Das Kratzen am schwarzen Lack des Schwans

Winter, Schnee, ein heisser Sonnenfleck am Bett und der grosse Schwung Arbeit ist erledigt, Flohmarkt in Pfaffenhofen ist erst morgen, der Wochenmarkt kommt erst später, eine gute Kanne Tee wartet - das ist Lesezeit.



Nun könnte ich in dieser vorteilhaften Lage einfach in die Bücherwand über dem Bett greifen, wo sich unter hunderten von antiquarischen Lederbänden auch der ein oder andere unbezwungene Klassiker findet. Dostojewskis Idiot etwa ist nur ein Beispiel für die lange Reihe der Russen, die mich aus meinem Besitz anfrösteln; selbst Sacher-Masochs weiblicher Sultan, der seinen Ausgang in einer eisigen Folterszene nimmt, war allein wegen der Region unerfreulich. Man neigt in solchen Situationen entweder zu einem hübschen kirchenlateinischen Text eines von der Aufklärung angekotzten Jesuiten - Neumayrs Religium Prudentum, Augsburg und Ingolstadt 1764 in der Originalausgabe aus dem Besitz eines lange vergessenen Johannes Andreas Schreier (1766) böte sich da an - oder zu einem neuen Buch. Ab und zu meint man ja, dem 21. Jahrhundert eine Chance geben zu können, oder auch, die eigene Tätigkeit im Bereiche der Ökonomie mit Fachwissen unterlegen zu müssen. Um ehrlich zu sein, habe ich alle meine 6 Bücher zum Thema Wirtschaft nach 1945 geschenkt bekommen, und fast alle waren entsetzlich. Nummer sieben ist das hier:



Nassim Nicholas Taleb, Der schwarze Schwan, bestellt, ohne mich mit dem Äusseren befasst zu haben. Ich gehöre zu denen, die sehr wohl den Umschlag als Zeichen der Qualität anerkennen. Das englische Original sah passabel aus, die deutsche Version dagegen ist eine Beleidigung und fast so scheusslich und brüllend-pink, wie man das vom nächsten Buch von Mascha Sobo und Sario Lixtus erwarten könnte. To make matters worse, ist es auch hinter dem Schutzumschlag dem wohlgefüllten Bücherschrank genauso zuträglich wie die gesammelten Werke von - wie heisst der schwarzbraune altersgeile Sack vom Bodensee nochmal - der mit seinem Judenhassfimmel - ihr wisst schon - egal. Vorne drauf findet sich dann auch ein lobendes Zitat von Chris Anderson, der mit "The Long Tail" selbst eines der überschätztesten Wirtschaftsbücher einer Epoche geschrieben hat, die wir gerade im Klo der Wirtschaftskrise hinuntergespült sehen.

Das hätte mich warnen sollen. Warnen wie vor zwei Wochen. Da war ich auf meiner letzten Rundreise durch die Alpenländer, und musste nach dem Achenpass im Inntal an einer grossen Tankstelle meinen Roadster füttern. Ich wollte gerade wieder starten, da hielt neben mir ein italienischer Alfa, dessen Fahrer winkte mich her und begann mich mit italienischem Dialekt zu fragen: Wo es hier nach Italien gehe (das Schild Richtung Brenner stand gleich neben der Tankstelle). Wo er fahren müsse (den Kreisel, und dann die dritte rechts). Wie weit es nach Rom sei (700 Kilometer, ungefähr). Wie ich heisse (Alphonso) Ob ich Rom kenne (ja). Ob ich wisse, was es dort für tolle Mode gäbe (ja). Das hätte er sich gleich gedacht so wie ich aussehe (drei Jahre alte Lederjacke mit mehr Patina als ein geschossener Fasan, der zwei Wochen aufgehängt wurde). Er war gerade in München, das kenne ich auch, oder (ja). Er habe da an einer Messe teilgenommen, für Mode, grose Messe, kenne ich, oder (Ja). Er sei Unternehmer und mache Leder, und weil ich so nett war, will ich vielleicht seinen Katalog? Und hier, die Marke, das sei Giorgio Ammani, ich kenne doch Ammani, oder, und weil ich so nett war und ihm die Strecke sagte, vielleicht will ich auch eine Jacke, geschenkt, hier, mit Logo von Ammani, bitte, kostet nix, und... Und um nicht in die Verlegenheit zu kommen, nach diesem Sturm von Palaver eine billige chinesische Armanikopie zu nehmen und dann zu erfahren, dass er seine Kreditkarte verloren habe und ich ihm 200 Euro für Benzin heim nach Rom leihen sollte, sagte ich, dass die Barchetta leider schon überfüllt sei, und ging meines Weges. Ohne Lederjacke, ohne Verarsche.

An dieses Erlebnis musste ich denken, als ich das Buch las. Was für eine erbärmliche Blenderei. Entweder die begeisterten Rezensenten sind wirklich Deppen, die sich vollschwallen lassen, oder sie haben das nicht gelesen. Es fängt schon damit an, dass in der deutschen Übersetzung statt "Werkzeuge" oder "Mittel" das managerdeppkompatible Nichtwort "Tools" verwendet. Es geht weiter mit der anbiedernden, kumpelhaften Erzählform in Ich- und Wir-Form. Wenn ich dummes, anbiederndes Gequatsche auf Pseudoniveau lesen will, muss ich kein Buch kaufen, da reicht auch der Spreeblick-Malte. Und es ist dummes Gequatsche. Ich gebe offen zu, dass manche Kapitel zum Thema Mathematik für mich Rohrkrepierer der Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik nicht allzu bekannt waren, aber auch da hätte ich gerne jemanden, der nicht jeden Absatz ein neues Bruchstück irgendwelcher angeblich superwichtiger Autoren hervorzerrt, um seine Masche zu stützen und so tut, als könnte er über all die Eierköpfe der Wissens- und Wirtschaftsgeschichte wirklich einen Paso Doble tanzen. Immer schön easy, mit Beispielen, bei denen jeder nicken kann und die allen einleuchten, mit beifallheischender "Ich findet das doch auch, was, Leute"-Geste, um dann sofort weiterzuziehen und mit einem "Primo, Secondo, Terzo" die verfestigende Wiederholung seiner Thesen in Form von hingeschmierten Powerpoint-Bulletpoints auf Pastaitalienisch zu kaschieren.

An einer Stelle nennt er dann auch sein Vorbild, das einem bei dieser Masche des niedrigen, sprunghaften und zusammengestückelten Universalgelehrtentums zwangsweise in den Sinn kommt: Michel de Montaigne. Es gibt gute Gründe, warum die Lektüre der Essays - "Versuche" - von Montaigne eine Qual ist - ständig muss man nachdenken, wo er seine Wissensspolien herausgezerrt und Unpassendes verkittet hat - , und Voltaire so viel Freude bereitet. Beide Autoren beschäftigen sich mit den Unwägbarkeiten des Schicksals und der Unvorhersehbarkeit, wie es auch Taleb tut, aber Montaigne klebt an seinen Zitaten und Bildungsbrocken, während Voltaire für sich steht und sich nicht vom Überkommenen bestimmen lässt. Der Punkt, an dem ich aufgehört habe, das Buch zu lesen, an dem ich dachte, es reicht mit der Verarschung, man suche sich bitte Fäuletonisten, die auf die Pressemappe reinfallen und sich diese gequirlte Scheisse nicht antun, findet sich auf Seite 249:

"Die Philosophen lehren uns seit Aristoteles, dass wir tiefe Denker sind und durch denken lernen können."

Was für eine erbärmliche Angeberei, was für ein peinliches Vorführen unverdauten Halbwissens. Man darf vermuten, dass Taleb Heraklits Erkenntnistheorie nicht kennt, und auch der Gegensatz zwischen der materialistischen Philosophie eines Anaxagoras und der teleologischen - und damit eher denkfeindlichen, wie die Rezeption im späten Mittelalter zeigt - Auffassungen von Aristoteles ist ihm nicht geläufig. Würde man ums Verrecken eine Bruch konstruieren wollen, dann doch bitte zwischen Sokrates und den Naturphilosophen, über 50 Jahre vor Aristoteles. Ich weigere mich einfach, ein Buch des 21. Jahrhunderts zu lesen, das wie Montaigne oder der dümmste Provinzjesuit des 18. Jahrhunderts die Geistesgeschichte in eine Zeit vor und nach Aristoteles einteilt.

So viele Reden ich gehört habe, keine kommt je so weit zu erkennen: das Weise ist von allem geschieden.

sagt Heraklit. Das wäre ein schönes Zitat für ein Buch über falsche Prognosen und Erwartungshaltungen gewesen. Es kann gut sein, dass Taleb mit seinen Erklärungen der Gaussschen Kurven und der Fraktalität recht- oder besser, die richtigen Zitate anderer Leute - hat. Es ist mir ebenso egal, wie die Qualität einer gefälschten Armani-Jacke. Ich mag es nicht, und ich mag diese kumpelhafte, anbiedernde Verkaufe nicht.

Samstag, 22. November 2008, 23:42, von donalphons | |comment

 
Da Weiterverschenken in dem Fall schlecht geht und Du das Machwerk wahrscheinlich nicht in Deiner Bibliothek herumstehen haben möchtest, bleibt wohl nur, es schnell bei www.buchticket.de wegzutauschen oder es vor das Wohnheim der Elitessen zu legen.

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Ich habe einen Bücherschrank neben meinem Bett in der grossen Wohung, den ich hinten auf einen Absatz in der Wand stellen muss. Vorne dagegen würde er in der Luft hängen, und hier nun dienen solche Bücher als der zurückgebliebene Atlas, den den Himmel des Wissens stützt.

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Ich finde das irgendwie beruhigend - denn obwohl ich behaupten würde, dass ich eine durchaus solide wirtschaftswissenschaftliche Ausbildung besitze, konnte ich mich nie dazu durchringen, Bücher solcher populärwissenschaftlichen "Wirtschafts-Gurus" zu lesen. Mich beschleicht immer der Eindruck, dass die Wirtschaft sich oft und gerne weigert, den doch angeblich so zwingenden Modellen zu folgen. Auch die Vermischung von Wirtschaftswissenschaft und Philosophie finde ich immer wieder überraschend. Da soll es einerseits streng wissenschaftlich zugehen, aber andererseits werden einem dann - als sei das ganz logisch - plötzlich weltanschauliche Überzeugungen als Fakten untergejubelt. So schien der Neoliberalismus zuletzt ja eine regelrechte Glaubensrichtung geworden zu sein (alles was der Staat tut, ist falsch, alles was die Wirtschaft macht, ist richtig - selbst wenn dabei z.B. Menschenrechte mit Füßen getreten werden).

Die verheerenden Folgen der Subprime-Krise ließen sich sowieso viel besser vorhersagen, wenn man nicht das "große Ganze" durch die Theoretiker-Brille betrachtet hat, sondern sich konkret angeschaut hat, was speziell die Bankenbranche in den vergangenen Jahren so getrieben hat. Das war irrsinng, mit was für Instrumten da Gewinne erzeugt wurden, und was für phantasievolle Theoriegebilde herangezogen wurden, um sie zu rechtfertigen.

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Ja der Markt, ja der Markt, der hat immer recht.
Ein Teil meiner "Wirtschaftsbücher" kommt von einem gewissen Verlag, der sie verschenkte, und wurde von ein paar Journalisten verfasst, die ganz bewusst flockig alles so hingedreht haben, wie sie es brauchten. Es gibt immer gung Studien, die genau belegen, was man braucht, und die aus den diversen Marktmechanismen exakt diejenigen ausblenden, die stören könnten. In dieser Hinsicht sind die Bücher noch weit hinter den Geschichten berühmter Männer von Boccaccio zurück, der wenigstens noch zwischen Erfolg und Misserfolg abzuwägen wusste. Tatsächlich erinnert das alles mehr an die Scholastiker, als an aufgeklärte Menschen.

Das Prinzip, dass jeder Übertreibung nch oben eine Korrektur folgen muss, ist bei Immobilien seit Jahrzehnten theoretisch überflüssig, weil ganz allgemein mit einer Rendite von 5-8% pro Jahr durch die Miete gerechnet werden kann. Natürlich wäre es schöner, da jetzt nicht mitmachen zu müssen, aber wir werden ja sehen, wo uns das hinbringt.

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Oh lustig, die Masche mit der "Lederjacke".

Das hat vor ein paar Monaten einer im Tal mit mir versucht, aus dem Auto heraus. Vielleicht war es sogar derselbe?

Nur ich hab die Jacke (natürlich 100% Polyester) genommen, und als dann die Frage nach dem Benzingeld kam... bedaure, gar kein Geld dabei, schöne Fahrt noch und mille grazie.

Die Jacke hab ich dann einem Bettler geschenkt, der vor der Heiliggeistkirche saß.

Immerhin hält sie den Regen ab.

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Vielleicht sollte der Mann besser in die Zertifikatebranche wechseln - Derivate auf Basis von Citigroup-CDOs vielleicht. Wenigstens war es ein Italiener mit einem gewissen Buffo-Anspruch, reden wir also von einer gelebten Tradition der Commedia dell´ Arte - dass aber haufenweise Rezensenten auf Taleb reinfallen, ist dagegen wirklich ärgerlich.

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Schlechte Bücher sind ärgerlicher als schlechte Jacken...

Aber zieh morgen eine warme an für Pfaffenhofen

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dass aber haufenweise Rezensenten auf Taleb reinfallen

wie ich gehört habe, soll jetzt sogar der ehemals grosskritker und kritikerpapst reich-r. im deppenfernsehen zur publikumsbespassung zwischen den werbeblöcken herhalten müssen.

solche argumentation überzeugt den kritischsten kritiker: schreib was wir dir sagen, oder du bist schneller bei den z-promis als dir lieb ist.

die haltung: mein sohn soll kein journalist werden, eher schicke ich ihn auf den bau hat vieles für sich.

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Das Literaturmann ist alt und braucht das Geld.

Es gibt einfach Bücher, die bejubelt werden, weil sie jeder bejubelt. Da entsteht dann eine gewisse Pilton-Hooth-Haltung, die automatisch immer weiter publiziert, die gleichen Fragen stellt, sich selbst bewahrheitet, und weil es eh jeder schreibt, wird es schon stimmen. Die können es nicht gelesen haben, aber es stand ja auch in der NY Times, also wird es schon passen. Zudem: Das Ding hat 450 stilistisch klebrige Seiten, um das wirklich zu lesen, braucht man länger, als dass es sich für die Erträge eines Beitrags lohnen würde.

Das da draussen sieht mir gerade eher weniger nach Pfaffenhofen aus: Schneetreiben und eisige Kälte.

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Andererseits: Schneesturmpreise sind auch nicht zu verachten. Hm.

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Alles
eine Frage der eigenen, wetterfesten Kleidung.

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Ihr wollt doch nur
die nächste Silberkanne sehen.

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Messerbaenkchen,
Serviettenringe, Teesiebe und Ablageschaelchen, vielleicht einen Samowar?

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Tortenschaufeln. ;-)

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Alles falsch
Samowar wäre mir zu russisch, und den Rest habe ich schon. Aber es wurde ei...

verrate sich später.

Vielleicht.

Spolien vom Ende des Byzantinismus.

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Si tacuisses ... Liebe Worte von einem, der das Buch auch wirklich gelesen hat
Don Alfons, mein Bester,

ich hoffe, Du weisst es zu würdigen, dass ich mich extra bei Dir registriert habe, um Dir für diesen pseudo-nihilistischen, intellektuell aufgehübschten Beitrag ein paar hinter die Löffel zu geben.

Zunächst mal: wer auf die deutsche Fassung eines solchen Werks wartet, outet sich in meinen Augen von vornherein als Loser. Wohl unbeabsichtigt, aber dennoch, stellst Du dich damit auf dieselbe geistige Ebene wie etwa ein Frank Schirrmacher in der FAZ, und wärst damit an und für sich nicht satisfaktionsfähig. Nachdem Du aber alle Rezensenten, die sich positiv über das Buch geäußert haben, und damit auch mich, pauschal "Deppen" nennst, mache ich mal eine Ausnahme und statte Dir in deiner Blogger-Bude von der Stange mal einen kurzen Besuch ab. Als Kolumbus Amerika entdeckte, mußte er sich kurzzeitig ja auch unter die Wilden begeben, ein Schicksal, vor dem man offensichtlich auch in unseren eher zivilen Tagen noch längst nicht gefeit ist.

Du trinkst also Deinen Tee (laß mich raten: Genmaicha?) und versuchst Taleb zu ergründen, denkst dabei an Autobahnschilder an irgendwelchen Tankstellen und abgewetzte Lederjacken, nur weil dir irgendwelche italienische Fat Tonys in ihren Alfa-Spidern was vom dolce farniente in Rom erzählen, und überblätterst dabei das wesentliche, nämlich die Feststellung einer allseits grassierenden Verwechslung von Falsifikation und Verifikation und der Offenbarung, dass den Wirtschaftswissenschaften insgesamt kein höherer Erkenntniswert zukommt, als dem Briefmarkensammeln? Und die Verneinung einer wie auch immer gearteten Faktizität der "Wissenschaftlichkeit" in Bezug auf diese Disziplinen entgeht Dir dabei auch noch? Und laberst dann aber, um diese offensichtlichen Lücken mehr schlecht als recht zu kaschieren, was von Heraklit und Anaxagoras?

Man sollte Genmaicha-Tee nicht mit Rum trinken, mein Lieber, zumindest sollten dabei die Volumensanteile in der Kanne nicht so krass zu Ungunsten des Tees verschoben sein, wie offensichtlich bei Dir der Fall, als du zur vermeintlichen Lektüre dieses Buches schrittest.

Nassim Nicholas Talebs Fluch besteht darin, dass alle Welt über sein Werk redet, als hätte sie es gelesen und verstanden, die allerwenigsten Kommentatoren und Rezensenten sich dieser Eigenschaften aber tatsächlich rühmen können. Seit heute offensichtlich einer mehr.

Ciao bello!

wgn

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Junger Mann,
als dieses Blog hier angemeldet wurde, war Wordpress noch nicht existent, Typepad eine teure Plage und das Antvillesystem das Beste, was man haben kann. Ich mag es hier. Blogger.de ist angenehm, hübsch und gefüllt mit netten Leuten - man muss es erlebt haben, um es beurteilen zu können.

Was nun Talebs Buch angeht - nein, ich habe nicht "gewartet". Ich bin einfach spät darauf hingewiesen worden, denn normalerweise ignoriere ich Wirtschaftsbücher (wenn sie nicht vor 1800 entstanden sind oder von Carlo Cipolla geschrieben wurden). Und als Historiker und wirtschaftlich Ahnungsloser kann ich mir auch den Luxus leisten, das Buch nach meinen Kriterien zu beurteilen. Mein zentrales Kriterium ist nun mal, dass ich etwas lernen möchte, und zwar von jemandem, der erkennbar klüger ist als ich. Mit seinen Abwegen in mein Metier der Kulturgeschichte verrennt sich der gute Mann - und - jetzt muss ich nochmal eine Geschichte erzählen.

Ich hatte mal mit einem Staranwalt (auf Englisch) zu tun, der einen Mordprozess für seinen Mandanten spektakulär gewonnen hat, indem er einen zentralen Beweis unter einigen anderen Beweisen widerlegte. Die Jury ignorierte daraufhin die anderen Beweise und sprach den Mann frei. Sinngemäss sagte der Anwalt: Wenn du einen Hamburger bekommst, und du findest darin eine tote Maus - wirfst du die tote Maus weg und isst den Hamburger fertig?

Das ist mein Problem mit dem Buch. All die toten Mäuse, die mir meinen Assam vergällen. Ich hätte gern Erkenntnis, aber ich möchte sie, ohne dass ich mir jeden Brocken genau anschauen muss und überlegen, was er jetzt da wieder verkocht hat. Es wäre sehr viel einfacher, wäre da nicht dieser anbiedernde Tonfall, bei dem ich automatisch auf Abstand gehe.

Obwohl ich keinerlei Ahnung von Wirtschaft habe, war ich doch veranlasst, mein karges Brot eine Weile in einem Bereich der Wirtschaft zu verdienen, in dem sich Wirklichkeit und wirtschaftliche Projektionen rapide auseinanderentwickelten. Dass man Charttechnik in den Müll treten kann, dass man der kapitulation der Märkte nicht trauen kann und all die hübschen Indikatoren für den Wiedereinstieg Müll sind, egal wie todsicher sie sind, ist mir seit 1999 ziemlich bewusst, und der Weg des Nemax hat das dann auch nachhaltig bewiesen. Und wir beide sind uns mutmasslich darüber einig, dass das Heil der Berichterstattung über die aktuelle Krise nur selten in der FTD oder dem Handelsblatt zu finden war. Man beachte da nur die letzte Radioansprache von Obama, der 2,5 Millionen Jobs sichern oder schaffen will, und wie schnell daraus die Schaffung von 2,5 Millionen neuen Arbeitsplätzen wurde. Insofern

"und überblätterst dabei das wesentliche, nämlich die Feststellung einer allseits grassierenden Verwechslung von Falsifikation und Verifikation und der Offenbarung, dass den Wirtschaftswissenschaften insgesamt kein höherer Erkenntniswert zukommt, als dem Briefmarkensammeln? Und die Verneinung einer wie auch immer gearteten Faktizität der "Wissenschaftlichkeit" in Bezug auf diese Disziplinen entgeht Dir dabei auch noch?"

Nein. Absolut nicht. Natürlich steht das da drin. Aber um das zu wissen, brauche ich kein Buch. Ich glaube auch nicht, dass irgendjemand mein Blog intensiv liest, der sich über das Wesen und die Zuverlässligkeit von wirtschaftlicher Gedärmeleserei irgendwelche Illusionen macht. Ziemlich viele hier sind den ganzen Weg durch die New Economy gegangen. Rebellen ohne Markt ist nicht das Reservior der dummen Blässhühnchen, die noch nie eine AnjaTanja und ihr Gesülze an die Wand gepfeffert haben.

Ansonsten: Wie man dem Text entnehmen kann, habe ich auf Seite 249 nach einer grossen, stinkenden toten Ratte die Lust verloren. Ich habe es nicht komplett gelesen, ich habe genug von Talebs Weg, bis hierher und nicht weiter. Ich glaube einfach nicht, dass mich dieses Buch noch irgendwie weiter bringt. Skeptizismus, Hinterfragen und Angleichen kann man im Talmud sicher besser lernen, oder auch im Sefer he Chassidim, oder, wenn wir es schon auf Anekdotenniveau machen wollen, bei Torberg. Oder Pietro Bembo. Um zu verstehen, dass dies nicht die beste aller möglichen Welten ist, und die spätere Anpassung der Theorie an die misslungene Praxis kein Lebensmodell ist, weiss ich, seitdem ich den Candide gelesen habe, der meinen Lesern als "das" Buch schlechthin erinnerlich sein dürfte.

Ich möchte mein Heraklit-Zitat aber durchaus so gedeutet wissen, dass wir uns alle, jeder auf seine Weise bemühen können, zur Erkenntnis zu gelangen im Wissen, Toren zu bleiben. Sollte Talebs Buch für manche wirklich sen-sat-io-nelle Neuigkeiten enthalten, und sie dafür dieses Buch nötig haben - mei. Bittschön. Dass ich weissgarnix.de dennoch schätze, daran möchte ich hier keinen Zweifel lassen.

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wow. gute riposte.

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Wir tun nur das, was bei Taleb fehlt.

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Lieber weissgarnix
"Als Kolumbus Amerika entdeckte, mußte er sich kurzzeitig ja auch unter die Wilden begeben.."

Das verwechselst du:

"Der Amerikaner, der den Kolumbus entdeckte, machte eine böse Entdeckung." (Lichtenberg)

Wer die Geschichte Hispaniolas studiert, weiß, dass die Wilden nicht die Tainos waren.

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Wenn man Antville als Vater von blogger.de sieht, dann sind wir hier bei den Ureinwohnern der deutschsprachigen Blogosphäre.

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Was ist mit den teilweise handgefertigten Blogs vor Antville? Neandertaler?

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Ich war ein Homo Erectus Dotcomtodiensis, und der erste täglich von mir befüllte php-Urschleim datiert auf 1 v. 2000.

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@avantgarde
Diese Formulierung hatte für mich rein rhetorischen Charakter, ohne dass mir ihre Authentizität als von Bedeutung erschienen wäre. Mache ich zwar normalerweise nicht, hielt ich aber angesichts der vorausgehenden Don Alphons'schen Platitüden über Talebs Buch für der Sache angemessen.

Läge mir ansonsten natürlich fern, die Ureinwohner Amerikas als "Wilde" zu bezeichnen. Ein wenig Political Correctness ist nämlich selbst mir nicht fremd ...

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@Don Alphons
Ich kann mit Deiner Replik nichts anfangen, tut mir leid.

Zunächst mal erzählst Du andauernd was von wegen "Wirtschaftsbuch", wo Talebs Black Swan aber nun wirklich kein solches ist. Stattdessen ist es wohl mehr eine Generalabrechnung mit dem metatheoretischen Zeitgeist, und während der Lektüre sollten einem weniger Gedanken an Nemax-Charts und ähnliche Trivialia kommen, vielmehr sollte Russels Teekanne vor dem geistigen Auge ihre Bahnen durch den Weltraum ziehen. Wer popper'sche Kernthesen auf dem geistigen Niveau der Chartanalyse diskutieren will, der hat zwar mein Mitleid, aber der sollte sich die Diskussion eines derartigen Werkes besser verkneifen.

Was den Hamburger mit der toten Maus betrifft, so wäre meine Frage an Dich: WAS ist der Hamburger und WAS ist die tote Maus? - Aus dem Blickwinkel eines Gourmets in Menschengestalt mag das klar zu beantworten sein, aber wie stünde es wohl, wenn man dieselbe Frage einer Katze stellen würde? Würde die sich für den Hamburger entscheiden?

Damit stoßen wir zum Kern Deines Missverständnisses vor: Du beurteilst ein Buch nach DEINEN Kriterien, schreibst Du, vermeintlich ein Wirtschaftsbuch, als einer, der von Wirtschaft, wie Du selbst schreibst, keine Ahnung hat und dessen einschlägige Lektüre sich daher auch nur auf einige wenige Werke beschränkt. Du kannst Dir damit zwar, wie Du ebenfalls schreibst, tatsächlich den Luxus leisten, das Werk nach DEINEN Kriterien zu beurteilen, aber bitte erspare Dir und Deinem Publikum dann jedes weitere Wort über "Erkenntnis". Analog würde ich es mir verkneifen, ein Werk, etwa über chinesische Kulturgeschichte, nach "meinen Kriterien" zu beurteilen und hernach über "Erkenntnis" zu schwadronieren, aus dem simplen Grund nämlich, dass ich von chinesischer Kulturgeschichte nicht die geringste Ahnung habe. Ich mag daher nach wie vor dem Luxus frönen, ein derartiges Werk nach "meinen Kriterien" zu beurteilen, aber jegliche Aussage meinerseits zum Komplex "daraus zu gewinnende Erkenntnis" sollte von einem auch nur halbwegs aufgeschlossenem Publikum mit Hohn und Gelächter quittiert werden.

Außerdem ist Dein Erkenntnisbegriff ein wenig brauchbarer. Du schreibst: "Sollte Talebs Buch für manche wirklich sensationelle Neuigkeiten enthalten, und sie dafür dieses Buch nötig haben". Meinst Du das im Ernst mit "Erkenntnis"? - Ich darf dich mal darauf hinweisen, dass Karl Marx die Werke von Adam Smith und John Stuart Mill garantiert nicht für die Gewinnung von "sensationellen Neuigkeiten" benötigte, sie für die in Kapital 1-3 und diverse andere Werke steckende "Erkenntnis" aber durchaus zentral waren. Auch in meinem Blog (der Leser möge mir den Bogen unmittelbar von Marx auf meine bedeutungslose, intellektuelle Wenigkeit verzeihen) wirst Du kein Jota an "sensationellen Neuigkeiten" finden, dafür aber althergebrachtes aus einem vielleicht für viele "anderen" Blickwinkel. Daraus spriesst echte "Erkenntnis", mon cher, dafür brauche ich keinen Heraklit und keinen Anaxagoras.

Und im Grunde siehst Du das auch selbst ganz genauso, weil Du es in Deinem letzten Satz ("dass ich weissgarnix.de dennoch schätze ...") sogar schreibst. Nach DEINEN Kriterien beurteilt, wäre nämlich mein Blog eine intellektuelle Nullnummer, nichts weiter als ein medialer Flachwitz, der in einer Kakophonie von ganz ähnlichen Stimmen um sein kleines bisschen share-of-voice kämpft. Aber nix mit "Erkenntnis" ... zumindest nicht nach DEINEN Kriterien, anhand derer Du dich an Talebs Buch versündigst.

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Also bittschön...
"versündigst", was soll denn das.

Erstens gehöre ich einer apokatastatischen Richtung an, und zweitens: Das Kompliment mit dem "wenig anfangen" muss ich nach erstem Lesen zurückreichen, zu sehr wird da gemäandert, was, wie ich schon dargelegt habe, eines meiner Probleme mit dem von Taleb so geschätzten Montaigne ist. Ich sehe da durchaus Wissen, aber nicht die Fähigkeit, es hier verständlich zu HTML zu bringen. Wenn ich Unkundiger und Unwürdiger meinen Beitrag zum Fortgang der Wirtschaft, von der ich erklärtermassen nichts verstehe und ihn dennoch zu betreiben verpflichtet bin, geleistet habe, werde ich mich gerne nochmal damit auseinandersetzen. Ich darf an dieser Stelle aber dezent darauf hinweisen, dass ich unabhängig vom fehlenden Studium durchaus eine gewisse empirische Erfahrung mit Wirtschaft habe. Generell natürlich urteilt jeder nach SEINEN Erfahrungen, das ist subjektiv und legitim und alles andere als eine Sünde. Im Gegenteil, ich halte es für nicht angemessen, sich auch nur einen Moment eine wie allgemeingültige Erkenntnis zuzuschreiben, die es einem anderen untersagte, seine Meinung zu äussern, aka, "sie Deinen Lesern zu ersparen". So nicht, mit Verlaub. ich darf hier vielleicht an Kolumbus erinnern, der mit einer ähnlichen Attitüde nicht wirklich gut gefahren ist.

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Ich habe ja auch ein Fach, in dem ich mich sicher fühle. Wenn ich allen Bloggern ohne dieses Fachwissen die "Erkenntnis" absprechen wollte, hätte ich viel zu tun.

Vielleicht gelingt das nur, wenn man ein richtiges Blog mit Wordpress und Domain führt und nicht unter "Wilden" bloggt.

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@Don Alphons
>Im Gegenteil, ich halte es für nicht angemessen, sich auch nur einen Moment eine wie allgemeingültige Erkenntnis zuzuschreiben, die es einem anderen untersagte, seine Meinung zu äussern, aka, "sie Deinen Lesern zu ersparen". So nicht, mit Verlaub.

Nein, natürlich nicht. Aber genau das tust Du in Deinem Eingangsbeitrag, auch wenn Du jetzt versuchst, mein Argument zu verdrehen. Ich darf mal sanft darauf hinweisen, dass Dein Kommentar nicht lautete, "Ich kann mit dem Buch nichts anfangen, weil ich es vielleicht auch nicht verstehe", was in meinen Augen eine absolut legitime und den Gegebenheiten entsprechende Einschätzung gewesen wäre, sondern Du schriebst: "Was für eine erbärmliche Blenderei. Entweder die begeisterten Rezensenten sind wirklich Deppen, die sich vollschwallen lassen, oder sie haben das nicht gelesen." Ich kann da von den edlen intellektuellen Motiven, die in Deinem eingangs gebrachten Zitat zum Ausdruck kommen, nichts wiederfinden. Du vielleicht?

Aber ist im Grunde auch egal, weil derlei ist nämlich prägendes Feature meiner ganz persönlichen Apokatastasis, seit ich mich im Web bewege. Heraklit hatte in diesem Punkt tatsächlich recht, ein und derselbe Unsinn begegnet einem fast unverändert wieder und immer wieder ...

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Falls einige einfache Leser im Weinberg des Herrn durch diese intellektuelle Interpretation überfordert sind, Taleb für Dich und mich:

Da steckse nich´ drin.
Der Blitz schlägt niemals ein zweites Mal an der selben Stelle ein.
Et kütt wie et kütt. Es is noch ewwer jut jejange.
Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.

Leser mit Abitur könnten auch unter "autoregressive Erwartungsbildung" und "Risikoverschiebungsphänomen" nachschlagen.

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Meine Großmutter
die natürlich auch immer recht hatte, sagte: Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Zu Taleb hätte sie wohl noch gegrummelt, dass mir oba aa an jeden Schmarrn von denane Amerikana von dena nübakriagn.

Ich hab vor einiger Zeit ein wenig in dem Buch geblättert. Da ist dieses Vorwort:

"Nehmen wir den Tsunami, der im Dezember 2004 die Pazifikregion überrollte. Wäre er erwartet worden, hätte er keinen so immensen Schaden angerichtet – die betroffenen Gebiete wären nicht so dicht bevölkert gewesen und man hätte ein Frühwarnsystem eingerichtet. Was wir wissen, kann uns nicht wirklich verletzen."

Das war für mich die Maus im Hamburger. Denn wenn es offenbar weder dem ach so viel belesenen Autor, noch dem amerikanischen Lektor, noch dem deutschen Übersetzer und auch nicht dem Hanser-Lektor auffällt, dass der Tsunami nicht im Pazifik, sondern im Indischen Ozean auftrat, dass im Pazifik Tsunamis wiederum durchaus erwartet werden und die japanische Küste dennoch dicht besiedelt ist und und und... nein dann langt es mir schon.

Denn das ärgert mich an den meisten US-Erfolgsautoren sowieso: der ungemein schlampige Umgang mit Wissen, und besonders kulturgeschichtlichem Wissen. Mit Dan Brown will ich jetzt gar nicht erst anfangen.

Im übrigen empfehle ich Rabelais statt Montaigne.

PS: Und für die Finanzkrise ist das Buch völlig irrelevant, weil die ein Blinder mit Krückstock hätte voraussehen müssen. Aber obwohl jeder weiß oder wissen müsste, dass Ponzi nicht funktioniert, klappt der Trick trotzdem immer wieder, wie das Hütchenspiel.

Was zählt ist sich rechtzeitig aus dem Staub zu machen.

Warum das so ist, wäre ein interessanteres Buch.

Oder auch nicht: Mundus vult decipi, ergo decipiatur. Auch nix neues.

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ein radikale subjektivität in erkenntniskritik übersetzender essay gefällt einem der transformation von kritik in erkenntnis verpflichteten, nicht jedoch einem radikale subjektivität in subjektive erkenntnis übersetzenden essayisten. wo ist das problem? man muss doch nur talebs homepage ansehen oder einen seiner vorträge [mp3] verfolgen, um zu verstehen, dass hier jemand die idee seines lebens, die un(be)rechenbarkeit von sigularitäten, an jeder ihm erreichbaren wissensform durchspielt. dass wir einem seine radikale subjektivität in lebenslanger anstrengung zur erkenntnis entwickelnden autodidakten es mehr als gönnen, wenn der zeitgeist spitzaufknopf in seinen worten sich zu erkennen glaubt, wird unter radikalen subjektivisten nicht verwundern. genausowenig, wenn die idiosynkrasie seines stils abstösst, oder die triftigkeit seiner erkenntnis wohlbekannt.

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Je banaler die Erkenntnis, desto anwendbarer auf alles Mögliche in postmoderner Beliebigkeit.

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@avantgarde: zu wissen, dass ein system zusammen bricht, und zu wissen, wann ein system zusammen bricht, ist ein unterschied fast ums ganze. wer short gegangen ist, seitdem er wusste, dass der häusermarkt zusammen bricht, ist heute genauso pleite, wie der, der den exakten zeitpunkt des ausstiegs verpasst hat. über die nicht(be)rechenbarkeit dieser differenz kann man bei taleb etwas lernen.

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Das scheint mir - auch ohne Lektüre dieses Buches - nur logisch zu sein, weil ja sehr viele Marktteilnehmer, die bei Spekulationsblasen mitmachen, durchaus ahnen, dass sie das tun, aber vollauf davon überzeugt sind, dass sie rechtzeitig den Abspruch finden. Naturgemäß kann das aber nur einigen wenigen tatsächlich gelingen.

Die Goldmans und DeuBas dieser Welt scheinen das noch vergleichsweise gut geschafft zu haben, obwohl sie offenbar so langsam auch mit in den Abgrund gerissen werden. Und ich glaube ohnehin nicht, dass sie damit irgeneinen Mehrwert für andere Teilnehmer des Weltwirtschaftssystems geschaffen haben (auch wenn ja immer angenommen wird, dass erfolgreiche Unternehmen dies tun).

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@amelia: der clou des systems war das bonussystem, nämlich die aneignung gesellschaftlichen reichtums ohne den einsatz eigenen kapitals, wie es im partnerschaftlichen investmentbanking noch üblich war. meisterhaft dargestellt wird dieser übergang von michael lewis, auf dessen aufsatz, der demnächst auch als buch erscheint, ich deshalb noch einmal hinweise.

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@exurbia

Auch wenn das jetzt angeberisch klingt... ich "wusste" es rechtzeitig und bin deshalb nicht pleite. Man muss nur die Frühindikatoren wahrnehmen und auf die letzte große Welle verzichten.

1998/99 habe ich in San Francisco gelebt, Dotcom-Boom etc. Alle mit Riesenklappe. Aber im "schicken" Viertel North Beach, wo alle Dotcommer ihre teuren flats haben, sanken plötzlich Mieten und Wohnungspreise, und zwar heftig. Die Blase war schon geplatzt, aber keiner wollte es wahrhaben und in Deutschland gings erst richtig los.

Ich bin ausgestiegen.

2002 hab ich dann nochmal richtig Geld verdient, mit einem großen US-Homebuilder, dessen Aktie sich vervielfachte. Auch da bin ich rechtzeitig raus.

Ein Wellenreiter, der nicht absaufen will, muss der Welle vorausreiten. Und sich die letzte Gier verkneifen.

Mir tut es um keinen leid, der deswegen jetzt pleite geht. Mir tut es um die leid, die pleite gehen, obwohl sie überhaupt nichts dafür können und das böse Spiel gar nicht mitmachten.

Warum zum Teufel kriegen Kaupthing-Anleger über den Steuerzahler ihr Geld zurück?

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Tote Mäuse im schimmligen Hamburger
"Was für eine erbärmliche Blenderei. Entweder die begeisterten Rezensenten sind wirklich Deppen, die sich vollschwallen lassen, oder sie haben das nicht gelesen." Sage ich, und dazu stehe ich auch.

Die erste wirklich unverdauliche tote Maus, die schon so verfault ist, dass auch eine Katze sie nicht will, findet sich schon im ersten Kapitel, S. 25, mit seinem Modell der angeblich "opaken" Geschichte und dem, was zwischen seite 27 und 29 mit dem unsäglichen Titel "Die Geschichte kriecht nicht dahin, sie springt" überschrieben wird. Da hebt´s mich. Es hebt mich, weil es eine elende Pauschalisierung ist, und Taleb schlichtweg bescheisst, indem er Georges Duby mit einer - eigentlich nicht haltbaren - Randbemerkung zur Ausbreitung des Islams zitiert, die bei allen Verdiensten von Duby in der Grundlagenforschung der kleinen Leute des französischen Hochmittelalters nicht die Relevanz hat, die sich Taleb daraus schnitzt. Dubys nachträgliche Erfindung von angeblich "1o Jahrhunderte levantinischer Hellensismus" ist genau die falsche, rückwirkende Konstruktion, eine platte, populärwissenschaftliche These ex post, die das Werk Dubys manchmal so ambivalent und schwierig machen, eine in der Verkürzung manchmal unvermeidliche Masche, gegen die sich Taleb im gleichen Kontext eigentlich ausspricht. Diese Vorstellung einer hellenistischen Vollkontinuität ist nur möglich, wenn man die jeweilige Propaganda, die deren Ende aus Eigeninteressen überbetont, zu ernst nimmt - was Taleb später wortreich verdammt, man solle das anders machen, aber hey, ich habe schon im LK Geschichte gelernt, was ideologiekritische Analyse bedeutet. Taleb macht sich lustig über Leute, die Dinge falsch beurteilen, die er selber lässigst benutzt, wenn er sie brauchen kann. Ein paar Sätze nach seiner Anleihe bei Duby (Mediävistik) konstruiert er eine wissenschaftliche Kontinuität zum Altgeschichtler Paul Veyne (Antike) und dessen nicht gerade gelungenen "Bestseller"-Vergleich der Verbreitung von Kulten im römischen Weltreich. natürlich ohne auf die Unterschiede - bei Duby die islamischen Eroberer, bei Veyne modische, weitgehend integrierbare Kulte aus Vorderasien in der Spätantike hinzuweisen. Man kann es so nicht sagen, wie es bei Taleb verkürzt wird. Es ist nicht so. Und ich glaube auch nicht, dass Duby und Veyne so verstanden werden wollten. Dazu kennen beide das Problem der Ungenauigkeit zu gut, das uns rückblickend 15 Jahre als kurze und definierbare Zeit erscheinen lässt (wir nennen das eine "Kohorte", die wir mit Leitfunden theoretisch definieren können), die aber im Bewusstsein der Menschen damals sehr lang gewesen sein dürfte. Allein die Probleme von Kommunikation und Reise sind in historischen Gesellschaften dafür verantwortlich, dass die Übergänge, die wir festlegen, von den wenigsten als solche empfunden wurden.

Wenn das halbgare Zitatepicken und Verdrehen seine grundsätzliche Einschätzung der Geschichtsbetrachtung ist, zwei aus dem Kontext gerissene, platte Sager bekannter Historiker, dann ist das nicht nur eine tote Maus. Dann schimmelt auch gleich der ganze Hamburger. Taleb ist jemand, der sich seinen Skeptizismus mit Methoden bastelt, die andere für ihre falschen Gewissheiten verwenden.

Soll ich weiter machen?

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Ja, bitte. Da es mit der Bibliothek der Aufklärung nicht richtig weiter geht, werden Verrisse zeitgenössischer Bücher auch gerne genommen.

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vor allem ist es eigentlich eine wiederauflage von malcolm gladwells "the tipping point". es schwimmt halt auf der welle mit, von der verlage aktuell gauben, dass sie gut verkaufbar ist. was in diesem fall ja auch leider wieder mal stimmt.

man liest sowas aber ja auch eigentlich nicht wirklich aus philosophischen gründen. es ist halt unterhaltungsliteratur. jahrmarkt. was daran allenfalls interessant sein könnte, ist die tendenz der letzten jahre, die anarchie der ökonomie mit wissenschaftlichen (soziologischen, psychologischen, mathematischen, biologischen - interessanterweise selten wirtschaftswissenschaftlichen) modellen erklärbar zu machen. auch bücher wie "blink" oder "the wisdom of crowds" verkauften sich in dieser hinsicht gut. und zwar, weil sie dem verunsicherten verbraucherlein erklärungsmodelle für eine in wahrheit gesetzlose ökonomische wirklichkeit anbieten, moderne mythen halt. blendung, quacksalberei und aberglaube sind ja überhaupt stets die folge, wenn man halbwegs geordnete strukturen außer kraft setzt, da unterscheidet sich das "zeitalter" des neoliberalimus überhaupt nicht von dem der renaissance. die autoren selbst können noch nicht einmal wirklich etwas dafür. ich würde die schuld eher bei den verlagen suchen, am allermeisten aber bei den käufern. wer, weil er nicht mehr liest, sondern nur noch schaut und hört, faschistoiden nachrichtensprecherin und legasthenischen tv-pilger hinterherrennt oder den stein des weisen auf vollgeschissenen feuchtgebieten sucht, der hat eben auch nichts besseres als einen schwarzen schwan verdient.

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Ich gebe zu, dass ich in diesem Fall wirklich nur an der Oberfläche kratze (habe weder das Buch gelesen, noch bin ich im Detail mit den zitierten Philosophen vertraut), aber ich bekomme schon beim Buchtitel meine Zweifel: "Die Macht höchst unwahrscheinlicher Ereignisse". Was war denn, bitteschön, an der jetzigen Finanzmarktkrise "höchst unwahrscheinlich"? Mir erscheint die jetzige Entwicklung als durchaus logische - und nahezu unausweichliche - Konsequenz der Exzesse in den Vorjahren. "Unwahrscheinlich" war diese Entwicklung nur in den zu Grunde gelegten Finanzmarkttheorien. Und die müssen ja nicht stimmen. Geht Taleb auf diesen Aspekt eigentlich ein?

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Leute bitte mal klarkommen, dass Buch (hab's nach wie vor nicht gelesen) hat nur völlig am Rande mit aktuellen Ereignissen zu tun, es ist Anfang 2007 erschienen, eigentlich nur eine Erweiterung von Fooled by Randomness aus 2001, was wiederum auf uralten wissenschaftlichen Artikeln beruht. Was ihr schreibt wäre schonmal ein perfektes Beispiel für die narrative fallacy, ein wunderbarer post-hoc-ergo-propter-hoc-Unfug. Er hat offensichtlich schon mehr über das Thema vergessen als Ihr je gewusst habt und unabhängig vom tatsächlichen Inhalt des Buches (den ich wie gesagt nur ansatzweise aus den richtigen paper kenne) ist es auf jeden Fall positiv, das auch hier grassierende finanzielle Analphabetentum in irgendeiner (auch hoffnunglosen) Form zu mildern.

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Man sollte aber der Fairness halber erwähnen, dass das Buch im Original Anfang 2007 erschienen ist; wenn man nun noch den typischen Vorlauf hinzurechnet, dürfte es doch um einiges vor der derzeitigen Krise geschrieben worden sein.
Nein, ich besitze es nicht.

(Edit: nm war eine Minute schneller)

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Man kann dem Autor nicht anlasten, dass er die Finanzmarktkrise nicht erklären kann - wohl aber den Leuten, die das Buch mit genau diesem Argument vermarkten.

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Barockscholastik my ass
Ich habe mir jetzt doch noch mal den Klappentext zur Brust genommen, und da wird zumindest suggeriert, es könnte auch die aktuelle Finanzkrise umfassen. Was ich bemerkenswert finde, ist das Fehlen von Cipollas Essay über die Grundgesetze der menschlichen Dummheit in der Literaturliste.

Ich gebe gern zu, dass mir die Verdienste von Taleb aus früheren Zeiten egal sind. Hier ist ein Buch, das keinen Hehl daraus macht, ja gar damit protzt, in der Tradition von Montaigne zu stehen. Es ist deshalb legitim, es auch auf dieser Basis zu hinterfragen. Komischerweise sehe ich bei Taleb absolut keinen Skeptizismus gegenüber sich selbst und den Weg, auf den er den Leser lauthals mitschleift.

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Wenn der Klappentext das ist, was in Amazon als Produktbeschreibung angegeben wird, dann wird da die derzeitige Finanzmarktkrise tatsächlich nicht explizit aufgeführt. "Globale Finanzkrisen" werden allerdings allgemein erwähnt und in einem Atemzug mit den Terroranschlägen zum 11. September genannt, was ich nicht ganz nachvollziehen kann. In den Presse-Rezensionen werden seine Theorien allerdings auch direkt auf die aktuelle Krise bezogen.

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Grob gesagt, ist Talebs Buch durch Zufall das richtige Buch zur richtigen Zeit, und was daran nicht das richtige Buch ist, wird geflissentlich ignoriert, womit Taleb einen Esay über den weitgehend irrtümlichen Erfolg seines Buches und des ihm folgenden Herdentriebs schreiben könnte. Das Phänomen, dass Menschen glauben, Erfahrungen und Erkenntnisse von Krisen auf neue Krisen übertragen zu können, ist noch so eine populäre Fehleinschätzung - als Historiker tendiert man dazu, dem Menschen nicht die Bildung und das Wissen, sehr wohl aber die Lernfähigkeit in grösseren Komplexen abzusprechen.

Der von Taleb zitierte Umberto Eco sagt von seinen populären Büchern, sie wären voller Spezialwissen für die Kundigen, das die Ungebildeten mit einer Deppensteuer mitfinanzierten. Bei Taleb habe ich den Eindruck, dass auch manche Wissende die Deppensteuer bezahlen.

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Ich hatt's hier vor ein paar Wochen schon erwähnt, aber es gab vor einigen Jahren mal ein sehr schönes Portrait von Taleb im New Yorker:
http://www.gladwell.com/2002/2002_04_29_a_blowingup.htm
Mag sein, dass er diese Einstellung in diesem Buch bzw. zumindest in der deutschen Übersetzung nicht rüberbringen kann, aber die grundlegende Idee ist auf jeden Fall erforschenswert.

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Da lob ich mir doch Umberto Eco
Der Mann hat seine Quellen jedenfalls beherrscht und verstanden.

Foucaults Pendel halte ich für genial.

Übrigens erscheint mir der schwarze Schwan eine zu blasse Metapher. Das australische Schnabeltier... das wärs gewesen.

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die idee ist aber schon uralt. die hat einen bart so lang wie das skeptical inquiry, in dem die randomness-these schon 2005 ausführlich erörtert worden ist, und selbst das war ein aufwasch von älteren publikationen, und taleb war auch nicht der einzige autor, der sich damit beschäftigt hatte.

der hansa-verlag bewirbt das buch sogar mit einem eindeutigen verweis auf die finanzkrise: "Es ist das Buch zur Finanzkrise - WirtschaftsWoche, 22. September 2008"

wie gesagt, man hat eigentlich überhaupt nichts gegen den autor, nur gegen die vermarktung und die rezeptionsweise solcher dinge. gegen den "flockigen stil" habe ich auch nichts einzuwenden, das ist im englischen ok, nur in der deutschen übersetzung fällt es als unangenehmer kontrast im vergleich zu den teilweise akademisch formulierten inhalten auf. was halt nervt ist, dass randomness als erklärungsmuster verstanden wird und wofür.

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Klappentext hörte sich doch gar nicht so wild an...
...steht bei mir auch noch im Regal unter "bald mal lesen". Allerdings habe ich die englische Version genommen: Sachbücher übersetzt, und dann noch so Material, da hab ich Angst, dass der Übersetzer nicht alles versteht und da dann zusätzlich Fehler reinhaut.
Weiss jetzt nicht, ob ich das so hoch hängen würde mit den Altgriechen. Der Typ ist Finanzmathematiker, auch wenn er Disziplinübergreifend arbeitet.
An so einer Stelle fehlt dann die Interaktionmöglichkeit des Lesers, einfach mal direkt ein Feedback zu geben. Vielleicht gibt es ja irgendwann E-Paper, dass sich wie Papier anfühlt und Eingaben per Stift zuläßt ;-).

Jetzt bin ich erst recht neugierig und stelle es mal etwas nach vorne in der Reihenfolge. Ich werd' mich auch nicht beschweren, wenn's nix taugt, bin ja jetzt schließlich vorgewarnt.

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Über den Dächern von Ingolstadt
Besonders schönes Foto übrigens.

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Immer nur zu, ich bin gespannt, ob es gefällt. Ich glaube gerne, dass manches im Englischen anders rüberkommen mag, aber da sind viele Formulierungen, durch die man das Englische fühlt. Und das wäre dann eben genau dieser flockige Stil, den ich so schätze, wie wenn mit jemand an der Supermarktkasse den Wagen ins Kreuz rammt. Ich gehöre auch nicht zu denen, die alles auf die Griechen festnageln und 2400 Jahre alte Duskurse neu führen wollen, zumal ich selbst noch ein schauen und Aristipp von Cyrene sowie die hebräischen Zyniker nennen wollte. Aber wenn ich schon von mir behaupte, Anspruch zu haben - und das quillt laufend aus diesem selbstgefälligen Werk - muss ich ihn anders begründen als durch Stilimitat - man lege den Montaigne daneben - und dem Bruchstückeklauben eines Isidor von Sevilla. Was nun wahrlich nicht die besten Traditionen sind, wenn man es noch ausgerechnet mit der scholastischen Überheblichkeit eines Thomas von Aquin mischt.

Der Blick ist ein Luxus, den ich mir leiste: Eine Zweitwohnung im gleichen Haus. Als Kinder durften wir da nie hoch, deshalb mag ich den Blick jetzt auch nicht mehr vermieten.

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Bei schneller Lektüre dieses englischsprachigen Aufsatzes über Taleb fällt mir auf, dass sich da eigentlich nur drei Erkenntnisse rausdestillieren lassen: Erstens, dass der Erfolg der großen Börsen-Gurus auf reinem Zufall beruhen könnte, zweitens, dass man, wenn man gegen das Eintreten eines bestimmten (unwahrscheinlichen) Ereignisses wettet, damit rechnen muss, dass genau dieses eintritt, und drittens, dass man gut mit einer Strategie fährt, bei der man mit hoher Wahrscheinlichkeit kleine Verluste erleidet, kein Totalausfall-Risiko hat und mit kleiner Wahrscheinlichkeit einen hohen Gewinn erzielen kann.

Ersteres finde ich nicht besonders überraschend, zweiteres auch nicht - auch wenn Herr Merckle das vielleicht bisher noch nicht wusste. Das dritte scheint mir simple Börsenpsychologie zu sein, gemixt mit ein bisschen Statistik - ob es klappt, kann ich nicht beurteilen. Allerdings scheint diese Form des Investierens der menschlichen Psyche auch nicht so ganz fremd zu sein, wie er behauptet, denn schließlich nimmt jeder Unternehmensgründer in der "realen Wirtschaft" auch für den Anfang kleine, kalkulierbare Verluste (in Form von Kosten) in Kauf, in der Hoffnung, irgendwann große Gewinne zu machen.

Und wer glaubt, die jetzige Krise sei eines dieser "völlig unvorhersehbaren Ereignisse", die Taleb beschreibt (ob Taleb das selbst behauptet, weiß ich nicht!), der hat ein Bild von der ganzen Angelegenheit, das zumindest ich nicht nachvollziehen kann.

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und ein falsches.

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Natürlich.. die Krise war voraussehbar wie der Zusammenbruch jedes x-beliebigen Pyramidenschemas.

Noch voraussehbarer geht ja gar nicht mehr...

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Fairerweise muss man vielleicht sagen, dass die Erkenntnis, dass auch unwahrscheinliche Dinge eintreten können, nicht nur Herrn Merckle fremd gewesen sein könnte, sondern etlichen anderen Menschen auch. Es war ja auch das Verkaufsprinzip der Lehman-Brothers-Zertifikate: "Ja, theoretisch gibt es ein Emittentenrisiko, aber praktisch wird solch eine Bank doch NIE pleite gehen!" Das hat mich schon lange vor dem Crash irritiert, gerade weil es so gebetsmühlenartig wiederholt wurde - und mir niemand die Frage beantworten konnte, warum Bankanleihen dennoch mit einem Risikoaufschlag gegenüber Staatsanleihen gehandelt werden.

So ist es aber ja eigentlich mit allen Kapitalmarktwetten. Es gibt immer einen Risikoaufschlag, den das Gegenüber nur dann bereit ist zu zahlen, wenn anzunehmen ist, dass es auch ein Risiko gibt. Auch Leerverkäufer hätten schließlich keine Chance, wenn es kein Gegenüber gäbe, das noch an einen Anstieg der Aktie glaubt und deswegen bereit ist, das Papier zu kaufen.

Vermutlich ist dieser frühere Denkfehler der Grund, weshalb Talebs Ausführungen bei so vielen Menschen (gerade Wirtschaftsjournalisten!) offenbar einen Aha-Effekt ausgelöst haben. Aber wie gesagt, die Finanzmarktkrise als Ganzes erklärt das - nach meiner Meinung - keineswegs.

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schon alleine, dass etwas "gebetsmühlenartig wiederholt" wird, ist der beste indikator dafür, dass diejenigen, die es gebetsmühlenartig wiederholen, wissen, dass es nicht stimmt.

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Und wer glaubt, die jetzige Krise sei eines dieser "völlig unvorhersehbaren Ereignisse", die Taleb beschreibt (ob Taleb das selbst behauptet, weiß ich nicht!), der hat ein Bild von der ganzen Angelegenheit, das zumindest ich nicht nachvollziehen kann.

Es sei die vorhersehbarste Krise, wurde vor ein paar Wochen im Presseclub im Ersten gesagt.

Dass die Amerikaner auf Pump leben, das hat man jahrelang gehört und dass das mal schlimm enden wird, auch. Nur vorstellen konnte es sich anscheinend keiner.

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Ich hab den gutsten Taleb komplett gelesen und fand ihn zwar überbewertet aber ganz ordentlich.
Was ich nicht kapiert habe - leider gar nicht so wenig - habe ich überlesen und ein paar Gschichtln - ich sage nur Las Vegas Riskomanagement - fand ich sehr kurzweilig !

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Lieber DonAlphonso,

(Die deutschen Übersetzungen aktueller Sachbücher sind fast ausnahmslos eine Katastrophe. Danach kann man und sollte man eigentlich keinen Autor beurteilen)

Taleb ist sicher anstrengend. Und zum Teil auch nervig. Und der Stil ist auch nicht nach meinem Geschmack.

ABER er macht viele gute und richtige Punkte, die im Zusammenhang nämlich gerade nicht überall schon so stehen. Klar gefällt er sich in seiner Rolle und übertreibt es etwas (scheint vielen älteren Männern leider so zu gehen).

Es ist vielleicht ganz hilfreich, auch sein erstes Buch "Fooled by Randomness" zu lesen um den "Weg" hin zum schwarzen Schwan besser zu verstehen. Ich denke schon, dass er eine sehr eigene und auch wohlüberlegte Sicht auf die Dinge hat - diese nur nicht immer besonders gut verpackt. Insbesondere auch der "technische" Teil weiter hinten ist absolut anfängertauglich und greift trotzdem viele wichtige Aspekte auf, die leider in den 1000 anderen, überbewerteten sog. "Businessbüchern" alle nicht verstanden werden.

Vielleicht solltest Du dem Herrn noch mal eine zweite Chance geben (Du scheinst ja auch ein schneller Leser zu sein). Manchmal muss man einem Autor auch eher für die "Wirkung" dankbar sein und einige Schächen im Text aktzeptieren. Ich hatte nach dem ersteb Lesen sogar lustigerweise an Dein Blog gedacht und überlegt, ob Dir das Ganze gefallen würde.

Trotz aller Schwächen ist es für mich eines der wichtigsten Bücher des letzten Jahres. Und es ist deutlich VOR dem ganzen Krisengeschwafel herausgekommen. Jetzt sind alle plötzlich kritisch und haben es immer gewusst. Taleb hat das ganze aber 2004 angefangen und geschrieben. Das der deutsche Verlag da jetzt selbst von einem schwarzen Schwan profitiert ist ganz witzig.

My 2 cents.

Max

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"er macht viele gute und richtige Punkte"

(Die deutschen Übersetzungen aktueller Sachbücher sind fast ausnahmslos eine Katastrophe)

Q.E.D.

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lol.

mir fällt nach der zum teil recht bissigen diskussion hier nur noch ein zu sagen: um "ahnung" von "der wirtschaft" zu haben, ist es überhaupt in keinster weise notwendig, volks- oder betriebswirtschaft studiert zu haben. wer das glaubt, hat selbst keine ahnung von diesen beiden sozialwissenschaften. sondern "ahnung von der wirtschaft" ist stets zum allergrößten teil folge empirischer beobachtungen - und zwar selbst IN diesen fachbereichen. als betriebswirtin würde ich sagen, etwa 90% dessen, was die BWL an brauchenswertem lehrt, ließe sich auch bloß mit gesundem menschenverstand, guter beobachtungsgabe oder ausreichender lebenserfahrung ermitteln.

irgendwie haut auch der schwarze schwan voll in diese kerbe. wie es oben schon jemand sagte: "et kütt wie et kütt" ist eine banale erkenntnis, aber vor dem hintergrund der krise trägt der schwan plötzlich des kaisers neue kleider.

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