Irrsinnig komisch

"Madame d´Halières liess ein bezauberndes Lachen hören."
Crebillon der Jüngere, Les faits et gestes du Vicomte de Nantel


Nun, es mag scheinen, als hätte uns das Jahr 2009 zuerst mal ein wenig eingeschneit, was sich am Morgen vom Platz an der Heizung aus ganz hübsch machte. Nicht viel Schnee, aber doch genug, dass sich am Hügel gegenüber die Kinder rutschend ihre Knochen brechen. Wenn schon Winter, dann so.



Ich gehöre ja zu denen, deren gute Erziehung alte Weisheiten wie "gleich abräumen heisst später weniger arbeiten" zu vermitteln wusste, und gemeinhin halte ich mich auch daran; was übrig ist von der grossen Völlerei des Vorabends, ist bereits wieder weggeräumt, und nur wenige Reste künden von den Belustigungen des Vorabends mit drei sich steigernden Gängen, deren letzter etwas zu üppig geraten ist, und schuld sind nur die Österreicher, die Ricotta gegenüber Creme Fraiche billig erscheinen lassen, der Himmel mag wissen, warum.



Ja, es mag dumm sein, den Ricotta eines beliebten Herstellers billiger anzubieten, als die Creme Fraiche des Hausanbieters. Dennoch scheint es dem österreichischen Laden blendend zu gehen, wenn man den mit deutschen Fahrzeugen überfüllten Parkplatz sieht. Anders sieht es in den UdSSA aus, wohin mein Blick in den letzten Tagen seltener streifte - dort gibt es Finanzakrobatik, die man nur als Salto Mortale bezeichnen kann. Da ist etwa der im Besitz des Hedge Fonds Cerberus befindliche Autofinanzierer GMAC, der einen 6 Milliarden schwerden Bailout bekommen hat, gegen 8% Zinsen und Anteile für den Staat. Und was macht GMAC mit all dem schönen Geld? Sie teilen eine 0%-Finanzierung für grosse Opels an Leute aus, die sich als fleischgewordenes Ausfallrisiko ganz sicher keines dieser hässlichen Autos leisten könnten.



Wenn GMAC 4% jährliche Betriebskosten hat, 8% Zinsen zahlt und 0% Zinsen bekommt, und obendrein eine mild geschätzte Ausfallrate mit 5% hat, ist das Bailoutgeld in den 6 Jahren durchgebrannt, die diese tollen neuen Angebote dauern sollen. Es ist vollkommen klar, dass so etwas nicht gut gehen kann und wird - weder für GMAC, noch für einen Autobauer, der mit dem gestrigen Tag offensichtlich so eine Art pleite war. Und weil das alles natürlich nicht so sein darf, stellt das Finanzministerium quasi unbegrenzt Mittel für alles und jeden bereit, der was mit dem Bau dieser Schrottabwerkfahrzeuge zu tun hat. Der Staat als Bank für Firmen, die Banken zu riskant wären. Der Staat als Subprimesammler. Bis er selbst Subprime ist.



Ist es nicht toll? Bevor diese Ikonen der amerikanischen Wirtschaft pleite gehen, geht einfach der Staat pleite. Zugunsten der Private Equity Branche, der Akteinbesitzer, der Banken, und wer immer sonst noch Geld braucht. So macht man nadelabhängige Junkies, so perfektioniert man die Tricks, um den Staat auszunehmen, so ist es leichter, als irgendwas zu bauen, was die Leute auch kaufen wollen. Subprime hat die Krise ausgelöst, Subprime führt sie weiter, und wenn man nur genug Lügner findet, die das alles schön darstellen - hey, FTD, ich hoffe für Euch, dass Ihr endlich mal den Marktliberalismus zu spüren bekommt, den ihr predigt - kommt man schon irgendwie durch, Hauptsache, die Kurse steigen.

Heute ist es GM, die nur noch über den Tag überleben wollen. Demnächst dann der Staat, und seine Währung. Haltet Euch gut fest.

Donnerstag, 1. Januar 2009, 14:47, von donalphons | |comment

 
Zitat des Tages: "The saga of the Schloss, a cultural misadventure from the start, captures Berlin in a nutshell, as a city forever missing the point of itself." [Quelle]

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Ich bin sehr froh, dass der Gehry den Auftrag nicht gekriegt hat. Denn dann würde aus "The Schloss" sowas windschiefes postmodernes werden, wie z.B. der Düsseldorfer Hafen. Retro-neo-klassische Architektur ist wahrscheinlich der beste Schutz gegen den Einzug wummernder Techno-Diskos und Kommerz-Passagen, in denen spießige Yuppie-Paare flanierend ihre mit roten Schirmchen ausgestatteten Kinderwägelchen vor sich her schieben.

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Wenn ich mir "Das Schloss" in Steglitz so ansehe, komme ich zu einem anderen Schluss. gnihihi ;)

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Schreck lass nach! Man hätte dieses alte Rathaus aber nicht als "Das Schloss" bezeichnen sollen sondern als "Der Tempel". Als "Konsumtempel" der es nämlich ist!

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Das mit dem Rathaus Steglitz wusste ich gar nicht. Der Gedenkstein zur Gründung des Wandervogels steht nun vor einer Shopping-Mall. Grausame Welt.

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Zeitgeist. Ausserdem von der Art her absolut nicht neu. Berlin ist voller ähnlicher Versprechungen des Konsums - fehlen nur noch die passenden Konsumenten.

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@strappato. Man könnte den Wandervogel ja auch einfach umbenennen in "Shoppingvogel". Anything goes!

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Ist schon eine ziemliche hart, dass aus der Gründungsstätte des Wandervogels ein Shopping-Paradies geworden ist. Die Wandervogel-Bewegung begründete z.B. das Jugendherbergswerk und die Reformpädagogik mit.

"Shopping" ist das exteme Gegenteil von dem, was der Wandervogel und die Bündische Jugend sich unter der Erfülltheit des Lebens vorstellt.

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