Es ist gerade mal 23 Uhr
und ich bin so müde, als wäre es bereits früher Morgen.
Das Spiel geht so: Es treffen sich ein Dutzend Leute mit vorher aufbereiteten Detailkenntnissen, und werfen das alles zusammen. In zehn Stunden entsteht so langsam ein ziemlich umfassendes Bild der Lage. Sowas kann spannend sein, wenn es um neue Erkenntnisse zur Formensprache pseudovenezianischer Gläser aus dem Böhmerwald im 18. Jahrhundert geht, da jucken dann auch die vergangenen Sozialbedingungen nicht mehr.
Aber diese Phase meines Lebens ist schon etwas länger vorbei, so vorbei, wie ich mir eigentlich das von der aktuellen Tätigkeit wünschen würde. Man ist mittlerweile so abgehärtet, dass Bankenpleiten mur mehr ein Schulterzucken auslösen, und wenn es um Billionen geht, sagt jeder - egal, sind ja nur Dollar. Das geht eine Weile gut, aber wenn man heimfährt und hört, dass auf der A9 16 Kilometer Stau sind, überrascht es doch, dass es ein LKW-Unfall ist, und kein Massenselbstmord der Mandantschaft. Die hat einen Teil des Vermögens riskiert - damit habe ich jetzt zu tun - und den grösseren Teil sicher angelegt - das erweist sich gerade als ähnlich beschissen wie das Risikogeschäft.
Ich kenne Leute, die inzwischen wöchentlich Rechnungen schreiben, und andere, die keine Rechnungen mehr schreiben in der Hoffnung, irgendwann noch irgendwas realisieren zu können. Das Ding hat verfluchte Ähnlichkeit mit einer Pestepedemie, keiner weiss, wer schon infiziert ist und wie lange die Inkubationszeit dauert. Man schüttelt nur noch spitze Finger, im Hinterkopf immer die Überlegung, was nun eigentlich die Wahrheit hinter der realistischen Einschätzung der Gesundheit des Anderen ist. Manche glauben, es sind spannende Zeiten, aber am Ende hänt man doch tiefer im Geschehen drin, als es einem lieb sein kann. In einer Situation, in der es jedem nur noch um das Kleinhalten der Verluste geht.
Man hört viel, was man nicht hören will. Das fängt mit der Ankündigung an, dass die Kündigung nicht angenommen wird, man hat sonst keinen, der das machen kann, und endet mit der Frage, ob man den Journalisten P. kenne, der sich offensichtlich von der anderen Seite hat kaufen lassen, als wäre er nicht beim investigativen Teil, sondern bei der Reiseseite angestellt.
Morgen muss ich ein bestelltes Schriftstück abgeben, und ich würde gern für die Leser etwas nettes reinschreiben, etwa, dass ich einen Laden entdeckt habe, der aus JAB-Anstötz-Stoffen genähte Hasen führt, und etwas für mich, dass ich ab jetzt ein Infoportal für südbayerische Seen betreibe. Leider fehlt es der Kundschaft an der nötigen fatalistischen Einstellung, solche Ablenkung als Win-Win-Situation zu begreifen. Ich bin sehr, sehr müde, und habe noch 12 Stunden, kein Infoportal und ziemlich viele Leute an der Backe, die so immens viel Geld verlieren werden, VerlustReiche, so heissen sie bei uns, zynisch, kann sein, aber selbst wenn man davon profitiert, geht man nicht als Sieger vom Platz. Es geht nur noch darum, wie übel man verliert.
Warum? Manche sind süchtig nach dem Spiel, andere haben nie etwas anders gelernt, ein paar verstehen nicht, was sie tun, und ich - ich habe einen Bescheid über die Grunderwerbssteuer bekommen. Ich war Seeimmobilienbesitzer und brauchte das Geld, kann ich später mal als Ausrede sagen.
Das Spiel geht so: Es treffen sich ein Dutzend Leute mit vorher aufbereiteten Detailkenntnissen, und werfen das alles zusammen. In zehn Stunden entsteht so langsam ein ziemlich umfassendes Bild der Lage. Sowas kann spannend sein, wenn es um neue Erkenntnisse zur Formensprache pseudovenezianischer Gläser aus dem Böhmerwald im 18. Jahrhundert geht, da jucken dann auch die vergangenen Sozialbedingungen nicht mehr.
Aber diese Phase meines Lebens ist schon etwas länger vorbei, so vorbei, wie ich mir eigentlich das von der aktuellen Tätigkeit wünschen würde. Man ist mittlerweile so abgehärtet, dass Bankenpleiten mur mehr ein Schulterzucken auslösen, und wenn es um Billionen geht, sagt jeder - egal, sind ja nur Dollar. Das geht eine Weile gut, aber wenn man heimfährt und hört, dass auf der A9 16 Kilometer Stau sind, überrascht es doch, dass es ein LKW-Unfall ist, und kein Massenselbstmord der Mandantschaft. Die hat einen Teil des Vermögens riskiert - damit habe ich jetzt zu tun - und den grösseren Teil sicher angelegt - das erweist sich gerade als ähnlich beschissen wie das Risikogeschäft.
Ich kenne Leute, die inzwischen wöchentlich Rechnungen schreiben, und andere, die keine Rechnungen mehr schreiben in der Hoffnung, irgendwann noch irgendwas realisieren zu können. Das Ding hat verfluchte Ähnlichkeit mit einer Pestepedemie, keiner weiss, wer schon infiziert ist und wie lange die Inkubationszeit dauert. Man schüttelt nur noch spitze Finger, im Hinterkopf immer die Überlegung, was nun eigentlich die Wahrheit hinter der realistischen Einschätzung der Gesundheit des Anderen ist. Manche glauben, es sind spannende Zeiten, aber am Ende hänt man doch tiefer im Geschehen drin, als es einem lieb sein kann. In einer Situation, in der es jedem nur noch um das Kleinhalten der Verluste geht.
Man hört viel, was man nicht hören will. Das fängt mit der Ankündigung an, dass die Kündigung nicht angenommen wird, man hat sonst keinen, der das machen kann, und endet mit der Frage, ob man den Journalisten P. kenne, der sich offensichtlich von der anderen Seite hat kaufen lassen, als wäre er nicht beim investigativen Teil, sondern bei der Reiseseite angestellt.
Morgen muss ich ein bestelltes Schriftstück abgeben, und ich würde gern für die Leser etwas nettes reinschreiben, etwa, dass ich einen Laden entdeckt habe, der aus JAB-Anstötz-Stoffen genähte Hasen führt, und etwas für mich, dass ich ab jetzt ein Infoportal für südbayerische Seen betreibe. Leider fehlt es der Kundschaft an der nötigen fatalistischen Einstellung, solche Ablenkung als Win-Win-Situation zu begreifen. Ich bin sehr, sehr müde, und habe noch 12 Stunden, kein Infoportal und ziemlich viele Leute an der Backe, die so immens viel Geld verlieren werden, VerlustReiche, so heissen sie bei uns, zynisch, kann sein, aber selbst wenn man davon profitiert, geht man nicht als Sieger vom Platz. Es geht nur noch darum, wie übel man verliert.
Warum? Manche sind süchtig nach dem Spiel, andere haben nie etwas anders gelernt, ein paar verstehen nicht, was sie tun, und ich - ich habe einen Bescheid über die Grunderwerbssteuer bekommen. Ich war Seeimmobilienbesitzer und brauchte das Geld, kann ich später mal als Ausrede sagen.
donalphons, 01:32h
Donnerstag, 10. April 2008, 01:32, von donalphons |
|comment
schmollsenior,
Donnerstag, 10. April 2008, 10:22
Macht Müdigkeit kreativ?
Zynisch? Vielleicht doch wohl eher sarkastisch. Auf jeden Fall ein feines Stückchen Feuilleton: die eine Ebene hier, die andere dort, und viele, viele Zeilen zum Dazwischenlesen. Herzlichen Dank fürs Amusement!
... link
donalphons,
Donnerstag, 10. April 2008, 14:22
Nun, ich darf hier versichern, dass die Ursache diesen Text hier zu einem der teuersten in der Geschichte dieses Blogs macht. Wenn ich 2000 Leser habe und jeder, sagen wir, 3 Euro Nutzen daraus zieht, hat es sich sogar wieder gelohnt. Man verzeihe mir diese materialistische Sicht der Dinge, aber gestern habe ich es wirklich bereut, kein Berufssohn zu sein, dem die Eltern alle Eskapaden bezahlen. Insofern bin ich natürlich dankbar, wenn wenigstens andere aus dem Kelch meines Leides Freude und Zuversicht schöpfen.
... link
... comment
drsno,
Donnerstag, 10. April 2008, 10:48
Ich frag mich schon seit längerer Zeit, weshalb du anstelle von "oberbayern" immer von "südbayern" sprichst. Geht es dir dabei um das bisserl Bodensee oder nur um die Distanzierung zu Franken?
... link
donalphons,
Donnerstag, 10. April 2008, 13:55
Naja, in Oberbayern bin ich jetzt auch schon: Oberbayern ist ein weites Feld. Jetzt könnte ich sagen: Alpenvorland. Aber das stimmt auch nicht ganz, ausserdem reicht das von Österreich bis nach Frankreich. Alpen ist es aber auch noch nicht ganz. Südbayern ist für mich grob gesagt die Region vom Südende des Ammersees über den Kochelsee und Chiemsee bis ins Salzburgische.
Bessere Umschreibungen des Raumes sind natürlich hochwillkommen.
Bessere Umschreibungen des Raumes sind natürlich hochwillkommen.
... link
donalphons,
Donnerstag, 10. April 2008, 15:02
Vielleicht Gipfelbayern? Das würde die weitere Verslumm Tendenz noch verdeutlichen.
... link
oswald,
Donnerstag, 10. April 2008, 17:25
Dickbayern
Darf ich als Nordländer einen Vorschlag machen? Ich bin für Dickbayern, denn in Bayern ist alles dick: die Kartoffeln, der Spargel, der Kuchen, die Eier, die Weiber, die Autos, die Subprimemarktpapierpakete, und, und, und.
... link
... comment
weltenweiser,
Donnerstag, 10. April 2008, 11:18
Du hast es geschafft mit dem Text den Text, den ich gerade im Kopf hatte, um ihn niederzuschreiben, komplett über den Haufen zu werfen und jetzt ist etwas völlig Anderes herausgekommen.
... link
donalphons,
Donnerstag, 10. April 2008, 14:20
Dann hat das Debakel ja auch sein Gutes. Sprich und dem Gewürme sage, das Deiner Texte Weisheit nimmt, dass ich unsterblich betrübt bin über die Höhe der Grunderwerbsteuer, die es tatsächlich geschafft hat, mir den Tag zu ruinieren. Ich hatte mit weniger als der Hälfte gerechnet. Da geht es hin, das Polster für einen theoretisch doch noch erwerblichen MG B.
... link
donalphons,
Donnerstag, 10. April 2008, 14:24
(Für den JAB-Anstötz-Hasen jedoch reicht es jetzt, nach getaner Arbeit wieder)
... link
donalphons,
Donnerstag, 10. April 2008, 15:58
Das letzte Mal, als ich was kaufte, waren es noch 2%, aber das war in den frühen 90ern. Danach gab es nur noch Erbschafts- und Schenkungssteuer. Die Änderung Mitte der 90er ist mir irgendwie entfallen, und seit 2006 ist es Ländersache. Berlin nimmt übrigens 4,5%. 3,5% normal und 1% Deppensteuer, denn wer in Berlin was kauft, der gehört gestraft.
früher gab es gegen das ois nemma die Idee, einfach eine kleinere Summe in den Vertrag zu schreiben, und den Rest in einem Couvert zu überreichen (so entsteht das Schwarzgeld des kleinen Mannes). Aber dazu bin ich dann doch zu ehrlich.
früher gab es gegen das ois nemma die Idee, einfach eine kleinere Summe in den Vertrag zu schreiben, und den Rest in einem Couvert zu überreichen (so entsteht das Schwarzgeld des kleinen Mannes). Aber dazu bin ich dann doch zu ehrlich.
... link
donalphons,
Donnerstag, 10. April 2008, 16:38
Ich habe eine richtig teure, nagelneue, massgefertigte Asmo-Küche. Nix Ikea.
... link
donalphons,
Samstag, 12. April 2008, 16:24
Ich kann Dir am Montag ein Bild davon posten. Oder einen kaufen.
... link
... comment