Die 3-Euro-Frage

machen sie mal ein experiment und leben sie von drei euro/tag. ohne mutters vorratskammer.
Eine schwierige Frage in einem Kommentar. Allerdings mache ich mit einem Kilo Erdbeeren (selbstgepflückt 1,50), einem einem halben Kilo Zucker (0,25), 100 Gramm Butter (0,20), 200 Gramm Mehl, 0,2 Liter Milch (0,30) und 10 Eiern von meinem Lieferanten (1,50 Euro) genug Pfannkuchen für drei Tage. Ein Tomaten-Champignon-Kartoffelgratin für 2 Tage geht auch für 4 Euro. Ansonsten trinke ich Tee - kostet so gut wie nichts, wenn man Cay nimmt. Die Frage ist hart zu beantworten, aber die Haushälterin, bei der ich das Kochen gelernt habe, hat mir nicht nur das Reiben des Käses gelernt, sondern auch preisbewusst arbeiten. Ich sage nicht: Billigst einkaufen. 3 Euro ist hart, verdammt hart, aber ich will nicht ausschliessen, dass es geht. Spass ist es natürlich nicht. Man muss einfallsreich sein.



Die Frage ist in gewisser Weise hypothetisch, und auch die Antworten können der Sache nicht gerecht werden. Es ist ein wenig wie die Frage, die man früher Verweigerern stellte: Was würdest Du tun, wenn ein Russe Deine Freundin vergewaltigte, und Du hättest ein Gewehr in der Hand. Der Russe, wie wir wissen, kam nicht, und ich habe eine - relative - Sicherheit, dass ich die Frage nicht im Ernstfall werde beantworten müssen. Ich sage es mal so: Ich würde vermutlich alles daran setzen, das zu ändern. Das fängt beim Thema "Beschaffung aus der Natur" an, und ich meine das nicht ironisch, sondern vollkommen ernst. Schliesslich kommen die besten Zwetschgen auch in diesem Blog nicht vom Markt, sondern von einem Baum auf einer aufgelassenen Streuobstwiese. Und im Herbst würde ich vermutlich Unmengen Äpfel bunkern, soweit das irgendwie möglich ist. Einfach, um Geld zu sparen und dann in noch schlechteren Zeiten mehr zu haben.

In dieser Frage, die sicher auch geprägt ist durch das Hartz-IV-Unrecht in Deutschland, wäre der nächste Schritt die Verbesserung der Einnahmen. Ich halte in gewissen Grenzen Schwarzarbeit für eine legitime Antwort auf dieses System, das nicht hilft, sondern abdriften lässt.

- Kleiner Exkurs an dieser Stelle: Eine Bekannte meinte partout Schauspielerin werden zu wollen, ging auf eine private Schule, bekam eine Krise, schmiss hin, ohne sich abzumelden und stand nach einem Jahr vor einem massiven Schuldenberg, den zu sanieren sich die Eltern weigerten - oder erst gar nicht gefragt wurden. Das habe ich dann gemacht, aber das Kernproblem war gar nicht das Geld, sondern das Wiedereingliedern in ein normales Leben, das nicht geprägt ist von der Suche nach finanzieller Rettung. Mama hat es nie erfahren, und ihr Kühlschrank ist wieder offen. Exkurs Ende.

Und wenn es nur Putzen bei einer Freundin ist. Und wenn es nur 20 Euro pro Woche sind. Ist auch schon was. Und nein, ich finde nicht, das Putzen schändet. Ebenso wenig wie Schneeräumen, Fenster streichen, und andere Dinge, die ich auch tue. Nicht, weil ich es mir nicht leisten könnte, einen Handwerker zu rufen, sondern weil ich den Eindruck habe, dass es mich sauber erdet, in den nächsten Wochen alle 73 Stufen im Komplex zu fegen, zu reinigen, zu verspachteln und neu zu streichen. Ich glaube nach altes sozialistischer Manier an die Bewusstseinsstiftung durch Arbeit jenseits von Powerpoint und hohen Stundensätzen. Und ich denke, dass Leute, die 3 Euro am Tag und kein soziales Netz haben, mehr Geld und ein soziales Netz brauchen. Wenn Schwarzarbeit der Weg dazu ist: Für die Gesellschaft ist es allemal besser.

Ich weiss sehr wohl, dass es mit dem "Du brauchst Geld geh arbeiten" allein nicht getan ist, und die Probleme sehr vielschichtig sind. Aber ich habe auf Ausgrabungen in Zusammenarbeit mit den von Arbeitsamt vermittelten Hilfskräften - sagen wir es ehrlich, die Alkoholiker vom Kaff - gesehen, dass eine Tätigkeit Chancen eröffnet. Ich bin in der Hinsicht ein Bekehrter, denn die Vorstellung, dass ein Alkoholkranker auch nur in die Nähe meines Planums kommt, war mir zu Beginn ein Graus. Und ich bin ganz sicher keiner gewesen, der von sich erwartet hätte, mit "so jemandem" zu kooperieren; noch dazu, wenn es Ende Februar ist und die Grabung im Schneestrurm stattfindet und die Tolaranz ungefähr auf Null sein sollte - aber es ging. Es ging sogar sehr gut.



Generell noch was zum Konsum: Antiquitätenkauf ist absolut nicht teuer. Ganz im Gegenteil. Ich persönlich finde Ikea, Roller, XXLvollgeilramsch extrem teuer, ich würde dort nie, nie, nie einkaufen. In der Provinz gibt es einen Caritasladen, der sein Angebot aus Entrümpelungen bezieht. In Rosenheim ist es eine wunderbare Töpferei beheimatet, die in Altbayern viele Kunden hat - unter anderem auch meine Familie. Ich habe bei der Caritas ein ganzes Service von Vogt gefunden und gekauft, das jemand nicht mehr haben wollte, und für einen Preis, der kaum über dem liegt, was Einweggeschirr kostet (trotzdem kann ich Vogt mit bestem Gewissen zu den marktüblichen Preisen empfehlen). Natürlich ist diese Art des Kaufens nicht so einfach, es erweitert und beschränkt gleichermassen, es passt eben genau nicht zu der Konsumkultur, die alles jetzt sofort in tausend Variationen anbietet.

Das Thema ist zu ernst, als dass man darüber Rechnungen begleichen sollte, aber - das wird jetzt etwas prekär, man darf nicht verallgemeinern - ich sehe im weiteren Umfeld der Bloggerei natürlich auch Fälle, für die das Internet zu einem falschen Fluchtweg wird. Das treibt mich gerade etwas um, weil ich einen Artikel zum Thema Kunstfiguren schreiben muss, und die literarische Fiktion abgrenzen möchte von kaschiertem Not und Elend oder Borderlinern. (Um das Problem dieser Realitätsverzerung mal zu verdeutlichen: Es gibt da jemanden, der angeblich wahnsinnig viele Projekte in Berlin macht und im privaten Gesprächen im vollsten Brustton der Überzeugung behauptet hat, ich wäre ein ganz armer Schlucker und würde das alles nur erfinden - bis ich an den Tegernsee gezogen bin) Da hängen dann Leute am Bildschirm und finden ein Fenster, das man auch aus dem übelsten Loch heraus mit einer Fluchtvision füllen kann, statt sich um die reale Verbesserung ihrer Lage zu kümmern. Das betrifft auch die Schattenseite des digitalen Lumpenpacks loboistischer Prägung, die Ritalinsociety, die Projektversprechungsmaschinierie, die partiell auch immer wieder im 3-Euro-Fragenraum kampieren muss. Ich frage mich manchmal, ob die es überhaupt anders wollten. Ob ihnen die selbsterfindung und der Druck durch Elend nicht sowas wie einen perversen Kick gibt.

OK. Es kann natürlich auch sein, dass jemand mit diesen 3 Euro mitten in Berlin sitzt, nirgendwo ist ein Kartoffelacker, die Menschen aussenrum sind komplett scheisse und das Putzgewerbe ist in der Hand von Weissrussen. Ich würde weggehen. Ziemlich genau dorthin, wo ich herkomme, und das Arbeitsamt nicht weiss, wo es die Leute herbekommen soll. Vielleicht hat man am Ende nicht dafür studiert, oder die Ausbildung passt nicht, aber ich bin lieber am Band, statt von drei Euro am Tag zu leben. Und in Sachen Band weiss ich, wovon ich rede.

Dienstag, 24. Juni 2008, 01:12, von donalphons | |comment

 
Ich hab eine ziemliche Zeitlang von Hartz IV gelebt und hatte vorher eine Zeit, in der es noch weniger war. Zwei Zugriffe auf mein familiäres und freundschaftliches Netz hab ich gebraucht, dann kriegte ich es in den Griff. Nicht sofort, aber heute betrachte ich diese Zeit als eine Zeit des Lernens, die ich als sehr wichtig erachte. Ich habe vieles verändert.

Ein paar Knackpunkte gab es. Auf Mindestniveau zu überleben, das heißt, nicht zu verhungern oder obdachlos zu werden, ist in Deutschland nicht schwer. Es gibt Unterstützung von seiten des Staates und nicht wenig. Man muss sich kümmern, das schon. Und das Sozialamt ist nicht gerade zart besaitet. Für manchen mag es auch ein Problem darstellen, mit den letzten Siebeneurodreiundvierzig im Aldi zu stehen und für ein Wochenende einzukaufen, aber es geht. Ich kann dabei allerdings nur für mich sprechen, nicht für eine Familie. Für die es wiederum weiterreichende Unterstützungen gibt.

Aber leben kann man das nicht nennen. Vor allem nicht auf längere Sicht. Man braucht irgendwann Schuhe. Einen Mantel vielleicht, eine Jacke. Ein paar ordentliche Hosen. Material für Bewerbungen. Die Kosten bekommt man erstattet, aber nicht sofort. Nicht einmal gleich. Alles dauert. Und das Konto ist permanent leer.

Also setzt der Lernprozess ein. Zeitschriftenabo? Wozu? Kisten und Kästen voller Kram, der in besseren Zeiten angeschafft wurde. Ebay? Ein Stand auf dem Trödelmarkt? Warum nicht? Dann stößt man auf den abgeladenen Überfluss der Gesellschaft. Gebrauchtwarenläden. Tauschbörsen. Nachbarn, die man einfach fragt. Die Werbebroschüren mit den Sonderangeboten. Ja, und Schwarzarbeit auch. Natürlich.

Der Druck ist allerdings gewaltig, zumindest für einen Mann. Die Freunde gehen aus und nach dem dritten Bier sind die Taschen leer. Kein Problem beim ersten, aber beim neunten Mal. Kino, Theater, Ausstellungen? Jeder Schritt vor die Tür kostet irgendwann Geld. Fahrkarte, Eintritt, Parkgebühr. Das Auto ist dann schnell weg. Das schränkt wiederum die Mobilität ein. Und so geht es weiter nach unten.

Vor diesen Wissen wird verständlich, warum so viele einfach aufgeben. Nicht mehr in Erscheinung, Kleidung, Status und Leben investieren, sondern in Alkohol. Sie sind durchaus fleißig auf diesem Weg. Morgens um sieben sind sie die ersten im Billigmarkt.

Das Fernsehen trägt seins dazu bei. Leicht erreichbar für die Massen, spiegelt es eine Welt, die nicht real, aber verlockend ist. Sie sitzen vor den Bildern und fallen immer tiefer, weil sie nicht mithalten können mit den riesigen Lofts, den Klamotten, den Chancen der Fernsehserien. Der Gegensatz zwischen ihrem Dasein und dem, was sie da für Realität halten, wird immens und der Druck unerträglich. Sie kapseln sich ab, das Selbstwertgefühl sinkt ins bodenlose. Die Haltung verändert sich, der Blick wird unstet und ausweichend, der Körpergeruch irgendwann stechend und jeder Mensch, der sich noch in der Gesellschaft verfestigt fühlt, weiß nach einer Sekunde, was er vor sich hat. Einen Versager. Sowas stellt niemand ein.

Und das war es dann meistens. Da es so viele sind, bilden sie schon ihre eigene Gesellschaft, mit ihren eigenen Treffpunkten, eigener Sprache, eigenen Regeln. Dann findet man sie vor den Billigmärkten, vor Trinkhallen, in aufgelassenen Haltestellen, die wenigstens Schutz vor der Witterung bieten. Denn allein halten sie es nicht lange aus, sie müssen sich treffen, sich versammeln, sich gegenseitig Halt geben. Und immer sind die Hunde dabei.

Ich lebe in diesem Umfeld und es hat mich viel gelehrt. Ich bin ihm nicht anheim gefallen, ich hatte anderen Halt. Aber es hat eine Weile gedauert und ich spüre den Sog immer noch. Ich kann sie nicht verurteilen für das, was sie noch immer nicht tun und ihnen auch deshalb nicht den Respekt verweigern, weil ein wenig Achtung das einzige ist, was sie noch haben und weil ich ganz genau weiß, wie schnell es da runter geht.

Aber Mitleid ist das nicht. Die Hartz-Gesetze sind nicht ungerecht, sie sind notwenig. Um den Druck aufzubauen, den viele von uns offenbar brauchen. Ein Durchschauen der psychologischen Mechanismen und eine darauf aufbauende Unterstützung wäre hilfreich.

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Ach ja, noch was. Viele von denen, die heute hier mitlesen, sind einmal Studenten und Praktikanten gewesen und hatten ähnlich wenig. Aber sie hatten etwas anderes, nämlich einen Weg, den sie gehen konnten und eine Hoffnung, diesen Weg zu schaffen.

Diesen Weg sehen die unteren Hundertausend nicht.

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Sorry. Ne aufgelassene Haltestelle bezeichnet ein Haltestellengebäude, das noch steht, aber nicht mehr angefahren wird. Gibt es überall in den Städten.

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das, remington und donalphonso, ist das beste was ich zu diesem thema überhaupt irgendwo gelesen habe- danke!

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Ja, und Schwarzarbeit auch. Natürlich.

Glück gehabt, dass es nicht herauskam. Es gibt Orte, da setzen sie sehr erfolgreich Mitarbeiter darauf an, genau sowas nachzuprüfen.

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es ist auch relevant, von woher, aus welcher richtung man da hinein stolpert.
mit etwas habitus und dem sicheren griff in einen gefüllten kleiderschrank kann man das jahrelang durchhalten.
die teilhabe am sozialen leben ist mittelfristig das größte problem, langfristig ist es eine sich einschleichende perspektivlosigkeit. aber richtig: zu dem zeitpunkt hätte man sich die frage, was man hier noch macht, nicht nur stellen müssen, sondern auch beantworten.

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"es ist auch relevant, von woher, aus welcher richtung man da hinein stolpert."

Not ist immer ein Einzelfall. Ich kenne keinen Fall, der einem anderen gleicht. Aber ich nehme jetzt mal an, dass die meisten hier noch nicht das Problem der 50plus-Unvermittelbarkeit oder Altersarmut meinen, sondern über halbwegs gesunde, intelligente und junge Leute sprechen.

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Wie viel hat denn ein Bundesbürger pro Tag durchschnittlich zur Verfügung ? Ich nehme mal an, deutlich mehr als 3 Euro pro Tag.

Durch diese 3 Euro+x ist das entstanden und (mehr oder weniger) bezahlbar, was wir heute als unseren Lebensraum hier in Dtl. haben. Alles in allem wohl ganz annehmbar.

Mit 3 Euro pro Tag und pro Person würde wohl vieles viel schlechter aussehen, sowohl die persönlichen Dinge wie Lebensstandard, Grundversorgung, Bildung als auch die staatliche Unterstützung und Infrastruktur, weil dem Staat schlichtweg das Geld fehlt bei einer verarmten Einwohnerschaft.

Mit 3 Euro kann man als Erwachsener ohne Ansprüche evtl. einige Zeit existieren (nicht leben), aber es ist ein Rückschritt in allen Belangen. Meine Vorredner gingen bereits darauf ein.

Dieses "x" bei den 3 Euro + x hat also durchaus seine Daseinsberechtigung und wer meint, das "x" könne nahe bei 0 liegen, irrt gewaltig.

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Upps, ich fand mich mit ca. 12 Euro täglich für´s Essen eigentlich bescheiden.

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... biste auch - da sieht man mal was diese verfluchten "3 Euro" bedeuten, wer denkt sich sowas aus? Vorher zu viel gegessen? Alles Blut im Bauch, bei den entscheidenden Beratungen?

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In Hausbesetzerzeiten ging es wirklich so billig: Säcke voll mit Reis, getrockneten Linsen und kiloweise Nudeln. Dann gab´s den einen Tag Reis mit Scheiß (irgendwelche Küchenreste -Abfälle), den nächsten Tag Linsen, dann Nudeln mit Ketchup, dann Wassersuppe mit Reis, Nudeln mit Linsen, Wassersuppe mit Nudeln usw. Bonbons machte man sich, indem man Brotkrumen naßmachte, mit Zucker einpuderte und in die Bratpfanne schmiss, bis Karamell daraus wurde. Salat pflückte man sich aus Löwenzahn, Klee und Brennesseln im Stadtpark. Und natürlich regelmäßig Supermarktdiebstähle, und Bierkästen für lau aus dem Getränkemarkt abgefahren. Nannte man catering by Fielmann - nicht einen Pfennig dazugezahlt;-)

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Ich würde weggehen.

Irgendwie ist das Motto der Bremer Stadtmusikanten "etwas besseres als den Tod finden wir überall" nicht populär. Übrigens hat im Märchen dies der Esel gesagt.

Diese Abhängigkeit von sozialen Netzwerken ist etwas, was man gemeinhin bei Jugendlichen findet, als normaler Transitionsprozess in die eigene Übernahme von Verantwortung im Erwachsenenleben. Stichworte: Identifikationsmöglichkeiten, Orientierung, Entwicklung eigener Werte. Das geht einher mit einem unbändigen Kommunikationsbedürfnis.

Im "digitalen Präkariat" sehe ich daher irgendwo als Problem von Berufsjugendlichen - eine Haltung, die gesellschaftlich im Gegensatz zu früher nicht mehr geächtet wird ("eigentlich sollten wir erwachsen werden" - wie der Claim für das Magazin Neon). Das "digitale Lumpenpack loboistischer Prägung" ist nur die sichtbare Spitze des Eisbergs, dessen Rest sich in den Szenevierteln deutscher Grossstädte verbirgt und bestenfalls als Sozialversicherungsnummern in der Künstersozialkasse auftaucht.

Ich denke nicht, dass jemand es wirklich anstrebt, latent im 3-Euro-Fragenraum kampieren zu müssen. Das ist eher der Preis der Mitgliedschaft in der Gruppe. Wenn es persönlich wirtschaftlich gut läuft, verliert der Einzelne die Identifikation. Dazu gehört auch das manische "Netzwerken", denn mitmachen ist angesagt, Abgrenzung kann gefährlich werden. Genau wie ein Neuanfang in einer anderen Region oder Land.

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Diese Abhängigkeit von sozialen Netzwerken
als etwas berufsjugendliches abzuqualifizieren, greift meines Erachtens ein wenig zu kurz. In den letzten fünf Jahren haben wir zweimal irgendwo neu angefangen, und ich stelle fest, dass das halt doch mit erheblichen Reibungsverlusten einhergeht, dass sich gewachsenes Miteinenander nicht einfach irgendwo an neuen Ort wieder von Null an aufbauen lässt ohne weiteres. Die Tatsache, dass sich andere Menschen auch fortgepflanzt haben und daher zum Kiga-Elternabend kommen, bürgt nicht unbedingt für weitergehende gemeinsame Interessen. Und ich denke, ohne ein paar flankierende Kontakte aus der Bloggerei wäre mir der Neuanfang hier wesentlich schwerer gefallen. Und nur in den albernen Schützenverein einzutreten, nur um mehr nachbarschaftliche Nähe herzustellen, ist halt auch nicht jedermanns Sache.

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Soziales Leben geht mit sozialen Netzwerken einher. Ob Bloggerei oder Schützenverein. Das sagt nichts über die Qualität der Kontakte, ob emotional oder materiell, aus. Mit der hohen Quantität ist jedoch meist Beliebigkeit und Stillstand verbunden.

Wo ich eine Similarität mit Jugendlichen sehe, ist die hohe Kommunikationsfrequenz. Twitter hat sie sichtbar gemacht.

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"Mit der hohen Quantität ist jedoch meist Beliebigkeit und Stillstand verbunden."

Nicht ohne Grund dunsten die einst großen Bekanntenkreise der Jugendzeit auf nur wenige Kontakte später ein. Man erkennt, das ein (!) guter (!) Freund sehr viel wichtiger ist als hundert Freunde aka Bekannte, die man eben nur so kennt und auch nicht mehr.

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Irgendwie ist das Motto der Bremer Stadtmusikanten "etwas besseres als den Tod finden wir überall" nicht populär. Übrigens hat im Märchen dies der Esel gesagt.

Das hat natürlich auch zum Teil etwas damit zu tun, dass bestimmte Dinge überall in ähnlicher Form abzulaufen beginnen. Was hier im Osten teilweise schon normal ist, beginnt im Westen auch bereits Einzug zu halten (bzw. ist dort auf einem höheren Niveau bereits in ähnlicher Form vorhanden).

Ich wurde z.B. ernsthaft gefragt, ob ich für 950 EUR brutto von Dresden in die ostdeutsche Provinz umziehen würde. Das wäre dann eine befristete halbe Festanstellung gewesen. Sorry, aber das hat mit "Perspektive" nichts zu tun.

(und bitte jetzt keine Witze über "Dresden" und "ostdeutsche Provinz", ja?)

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strappato, ich glaube, gerade wenn man jung ist, geht man noch eher woanders hin. Viel schwieriger ist es doch für Leute jenseits der 35, die keinen Partner oder Familie haben, irgendwo alleine wieder anzufangen. Die meisten Leute haben dann nämlich ihre Freundeskreise, da ist für neue Leute oft weder Zeit noch Platz. Zudem sind insbesondere alleinstehende Frauen in Pärchenkreisen nicht so gern gesehen.

Und was ist, wenn man mal krank ist? Wer geht einem dann einkaufen oder kocht einem mal was, weil man es selbst nicht kann? Da ist man dann schon auf sein soziales Netzwerk angewiesen.

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Also, in meiner Jugendzeit hatte ich eine Clique, mit 30 einen Bekanntenkreis, der aus Hunderten Leuten bestand, heute ein Netzwerk aus drei Dutzend Leuten, auf die ich mich verlassen kann. Dieses Netzwerk reicht im Zweifelsfall von Ramallah bis Argentinien.

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Kommt ein Dresdner nach Thüringen zum Metzger und sogt -
Nein, jetzt mal im Ernst. Man ist heute nicht mehr so "aus der Welt" wie man noch vor 20 Jahren nach dem Umzug war. Natürlich gibt es auch massenhaft Hindernisse, ein Haus vielleicht oder Pflegefälle in der Familie, das alles kann einen Wegzug verhindern. Ich will hier auch nicht den Flexibilitätsfanatikern das Wort reden. Aber:

Spassigerweise ist es doch genau diese supiflexible Schicht der Projektmacher und Chancenseher, die sofort Ausschlag kriegen, wenn sie nur mal nach Westberlin oder raus aus der Schanze müssen. Die für geregelte Beschäftigungen nicht zu flexibel sind, sondern in ihrem Leben zu unflexibel, sich anzupassen und einzufinden. Die von Freiheit schwärmen und damit eigentlich nur ausdrücken, dass sie dabei natürlich über KSK und Schwarzarbeit mitnehmen, was sie kriegen können. Es gibt in diesen angeblich kreativen Zirkeln eine extreme Unkreativität, aus dem irgendwas zu machen, herauszukommen oder sich zu entwickeln. Das fängt bei den Lesebühnen an, setzt sich über die Kommerzbloggerei fort und endet bei den Twitter-Followern, die sich 24/7 über diesen Stil auf dem Laufenden halten, als wär´s der gleichgeschaltete grossdeutsche Sender. Die würden alles tun, um nicht in die Provinz zu müssen.

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Die würden alles tun, um nicht in die Provinz zu müssen.

Natürlich, da kommen sie schließlich her.

@ che: Und der Typ aus Ramallah geht Dir auch drei Wochen lang einkaufen, wenn Du in Füssen - wohin Du, flexibel wie Du bist, dann wegen des Jobs gezogen bist - länger krank darnieder liegst? Prima.

Ich lag von November 2006 bis Januar 2007 nach einer ambulanten OP krank daheim, glaubt mir, ich war heilfroh, nicht in Dresden, Erfurt oder Buxtehude zu sein (obwohl ich da teilweise sogar noch Verwandtschaft auftreiben könnte), sondern dort, wo auch meine Mutter, Schwester und ein Teil meiner Freunde leben. Ich wäre sonst nämlich ganz schön aufgeschmissen gewesen - ich kam ja anfangs nicht mal allein zum Arzt.

Nach dem Studium habe ich mich auch deutschlandweit beworben (sieht man mal davon ab, dass ich Bayern und Gütersloh kategorisch ausgeschlossen habe). Heute würde ich mir das fünfmal überlegen.

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Ziel sollte es sein, die Wahl zu treffen. Also autonome Entscheidungen zu treffen. Da spielt auch die berufliche Qualifikation eine Rolle. Texter, Werber, Designer, "Journalisten", Prokrastinationierer, Mehrfach-Pleitiers, und andere haben keine Wahl. Was übrigens auch die Angst der Mittelschicht vor dem Absturz ist: Die Autonomie zu verlieren.

Die Alternative Provinz stellt sich nicht. Und Berlin ist auch nicht selbst gewählt, sondern teilweise den preiswerten Mieten und Lebenshaltungskosten geschuldet.

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@arboretum: "@ che: Und der Typ aus Ramallah geht Dir auch drei Wochen lang einkaufen, wenn Du in Füssen - wohin Du, flexibel wie Du bist, dann wegen des Jobs gezogen bist - länger krank darnieder liegst? Prima." ---- kenne ich nur umgekehrt, als einer aus Bagdad vor der Tür stand und um privates Asyl bat. Ich habe doch überhaupt keiner unbegrenzten Flexibilität das Wort geredet, ich finde den ganzen Flexibilitäts-Sparsamkeits-Diskurs Scheiße. Es geht dabei nur um intensivierte Ausbeutung und sonst gar nichts. Ich wehrte mich nur gegen diese Sichtweise, Netzwerken sei etwas spezifisches für junge Leute. Ich weiß auch, was es bedeutet, alleine in der eigenen Wohnung zu sitzen und auf Hilfe Anderer angewiesen zu sein, das habe ich nach einem Vierfachverrenkungsbruch gründlich mitbekommen. Genau darum weiß ich es ja zu schätzen, selbst sonstwo in der Weltgeschichte noch Leute sitzen zu haben, die einen aufnehmen würden, wenn es gar nicht mehr geht.

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Fürwahr ein weites Feld und schwieriges Thema. Sehr entscheidend ist in der Tat, woher man kommt - ich erinnere mich da immer an einen Mitschüler, der intensivst von den romantischen Freiheitsgefühlen schwärmte, die eine vorübergehende Geldknappheit in einem Griechenlandurlaub in ihm ausgelöst haben, und der doch zu jeder Zeit wusste, dass er einfach das väterliche Reisebüro hätte anrufen können, um bequem und wohlversorgt wieder nach Hause geflogen zu werden. "Frei und abgebrannt" (Bernhard Brink) kann dann Spaß machen. Und auch die Tatsache, dass es oft wohlgebildete und -begüterte Menschen sind, die zu Hause keinen Plasmafernseher haben, aus Streuobst Saft und Marmelade sowie im Urlaub eine Fahrradtour machen, ist ja inzwischen bekannt.

Mir fällt auf die Dreieurofrage keine passende Antwort ein; es ist ein großer Unterschied, ob man die preisgünstigen, wohlschmeckenden und gesunden Pellkartoffeln mit Quark serviert, weil man Lust darauf hat, oder weil man nicht anders kann.

Dennoch war es für mich schon früher immer befremdlich, wenn gerade angeblich "arme" Mitschüler, für deren Klassenfahrtsteilnahme jedes Jahr gesammelt wurde, Nike-Schuhe trugen und täglich Coladosen dabeihatten, die die Mittelschichtskinder, und zwar aus Kostengründen, nicht haben durften. Andererseits fuhren die Mittelschichtskinder aber regelmäßig in den Urlaub und mussten nie die Situation erleben, nach den Ferien ("nun erzählt doch mal alle, wo ihr gewesen seid") eben kein tolles Erlebnis aus Teneriffa oder dem Skiurkaub berichten zu können.

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Das Möbelparadies...
...hat einen wunderhübschen Ableger im schrecklich hässlichen Forbach:
http://www.emmaus-forbach.fr/salledesventes

"Leben" kann man auch von verdammt wenig. Und: Ja, und das geht nur mit einen "Plan im Sack", wie der Saarländer sagt.

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Band...
klingt immer so schrecklich, habe ich in der Zeit zwischen Ausbildung und Studium auch gemacht, bei einem Zulieferer im Speckgürtel.
IG Metall Tarif Oberbayern, einmal Nachtschicht, zweimal Samstags --> 2000 Euro netto, wär ich geblieben und hätte wie gewünscht Schichtführer gemacht, wärs nochmal mehr gewesen
Die dicksten Karren haben bei uns nicht die Ings gefahren, sondern die Bandjungs.
Man muss natürlich mit der stupiden, monotonen Arbeit klar kommen und sich der Abstumpfung erwehren. Das ist das Problem

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"Leben" kann man auch von verdammt wenig. Und: Ja, und das geht nur mit einen "Plan im Sack", wie der Saarländer sagt.

So isses. Und genau da liegt das Problem.

Natürlich kann man von 3 EUR pro Tag ernährungstechnisch leben; schön ist es nicht. 4 EUR geht eigentlich, 5 EUR ist durchaus anständig (bei mir dürfte es gewöhnlich so zwischen 4 und 5 EUR pro Tag liegen). Aber das erfordert eine detaillierte Planung; und eben auch, dass man diesen Plan dann durchzieht. Wer das "vom Kopf her" kann, hat da natürlich bessere Karten.

Bei der 3-EUR-Variante würde ich z.B. so herangehen:

0,75 EUR Frühstück
1,50 EUR Mittag
0,75 EUR Abendbrot

Beim Mittag würde ich dann das ganze entweder dritteln:

0,50 für Reis/Kartoffeln/Nudeln (das ist mehr als reichhaltig)
0,50 für Gemüse
0,50 für Eier/Fleisch/Wurst oder ähnliches

oder 1/3 zu 2/3 teilen:

0,50 für Reis/Kartoffeln/usw.
1,00 für den Rest (z.B. eine größere Gemüseportion o.ä.)

Damit lässt sich durchaus eine ganze Reihe von Gerichten zusammenstellen; aber man muss natürlich dann auch selbst kochen.

Und nein, ich heisse nicht Sarrazin.

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Und wovon bezahlst Du das Salz, das Öl und die Gewürze zum Kochen? Die sind in der Rechnung nicht drin, müssen aber auch ab und an finanziert werden. Und wenn es dann dumm läuft, sind Öl, Reis, Salz und Nudeln gleichzeitig alle und im Portemonnaie nur noch drei Euro drin.

Du vermutest, dass Du zwischen vier und fünf Euro am Tag für Lebensmittel ausgibst - hast Du es mal über mehrere Monate aufgeschrieben? Da erlebt man manche Überraschung, ich habe das mal interessehalber über einen längeren Zeitraum gemacht. Mit 150 Euro/Monat kann man sich übrigens schon ziemlich gut bio ernähren - nur Hartzies haben gar nicht so viel Geld.

Die 120 Euro, die gerne für Lebensmittel angegeben werden, sind unsinnig, weil die ALG II-Sätze beispielsweise kein Geld für körperliche Hygiene (Tampons, Deo) oder Verhütungsmittel berücksichtigen. Sie müssen also beim Essen eingespart werden. Und die rund 13 Euro Gesundheitskosten reichen auch nicht, wenn man bedenkt, dass auch die einen Teil zuzahlen müssen, bevor sie sich davon befreien lassen können. Den Hustensaft für die nächste Erkältung zahlen Hartzies auch schön selbst, genau wie alle anderen rezeptfreien Medikamente, die man halt manchmal so braucht. Und sei es eine Rolle Heftpflaster.

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In Bayern sagt man "Von den reichen Leuten kann man das sparen lernen". So pauschal trifft das nicht zu, aber ich habe wirklich Probleme, in meinem Umfeld Beispiele für exzessive Verschwendung zu finden. Der Klassiker ist, die anderen Leute im Umklaren zu lassen und nur alle zwei Jahre irgendetwas zu tun, das beweist, dass man nicht auf da Brennsuppn doheagschwumma ist.

Ich fand Band absolut nicht schlimm. Die Firmen, die ich kenne, haben sich alle Mühe gegeben, den Arbeitern die Sinnhaftigkeit ihres Tuns nahezubringen. "Akkord" ist dort zumindest nicht mehr das, was es mal war, es gibt dort Teamarbeit, Fortbildungsangebote, auf Arbeiter basiertes Qualitätsmanagement, weil es die Qualität steigert. Ich sage nicht, dass es mein Job und mein Leben wäre, aber ich hatte schon weitaus unschönere Jobs - wie den, dem ich das Notebook verdanke, auf dem ich gerade schreibe. Ob man nach dem Band saufen geht, oder lateinische Quellentexte übersetzt, bleibt einem selbst überlassen.

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Du wusstest aber ganz genau, dass das nicht für immer ist, sondern nur vorübergehend. Das ist ein wesentlicher Unterschied. Perspektive, wie vert schon sagte.

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Und wovon bezahlst Du das Salz, das Öl und die Gewürze zum Kochen? Die sind in der Rechnung nicht drin, müssen aber auch ab und an finanziert werden. Und wenn es dann dumm läuft, sind Öl, Reis, Salz und Nudeln gleichzeitig alle und im Portemonnaie nur noch drei Euro drin.

Deswegen rede ich ja auch von "Plan". Natürlich kann man (und wird man) zwischenzeitlich auch mal unter die 3 EUR-Grenze fallen. Es ist ja nicht so, dass einem jeden Tag aufs neue 3 EUR in die Hand gedrückt werden und man dann damit genau diesen einen Tag auskommen muss. Eine Ravioli-Dose kostet deutlich unter 1 EUR.

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Psst, lass das mit der Dose Ravioli bloß nicht Don hören. ;-)
Abgesehen davon glaube ich nicht, dass Du Ravioli morgens, mittags und abends essen magst.

Ich mache allen, die hier theoretisch ausrechnen, was man so fürs Essen braucht, einen Vorschlag: Schreibt es mal über drei Monate auf und nennt dann mal hier die Summen.

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Don, leider ist nur nicht immer Sommer. Und im Winter kann man auch nicht dauernd Kohl futtern, irgendwann kommt einem auch die 100. Variante zum Hals heraus. Denn wie jener Freund in der Geschichte, die ich gestern verlinkte, sagte: Irgendwann möchte man auch einmal etwas essen, worauf man auch tatsächlich Lust hat, und sei es ein Stück Ziegenkäse.

Interessant, dass alle die drei Euro pro Tag allein fürs Essen ausgeben - wenn ich die Kommentatorin richtig verstanden habe, muss sie davon aber auch ab und an eine Fahrkarte für die S-Bahn finanzieren. Wenn es regnet und sie nicht völlig durchnässt am Arbeitsplatz erscheinen will. Denn sie arbeitet ja, und das bedeutet, dass für Schwarzarbeit keine Zeit und Kraft mehr übrig bleibt.

Aufgelassene Streuobstwiesen gibt es auch nicht überall. Hier gäbe es sehr schnell Ärger, wenn man einfach irgendwo mal ein bisschen ernten ginge. Obstklau ist hier Thema in den Lokalzeitungen. In solch vergleichsweisen kleinen Städten wie Ingolstadt mag das anders sein.

Was Deine Rechnung auch nicht berücksichtigt, sind die Dinge, die Frauen halt mal so brauchen. Die weiter oben erwähnten Tampons, ein bisschen Creme, Shampoo und Make-Up aus dem Drogeriemarkt und ab und an vielleicht ein Besuch beim Friseur. Wer arbeitet, muss schließlich ordentlich aussehen.

Klar, man kann zu einem 10€-Friseur gehen und das Ausbeutungssystem damit weiter befördern (denn dass die Friseurin dann auch ergänzendes ALG II bekommt, dürfte jedem klar sein). Doch in der Regel kostet nur der Schnitt 10 Euro, waschen und föhnen geht dann nochmals extra. So steht es jedenfalls bei dem Billigfriseur bei mir um die Ecke an. Ist also auch keine wirkliche Lösung bei Geldknappheit.

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Ich sage nicht, dass ich 3 Euro für vertretbar halte. Ich sage, dass ich kurzfristig versuchen würde, diesen Rahmen einzuhalten und gleichzeitig alles probieren würde, dem zu entgehen. Die Frage war aber mit dem Rahmen 3 Euro für Essen konkret an mich gerichtet, also habe ich versucht, sie für mich zu beantworten. Ich bin nicht der Messias und das allgemein gültige Orakel, ich kann mir nur Gedanken machen, was ich in meiner Lage tun würde. Und bei uns verfault nun mal kistenweise das Zeug, weil die Streuobstwiesen nicht mehr bewirtschaftet werden. Äpfel geht sogar noch irgendwie, da wird noch gepflückt, aber Birnbäume werden einfach nicht mehr beachtet.

Natürlich kann man die Bedingung nochmal verschärfen. Natürlich gibt es Not auf der Welt, und die Antworten für den Sudan würden noch übler ausfallen. Ich finde das alles weder locker noch sexy, aber das allfällige Rummaulen der typischen Sozialberichterstattung, wie furchtbar das alles ist, hilft auch nicht weiter.

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Ich sage nicht, dass ich 3 Euro für vertretbar halte.

Habe ich auch nicht behauptet.

Ich sage, dass ich kurzfristig versuchen würde, diesen Rahmen einzuhalten und gleichzeitig alles probieren würde, dem zu entgehen.

Ich hatte nicht den Eindruck, dass die Fragestellerin nicht auch alles Mögliche versucht. Aber von anderen Leuten weiß ich, dass es dann trotzdem nicht unbedingt klappt.

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Von 3 Euro am Tag leben? Geht nicht. Sich von 3 Euro am Tag ordentlich zu ernähren ist gut möglich, wenn damit nicht gemeint ist, jeden Tag genau 3 Euro für Nahrungsmittel auszugeben, sondern 90 ~ 100 Euro im Monat. Man meide als Erstes jede Art von Convenience-Frass, Knabberscheiss und Süßkram. Dann verzichte man auf dieses ganze Zeuch in Tüten, das angeblich Aroma macht. Als nächstes befasse man sich mit Auf-Vorrat-Kochen und überhaupt Vorratshaltung. Schließlich beschränke man sich - so nicht ohnehin Vegetarier - auf maximal zwei Fleischmahlzeiten die Woche.

Okay, wer - wie ich familienbedingt - Bier für ein unverzichtbares Lebensmittel hält (bin in einer Brauerei aufgewachsen...), der wird mit den 90 ~ 100 Euro eher nicht auskommen. Unser Lebensmitteletat bei zwei ausgewachsenen Fleischfressern, Bier- bzw. Weintrinkern, die sich schon mal Steaks vom Biowiesenochsen vom Düsseldorfer Carlsplatz leisten, liegt bei inkl. Alkohol dann schon eher bei 350 Euro pro Monat.

In meiner kurzen, aber heftigen Punkzeit so um 1976, 1978 herum habe ich mich übrigens mit knapp 250 Mark im Monat durchgeschlagen, weil ich Arbeiten für scheiße hielt. Ging auch. Unter Zurhilfenahme von Freunden und Verwandten. Da lud ich mich auch schon mal zum Essen ein und erwarb meine Mahlzeit durch das Erzählen feiner Geschichten. Oder auch mal n Freskorb für einmal Babysitten. Körperlich musste ich in diesen gut zwei Jahren nie arbeiten, höchstens mal als Nachtwächter in einer Messehalle für 4,5o Mark die Stunde die Zeit totschlagen. Nett war auch, für immerhin 6 Mark Stundenlohn am Flughafenzoll Schlange stehen für einen Im-/Exportladen...

Ich glaube, heute gibt es solche lauen Jobs nicht mehr, da nimmt man dafür Praktikanten.

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"bin in einer Brauerei aufgewachsen"

Do schau her.

Bei mir ist es signifikant mehr als drei Euro, weil ich konsequent auf höchste Qualität achte - sprich, ich kaufe nur bei kleinen "Handwerkern", wo ich mir sicher bin, dass so nachhaltig wie möglich gewirtschaftet wird. Dazu kommen auch ein paar kleine Luxusfreuden, aber zusammen mit der Bevorzugung von Tee allein rechnet alles wieder auf, was andere vermutlich an Alk für nötig halten. Die Vorstellung, am Essen wirklich bzu sparen, das gebe ich ehrlich zu, missfllt mir, da würde ich eher auf anderes verzichten.

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Rainer, was Ihr da so zu zweit im Monat verzehrt mache ich locker alleine.

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Ich frage mich, ob all die Drei-Euro-Optimisten hier nicht die Wechselfälle des Lebens unterschätzen. Nur ein Beispiel: Bei mir wurde vor einigen Jahren eine Nahrungsmittelunverträglichkeit festgestellt, die nicht nur eine dauerhafte Einschränkung der Lebensmittelauswahl bedeutet (höhere Kosten!), sondern auch, dass ich innerhalb kurzer Zeit von "gut genährt" auf stark untergewichtig abgemagert bin. Auf einmal sah fast der gesamte Inhalt meines Kleiderschranks verboten aus. Mit einer Anzughose, die am Bund unter dem Gürtel mehrfach in Falten gelegt werden muss, kann man z.B. nicht in Vorstellungsgespräche gehen. Wenn ich es getan hätte, hätte mich vermutlich jeder in das Klischee der lebensunfähigen, verlotterten Arbeitslosen gesteckt. Klar, man kann Schlussverkäufe und Second Hand nutzen, man kann in der Freizeit das viel zu große Zeug trotz grauenhafter Optik tragen, und man kann manche Sachen ändern, wenn man denn nähen kann, es sich mühsam beibringt oder "jemanden kennt". Es war in meinem Fall nur deswegen kein Problem, weil ich ein ordentliches Einkommen habe. Aber so etwas - und vielerlei derartige Dinge mehr - kann Hartz-IVlern natürlich ebenso passieren.

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Und viele Krankheiten, die eine besondere Ernährung oder Behandlung bedürfen, gelten bei Hartzies eben nicht als Grund für einen erhöhten Bedarf. Ausnahme: Diabetiker, die bekommen auf entsprechenden Antrag einen höheren Bedarf zugestanden.

Was von den Drei-Euro-Optimisten auch gerne vergessen wird: Viele Leute arbeiten Vollzeit und sind trotzdem auf ergänzendes ALG II angewiesen. Das bedeutet zugleich, dass sie gar nicht unendlich viel Zeit haben, um nebenher noch Jagd nach den günstigsten Sachen zu machen, die müssen doch auch ihren Haushalt schmeißen usw.

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der punkt ist, dass extrem viele von denen, die heute mit 3 euro auskommen müssen (meist ist es mehr, aber damit kommen sie auch nicht hin) , nicht die fertigkeiten haben, die ihr aufzählt. die können nicht so eine planvolle rechnung aufstellen, wie z.b. oberlehrer, nach der anteile an grundnahrungsmitteln auf tag und menge heruntergebrochen werden. ganz viele (wenn nicht die meisten) wissen nicht mehr, wie man kocht. sie haben es weder in der schule noch von ihren eltern gelernt. kochen ist für diese leute gleichbedeutend mit etwas fertiges in der mikrowelle warm machen oder eine dose würstchen auf den herd stellen. und das ist natürlich teuer. neulich stand ich bei macdonalds am tresen, um ein softeis zu kaufen. vor mir eine familie, dem anschein nach hartz IV, mit zwei kleinen kindern und angetrunkenem vater. für alle vier personen hamburger und fritten plus cola - das macht dann 18,- euro irgendwas. da geht es hin, das geld, das für eine woche essen hätte reichen sollen. unsereins, der das glück hatte, neben rechnen und schreiben auch noch kochen gelernt zu haben, würde es dagegen schaffen, mit sehr wenig geld, wenn auch spaßlos, über die runden zu kommen. aber gerade wegen dieser fertigkeiten würde er es auch schaffen, früher oder später, einen job zu finden. diese leute können das nicht. sie haben nur gelernt, wie man sich auf den ämtern halbwegs durchschlägt. und das ist die eigentliche tragödie, denn wenn jetzt auch noch die hauptschulen in ihrem auftrag versagen (und das tun sie!), wird diese inkompetenz im leben an die kinder weitergegeben. will sagen, der staat ist hier gefragt, nicht die eltern, denn die können es nicht!

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Daran ist leider sehr viel Wahres!

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Das Problem dürften aber auch, rein materiell, Vorratskäufe und Investitionen aller Art sein. Öl, Essig, Salz, Pfeffer, Klopapier, Waschpulver etc. wurden hier ja schon genannt. Auch Sonderangebote bei haltbaren Artikeln kann man nur dann für Vorratskäufe nutzen, wenn man das nötige Geld gerade zur Verfügung hat.

Ich glaube, wenn mir irgendwie Hartz IV drohen würde, würde ich mir, solange noch irgend möglich, eine "heimliche Reserve" für solche Notfälle und Hamsterkäufe unters Kopfkissen stopfen, von der das Sozialamt nichts weiß. Der Punkt ist natürlich, dass man diese dann durch Sparen aus den neu hereinkommenden Mitteln wieder aufstocken müsste, was vermutlich sehr, sehr schwierig ist. Und viele Leute sind vermutlich mit dieser Art von Planung ohnehin überfordert.

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Kochrezepte google ich mir übrigens meistens im Internet zusammen. Das fördert relativ viel zutage, sogar, wenn man bei den Zutaten sehr eingeschränkt ist. Aber kann sich ein Hartz-IVler eine Flatrate leisten oder die ausgedehnte Nutzung eines Zeittarifs? Und hat er (wenn alleinstehend) üblicherweise eine Gefriertruhe oder einen Kühlschrank mit ordentlichem Gefrierfach, um Vorräte und Reste zu konservieren, was vor allem für Singles oft notwendig sein dürfte?

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Gut, man kann die Ausgangsfragestellung immer noch weiter anziehen, aber mal ehrlich: Nudeln ins kochende Wasser geben und Tomaten schneiden sollte niemanden überfordern. Irgendwo ist der Punkt erreicht, an dem man nicht mehr Staat, Schule und Familie beschuldigen kann, und irgendwas - und wenn es nur kochen ist - muss man von denen verlangen können, die in Problemen stecken. Was soll denn des Staat sonst tun? Jeden Tag Pizza vorbeischicken? Junkfood flat? Und wenn es hier schon oft über asoziales Verhalten "oben" geht: Das ist nicht auf die beschränkt, die besitzen. Genauso, wie Eigentum Verantwortung bedeutet, bedeutet Armut nicht Verantwortungslosigkeit. Ohne jetzt 3, 4 oder 5 Euro gut zu finden, wäre es doch schön und nicht ganz undenkbar, dass jemand lernen kann, im Kleinen seine Sachen geregelt zu kriegen.

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Und vielleicht noch was zum Thema Dosenravioli und Kochkünste: Ich glaube nicht, dass es schon Jahrhunderte her ist, dass man in den Familien das Kochen verlernt hat. Der Bruch mit Fast Food und Convenientscheisse ist allgemein und hängt direkt mit der Entwicklung der Medien in den 70er und 80er Jahren zusammen - der neigung, am Abend aus dem Topf zu fressen und dabei die Glotze anzuschmeissen. Und da ist das Verhalten durch alle Schichten gleichermassen fragwürdig. Aber bis in die 70er Jahre war Fertigessen erheblich teurer, und zwar so teuer, dass gerade Ärmeredurch die Bank sicher noch kochen konnten. Die Herdversager, die ich ansonsten komme, sind Verweigerer in meinem Alter, oder Engländer, Schotten, Waliser und Iren. Bei den letzten vier sehe ich schon genetisch keine Hoffnung, aber erstere würden schon wieder, wenn sie müssten.

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Na ja, aber wer eine Nahrungsmittelunverträglichkeit hat, die sehr viele Standard-Zutaten betrifft, der kommt mit tradierten Familienrezepten nicht weit. Da helfen eigentlich nur Internet oder z.B. Bücher, was aber noch teurer kommt (aber vielleicht gibt es so etwas in Bibliotheken, okay). Ich gebe letzten Endes nicht viel mehr Geld für Essen aus als der "Normalmensch", aber nur, weil ich gut informiert bin. Klar, ich bin kein Sozialfall, und vermutlich haben viele Hartz-IV-Empfänger keine solchen Probleme. Es ist für mich nur ein Beispiel dafür, weshalb eine Summe, die eigentlich als ausreichend eingestuft wird, plötzlich doch knapp werden könnte.

Im Übrigen hätte ich aus dem Stand auch wirklich nicht gewusst, wie man den irgendwo erwähnten Kohl oder anderes jeweils gerade billiges Saisongemüse zubereitet. Das habe ich als Kind nie gelernt. Man braucht in solchen Fällen halt schon die Möglichkeit, sich dieses Wissen irgendwie anzueignen.

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Ergänzend zu amelia: Die meisten Singles auf ALG II haben wahrscheinlich keine Tiefkühltruhe, denn in den 45 Quadratmeterwohnungen*, die alleinstehenden Langzeitarbeitslosen zugestanden werden, sind die Küchen meist nicht so groß. Und so ein Drei-Sterne-Gefrierfach ist sehr schnell voll (ich hatte einmal eine Winzküche, daher weiß ich das).

Bei vielen, die sich hier über Hartz IV-Empfänger äußern, habe ich den Eindruck, dass sie sie nur aus dem Unterschichtenfernsehen - das angeblich ja keiner hier guckt -, kennen, aber keine in ihrer Nachbarschaft oder gar Freundeskreis haben. Ich kenne einige - und sie sind nicht so, wie hier immer gerne dargestellt wird. Kochen können sie übrigens auch.

* das ist die Obergrenze, der Quadratmeterpreis muss zudem angemessen sein. Meist wird dafür ein "mittlerer Wohnwert" angenommen, d.h. die Quadratmeterpreise, die vom Amts wegen akzeptiert werden, sind in Ballungsgebieten höher als in Gegenden mit hohem Leerstand und billigen Mieten.

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Man muss nicht lang suchen, um das soziale Elend in Deutschland zu sehen. Aber es widerstrebt mir, da in ein banales Gut-Böse-Schema zu fallen, als sei der Staat/die Bonzen/die Lobby das Böse und unten sind die geknechteten Armen, die edel sind und hungrig. So einfach ist das nicht. Und Unterschicht definiere ich anders, das hat mit Einkommen nichts zu tun. Ein adelsadoptierter Bordellbesitzer und Raser ist in meinen Augen Unterschicht, genauso wie weite Teile der Werbe-, PR- und TV-Branche, überall, wo schlechtes Benehmen auf niedrige geistige und ethische Standards trifft.

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Don, wenn Du wirklich glaubst, ich habe hier irgendein Gut-Böse-Schema aufmachen wollen, dann hast Du mich aber gründlich missverstanden.

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Dito.

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Habe ich nicht gesagt. Ich finde lediglich die Frage schwierig, ich weiss, dass ich nicht weit weg von gewissen Thesen argumentiere und möchte es dennoch als eine Äquidistanz verstanden wissen. Ich glaube allerdings nicht, dass sich die Beteiligten der Debatte ihr Bild des Sozialsystems aus der Privatglotzengosse holen.

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Es ging nicht ums Sozialsystem, sondern um die Menschen. Und da hatte ich eben den Eindruck gewonnen, dass bei etlichen hier keine Hartzies in ihrem näheren Umfeld leben und sie viel Kontakt zu ihnen haben. Denn es wurde immerzu auf die abgehoben, die ungebildet, unstrukturiert und sonst was sind. Klar gibt es von denen auch mehr als genug. Aber es sind eben nicht alle so, denkt doch mal an die ganzen Ostler. Einige von denen hatten einfach nur Pech oder waren halt schon etwas älter, als die Wende kam.

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Mal eben nur als kleine Rezeptanleitung: Spaghetti aglio olio. Man kaufe einen Liter guten italienischen Olivenöls (eher die fruchtige Variante) und lege dafür gern auch 12 ~ 20 Euro an. Man ererbe darüber hinaus eine Knoblauchknolle (60 Cent beim Gemüsetürken) sowie eine Handvoll Pepperonis (max. 1 Euro). Dann beschaffe man eine verkorkbare 0,7-Liter-Flasche (z.B. als Abfall vom Weintrinken) und wasche diese gründlichst aus. Die lasse man dann sorgfältigst trocknen. Nun zerteile man die Knolle in Zehen und drücke dieses allesamt leicht an. Die Schoten wasche man. Dann schneide man den Strunk und die Spitze ab. Zehen und Schoten werfe man in die Flasche. Dann fülle man auf mit O-Öl (den Rest nutzt man für diverse Salatsossen). Nach einer Woche hat man ein wunderbares Ausgangsprodukt für aglio olio.

Nun erwerbe man gute Spaghetti (1.000 Gramm für max. 2,80). Und ein Stück Parmeggiano zum Reiben (100 Gramm für um die 1,20). Eine wohlschmeckende Mahlzeit für zwei Personen besteht nun aus 600 Gramm Pasta, vier bis fünf Esslöffeln vom Würzöl und dem geriebenen Parmesan. Kostet dann etwa 3 Euro. Das Öl reicht erfahrungsgemäß für um die 30 Portionen (macht 50 Cent pro Portion).

Nur mals als Beispiel für lecker, qualitativ hochwertig, sättigend und preiswert.

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Kurze Verständnisfrage: 3 Euro pro Portion oder für zwei Portionen? Zur Erinnerung: Diese Summe muss für einen ganzen Tag reichen (und auch für Zahnpasta, Klopapier, Duschgel, Deo, Waschpulver etc., wenn ich das richtig verstanden habe).

Überdies wäre ein solches Rezept wohl nicht das Ideale angesichts der aktuellen Anti-Übergewichts-Kampagnen. Viel zu viel Fett und Kohlenhydrate, fast kein Gemüse, und das Stück billiges Saison-Obst, das zum Nachtisch sehr empfehlenswert wäre, ist auch nicht in der Kalkulation berücksichtigt.

Ich denke, ich kann noch um einiges billiger kochen, auch mit Obst und Gemüse. Trotzdem habe ich arge Zweifel, ob ich dauerhaft mit drei Euro am Tag hinkäme, wenn man alle Posten mit einrechnet, die täglich so anfallen.

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3 Euro für zwei Portionen. Wie gesagt: Einen halbwegs lebenswerten Haushalt kann man mit 3 Euro pro Tag und Portion nicht bestreiten, Ernährung aber wohl.

Was die Übergewichtstendenz dieser Mahlzeit angeht, sollte vielleicht mal ein/e Ökothrophologin drüber schauen. Diese Kampagne ist eh bescheuert, weil sie - zumindest in der medial verbreiteten Version - nicht differenziert: Olivenöl ist gutes Fett (hab ich mal gelernt), Parmesan hat 32% i.d.Tr. Wir reden also pro Portion von rundabunt 25 Gramm Fett. Zum Vergleich: 1 Big Mäc hat 25,7 Gramm. Und über das Dickmachen von Kohlehydraten als solchen sind sich die Experten nicht einig.

Demnächst ein politisch-korrektes Salatrezept - allerdings wieder mit dem Würzöl an der Vinigrette ;--))

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Mich könnten Sie mit dieser Knoblauch-Pepperoni-Lauge jagen - und schon gar nicht wollte ich das einen ganzen Monat lang essen.

Wie Dr. Dean schon sagte: Es hilft, und das wäre mein Vorschlag, mal vier Wochen hintereinander von täglich 3 Euro zu leben, ausnahmslos - das könnte die Augen öffnen, auch dafür, dass es mit dem Backen preiswerter Pfannkuchen nicht getan ist.

Macht das doch einfach einmal, statt hier ein Hartz IV-Kochbuch erstellen zu wollen. Danach reden wir weiter.

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In den letzten Monaten war ich des öfteren in der Situation, mich von 25 EUR pro Woche ernähren zu müssen. Vier Wochen kommen da auf jeden Fall zusammen, allerdings nicht hintereinander.

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Mal so eine Woche, das kennen wahrscheinlich die meisten noch aus dem Studium. Ist nicht angenehm, geht aber vorbei. Nach meinen Beobachtungen ist es die Dauer, die es so schwierig und so schlimm macht.

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Nochmal zurück zu Rainers Rezept: Das hat pro Portion ca. 800 Kalorien, wenn man mit 120 Gramm Nudeln und vier Esslöffeln Öl rechnet. Das ist sehr viel, eigentlich zu viel für ein Hauptgericht.

Aber umgekehrt ist es deutlich weniger als das, was eine Frau pro Tag an Kalorien verbraucht (2000), und Männer brauchen noch mehr (ca. 2400, glaube ich). Das heißt, man hat die Hälfte seines Budgets investiert, aber bei weitem noch nicht die Hälfte der benötigten Energie zu sich genommen. Abnehmen wegen Unterernährung ist natürlich eine Lösung, aber die funktioniert nicht unbegrenzt.

Und von den fünf Portionen Obst und Gemüse, die pro Tag empfohlen werden, fehlen alle fünf. Einen Apfel bekommt man kaum unter 20 Cent. Proteine, die man ebenfalls braucht, hat das Gericht übrigens auch kaum.

Und dann kommen eben noch die ganzen anderen Ausgaben dazu. Wissen die Optimisten hier, dass eine Rolle Klopapier (Discounter) ca. 20 Cent kostet, und dass man für jeden Waschgang Waschmittel im Wert von 10 Cent (Discounter) benötigt? Das klingt zwar wenig, aber es summiert sich: Klopapier, Waschmittel, Spülmittel, Zahnbürste, Zahnpasta, Deo, Duschgel, Seife, vielleicht etwas Creme, Putzmittel... Irgend etwas ist immer gerade leer.

Wer als Student gerade blank ist, lässt irgendwo eine Rolle Klopapier mitgehen. Aber das ist eher kein Modell für die dauerhafte Versorgung.

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"Das hat pro Portion ca. 800 Kalorien, wenn man mit 120 Gramm Nudeln und vier Esslöffeln Öl rechnet. Das ist sehr viel, eigentlich zu viel für ein Hauptgericht"

Ah wos.

Und nein, ich werde das ganz sicher nicht ausprobieren. Meine gesamten Ausgaben für Nahrung gehen in die Kassen von Bioerzeugern, Hardcore-Bio von Kleinstbetrieben mit hoher Qualität und Ansprüchen, es unterstützt Menschen und Haltungen, die wichtig und nachhaltig sind - warum sollte ich ein paar Wochen den billigsten Anbietern das Schlechteste abkaufen, nur um zu erfahren, dass es super unprickelnd ist und Hartz IV ein Skandal, was ich eh schon weiss? Und wenn schon die Frage gestellt wird, was man mit 2 Euro am Tag macht, dann bleibt einem nichts anderes übrig, als Kochpläne zu diskutieren.

Das Klauen von Klopapier geht durch alle Schichten.

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Ich wollte nur den ganzen Besserwissern hier klarmachen, dass sie selbst unter Hartz IV finanziell erst mal genauso ins Schlingern geraten würden wie die meisten Betroffenen selbst, die ja angeblich so wenig von effizienter Finanzplanung verstehen. Das tut der Normalbürger nämlich auch nicht. Über die meisten Kostenfaktoren des täglichen Lebens muss man sich keine Gedanken machen, sofern genügend Mittel vorhanden sind. Ich vermute, dass einige hier glauben, dass ein Heftpflaster einfach aus dem Medikamentenschränkchen im Bad kommt, wenn man es braucht - ohne je darüber nachzudenken, wie es hineingekommen ist und für welchen Preis.

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Leute, die Mercedes fahren und Klopapier klauen, kenne ich auch. Der betreffende, etwa 70-jährige Geizkragen plündert sogar regelmäßig die Damentoiletten aus. Deswegen gehe ich an den betreffenden Ort immer nur mit einigen Papiertaschentüchern in der Hosentasche.

Solch ein Verhalten kotzt mich übrigens wirklich an.

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Und wenn schon die Frage gestellt wird, was man mit 2 Euro am Tag macht, dann bleibt einem nichts anderes übrig, als Kochpläne zu diskutieren.

Eben nicht. Weil das impliziert, dass die Betroffene es nicht geregelt bekommt, weil sie nicht weiß, wie man preiswerte Gerichte kocht. Ich glaube nicht, dass das bei Frau Morphine der Fall ist.

Wäre es nicht ehrlicher gewesen, zu antworten, dass man sich Pfannkuchen backen und Erdbeeren dazu pflücken und sich Äpfel und Schwarzarbeit organisieren würde - und die Pfannkuchen wahrscheinlich sehr bald auch nicht mehr sehen könnte? Dass man genauso mit hungrigen Augen an den Kräuterseitlingen und dem Buch, was man so gerne hätte, vorbeigehen würde, und unglücklich darüber wäre, dass man sich die Fahrt zu dem schönen Flohmarkt nicht mehr leisten könnte, weil Benzin und Fahrkarten viel zu teuer sind und der Weg mit dem Fahrrad zu weit. Dass man sich sehr zusammenreißen müsste, um nicht zu verzweifeln - und dass man sie tapfer findet, weil sie trotzdem nicht aufgibt, sondern weitermacht. Damit wäre ihr vielleicht mehr gedient als mit einem Rezept für Spaghetti aglio olio.

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Nein, denn nur rumjammern und sagen, wie schlimm das alles ist, hilft noch weniger weiter. Wie schon mal erwähnt, in diese Richtung mit Anziehen der Schraube lasse ich mich nicht drängen, es gab eine Frage an mich, ích habe eine ehrliche Antwort gegeben, ehrlicher geht nicht, und wem sie nicht gefällt: ich habe nur diese eine Antwort. Ich versuche in meinem privaten Umfeld zu helfen, ich lasse keinen hungern und bin ganz sicher kein Freund einer Leckmich-Mentalität, und einen direkten Anlass, jetzt die !aber ihr könnt da nicht mitreden"-Ebene zu bedienen, sehe ich auch nicht. Es gibt gleich in der Blognachbarschaft zig Leute in weniger schönen sozialen Lagen, die jeden Tag meinen, über mich reden und meine soziale Stellung zu müssen. Und zwar weitaus weniger freundlich und nachdenklich, als ich es für das Thema ihrer, auf die Gesamtgesellschaft projezierte Lage je tun würde.

Aber bitte: Ich mache auch nicht den mindesten Hehl daraus, dass ich Wohlstand gut finde, weil Wohlstand das System am laufen hält. Wer Freilandeider für einen Luxus hält, erzähle das mal meiner Eierfrau, die ohne diesen Luxus auch Hartz IV wäre. Und das sind nicht die gefrusteten Perückenmacher nach der französischen Revolution, sondern ganz normale Leute. Armut sollte kein Zustand sein, sondern schlimmstenfalls eine Phase, und Konsum ist, wenn er richtig eingesetzt wird, Umverteilung.

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Don, ich bezog das nicht ausschließlich auf Dich, siehe Spaghetti aglio olio. Dass Du großzügig bist und gewiss keinen hungern lässt, ist allgemein bekannt (und dass ich Freiland-Bioeier nicht für einen Luxus halte, dürfte es allmählich auch sein. Ich gehe auch zu keinem 10€-Friseur, sondern lieber etwas seltener zu einem richtigen).

Ich verstehe auch, dass Du jetzt so reagierst, weil offenbar andernorts so viel über Dich, Deine soziale Stellung und den Wohlstand geredet wird - vielleicht ist das aber auch ein Grund, warum es hier zwischendurch einige Missverständnisse zwischen uns gab.

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Ich nehme auch wirklich niemandem seinen Wohlstand übel. Natürlich gibt es sehr viel (unangemessenen) Neid. Ich kenne das selbst, weil ich in der Schule ewig wegen des bekannten Wohlstands meiner Eltern gehänselt wurde. Paradoxerweise hatte ich überhaupt nichts davon, weil meine Eltern gleichzeitig sehr, sehr knickerig sind, mich in unmoderne Discounter-Klamotten gehüllt und mir das Taschengeld verweigert haben. Ziel des Neids wurde ich trotzdem. Den Spott für die hässliche Kleidung gab es obendrauf.

Inzwischen habe ich komplett mit meinen Eltern gebrochen, weil da auch ernsthafte Dinge im Argen lagen. Es geht mir dadurch sehr viel besser, aber ich habe keinerlei familiären Rückhalt, auch keinen materiellen, wenn ich ihn brauchen sollte. Ich bin voll und ganz auf meine Fähigkeit angewiesen, Geld zu verdienen.

Ein gewachsenes Freundes-Umfeld habe ich auch nicht. Erst bin ich umgezogen, weil ich alles hinter mir lassen wollte, und später wieder, weil es notwendig war, um beruflich Fuß zu fassen. Ich fürchte, von den Leuten, die ich jetzt kenne, würden mich die meisten fallen lassen, wenn es mir dreckig geht und ich dadurch lästig werde. Das gefällt mir überhaupt nicht, ich möchte natürlich richtige Freunde haben. Aber das braucht Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, um zu wachsen, und so weit ist es noch nicht.

Hartz IV, wenn man ganz und gar auf sich allein gestellt ist, ist aber eine Horrorvorstellung. Ich denke zu viel darüber nach, um mir darüber Illusionen zu machen. Klar, ich werde beruflich gebraucht, muss mir deswegen eigentlich keine Gedanken machen. Aber was wäre wenn? Ich möchte kein Sozialsystem haben, das solche Leute ganz und gar abstürzen lässt.

Ich wäre deswegen bei all meinen Kommentaren auch überhaupt nicht auf die Idee gekommen, dass diese als Kritik am Reichtum anderer aufgefasst werden könnten. Ich habe immer nur die ganzen neoliberalen Sozialdiskussionen im Kopf nach dem Motto "Hartz IV ist immer noch zu hoch, soziale Hängematte, nur Faule sind arm etc.".

Natürlich ist es okay, wenn jemand Geld hat, und auch, dass er es ausgibt. Es müssen auch nicht alle "gleich" sein. Aber nicht jeder ist durch eigenes Verschulden arm, und man darf die Hilfen für solche Leute nicht immer weiter herunterschrauben, bis es wirklich nicht mehr geht.

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manchmal ist es auch so, dass man gerade dafür keine wohlwollende toleranz mehr übrig hat, womit man selbst einmal zu kämpfen hatte. jammern ist ja immer dann schlecht zu ertragen, wenn man nicht nur den grund des jammerns, sondern eben auch das maß der eigenleistung kennt, das es bedeutet, ihn zu überwinden.

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Weder Frau Morphine noch irgendjemand anderes hat hier aber gejammert.

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so hatte ich es auch nicht verstanden. ich glaube, es ging mehr um das jammern an sich bzw. um die gegenüberstellung von jammern vs. handeln? egal, ich wollte damit nur sagen, dass es für jemanden, dessen leben gut, aber auch arbeitsreich und nicht vollkommen stresslos oder ohne ängste ist, manchmal schwer ist, sympathie für das lamentieren anderer aufzubringen. man kennt das ja auch von sich selber, also ich zumindest. wenn man selber stress am hacken hat, kommt einem das klagen von anderen leuten irgendwie bequem vor. sehr wahrscheinlich ist es das überhaupt nicht und mit einiger sicherheit handelt es sich wie bei so vielem um eine subjektiv verzerrte wahrnehmung, aber das ist jedenfalls der effekt, den ich zu bedenken geben wollte.

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die karawane
ist längst woanders:

in letzter zeit häuft sich die propaganda, dass familien mit kindern, auch bei gutem einkommen beider eltern, nach abzug aller werbungskosten und sonstiger im zusammenhang mit der arbeit stehenden aufwendungen, sich nicht sehr viel besser stellen, als leistungsempfänger nach sgb zwo.

denn sgb zwo ist ja noch zu hoch.

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Da stellt sich die Frage, ob die Inflation so eine Debatte nicht zum Rohrkrepierer werden lässt. Sinkende Realeinkommen sind das eigentliche Problem.

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Selbst wenn es so wäre - ich denke, solche Vergleiche dürfen auch nicht das einzige Argument sein. Ich lebe, trotz gutem Job, guter Ausbildung und hohem Arbeitseinsatz, in einer Wohnung, die deutlich unter den von Arboretum oben beschriebenen Standards für alleinstehende Hartz-IVler liegt. Wohnen ist hier halt einfach zu teuer.

Trotzdem würde ich Arbeitslose nie zwingen wollen, unter wesentlich schlechteren Bedingungen zu leben als ich - denn irgendwo ist nach unten hin auch Schluss, finde ich. Außerdem will ich das Gefühl haben, auch im Fall eines Jobverlustes noch unter menschenwürdigen Bedingungen leben zu können. Ansonsten würde ich mich ja vor lauter Panik vor einer Kündigung z.B. nie trauen, auch nur irgend ein kritisches Wort zu meinem Chef zu sagen.

Und wenn - wie im Fall der Familien - Kinder im Spiel sind, die für die Situation ihrer Eltern wirklich nichts können, wird die Lage noch vertrackter.

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Amelia, des ist meines Erachtens der Punkt bei der ganzen Sache -- daß sich die Leute vor lauter Angst vor Kündigung nicht mehr trauen, ein kritisches Wort zu sagen oder an ihre Arbeitgeber Forderungen zu stellen.

Weil sie nämlich dann in der Hartz-IV-Hölle landen.-

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Sinkende Realeinkommen sind das eigentliche Problem.

eben.
braucht man ja nicht extra mit dem finger drauf zu zeigen, wenn man vom jobwunder spricht.

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Amelia, des ist meines Erachtens der Punkt bei der ganzen Sache -- daß sich die Leute vor lauter Angst vor Kündigung nicht mehr trauen, ein kritisches Wort zu sagen oder an ihre Arbeitgeber Forderungen zu stellen.

es geht noch weiter.

ich gehe davon aus, dass die verwaltung der leistungen nach sgb zwo in ihrer täglichen durchführung dem
verhältnismässigkeitsprinzip, der prinzip der vorhersehbarkeit des verwaltungshandelns, letztlich insgesamt dem grundrecht der menschenwürde glatt widerspricht, und das mit absicht! ich gehe davon aus, dass so ziemlich alle bescheide in materieller oder formeller hinsicht falsch sind. das ist so gewollt!

es geht darum, zu disziplinieren. die kundschaft soll wissen, dass sie vielleicht rechte hat, aber, wenn sie wirklich und ernsthaft darauf besteht, dann auch in zukunft die arschkarte gezogen hat. diese kundschaft ist von der tageslaune ihres sachbearbeiters weit abhängiger als jeder arbeitnehmer von den launen seines vorgesetzten.

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Ich arbeite in einer Branche, in der der Arbeitsmarkt recht eng ist. Und da habe ich auch schon Situationen erlebt, bei denen es im Wettbewerb um die begrenzten Plätze keineswegs um die beste Qualifikation und die größte Leistungsbereitschaft ging - sondern die Vorgesetzten provozierten unter ihren Mitarbeitern einen Wettbewerb, wer sich am leichtesten für ihre Zwecke instrumentalisieren ließ (selbst, wenn diese den Unternehmenszielen entgegenliefen oder moralisch problematisch oder sogar ungesetzlich waren). Wer am meisten schleimt und sich verbiegt, darf drinbleiben, die anderen fliegen raus. So ein Umfeld ist fast unerträglich, und ich würde in solchen Fällen fast alles tun, um einen besseren Arbeitgeber zu finden. Auch, die Branche oder den Beruf zu wechseln oder mich weiterzubilden (Ortswechsel sowieso). Aber all das geht nur, wenn man noch einen Funken Mut behalten hat - und Fähigkeiten, die anderswo benötigt werden. Es gibt Leute, bei denen das nicht geht, z.B. weil sie zu alt sind. Und wer von der Angst vorm tiefen Sturz schon komplett aufgefressen worden ist, der hat sowieso schlechte Karten.

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@auch-einer: Das habe ich seinerzeit ja erlebt, als ich auf Sozialhilfe war. Das war organisierter Terror, was das Amt sich da mit mir zu erlauben glaubte. Nur ließ ich jeden der rechtswidrigen Bescheide (1-2 pro Woche) durch meinen Anwalt beantworten, das tut der gewöhnliche Leistungsbezieher halt nicht.

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ganz genau.

sgb zwo ist nichts anderes, als die alte sozialhilfe auf grössere bevölkerungskreise zu stülpen, und durch flankierende regelungen dafür zu sorgen, den leiustungsbezug so unattraktiv wie möglich zu machen.

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Danke, Don. Wegen solcher Artikel lese ich hier. Spricht mir aus dem Herzen.

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Bitte, gern geschehen.

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indes: es ist schwieriger...
Ich bin mir nicht sicher, ob meine Antwort auf diesen Artikel die richtige Antwort ist. Zunächst:

Es ist nicht sehr einfach, sich die Lage einer (ggf. von Schulden begleiteten) HartzIV-Existenz vorzustellen, wenn man sie nicht lebt. Natürlich kann man die Ernährung regeln, Nudeln mit Ketchup, Pfannkuchen, selbst gebackenes frisches Brot, das auch lecker schmeckt, wenn nur Butter die Scheiben bedeckt.

Nur: Das ist es nicht allein. Die "3-Euro-Frage" geht daran vorbei, dass die Lage, bei einzelnen Betroffenen, eben ganz auch anders und vor allem komplexer aussehen kann. Was ist mit Miete - und der Heizkostennachforderung? Was ist mit Kontosperrung, Stromsperrung, Drohung mit Obdachlosigkeit - oder auch nur die Angst davor?

Wenn die Existenz erst einmal prekär geworden ist, Don, dann steht kein konstanter und fest einplanbarer "3-Euro-Strom" zur Verfügung, und - das ist ein Aspekt, der es schwierig macht- die ungewohnte Lage wirkt sich bei vielen Betroffenen dahingehend aus, dass diese keinen klaren Kopf mehr haben, bis dahin, dass sie eben z.B. nicht auf die Idee kommen, Obst von Streuobstwiesen zu sammeln oder ihren Möbel-Bedarf aus entsprechenden Einrichtungen beziehen, bzw. sich schöne Möbel aus Sperrmüllresten selber zimmern.

Die prekäre Existenz nimmt innere Freiheit

- und vielleicht, das wäre dann die andere Seite, ist es sogar ein Mangel an innerer Freiheit, welcher in die prekäre Lage und Gefühle von Verzweiflung geführt hat. Die Gefühle persönlicher Ausweglosigkeit und gesellschaftlicher Verachtung sind unsichtbar, aber sie verändern eine Existenz bei vielen unübersehbar, verkomplizieren die Lage - und zwar sehr erheblich. Wie fühlt es sich an, allgemein als "Sozialschmarotzer" zu gelten, wie fühlt es sich an, wenn Freunde und Bekannte dich nicht mehr verstehen, was tut es mit den Betroffenen, wenn ihre Arbeitslosigkeit bei potentiellen Arbeitgebern zu einem "so jemand wollen wir nicht" führt, wenn der/die Betroffene sich allgemein sozialem Ekel gegenüber sieht? Und das ist es, was der/die Betroffene oft genug hört, auch dann, wenn es nicht gesprochen wird:

"Sie kosten mein Geld!"

Es ist ein Prozess, auch ein gesellschaftlicher Prozess - und am Ende kann der/die Betroffene zu einer Art Schattenexistenz werden. Die Spirale, die dahin führt, mag schwer zu verstehen sein.

Insofern ist die persönliche Antwort, Don, die du gegeben hast, redlich, aber wie weit sie als gesellschaftliche Antwort taugt, das ist meines Erachtens schwer zu beantworten. Es ist sogar sehr schwer, auch deshalb, weil Teile deiner Antwort verallgemeinerbar sind, andere aber eben nicht. Die gegebene Antwort ist nur eine Teilantwort und beantwortet nicht wirklich, nicht auf der gesellschaftlichen Ebene, wie sich die prekär Betroffenen verhalten sollen.

Es hilft, und das wäre mein Vorschlag, mal vier Wochen hintereinander von täglich 3 Euro zu leben, ausnahmslos - das könnte die Augen öffnen, auch dafür, dass es mit dem Backen preiswerter Pfannkuchen nicht getan ist. Wenn jemand völlig ausgebrannt ist, könnte auch der vorgeschlagene Umzug in prosperierendes Süddeutschland eine schwer überwindbare Hürde sein, zumal durchaus nicht klar ist, ob der/die Betroffene (z.B. eine alleinerziehende Frau) nicht damit vom Regen in die Traufe kommt, verschlimmert sogar vom Entzug des bisherigen sozialen Netzes.

Wie gesagt: Die Antwort ist nicht einfach, umso weniger, wenn man sich die Vielzahl sehr unterschiedlicher Fälle vorstellt. Bezogen auf die Vorstellung eines im Web 2.0 herumlungernden "Berliner Prekariats", das sich mit falschen Hoffnungen auf Projekte und künftigen "Business"-Chancen im Web 2.0 einem unangemessenen Internet-Eskapismus hingibt, ist es, so vermute ich es, trotzdem eine gute, sogar ziemlich gute Antwort.

Andererseits denke ich, dass es eine Form der Blindheit darstellt, wenn man beginnt, den Betroffenen vorzurechnen, wie preiswert eine Scheibe Leberkäse ist.

Wie gesagt: So einfach ist es nicht. Ich glaube, zu einer Antwort gehört auch, wie man Betroffenen Mut macht, echten Mut - also auch auf der persönlichen Ebene, und wie man ihnen den Zugang zu gesellschaftlicher Achtung eröffnet, und auch dann, wenn sie am Arbeitsmarkt ausgespuckt werden, und sei es, weil sie eben inzwischen zu einer Schicht gerechnet werden, der Bildungsferne und allgemeine Unbrauchbarkeit unterstellt wird.

Insofern halte ich die sogenannten "1-Euro-Jobs" für keine üble Sache, vom Ansatz her, würde diese aber in Bezug auf das, was den Betroffenen zugetraut wird, und in Bezug darauf, wie sie z.B. bei Bewerbungen unterstützt werden, anders gestalten, als es derzeit gehandhabt wird - evtl. in Gestalt einer staatlichen "Gemeinwohlarbeit".

Auch deshalb: Der Entwürdigungskreislauf muss durchbrochen werden.

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Ich bin ich für Leistungsanreize, wenn sie sinnvoll sind. Man darf oder sollte sogar in vielen Fällen auch Druck auf Arbeitslose ausüben.

Ich denke, ein Teil des Problems besteht aber darin, dass es wirklich nicht genügend Jobs für bestimmte Leute gibt, vor allem für diejenigen mit geringer Begabung/Ausbildung. Da kann man noch so viel Druck ausüben, irgend jemand fällt immer durchs Rost und muss mit drei Euro auskommen. Dann gibt es noch all die Fälle, die nicht so arbeiten können, wie sie wollen - sei es wegen körperlicher Gebrechen, oder weil sie Kinder oder alte/kranke Angehörige alleine betreuen müssen.

Ich halte es für sehr gefährlich, die Faulen mit den Unbegabten (und daher Ungebrauchten) und den in irgend einer Weise Gehandicapten pauschal in einen Topf zu werfen. Ich bestreite nicht, dass es die erste Gruppe gibt, und vermutlich ist sie auch gar nicht so klein - aber das ist keine Rechtfertigung dafür, dass man den anderen beiden Gruppen ein menschenunwürdiges Leben zumutet.

Durch Hartz IV sind möglicherweise tatsächlich Niedriglohn-Jobs entstanden, die es vorher nicht gab. Aber ich finde, nicht alles davon ist eine Bereicherung. Unsere Gesellschaft könnte z.B. sehr gut ohne Call Center leben, in denen Menschen (auch alten, verwirrten) hartnäckig und ungefragt Lotterielose aufgeschwatzt werden (siehe die entsprechende Reportage von Günther Wallraff). Alles in allem wären wir besser bedient, wenn diese Mitarbeiter Hartz IV beziehen würden, als wenn sie solche Anrufe tätigen müssten, damit die Call-Center-Betreiber an der Nachgiebigkeit der Angerufenen verdienen können.

Putzen ist, verglichen damit, ein sehr ehrenwerter Beruf.

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@dean: danke für diesen beitrag, das ist eine sehr kluge analyse, wie ich finde.

@don: der gedanke, dass arme leute selbst etwas tun können und tun sollten, ist natürlich ein romantischer. ich finde daran auch nichts falsch. nur bei vielen ist es so, dass sie auf die einfachsten dinge nicht von alleine kommen. kochen ist das beste beispiel. eigentlich wollte ich es nicht erwähnen, aber in die arche, wo ich manchmal etwas helfe, kommen ausschließlich kinder von eltern, die eben tatsächlich nicht wissen, wie man mit hartz IV über den monat kommt. das geld reicht für 2 wochen, in den letzten beiden wochen des monats ist es in der arche doppelt so voll wie zuvor und wir brauchen dann auch etwa das doppelte an essen. es ist nicht nur eine materielle oder physische verwahrlosung, sondern auch oder vor allem eine soziale. die familie bei macdonalds, die ich oben erwähnte, ist noch ein positiver fall, weil die immerhin zusammen essen. in vielen familien gibt es nicht einmal mehr einen gemeinsamen esstisch, geschweige denn gemeinsame mahlzeiten. statt zu kochen, wird den kindern morgens 2 euro in die hand gegeben, und dann sieh' mal zu. das heißt: die eltern verhalten sich ihren kindern gegenüber so, wie der welfare state sich ihnen gegenüber benimmt. geld und fertig. und das belässt die leute in der situation. ich meine, man müsste den leuten nicht nur realistisch viel geld geben (also so viel, dass ein wirtschaften damit überhaupt möglich ist), sondern dann auch dafür sorgen, dass sie das wirtschaften lernen. du hast es in der schule gelernt und von deinen eltern, und ich auch. es gibt heute kinder, die lernen das nirgendwo, weil überall so getan wird, als sei das selbstverständlich.

neulich las ich von einem lehrer, der seinen hauptschülern jenseits des kanons beibringt, wie man mit hartz IV hinkommt. simple rechnungen wie: was darf die miete kosten? was kostet ein umzug? wieviel geld brauche ich zum essen, für strom, telefon, bvg etc., was bleibt für kleidung übrig, was fürs ausgehen, für zigaretten. dieser lehrer hat sehr viel kritik bekommen. die linken (oder die sich dafür halten) werfen ihm vor, dass er zynisch unterrichte und seinen schülern beibringe, dass sie eh ohne perspektive sind und bei hartz IV landen. von anderen (und die kommen anscheinend eher aus dem rechten lager) wird er verdächtigt, dass er seine schüler noch dazu anleite, hartz-IV-empfänger zu werden und es sich in dieser position bequem einzurichten. beides falsch! sondern dieser lehrer vermittelt einfach nur die basiskompetenz, eine situation realistisch zu sehen (nike-schuhe sind eben nicht drin mit hartz IV - das kann man vorrechnen - aber das ist vielen schülern so nicht klar!) sowie das handwerkszeug, mit dieser situation umzugehen.

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Es gab darüber auch eine mehrteilige TV-Doku Die Hartz IV-Schule. Sowohl Eltern als auch einige Schüler dieser Förderschule fanden es allerdings sehr entmutigend, dass der Direktor ihnen ganz deutlich sagte, dass sie keine Chance und keine andere Perspektive haben als Hartz IV.

Wie man mit seinem Geld auskommt, könnte man übrigens auch in herkömmlichen Schulen unterrichten - nicht wenige Jugendliche heute verschulden sich mit ihren Mobiltelefonen und Short-Message-Orgien völlig.

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Nette Ansätze, allein, die Erziehung durch Medien und Werbung sieht anders aus: You can get it, if you want it. Wenn du dies & das haben willst, hey, nimm Kredite auf! Gerade diejenigen, die aufgrund ihrer sozialen bzw. ihrer Bildungsituation nicht imstande sind, sich unabhängig zu informieren, werden doch mit dem völlig entgrenzten Konsumismus bombardiert.

Angeblich wurden die "Verkaufsberater" einer großen Marktkette für Unterhaltungselektronik über Jahre überhaupt nicht in der Produktberatung geschult, sondern in der Kreditverkaufe - nicht von der Firma, sondern einer weltweit operierenden Bank mit Schwerpunkt auf Privatdarlehen.

Wissen ist Macht. Macht widerstandsfähig. Nichtwissen macht machtlos. Die Massen werden systematisch verblödet, damit sie kaufen, was sie nicht brauchen und sich nicht leisten können. Das ist die Wahrheit.

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Bei der Forderung nach dem Fach "persönliche Finanzplanung" fällt mir immer auf, dass alle gesellschaftlichen Probleme am Ende als Schulfach gelöst werden sollen. Die im Schnitt zu dicken Schüler bekommen Ernährung und Kochen beigebracht, mangelnde Bewegung muss durch mehr Sportunterricht ausgeglichen werden, Gesundheit soll Schulfach werden, Ökonomie natürlich auch, Medienkompetenz muss die Schule lehren, soziale Grundfertigkeiten und das richtige Auftreten im Beruf (Kraftpunkt-Präsis halten?) natürlich auch. Ganz abgesehen von den immer wieder aufkommenden Klagen, dass den Schülern grundlegende Fähigkeiten in Deutsch, Mathe oder Englisch fehlen und sie nicht studierfähig, ausbildungsfähig oder ganz lebenstüchtig wären.

Die Schule ist kein Reparaturbetrieb für den gesellschaftlichen Karren, der von den Politikern - und von uns - in den Graben gefahren worden ist.

Dass es diesen Crash gibt, merken viele Jugendliche und junge Erwachsene täglich, da können die Experten und Politprofis noch so die Chancen und Zukunft beschwören. In der Sozialpsychologie würde man das als "Kognitive Dissonanz" beschreiben. Folge: Selektive Wahrnehmung, das eigene Verhalten wird gerechtfertigt und bestärkt. In dem Fall eine "Leck-mich" Haltung. Klar könnte man auch mit 3 Euro sich stilvoll ernähren - wenn man auf andere Dinge verzichtet, aber es macht keinen Sinn, weil keine Perspektive gesehen werden, dass sich das irgendwann ändert.

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Ich schrieb daher auch bewusst könnte und nicht sollte und meinte damit auch, dass man mitunter die üblichen Matheaufgaben ja auch etwas anders formulieren könnte. Die kommen doch oft reichlich abstrakt daher und lassen den praktischen Bezug nicht unbedingt erkennen. (Mir fällt da immer wieder die Integral- und Differentialrechnung ein - im Gegensatz zu Stochastik und Statistik konnte ich damit herzlich wenig anfangen, weil mir in der Schule nie klar gemacht wurde, wozu das gut ist. Disclaimer: Ich hatte Mathe als mündliches Abifach und war recht gut.)

Kochunterricht war übrigens in den 60er Jahren an hessischen Gymnasien durchaus üblich. In einem Fotoalbum meiner Mutter - damals Sportlehrerin - kleben nette Bildchen von kochenden Jungs, die sie darin auch unterrichtete. Die sahen aus, als hätten sie sich durchaus amüsiert. Könnte eine AG gewesen sein, ich muss sie mal fragen. Was den Sportunterricht angeht, so bin ich angesichts der Fotos von den turnenden Mädchen immer heilfroh gewesen, dass ich das nicht mehr als Abiprüfungsfach nehmen musste.

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Wie woanders schon gesagt, man kann das hinbekommen um den Preis einer einseitigen und wenig schmackhaften Ernährung:

http://rebellmarkt.blogger.de/stories/1159295/comments/1159543


Früher auf dem Land ging das hingegen einfach: Am Acker/Gemüsebeet schwarz ein paar Tomaten ernten, Spargel und Kartoffeln dito. In der Jugend meiner Mutter gab es die Woche über überhaupt keine Getränke, die Geld kosteten-man trank Tee aus Hagebutten oder Minze, die am Wegesrand gepflückt wurde (ist im Iran noch heute so, nur dass da auch richtiger Tee wild wächst). Das Problem an Armut in unserer modernen Gesellschaft ist ihre hochgradige Organisiertheit als Waren-und Dienstleistungsgesellschaft, die Subsistenz nicht mehr möglich macht. Noch in meiner Kindheit wurde Fleisch nicht gekauft, sondern man schlachtete halt im Käfig gehaltene Kaninchen und Hühner (in der Großstadtwohnung), die sich auf dem gartenartigen Hinterhof von Gras, Klee und Samen ernährten.

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Hey, vor fünfzig Jahren war noch Mittelalter, oder was?
Unglaublich, solche Verhältnisse.

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Selbstgemachte Hagebuttenmarmelade und Minztee kenne ich auch noch, da ist nichts ehrenrühriges daran.

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Che hat ja recht. Kartoffeln im Garten kenne ich auch noch aus meiner Kindheit. Tomaten und Kräuter habe ich auch im Garten und die Obstbäume - Kirschen, Renekloden, Äpfel. Wenn es hart kommt, könnte ich 2000 qm kurzfristig für den Eigenanbau freimachen und statt der Pferde ein paar Schweine in der Scheune halten.

In der Grossstadt ist man dem Angebot der Supermarktketten ausgeliefert. Das gilt aber auch für die Besserverdienenden. Den Fleischer, das Obstgeschäft oder das Fischgeschäft und andere Lebensmittelfachhändler muss man auch ziemlich suchen. Aber den 10-Euro-Haarschnitt, gibt es an jeder Ecke.

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dem gedanken, dass man in krisenzeiten jederzeit in der lage sein sollte, sich selbst zu versorgen, verdanken wir die horrenden agrarsubventionen. hach ja... so hat jedes schwert eben zwei schneiden.

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Ich kenne aus meiner Kindheit (70er) auch noch, dass man keinen Klebstoff kaufte, sondern die Stärke aus Kartoffelnj auskochte und mit Wasser vermischt als Kleister benutzte. Geht doch alles noch...

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im osten gab es daneben auch die tradition, dass man mit tapetenkleister und haferflocken auf einer blanken wand den eindruck einer rauhfasertapete erzeugte. was bis in die 80er jahre hinein als schick galt.

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Das ist sicher ein grosser Spass, wenn man das wieder entfernen will.

(Hätte das mal einer vor der Wiedervereinigung sagen können?)

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... ja che - so war das damals - und wenn wir damals bloggen wollten hiess es erstmal Siliziumkristalle zuechten, dann Wafer selber schneiden, anschliessend aus Tonpapier Matrizen schneiden, aetzen - Prozessordesign ueberlegen und so weiter, und so weiter ... und abends beim Fernehen (schwarz-weiss, bis 22:45) haben wir dann noch hurtig den TCP-IP Stack programmiert ...

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Und dann haben wir uns ins Kernforschungszentrum Jülich eingehackt und die Brennstäbe rauf-und runtergefahren.

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Ausserdem haben wir Kruse damals wertvolle Ratschläge gegeben, und die Triode haben wir auch miterfunden.

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Weisst Du noch, der Urknall? Wie laut das damals war?

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och, menno - che, in einem Schwimmbadreaktor werden die Brennstaebe nicht rauf und runter gefahren, gefahren wird da der Moderator, der M o d e r a t o r ... wie oft denn noch ;-) ?????

... passt hier denn keiner auf?

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Das hat von den Journalisten, die damals die erstunkene Stories von den Hackern gebracht haben auch niemand gemerkt, ich wollte ja nur die Leser testen ;-)

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