Real Life 1.10.08 - Ausnahmezustand

Gleich hinter der Ausfahrt steht eine Polizeikontrolle, dahinter noch zwei dunkle BMW, die der Steuerfahndung gehören könnten. Sie bestätigen, was du in den letzten Tagen gerüchteweise gehört hast: Dass sie jetzt kontrollieren, dass der Weg über den Achenpass Richtung der Volksbanken in Innsbruck oder weiter in die Schweiz nicht mehr sicher ist, dass man nicht mehr als 10.000 Euro dabei haben sollte. Für Anwohner ist es nicht so schlimm, da führt man eben zehn mal mit der Frau zum Einkaufen in den M-Preis nach Scholastika, aber Müncher, hörst du, machen schnell mal den Fehler und glauben, dass die alte Silberroute hinunter nach Schwaz sicherer sei als die Autobahn oder der Zirler Berg. Der aktuelle Tipp, der in der Region verbreitet wird, ist eine Notration in einem Schliessfach hinter der Grenze in Schweizer Franken. Die Alpenländer sind für Vermögende das geworden, was Irland gerade für die Briten wird: Ein scheinbar sicherer Hafen, während die Flucht daheim die Banken knirschen lässt. Ein Rat, den Iris zu geben in der aktuellen Lage vielleicht nicht so klug ist. Iris will nichts mehr davon wissen. Mit dem, was ihre Eltern in den letzten Wochen verloren haben, hätten sie sich zwei Wohnungen am Tegernsee kaufen können. Du solltest nicht fragen, und du darfst auch nicht empfehlen, denn der Vermögensberater, der dafür verantwortlich ist, kennt mittlerweile den Anwalt von Iris Herrn Papa. Du kennst inzwischen mehr Lehman-Geschädigte, als du je für möglich gehalten hättest.

In der amerikanischen Vogue war ein Beitrag, der den Leserinnen empfahl, den Kleiderschrank zu durchsuchen nach Stücken, die man immer noch tragen kann, und gerade Stücke aus den späten 90ern kommen jetzt wieder in Mode. Mit Gürteln. Zum enger schnallen. Dummerweise habe ich nach der Scheidung praktisch alles in die Altkleidersammlung gesteckt, bedauert Iris und nippt am Milchkaffee. Der Kostenvoranschlag für die Reparatur am Wagen liegt bei 6000 Euro, mehr als er noch wert ist. Findest du, dass Frauen unattraktiv werden, wenn sie nichts mehr haben?



Nebenan sitzen eine Hintergetackerte und eine Aufgespritzte ind Unnaturblond, die offenkundig keine Sorgen haben, und unterhalten sich über die unerträglichen Eigenschaften ihrer Gatten, die diese Herrschaften glücklicherweise mit ins Grab genommen haben.

Relativ ganz sicher nicht, antwortest du mit einem Seitenblick, und Iris versteht, was du meinst. Und absolut in deinem Fall: Auch nicht. Die Familie deiner Mutter hat doch immer nur Frauen hervorgebracht, die in jedem Alter höchst vorzeigbar waren. Es gibt aber einen gewissen Typus Frau - oder Mann, ganz egal - der nur funktioniert, wenn Geld da ist. Das sind die, die Geld am Laufen hält, die alles auf Geld beziehen und deren Charakter geldgebunden ist. Ich würde mir an deiner Stelle keine Sorgen machen, Interesse an Kultur, Belesenheit und die Fähigkeit zum angemessenen Smalltalk werden auch in Zukunft Mittelständler und zweitklassige CSUler auf den gedanken kommen lassen, dass du endlich wieder heiraten solltest. Allein der Name, die Geschichte hat schon einen Wert. Das ist heute auch nicht anders als vor 250 Jahren in Frankreich.

Und bevor Iris Zeit hat, die potenzielle Unverschämtheit dieser Aussage zu erkennen, schiebst du nach, dass Attraktivität, du meinst, bitte, sie möchte sich doch nur mal einen Moment von ihrer Perspektive lösen und sich anschauen, wie sie im Abendlicht am See auf den Stuhl hingegossen ist, natürliche Grazie und Anmut sei nicht zu kaufen, und überhaupt, bis zur Versorgungsehe sei es noch ein sehr weiter Weg.



Ihr geht am Strand Richtung Mangfall, und Iris macht sich Gedanken über diese Generation, die immer noch so aussieht, so aussehen könnte, als würde sie in geordneten Verhältnissen leben wollen, als müsste sie nur wieder Rüschenkleider tragen und Zylinder, und schon würde die Prinzregentenzeit auferstehen, diese besseren Töchter, deren Finger nach Musik von Brahms und Mahler verlangten, vielleicht auch einen Kururlaub an einem Zauberberg und ein Tod in Schönheit unter 40, aber am Ende bleibt es beim Botox und Wellnesswochenende, einem Konzertbesuch und einer biederen Äusserlichkeit, die vollkommen unfähig ist, sich mit langfristigen Strukturen wie Familie und Ehe zu arrangieren. Die dunklen BMW haben ihren Standort verändert und lauern jetzt hinter der Brücke auf unvorsichtige Geldkuriere, die Sonne geht in gleissender Pracht unter, und es wird sehr schnell kalt am See. Bitterkalt.

Donnerstag, 2. Oktober 2008, 15:05, von donalphons | |comment

 
«Putzt Euch heraus in diesen harten Zeiten», erklärte die einstige Schneiderin der Sex Pistols. «Es ist schick, seine Lieblingsklamotten zu tragen, bis sie eine Patina ansetzen oder auseinanderfallen.»

Zitat Vivienne Westwood

Ich glaube, ich war schon immer Avantgarde.

Sie schlägt auch vor selbst zu nähen.

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Ich habe noch ein 20 Jahre altes Jacket von Yohji Yamamoto, und einige Gaultieranzüge - für die müsste ich aber noch ein paar Bergtouren machen. Hat jemand Zeit für die Eiger Nordwand am Wochenende?

Andererseits dürfte die kommende Winterkollektion bei Theresa und Co. bald stark reduziert werden.

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Einige 15 Jahre alte Schätzchen habe ich auch noch. Aber irgendwie sind die in der Reinigung eingegangen.

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Die Ausrede ist super, die muss ich mir merken!

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Fuck
http://www.bloomberg.com/apps/news?pid=newsarchive&sid=aDwkEanREric

Ich biete morgen eine Mitfahrgelegenheit für eine Person und weitere 10.000 Euro in die Schweiz zwecks Geldumtauschs und Eröffnung eines Kontos und Schliessfaches bei der Raiba Schwaz/Österreich.

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Oder doch nicht die Raiba
da gibt es auch so ein gewisses Problemchen:

http://www.rcm.at/publish/de/a0000/creditmaerkte.html

Ich glaube, ich entdecke gerade meine Liebe zu Liechtenstein.

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"Aber irgendwie sind die in der Reinigung eingegangen."

Nach einem Jahr Krise passen sie wieder

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Mitleid?
Soll man jetzt Mitleid mit den Lehman-Geschädigten haben? Nein, oder? Wer sich auf ein Pyramidenspiel einlässt, ist selber schuld. Und als nichts anderes handelt es sich für mich, wenn Hypotheken in "Wertpapiere" umgewandelt und immer wieder neu verkaft werden.

Mir fällt zu der ganzen Sache nur ein, dass es eigentlich ein Hohn ist, wenn in den USA im Zuge der Stützung des Finanzmarktes auch noch Steuern gesenkt werden sollen. Gut, diesmal für "Mittelständler". Nur, wäre es nicht notwendig, Gewinne durch Börsenspekulationen oder Gewinne von Banken höher zu besteuern, damit der Staat wieder etwas mehr Geld einnimmt, um der notleidenden Branche zukünftig besser helfen zu können? Es scheint mir so, dass die Marktliberalen diese Situation weiter nutzen, um ihre Ideen noch stärker durchzusetzen.

Noch eine Überlegung. Werden die USA ihre Stützungsmaßnahmen über eigene Schuldverschreibungen finanzieren? Wenn ja, wer ist so blöd und wird diese kaufen? Dann kann ich ja direkt in Schuldverschreibungen des Kongos investieren.

Gedanken, die mir so kommen, und meine möglicherweise weitgehende Unwissenheit dieses Systems zu Tage treten lassen. Aber verstehen möchte ich das ganze schon.

So, und jetzt muss ich weiter arbeiten.

- Update -

Gut, ich werde zukünftig genauer hinsehen, um eventuell Mitleid zu verspüren. Ich bin nur froh, mich selten bei irgendwelchen Banken oder Sparkassen blicken zu lassen, so dass ich von ach so tollen Investitionsmöglichkeiten verschont worden und nicht in Versuchung geraten bin.

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Ein bisschen Mitleid ist schon erlaubt, denn Zertifikate sind tatsächlich etwas, das so ziemlich allen Privatanlegern von ca. 5 000 Euro liquidem Vermögen an aufwärts aufgeschwatzt wurde, schätze ich - allen, die sich nicht vehement genug dagegen verwahrt haben. Und auf die (eigentlich wirklich dringend nötige) Streuung der Emittenten wurde da eher weniger geachtet, denn angeblich konnten die ja nicht pleite geben, wie immer, immer, immer wieder betont wurde. Eine Amelia, die im Gespräch mit Zertifikate-Leuten früher schon wiederholt den Aspekt des Emittentenrisikos erwähnte, musste sich regelmäßig auslachen lassen.

Natürlich trifft die Lehman-Pleite auch jede Menge gierige Idioten, wie immer in solchen Fällen (kleiner Hinweis: Steuervorteile waren auch bei Zertifikaten ein beliebtes Verkaufsargument). Aber es dürften auch einige ganz normale Privatanleger dabeisein, die einfach Pech hatten. Allein ich musste von meiner Bank mindestens einmal im Monat einen Zertifikate-Werbebrief in den Mülleimer schmeißen. Ich habe die ganzen Jahre nie sowas gekauft, aber anscheinend verdienen sie so viel daran, dass sie es trotz allem immer wieder hartnäckig auch bei mir probiert haben.

Man darf den Banken einfach nicht über den Weg trauen. Aber das ist schwierig, weil das Fachwissen der meisten Menschen nicht ausreicht, um eigenständige Entscheidungen in solchen Finanzdingen zu treffen (das ist ein bisschen ähnlich wie beim Arzt - immer, wenn ich Strappato lese, fühle ich mich lebhaft an die Bankenwelt erinnert).

Und was das höhere Besteuern von Bank-Gewinnen angeht, kommt diese Idee wohl leider zu spät. Denn in absehbarer Zukunft dürfte es da nicht mehr viel zum Besteuern geben.

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Besonders toll bei Indexzertifikaten, so nach dem Motto "Indexfonds, Indexzertifikate? Ist doch fast das gleiche"...

Und da ist man von Kreditverbriefung eigentlich auch weit entfernt, soviel zum Thema Pyramidenspiel.

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Ich komme viel rum und kenne sehr unterschiedliche Leute, manche sind wohlhabend, andere mal eben so ok und nochmal andere extrem reich. Ich habe das Lehman-Problem auch erst für ein Problem von einer ganz gewissen Schicht Reichen gehalten, die Schönwetterinvestoren mit Wunsch nach hoher Sicherheit und hohen Renditen und exotischen Namen. Lehman Investment Banking klingt nun mal besser als Raiba Pfaffenhofen, bis 2008 zumindest. Ich dachte, Lehman und ähnliches sei die Domäne der Vermögensverwaltung von Privatbanken gewesen, und das, was mir die Sparkasse zwischenzeitlich andrehen wollte, wäre eher die Ausnahme und damit erklärbar, dass ein Teil meines Lohns aus den USA kommt. Ich hatte keine Ahnung, dass Läden wie die Frankfurter Sparkasse das quasi als bombensichere Anlage für Leute engeboten haben, die sich auf ihre Kundenbetreuer verlassen haben.

Krisen sind weder gerecht noch Gleichmacher, leider. Wer brav gespart und sich sowas zugelegt hat, wird bestraft, wer seinen Dispo für eine Prise Koks ausschöpft, kann mit der Schulter zucken. Es gibt welche, die 20% Verluste nicht spüren, und andere, für die es eine Katastrophe ist. Bei den Eltern von Iris, die ihr Leben lang gerackert und mit gutem Grund gut verdient haben, tut es mir leid, selbst wenn ich mir an sie den Mund füsslig hingeredet habe.

Die Steuerbegünstigungen, mit denen man enatoren kauft, die sich damit teurer an ihre Lobbys verkaufen können, sind ein Schurkenstück der Extraklasse. Es ist ein Zeichen der bemerkenswerten Entwicklung der Zivilisation in den UdSSA, dass es dort noch keine Lynchmorde gibt.

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Soll man jetzt Mitleid mit den Lehman-Geschädigten haben? Nein, oder?
Ich habe schon Mitleid mit den Kleinsparern, denen hier in D auf der Sparkass' Lehmanschrott angedreht worden ist. Kürzlich gingen erst zwei exemplarische Fälle von Rentnerinnen durchs TV, die - für ihre Verhältnisse - n Haufen Geld verloren haben.

Und ich habe Mitleid mit all den Pensionären in den USA, die ihr Leben lang geackert haben und jetzt aufgrund der Verantwortungslosigkeit der Pensionsfondsmanager ihre Rente verlieren.

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Heute abend rief eine Kundenberaterin meiner Bank (Postbank) bei mir an, um mich auf Anlagemöglichkeiten für konservative Anleger hinzuweisen, die ihren Freistellungsauftrag bereits ausgeschöpft hätten... Das ist nun auf deutlich mehr als eine Weise ironisch, finde ich.

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Wahrscheinlich eine Fingerübung, wenn erst mal die Deutsche Bank das Sagen hat. Momentan würde ich immer fragen, was die Bank davon hat, und auf die 7% hinweisen, die irische Ponzinachahmer bei voller Sicherheit anbieten.

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Und wie ich übrigens ja schon damals vor der Lehman-Pleite sagte, waren die Brüder Lehmann längst nicht die einzigen, die in Deutschland erst kräftig Zertifikate an den Mann gebracht und anschließend Schlagzeilen als schief liegende Subprime-Übeltäter gemacht haben. Da wären auch zu nennen beispielweise Citigroup, Merrill Lynch und UBS (und auch Bear Stearns hatte Zertifikate in Deutschland)...

Ich würde sagen, die Lehman-Anleger hatten Pech - und die anderen, die (in den meisten Fällen wohl rein zufällig) an andere Zertifikate-Emittenten gerieten, die hatten Glück. Nun ja, zumindest bis jetzt noch.

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Es machen gewisse Gerüchte die Runde, dass das Einfrieren des Interbankengeschäfts und die Wette der irischen Pleitebanken gegen die Engländer zumindest die UdSSA und UK zwingen könnte, aber in der Folge wohl auch den EU-Raum, ab nächster Woche oder so mal für eine Woche komplett dicht zu machen und alle Problemfirmen auszukratzen. Dann könnte es auch für andere Zertifikatebesitzer übel ausgehen.

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Die haben allesamt Zertifikate nicht nur "auch" in Deutschland verkauft, sondern überwiegend! Nach wie vor ist es so, dass der Kram, der hier als Zertifikat gekauft wird, in den USA Privatanlegern nicht zugänglich ist. Mal wieder ein klarer Fall von stupid German money.
Bei den meisten Leuten freut es mich, dass sie damit jetzt ordentlich Geld verlieren, beim Rest habe ich zumindest kein Mitleid. Verdammte Geiz-ist-geil-Idioten, "Discount"-Zertifikat my ass. Wer auf so einen Scheiss reinfällt, sollte noch ein paar Ohrfeigen obendrein kassieren.

e. Ja die Gerüchte machen die Runde, weil's 1929ff. wohl mal so war. Angeblich soll z.B. BofA schon entsprechende "sorry, we're closed"-Schilder erhalten haben. Das ist aber doch total hanebüchen, wer hat schon genug cash um eine Woche zu überleben. Ich halte so gut wie jede Wette, dass die auf keinen Fall sämtliche Banken ein paar Tage dichtmachen, weder in den USA noch sonstwo.

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Wer behauptet, man hätte sich aktiv idiotisch verhalten müssen, um sich Zertifikate ins Depot zu holen, der ist aber naiv. Nur mit den ganz dummen Gierigen kriegt man keine 100 Mrd. Euro zusammen. Da sind jede Menge Otto Normalverbrauchers dazwischen, die ihr Erspartes einfach irgendwo anlegen wollten und deren Unwissenheit geschickt ausgenutzt wurde.

Ich musste meinem Bankberater fast schon körperliche Gewalt androhen, um ihn davon zu überzeugen, dass er mich wegen so einem Sch... nicht mehr anrufen sollte. Auch beruflich hatte ich gelegentlich mit dieser Branche zu tun, und wie gesagt - sie lachten einen aus, wenn man nur das Wort "Emittentenrisiko" in den Mund nahm. Und wenn man argumentierte, dass z.B. Investmentfonds ihre Margen offen legen müssten, Zertifikate aber nicht, wurde argumentiert, dass man die Händlermarge der Butter im Supermarkt ja auch nicht kenne. Als ob man Anlagezertifikate und Butter auch nur irgendwie miteinander vergleichen könnte. Wie manche behaupten, haben Banken an solchen Zertifikaten durchaus mal 20 Prozent verdient.

Die haben schon ordentlich Macht ausgeübt, und zwar mit Zuckerbrot und Peitsche: Auf der einen Seite wurde Kritikern der Mund gestopft, wo es ging, auf der anderen Seite wurden die Vertriebe mit Provisionen und die Medien mit Anzeigen kräftig gepampert. Das hat natürlich dazu geführt, dass Unmengen an Zertifikate-Sonderbeilagen etc. aus dem Boden gestampft wurden. Im Grunde genommen war das alles schon seit Jahren nicht besonders schön anzusehen. Aber es machte niemandem Spaß, sich mit dieser Branche anzulegen.

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Nun, bei Forbes läutet Roubini schon das Exitglöckchen für Goldman und Morgan. Ansonsten ist das mit dem Mitleid nicht so eindeutig, weil hier Banken ganz offensichtlich das Vertrauen ihrer Kunden missbraucht haben. Und wenn ich nur mal mein Amateurgerede hier mit dem dummen Gaffen von FTD und Handeslblatt auf die Kurse vergleiche, dann sind wir hier und in anderen Blogs schon ziemlich vorne dran mit dem Betrachten grösserer Zusammenhänge. Von Otto Normalinvestor aus sind unsere Diskurse hochgradig esoterisch. Ich rede auch im normalen Leben viel mit Leuten, aber selbst da kann ich mir laufend anhören, der Ackermann Joe und n-tv würden aber sagen...

ich überlege jetzt seit zwei Tagen, was die Regierungen und die Zentralbanken eigentlich machen sollen, wenn die Interbankengeschäfte nicht mehr laufen und die Kredite einfrieren. Klar kann man ihnen immer wieder was reinspritzen, aber das geht auch nicht ewig. Zum einem rettet das keine Firma, siehe Hypo Real Estate, Dexia oder Chrysler oder die nächsten Banken, die über das Wochenende kassiert werden. Zum anderen schafft man damit eine Abhängigkeit von den Zentralbanken, die de facto ohnehin schon den Markt mehr als alles andere reguliert. Wenn man also oben Geld nachfüllt, und unten geht nichts mehr raus, und man kann nicht selbst alle Kredite verteilen, wäre die logische Konsequenz, die Banken unter eine Zwangsverwaltung zu stellen. Momentan frisst sich das System selbst in Panik auf. Und einen grossen Vorteil hätte es: Es ist erst mal weitgehend aufkommensneutral. Gleichzeitig, mit Commandante "ich tu euch nicht weh" Paulson an der Spitze bringt es Ruhe in das System. Marktverzerrungen gibt es auch so genug.

Ich sage nicht, dass ich es für wahrscheinlich halte. Aber die Alternativen finde ich absolut unsexy, noch viel weniger schön als ein kurzfristiges Eingreifen auf allen Ebenen.

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Meine Mutter zählt zu den Rentnerinnen mit einer Klickerrente. Sie hat vor 15 Jahre etwas Geld von ihrer Mutter geerbt, vielleicht 40.000 Euro. Sie kennt sich mit Geldanlagen überhaupt nicht aus, fühlt sich überfordert und hat deshalb auch völlig auf die Beraterin von der Dresdner vertraut. Ich habe keine Ahnung, zu was die ihr geraten hat, ich kann nur hoffen, dass da nicht so ein Schrott dabei war.

Dons frühzeitig geäußerten Rat, Immobilien zu kaufen, konnte ich nicht an sie weitergeben, für das Geld bekommt man hier nicht einmal eine sanierungsbedürftige Ein-Zimmer-Wohnung. Silber und britische Sportwagen braucht sie in ihrem Alter auch nicht mehr, sie braucht stattdessen das Geld, um ihre Rente aufzubessern. Und das hat weder etwas mit Gier noch mit Geiz zu tun, nm.

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Dresdner Bank

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Meine Mutter ist noch bis Mitte nächster Woche im Urlaub. Wie gesagt, ich weiß nicht, wie das Geld angelegt wurde. Wenn ich Sie jetzt anriefe und fragte, wüsste sie es garantiert auch nicht zu sagen.

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Die Süddeutsche hat auch die Gegenseite befragt:

http://www.sueddeutsche.de/finanzen/618/312532/text/

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Ich wäre extrem vorsichtig, mich solchen Klagen anzuschliessen. Das bringt nur was, wenn man noch in letzter Minute das Zeug gekauft hat.

Dass Lehman keine Chance hat, war seit März ziemlich klar, als man eine höchst fragwürdige Bilanz präsentierte. Bei mir im Blog stand es Anfang September so deutlich, dass es eine Abmahnung hätte setzen können. Am 10. wurde ich sehr, sehr deutlich. Und erst jetzt taucht langsam auf, wer da alles betroffen ist. Selbst die BofA will jetzt schnellstens 500 Millionen zurück haben. Offensichtlich haben viele Leute Probleme, Krisen zu erkennen und einzuschätzen.

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Nein, zur Klage wollte ich damit auch nicht raten. Mir ging es mehr um das (angebliche) interne Papier.

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Natürlich hast Du Recht, Amelia, ich kenne zwar keinen Bank-Berater, aber ich bin mir sicher das deren einziges Ziel Umsatz ist. Niemand sollte sich von denen beraten lassen, ich weiss nicht, auf welcher Basis ich denen vertrauen sollte? Die wollen mein Geld. Und selbst wenn sie gutwillig sind, wären sie vermutlich nicht kompetent genug.
Wegen des Emittentenrisikos hätte ich vermutlich auch jeden ausgelacht ausgelacht, aber die von Dir angesprochene Marge ist schon immer das Problem gewesen. Als das ganze noch relativ neu war hatte ich mir ein paar Zertifikate angeschaut und es war immer so, dass man die gleiche Strategie mit einer Kombination einzelner Produkten billiger reproduzieren konnte, so man das dann überhaupt noch wollte (ausser in einigen exotischen Fällen, wo es sich für Privatanleger erst ab einigen hundertausend Euro lohnen würde, aber diese Strategien braucht auch kein Mensch).
Naja schon esoterisch, aber ich würde ja auch nicht plötzlich das Gläserrücken anfangen, nur weil das örtliche Käseblatt jede Woche eine Anleitung raushaut...

Ich bin der Meinung, dass weder Zentralbanken noch Regierung irgendetwas machen können und begründe es damit, dass es m.W.n noch NIE funktioniert hat, eine sich seit langem abzeichnende wirtschaftliche Krise (und sei sie auch "nur" finanzwirtschaftlich) in irgendeiner Form zu entschärfen. Absolut NIE. Maximal aufschieben, aber zu lösen gibt es nichts. Tatsache ist, dass so gut wie alle (Dollar-)assets völlig überwertet sind, einfach weil es zu viele Dollar gibt. Es ist imho offensichtlich, dass man dieses Problem auf keinen Fall dadurch lösen kann, noch mehr Dollar zu produzieren. Wie war das Zitat zu den 700 Mrd. noch gleich:
"It's not based on any particular data point," a Treasury spokeswoman told Forbes.com Tuesday. "We just wanted to choose a really large number."
(Schön auch der Titel des Posts: Treasury: In Retrospect, We Regret Not Going With 'A Bajillion' Or 'A Metric Asston' Or 'A Shitload' Quelle: http://dealbreaker.com/2008/09/treasury-in-retrospect-we-regr.php)
Ich bin nach wie vor für keine Rettung für niemanden, die sollen alle draufgehen, mit allen negativen Konsequenzen. Danach saubermachen und neu anfangen.

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ich würde mal vermuten, dass man bei der dresdner sehr genau wusste, wie schlimm es war, man aber damit rechnete, dass jemand Lehman (und damit die Kunden der Dresdner) rettete. Das hätte ihnen ein unschönes Geständnis erspart.

Es ist extrem schwer, für Summen dieser Grössenordnung eine Empfehlung auszusprechen. Bei Gold wird man sehr wahrscheinlich verlieren, egal ob durch Steuern oder beim Wiederverkauf, der nicht so simpel ist, wie man glauben mag. tendenziell würde ich einen Teil abheben und in Schweizer Franken unter das Kopfkissen legen. Ich traue dieser irischen Bankengeschichte absolut nicht und werde morgen den Beitrag darüber schreiben, den ich in der ganzen Geschichte dringend vermisse. Eigentlich sollte man die Iren für diesen Scheiss aus der EU werfen. Sofort und für immer.

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"Ich bin nach wie vor für keine Rettung für niemanden, die sollen alle draufgehen, mit allen negativen Konsequenzen. Danach saubermachen und neu anfangen."

Gesundschrumpfen war die Option vom April 2007. Blöderweise hat man seitdem nochmal Gas gegeben, und der vergleichsweise kleine Fall von Lehman zeigt doch, wo wir am Ende stehen würden: Beim Staatsbankrott der USA, dem Ende des Finanzsystems inclusive der Rentenkassen, Hedgies und Privatanleger, und dem Absturz weiter Teile der Schwellenländer. Das gehört dazu, ich denke auch, dass es allenfalls gestreckt und in den Belastungen verteilt werden kann, aber es ist politisch nicht möglich, einfach zuzuschauen, wie eine komplette Volkswirtschaft in den Orkus marschiert. In den USA ist ausser Atombomben nichts mehr, was für die Welt eine Bedeutung hätte. Die müssen etwas tun. Etwas, das sichtbar ist und zeigt, dass sie agieren.

Und wenn es kein Geld mehr für einen Bailout gibt, und die Banken die Realwirtschaft strangulieren, was sind dann die Alternativen? Bei der Gelegenheit könnte man das Problem der Geldmenge auch elegant lösen, indem man den Dollar zweidrittelt. China würde kotzen ohne Ende, aber die Banken hätten dann begriffen, dass sie das Geld, das ihnen die Fed gibt, besser nicht beim Staat anlegen.

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so zynisch das jetzt klingt, ein staatsbankrott ist auch nicht armageddon. Argentinien hats auch überlebt, und laut Wikipedia hats da vor allem deswegen die Mittelschicht erwischt weil die Bonzen auf Dollars saßen. Was ja jetzt angesichts globaler Maßstäbe heisst dass man sich da den Arsch da nicht raushalten kann. Es bleibt doch dabei, die die wirklich bluten werden müssen sind die die was haben.

20k öcken heutzutage mal eben anlegen zu können ist nicht grade otto-normal.
Und dass die Blätter die sich nicht gerade durch neutrale Berichterstattung hervorgetan haben jetzt hochdramatische Horrorstories bringen, wie Omi von nebenan an der Krise zugrunde gehen wird.... hinterlässt einen komischen Beigeschmack.

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"ein staatsbankrott ist auch nicht armageddon".

Kommt darauf an. Korea hat die Asienkrise besser überstanden als Indonesien. Und bei den bisherigen Staatsbankrotten war da immer jemand, der diese kleinen Probleme beheben konnte. Bankrotte Imperien wie das Spanien des 17. Jahrhunderts oder das römische Weltreich, die sich nicht von anderen rausziehen lassen können, stehen dagegen vor ziemlich fiesen Problemen. Ich persönlich erwarte mir jetzt eher ein gegenseitiges Auflösen wie in der New Economy.

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Wenn man die Dollarmenge reduzieren will, dann muss das eigentlich zur Folge haben, dass man sämtliche Bankbilanzsummen entsprechend reduziert (da ist ja sämtliches Geld verbucht).
Jetzt wird die breite US-Dollar-Geldmenge seit geraumer Zeit nicht mehr veröffentlicht, mit gutem Grund, aber wenn es 30% "zu viel" sind (fiktive Zahl), dann bedeutet das doch vermutlich etwas wie: Alle Bankbilanzsummen um 30% runter. Und nicht: Alle Bankbilanzsummen mit wertlosem Geld staatlich hoch halten.
Aber genau das wird seit Sommer 2007 getan und soll jetzt noch verstärkt werden? Ich denke nicht, dass die "Real"wirtschaft ein Problem darstellt bzw. dadurch eins bekommen könnte (mit Ausnahmen wie US-Autobauer et al), denn wenn irgendwelche Bank-Assets noch Wert haben, dann Firmenkredite.
Banken leihen dahin Geld, wo sie es wiederbekommen, daher ja momentan auch freeze im interbank-market, aber bspw. vernünftig strukturierte Übernahmen werden nach wie vor ohne weiteres finanziert und ich bin mir sicher, dass vernünftige Erweiterungsinvestitionen genauso durchgewunken werden. Das ist natürlich alles nur Theorie, aber meine Theorie, und die gefällt mir schon alleine deswegen besser, weil ich nicht gewählt werden muss...

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Da gibt es jemanden,
den ich sehr gut kenne, der sich aus unerfindlichen Gründen oder möglicherweise einfach, um «flüssig» zu sein, im Februar seine Lebensversicherung zwei Jahre vor Ablauf hat auszahlen lassen. Eingebung von oben? Auf jeden Fall: minimale Einbußen wegen der vorzeitigen Kündigung, fast an der anvisierten Auszahlungssumme. Das hat einen tiefen Schnaufer getan in letzter Zeit – und tut es noch immer. Denn wer weiß, wo die Versicherung sein Geld angelegt hatte in Sachen Überschußbeteiligung? Seither dümpelt das Geld bei Herrn Raiffeisen so für sich hin. Alle Anrufe seiner Mitarbeiterinnen mit der Begründung, man könne soviel Geld doch nicht einfach so ungenutzt herumliegen lassen, die Zinsen und so weiter, haben nichts gefruchtet. Es dümpelt noch immer. Und auch hier hat sich der Betroffene die letzten Wochen ein paarmal bei den Göttern oder der eigenen Eingebung bedankt. Denn wer weiß, was der in Finanzsachen völlig Unbeleckte sich so alles hätte andrehen lassen?

Und nun die Unverfrorenheit – das ist hier ja bereits angesprochen worden : Die Raiffeisen-Damen rufen, trotz Verbot, schon wieder an: Das viele Geld! Aus. Jetzt kommt's wohl in einen Sparstrumpf, und der kommt in eine Kiste und wird irgendwo auf einer einsamen Insel eingegraben. Oder hat jemand einen besseren Rat?

Das mag dämlich sein. Aber es ist beruhigender als das, was hier und anderswo zu lesen ist – und von dem, hier ebenfalls erwähnt, die meisten nichts, aber auch gar nichts wissen, weil sie sich immerzu auf das verlassen, was ihnen aus öffentlich-rechtlichen und anderen Sprachrohren der Finanzwirtschaft entgegenschallt. So wundert sich eine nicht ganz so geldungeile Bekannte des Erwähnten seit Tagen darüber, daß sie ihren «persönlichen Finanzberater» einfach nicht erreichen kann. Ob es um einen dresdnerischer Bankert handelt, ist nicht bekannt.

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Meines Erachtens ist die beste Sache, die man mit geld machen kann, sich etwas kaufen, an dem man Freude hat. Vielleicht gab es ja mal einen Jugendtraum? Oder ein schönes Stück Land in einer schönen Gegend? Es könnte eventuell längern dauern, bis das wieder möglich ist. Griechenland zum Beispiel sah sich gestern Nacht veranlasst, ebenfalls für alle Einlagen gerade zu stehen. Das sind keine guten Zeichen. Das sind Wetten gegen den Euro, die extrem schief gehen können.

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Fast schon OT: Mahler auf dem Piano?
"und schon würde die Prinzregentenzeit auferstehen, diese besseren Töchter, deren Finger nach Musik von Brahms und Mahler verlangten" - wie meinst du das, Don? Brahms versteh ich, aber Mahler? Die Musik, ja, passt, aber fürs Klavier gibt es das nicht, oder? Hab ich was verpasst?

Na, shitegal, sauspannend wie immer hier.

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Des Knaben Wunderhorn, Lieder eines fahrenden Gesellen, das war (und ist) immer noch einer der Standards jeder provinziellen Sangesaufführung mit Klavierbegleitung.

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Ich wußte ja, daß in den Niederlanden eine Zeit lang Mahler an jeder Ecke gespielt wurde aber auch in Bayern ?

... ich hätte da eher auf Schubiduh getippt.

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Kleine Randbemerkungen aus dem Norden :

Meiner Hausbank scheint es auch nicht so gut zu gehen...
Erst gab es einen ziemlichen Verriss in der hiesigen Variante der Bildzeitung namens Aftonbladet. Der wurde blitzschnell dementiert. Dann sah man sich gezwungen die Renditen zu erhöhen, und gestern hat man die Einklagensicherung für Sparkonten freiwillig verstärkt.
http://www.swedbank.se/sst/inf/out/infOutWww1/0,,3172,00.html

Und vor zwei Tagen hatte ich zum ersten Mal die Muse auf den für mich enormen, für die meisten hier oben kleinen Betrag von 22.000 SEK rund eine Stunde warten zu müssen, den ich ausnahmsweise in bar brauchte um den Futterlieferanten zu bezahlen.

Leider gibt es hier oben keine mir bekannten Alternativen, die Handelsbank ist der korrupteste Haufen Schwindler den ich kenne....

Irgendwie scheint das alles richtig heiter zu werden.....

Have fun
Otaku

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Es gibt im Moment eine Menge Gerüchte, die sich an solchen Wartezeiten entzünden. Gerade die Liebhaber von Gold und Rohstoffen weisen gern darauf hin, wenn mal wieder eine Bank nichts ausspuckt. Das Problem ist natürlich, dass da ein wenig Wahrheit drin sein könnte, aber in diesen Chor möchte ich mich dennoch nicht einreihen. Wenn da "was" kommt, dann kommt es konzertiert und ohne Ankündigung.

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Diese Woche:

Montag: Postbank kann keine Schalterauszahlungen vornehmen, wegen Computerfehler.
Mittwoch: Sparkassen können keine Schalterauszahlungen vornehmen, wegen Computerfehler.

Es stimmt, man hört schon die Flöhe husten.

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Laut NDR-Nachrichten
von gestern war's am Mittwoch ein Marder, der sich wohl im Finanzgewirr festgebissen hatte. Und reinbeißen tun die ja nur in das, das ihnen gut schmeckt.

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"es ist alles unter kontrolle, gehen Sie weiter...
...hier gibt´s nix zu sehen":

http://www.dernewsticker.de/news.php?id=49210

hö. wie lange dauert´s eigentlich inzwischen nach solchen - ähem, verlautbarungen - bis genau das eintritt, was ja gar nicht passieren kann/soll/darf? gibt es für solche statements endlich einen halbwertszeitdetektor?

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Angst und Unwissenheit sind noch schlechtere Ratgebe als Hank Paulson, Paule Ackermann und die bissigen Liberalalas. ich selbst denke, dass ein grösserer barbestand daheim nicht schaden kann, und Schweizer Franken sind auch nicht doof, wenn man sich die Risiken unserer niederländischen, spanischen und irischen Freunde vor Augen hält.

Ansonsten ist es aber nicht dumm, das Undenkbare zumindest mal durchzudenken.

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