs.

Zum Vergleich: Für eine technisch überlegene (aber deutlich dickere und in einem hässlichen Plastegehäuse steckende) Canon Powershot A430 müsste man bei Ebay z.Zt. rund 35 Euro einplanen (Beispiel).

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Hätten die Leut Ahnung von Photographie wär alles anders.

Gestern abend am Hafen spektakulärster Sonnenuntergang aller Zeiten. Unmengen meist männlicher Fotografen unterwegs, teure DSLRs, teures Equipment, stolze Blicke.

Viele der Anwesenden hatten das Blitzlicht aktiviert.

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So was ähnliches kann man jeden Abend auch am Trocadero in Paris erleben. Die Menschen steigen aus der Metro, wandern am Gebäude entlang, kommen zu der Treppe zwischen den beiden Hauptgebäuden und sehen den Tour de Eiffel. In exakt diesem Moment wird die Kamera ausgepackt (heute häufiger das Mobiltelefon) und dann wird ein Objekt angeblitzt, das ca 1.100 Meter entfernt ist und deutlich über 300 Meter hoch. Mit Leitzahl 7 oder 11.

Dabei ist es ein körperlich fühlbarer Genuß dieses stählerne Meisterwerk mit einer Mamiya 645 (o. Ä.) auf einem guten Stativ mit einem hervorraged gerechneten 80mm-Objektiv etwa 2 Sekunden in der Dämmerung zu belichten und das Ergebnis in 70x100 an die Wand zu hängen.

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Pentax rockt. Bei mir seit mittlerweile 15 Jahren und drei Kameras (bislang ohne Verluste).
Aber man sollte halt in eine Kamera investieren und nicht in so einen Tussi-Schlüsselanhänger.

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Wertvernichtung
Damit sind wir m.E. wieder beim alles beherrschenden Thema unserer Zeit, der Wirtschaftskrise.
Schaut man sich die Diskussionen an, so ist immer wieder die Rede von verbrannten Milliarden, von futschgegangenem Geld, von gigantischen Wertverlusten. Seltsam daran ist, dass man immer
die Redensweise "Das Geld ist nicht weg, es hat nur wer anders" anwenden könnte. Denn dann wäre ja alles nicht so schlimm, und die Werte sind immer noch vorhanden, wenn auch in ungerechter
Verteilung.

Ich glaube aber, dass schon seit langem tatsächlich eine physische Wertvernichtung in grossem Ausmass stattfindet und dass die Krise auch (aber nicht nur) ein Symptom davon ist:
Jemand anderes hier (exurbia) hat mal geschrieben, dass man sich die Stoffkreisläufe anschauen muss,
um zu verstehen, was gerade eigentlich geschieht.

Die Gadgets werden mit immensem Ressourcenaufand hergestellt, mit grossen Energiemengen, unter hoher Umweltbelastung, mit der Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft und vieler durchaus erschöpflicher Rohstoffe. Aus "wirtschaftlichen" Gründen führt dieser Aufwand aber nicht zu langlebigen Gebrauchsgütern,
sondern zu Produkten mit sorgfältig geplanter, zeitlich eingeschränkter Verwendbarkeit.
"planned obsolescence" ist schon seit einigen Dekaden ein feststehender Begriff.

Wer auf die Suche nach den wirklich unwiederbringlich vernichteten Werten gehen will, braucht nur auf den Müllkippen des Planeten zu graben und das nicht allzu tief: Man findet dort in den Millionen (Milliarden?) von nach Ablauf der geplanten Lebensdauer weggeworfenen Konsum(elektronik)produkten exotische chemische Elemente (wie z.B. Tantal) in mit hohem Aufwand erzeugten chemischen Verbindungen, die jede Form
von Recycling prohibitiv teuer macht. Die aufgewendete Energie zur Herstellung wurde in Form von Wärme an die Umwelt abgegeben und ist unwiederbringlich verloren.
Die Ausbeutung der Arbeitskraft hat katastrophale Folgen für das Lebensgefühl von Milliarden von Menschen;
deutlicher gesagt ist die Herstellung der Gadgets (und auch der meisten anderer "unserer" Konsumgüter) nur möglich durch eine Form von Sklaverei.

Der initiale Preis von ~400 Euro für die Pentax wäre vielleicht noch akzeptabel, wenn der dem Geldbetrag entsprechende Wert wirklich in die Kompensierung der stofflichen und menschlichen Kosten
eingehen würde. Die entsprechende Kaufkraft landet aber in den Taschen derer, die davon wenige Monate später andere Gadgets kaufen. Der "Grenzwert" von 50(-x) Euro ist aber so niedrig, dass irgendwo (naja!) in der "Wertschöpfungskette" eine gigantische Subvention stattgefunden haben muss (unter Zwang).

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super, haarp, bravo, bravo und danke für diesen hellsichtigen eintrag.

das geld ist weg. es kann sein, dass es nachgedruckt wird, aber auch dann ist es in gewisser weise weg, denn dann verliert es im zuge der inflation entsprechend an wert.

was man bräuchte, wäre eine globale neubewertung von konsumgütern auf dem ohnehin globalen markt mit einer globalen währung. das wird auch so kommen, nur wahrscheinlich wieder mal nicht so schnell, wie es vonnöten wäre. bisher war der petrodollar das maß allen übels, demnächst ist es wahrscheinlich der euro, und erst wenn sich die beiden konkurrenzmarktwirtschaften gegenseitig ausgehungert haben, wird es zu einer neubewertung kommen.

in der zwischenzeit gilt wohl für kameras: mit einer jeden, egal wie teuer, lässt sich höllenschlechter bullshit für die tonne fabrizieren, aber mit einer jeden von diesen kann man auch sehr gelungene bilder machen - mit nachbearbeitung oder auch ohne.

und für das alles muss man ab ungefähr gestern vor drei tagen nichts neues mehr dafür kaufen und die welt noch weiter mit giftmüll belasten.

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Wie die Wertvernichtung übergreift, sieht man gerade bei Kameras. Vor 10 Jahren war dies noch ein sehr dauerhaftes Produkt. Das analoge Spiegelreflex-Gehäuse konnte man sogar vererben, die Objektive sowieso. Heute werden die Digicams im Halbjahres-Takt neu auf dem Markt geschmissen. Und die Sicherheit, dass ein Objektiv an das neue Gehäuse passt, ist relativ, wenn die Elektronik im Objektiv nicht alle neuen tollen Funktionen der Kamera unterstützt - von den Sensorgrössen und entsprechende Verzerrung und Brennweitenänderung mal ganz abgesehen.

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Um dem grassierenden Kulturpessimismus einmal etwas entgegenzusetzen: Ehrlich gesagt glaub ich bei Kameras langsam an so eine Art Quersubventionierung. Die Knips-Amateure finanzieren die (Semi-)Profis. Und je besser die Kameras im Hochpreis-Segment, desto unverschämter kann man die breite Schicht derer abzocken, die eh keine Ahnung haben.

Im Spiegelreflex-Segment tut sich zur Zeit sehr, sehr viel, muß man ehrlicherweise zugestehen. Nicht nur lustige Funktionen, sondern so ganz grundsätzlich: Nikon schafft gerade das Bildrauschen ab. Die Entwicklungskosten tragen die Gadget-Käufer.

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Selbst dann wäre es eine Quersubventionierung auf Zeit, bevor das nächste Gerödel auf den Markt kommt. Ich glaube, man versäumt überhaupt nichts, wenn man 3 Jahre hinter der Entwicklung zurückbleibt. Dann erst wird man wirklich von einer Art Idiotensteuer subventioniert, und trotzdem ist es nicht billig. 50 Euro sind exakt die Grenze, die ich mir eingehen lasse.

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man kann auch einfach mehrere gadgetzyklen ignorieren, dann freut man sich über jeden fortschritt - und kann ihn sich auch in schlechten zeiten leisten!

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Am Ende ist es immer die Person am Auslöser. Das kann man gar nicht oft genug betonen. Die Kamera ist bestenfalls ein Teil der Kette. Und natürlich ist es gut, wenn man kauft, wenn die Preise gerade am Boden sind.

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"Früher sagte man in unseren Kreisen, wir seien zu arm, um uns schlechte Dinge leisten zu können. Oder auch, wie meine Grossmutter immer sagte "Das Glump is zwoamoi deia", und natürlich hatte sie damit wie immer recht. Hatte. Denn der Preisverfall auch hochwertigster Technikgegenstände ist ein Widerspruch, vielleicht sogar der hedtigste Widerspruch zu dieser alten Sicherheit. Bei diesem Wertverfall besitzt man auch die besten und exklusivsten Dinge nicht mehr - selbst wenn die Kamera bis heute durchgehalten haben sollte, zwei andere Pentax, die ich besass, haben jeweils nur ein paar Monate gehalten. Bei diesem Wertverfall least man allenfalls, man zahlt monatlich 10 Euro für das Gefühl, eine Kamera zu besitzen, aber eigentlich ist es nur ein Kameraupdate, das man da in Händen hält, das nur dazu geschaffen wurde, um wieder zu verschwinden und teuer ersetzt zu werden. Früher kaufte man teuer, weil das Teure seinen Wert behielt, heute kauft man teuer Geliehenes, um bald wieder teuer zu leihen."

früher, also vor der industrialisierung, kaufte man teuer, weil es billig nicht gab. stattdessen gab es als alternative nur selber machen, gebraucht kaufen oder ganz darauf zu verzichten, wenn es man nicht erbetteln oder stehlen wollte.

siehe sombart, der darauf hingewiesen hat, dass die für die manufakturperiode typische produktion die luxusproduktion war. erst die industrielle produktion stellte massenware her, mit grossem erfolg. sombart wies auch auf das gewandelte verhältnis zum eigentum hin, er machte es an der wohnung fest - statt dem palast eine angemietete appartementwohnung, das macht weniger arbeit und man ist nicht gebunden.


"Wenn wir das alles weiter denken, fällt uns ein, dass wir das auch aus der Religion kennen, die uns verarscht, wir hätten unsere Lebenszeit nur geliehen."

mir hat man erzählt, ich sei auf erden zur bewährung, die strafe fürs scheitern sei enorm. ein alter geschichtslehrer im gymnasium meinte einmal ganz beiläufig, das prinzip seelenwanderung sei da angenehmer; wie weitgehend dieser sonst überkorrekte mann sich von allen damals offiziellen wahrheiten entfernt hatte, nahm ich damals nicht wahr.


"Die Gadgetindustrie ist klüger, sie gaukelt Besitz vor, tatsächlich aber hat man das Eigentum nur temporär geborgt, bis zum Ausfall und Kauf des nächsten Gadgets."

es wird nichts vorgegaukelt, ganz im gegenteil. der mieter wird für schlau verkauft: der handyvertrag läuft auf zwei jahre, zwei jahre hält der akku, da es ist doch billiger, einen neuen vertrag zu machen, als einen neuen akku zu kaufen.

es ist eine ganz andere denke, die solches mit sich bringt:
der eigentümer erhält, pflegt, bewahrt. siehe am beispiel don alphonso porcamadonna, der noch zum kleinsten seiner haushaltsgeräte eine geschichte erzählen kann (und zu seinen büchern erst).

der besitzer benutzt, vernutzt, verbraucht, was ihm nicht gehört. die abnutzung ist bereits in der miete eingepreist, der mieter kauft sich dieses recht bewusst, weil es ihm nicht darauf ankommt, auf dauer eigentümer zu sein.


"Und wie der Idiot im Mittelalter findet man dieses Leihverhältnis mit irgendwelchen japanischen Fabrikbesitzern normal."

es sind spezielle banken, die ganz gut dabei leben. der vergleich mit dem mittelalter trifft es einerseits, da der hörige kein eigentümer des von ihm bebauten grund und bodens war, unbeweglichkeit war gleichermassen folge wie absicht. der heutige besitzer oder mieter gewinnt durch den verzicht auf eigentum an beweglichkeit, was als angenehm oder beabsichtigt empfunden wird.

das eigentlich bedenkliche: was heute weiter als normal empfunden wird ist die bereitwillige aufnahme von kredit, oder anders, man verbraucht schon heute, was man erst in der zukunft erlangt oder zu erlangen hofft. was letztlich zu einer lebenseinstellung vergleichbar der armen des mittlelalters führt, sogar das lateinische carpe diem wird vom zeitgeist zitiert, dabei allerdings nicht mehr mit dem alten nutze die zeit sondern zeitgemäss mit geniesse den tag übersetzt.


"Es gibt Blogs, die das alles begeistert empfehlen, es ist ein Lebensstil, und wir fragen uns, wann der erste die Kirche der Gadgets eröffnet, wo man gegen Bezahlung den ganzen Plunder jährlich neu bekommt, wo einem der Ablass dieser Dinge nach einem Jahr gewährt wird und man immer das Gefühl hat, den richtigen technischen Lebensstil in seiner jeweiligen Ausformung anzugehören."

gut beobachtet, dass solche wandlungen einer weltanschaulichen unterfütterung bedürfen. schauen wir einmal, zu was das führen wird. wäre denn nicht das livestyle-angebot aus einer hand denkbar, vom auto bis zum rechner, vom handy bis zum fernseher, von der zeitung bis zur reise , alles aud einer hand, und wenn im bundle dann auch billiger anzumieten. für das segment automobil gibt es das schon in ansätzen, die hersteller und die automobilklubs sind daran, einen je nach marke unterschiedlichen auftritt anzubieten.

die zeitungen arbeiten an ähnlichen vorhaben, nur logisch, dass man da, wo man schon denken lässt, auch gleichden rest der ausstattung bezieht, das von der redaktion empfohlene buch, den von der redaktion empfohlenen wein, die leserreise für den abonnenten.

da sind wir schon bei der weltanschauung. vor jahren outete man sich mit der faz-krawatte als kluger kopf, die zukunft bringt noch mehr: den ganzen lifestyle zur miete und möglichst noch auf pump anzubieten, das ist nichts für die kirchen. aber für die parteien gibt es da einiges zu tun.


es kann natürlich ganz anders kommen.
der lifestyle des besitzers hängt in ähnlichem umfang von kredit ab, wie der des eigentümers. wobei der eigentümer sicherheiten zu bieten hat, der besitzer nur sein einkommen. angenommen, das mit der verschuldung und den einkommen entwickelt sich anders als beabsichtigt, bleibt nur noch die armut. keine schöne sondern eine recht hässliche, wenn man die entsprechenden läden kennt, die diese kundschaft bedienen.

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Der grosse Trick wäre, wie meine Grossmutter das immer so schön umschrieben hat, die anderen "von federn auf Stroh" kommen zu lassen, ohne dass sie es merken - im Gegenteil, dass sie anfangen, von den Vorzügen des Strohs zu schwärmen und seine Qualitäten zu preisen - praktisch, schnell, man verschläft das ja ohnehin. Ansätze sehe ich auch, angefangen von Nachrichtenzusammenschmiere ananasgesichtiger Pleitier über "Wohnwelten", iIntegration und popkultureller Verwertungsketten. Besonders fatal: Solche Leute empfinden sich dann nicht als Deppen einer Industrie, sondern als Angehörige einer rebellischen, neuen Bewegung. Hiphop wäre da so ein umfassendes Lebenskonzept.

Zynisch gesagt, könnte man aber auch darauf beharren, dass es doch ok ist, wenn die so hausen und konsumieren. Ich kenne zum Beispiel das Haus einer Person, die in der Provinz Anteile an einem grossen Elektrohandel besitzt. Da wird man den dort verkauften Dreck vergeblich suchen. Es bleibt in meinen Bereichen mehr für mich übrig, ja, man ist sogar bereit, es mir nachzuwerfen, nur damit man leere Schränke und nicht so viel Zeug hat.

Und würde der Müll einfach aus der Luft entstehen, könnte man noch nicht mal was dagegen sagen. Aber er führt zum Raubbau an der Welt, und zu einer parasoitär agierenden Kaste von Arschlöchern aus Werbung, Marketing., Finanzierungshelfern und anderem Berufen führt, die man ergreift, weil es keine staatstotalitaristische Propaganda mehr gibt. Und das allestut der Gesellschaft nicht gut. Es gibt wie schon in Zeiten von Pfaffenherschaft zu viel Menschenverarscher.

Trotzdem besteht Hoffnung, denn wie nman jetzt sieht, ist genau diese Kaste am drannsten, wenn die Kredite nicht mehr gezahlt werden, weil sich der Pöbel daran überfressen hat. Von meinem Rokokostuhl aus ein gar nicht so unhübsches Bildchen, das sich da auftut.

Und wer sich durch ein Zeitungslogo profiliert, der kann sich auch gleich von der Pistenraupe profilieren lassen.

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