Von oben

Wenn es im Panorama mal gerade nicht schneit, regnet oder wolkenverhangen ist, wenn die Sonne eines ihrer seltenen Gastspiele schon am Morgen gibt und kein Nebel die Sicht versperrt, ist mit das erste, was man vom Bett in Gmund aus sieht, etweder die dreifarbige Glückskatze eines Nachbarn, die durch das Fenster lugt, oder aber die Hirschspitze. Die so heisst, weil man darauf keinen Hirsch sehen kann - gemesen an der Zahl der hier an die Häuser gehängten Geweihe sind Hirsche sowieso ausgestorben - und ausserdem der Berg sanft auf zwei Seiten ansteigt und mit dem breiten Grat ein flaches Trapez, und damit ganz sicher keine Spitze darstellt. Vom Wallberg, auf ca. 1400 Meter jedoch, sieht die Hirschspitze so aus:



Der Felsvorsprung, der dieses Panorama nicht wirklich frei gibt, zieht sich zehn Meter weiter in die Höhe, während im Abgrund davor die Bäume niedriger stehen, dort flirrt das Sonnenlicht über moosigen Steinen und lockt den wackeren Bergfex, noch ein paar Schritte am Verderben vorbei zu wagen, andere sterben für eines anderen Krieg, den Suff und ihre eigene Dummheit, da darf man wegen eines besonderen Blicks schon war riskieren, und dann oben auf dem kleinen Hügel sitzen und hinabblicken auf die Welt.



Also geht es über Grat und Wurzeln hinauf, begleitet von den Ameisen, die schon drunter emsig werkelten. Es sind ihrer viele, vielleicht liegt im Fels ein totes Reh, das den Winter nicht überlebte, und taut gerade auf, so dass die Insekten jetzt gar so wild wuseln, es sind viele, es werden immer mehr auf dem Weg nach oben, sie sind unter Blättern und auf totem Holz, sie haben keine Wege mehr und keine Ziele, es sind viele Ameisen, enorm viele, sie besteigen die Schuhe, und schon bald kribbelt etwas am Bein, gefolgt von Jucken der Bisse, es sind alpine Waldameisen, nicht ihre verzärtelten Stadtkollegen aus den Abläufen, die hier können beissen, und es werden zum Gipfel hin noch mehr, bis ganz oben am Ziel, wo sich der sanfte Ruhehügel an riesiger Insektenstaat entpuppt, den man schnell und ohne Aufhebens gern wieder verlässt.



Das Gift in den Waden schmerzt kaum mehr, Stunden später auf der halben Höhe, wo das Auto steht, und schon nach drei Serpentinen ist der Blick dann doch frei, diesmal zum See hinunter, überWeissach, den Affenfelsen Rottach und das scheussliche Hotel Überfahrt, und in die Stille der Berge dröhnen die Auspüffe der Motorräder ein Lied hinauf, mit dem Text "Du brauchst nicht weinen, über meinen bleichen Gebeinen, wenn´s mich derbrettert, ich bin eh deppert". Den Claim der Trunkenen in den Wirtshäusern hört man nicht, aber man kennt ihn eh, besser den Mogn verrenkt, ois am Wirt wos gschenkt. So sind sie, da unten.



Und ganz am Horizont, wie immer auch am Sonntag unter einer Glocke aus Dunst, Abgasen und Ozon, mit ein paar hohen Häusern gerade noch als Stadt und nicht als banale Luftverschmutzung zu erkennen, München, meine einzigartige Munich Area, wo sie auch am Abgrund entlang nach oben kommen wollten, nur um sich dann inmitten eines gnadenlosen Asozialsystems zu finden, das trotz guter Aussichten auf Dauer unerträglich ist, mit all seinen Betrügern, Abzockern, Mietmäulern, und Speichelleckern, die nur in solchen Strukturen überleben können.

Montag, 21. April 2008, 01:48, von donalphons | |comment

 
Münchner Smog ist schon seltsam
Da hast du in München einen stahlblauen Himmel, fährst raus und siehst plötzlich eine Dunstglocke.

Seltsam, sowas.

München ist übrigens voll mit Italienern und Chinesen. Trotz NYT-Hymnen können sich die Amerikaner offenbar Europa nicht mehr leisten.

Die Araber kommen erst im Juli

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Italiener
waren heute auch auf dem Wallberg. Massenhaft. Komischerweise bringen Klimakatastrophe und Algenpest Norditaliener auf seltsame Urlaubsgedanken, auch ausserhalb des Oktoberfestes.

Ich würde sagen, die Dunstglocke ist vielleicht 500 Meter hoch, das kann man durchblicken. Aber wenn man von der Seite reinschaut, sind es eben 15 Kilometer Durchmesser. Wirkz gleich ganz anders. Von der Haustür aus sieht man gerade die Lichtkuppel über der Stadt, und zwar im Grauschleier. Wir haben am See dagegen klaren Himmel.

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Ja nachts fällt es eher auf. Ist eigentlich weitgehend "klarer" Himmel aber man sieht nur schwach ein paar Sterne.

Trotzdem, bald duftet es nach Flieder

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Sicher,
nachdem inzwischen Ozon dank des Benzinpreises nicht mehr Münchens Grossproblem ist.

Sterne sind hier im Dutzend billiger. Und bald kann man bis 2 Uhr draussen bleiben und zuschauen.

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@avantgarde: dass man in den Bergen die Sterne weitaus besser sehen kann als in der Stadt liegt aber zum größten Teil am hohen Streulichtanteil und nicht an einer angeblichen Dunstglocke, deren Bildung sich über München wohl schwer tun würde, da a) keine schadstoffreiche Schwerindustrie wie andererorts existiert und b) topographisch keine Kesselwirkung entstehen kann.

Würde mich nicht wundern, wenn hier unterschiedliche Luftschichten der tatsächliche Hauptgrund für eine angebliche Dunstglocke wären...

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Meiner bescheidenen Meteorologiekenntnissen nach, ist das ist keine Dunstglocke, sondern eine Inversionsschicht.

Kühle Luft aus den Alpen schiebt sich unter die wärmere Luft in der Stadt wie ein Deckel. So steigen die Schadstoffe in der Luft nur wenige hundert Meter und liegen über der Stadt. Das müsste morgens am Sichbarsten sein, im Laufe des Tages löst sich das auf.

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Wie auch immer: Man sitzt da oben auf 1100 Meter ohne Feinstaub und Ozon, schaut runter und kann nicht umhin zu denken, dass es sich hier aushalten lässt. In die Stadt zum Bücherkaufen kann man trotzdem fahren, wenn man will.

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Daran besteht überhaupt kein Zweifel!

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Sagen wir mal so: Ohne Klimakatastrophe wären die Berge etwas weniger reizvoll. Aber mit Algenmeer und Sturmflut muss man sich hier nicht auseinandersetzen.

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Ach, Ameisen (und -bisse)... zumindest droht nun kein Rheuma mehr.

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Prima. Das ist eine der krankheiten, die unsereins nun wirklich nicht im Genpool hat. Dagegen juckt es jetzt noch immer. Verdammte Biester.

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Pfft Tegernsee Ameisen

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Ups. Und dann noch die räuberische Ameise des Medienbetriebcontrollings.

Aber ich wäre ja mit allem einverstanden, wenn die nicht gerade dort wären, wo ich hin will.

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Das sind Ameisen. Und die werden bald von Journalisten bedient, wenn die Journailie so weiter macht.

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Ha! Für solche Ameisen habe ich sogar einen Führerschein. Nennt mich den Ameisenkönig von Abteilung D23 Installation und Rohrsysteme.

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Du musst dort oben allerdings das Ozon durch den bösen Feinstaub ersetzen, denn basierend auf den Messwerten, sind die höchsten Ozonwerte nicht im städtischen Bereich zu belegen, sondern im Umland.

Ach ja, und wegen der mit Geweihen zugehängten Fassaden muss man sich nicht sorgen - die gehören schließlich zu den erneuerbaren Ressourcen.

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Es gibt so Ideen, bei denen schaudert es mich bis heute. Da sind unter anderem auch Möbel aus Geweihen, die ich mal in Berlin bei einem Händler zu sehen bekam, ein Sofa, drei Sessel und ein Tisch, alles in Rokokoformen. Bezeichnenderweise meinte meine Begleitung, dass sie sich das schon vorstellen könnte, im Landhaus - aber Madame hat ja auch eine rosa Krokotasche.

Dennoch: Häuser mussen auch ohne angenagelte Leichenteile gut aussehen.

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Die wurden üblicherweise in Zeiten straßenseitig zur Schau gestellt, in denen es zum Ausgleich von persönlichen Defiziten noch keine Porsches zu kaufen gab...

(Mein Ur-Opa fand die Geweihe damals auch schon deswegen sau-unpraktisch, weil sich an der Hauswand dadurch weniger Tabak zum Trocknen aufhängen ließ)

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@don: stell' dir einfach vor, es wären schrumpfköpfe aus berlin.

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Einerseits möchte ich nicht an Berlin erinnert werden (ich war jung und brauchte kein Geld), andererseits gibt es hier schon genug aus der Ecke. Die Leute, die gestern in der Konditorei nach mir kamen, hatten Schrumpfköpfe, und ich nannte sie im Geiste "Konopke". So kitschig echt kann kein Eingeborener sein, wie diese grauen Verwaltungsberliner (Ost).

Wedgwood nutzt in einem Showroom Geweihe als Tassenhalter, und ansonsten gibt es hier auch überraschend viele jüngere Bewohner, die sich sowas an die Holzfront kleben. Vielleicht sowas wie die Suche nach Identität - während man in Berlin orange Küchengeräte wie von den Eltern kauft, weist man hier auf die Knalltätigkeit der Verwandtschaft hin.

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Aufgrund der Vertreibung von Isegrim und seinen Kumpels den Schadbären ist das Hirschballern zur Populationsstabilisierung quasi unumgänglich. Im Voralpenland fährt man besoffen einfach lieber mal in eine Hochzeitsgesellschaft denn ein überzähliges Reh über den Haufen.

Nachdem also jede Saison neues Geweihzeugs in Umlauf gerät und das alte nur schwer kaputt zu kriegen ist, wird so manches Horn auch auf dem Flohmarkt inflationär gehandelt und zur Dekoendlösung verwurstet. Obwohl sich das ganze Kleingehäckselt vermutlich auch super nach China exportieren ließe... Das könntest Du den Zwölfendern in Deiner Nachbarschaft ja mal als Geschäftsmodell vorschlagen ;)

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