: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Sonntag, 25. Januar 2009

Langsam wird es kritisch

Ja, auch mit dem Platz. Gestern etwa habe ich mal wieder die Frage "Art Deco oder viktorianisch" gestellt, und die Antwort wird mich von einer Last des Besitzes befreien, die - am besten erkläre ich das mit den Worten einer Verkäuferin aus Leeds, die auf meine Einlassung, schon 40 davon zu besitzen, mit "Wow! You must like cleaning!!" antwortete.

Aber das ist nicht das Problem. Das Problem ist meine zunehmende Feigheit, Dinge zu benutzen, die ich mag. Bisher waren es vor allem Familien- und Erbstücke, die ich nicht durch Unachtsamkeit verlieren will. Es bleibt so wenig übrig, man hat kein Recht, es zur Gaudi oder am Tisch mit Leuten, die keine Achtung haben, zu ruinieren. Also steht vieles in einer Vitrine und wird nie, oder nur sehr selten benutzt. Auch, wenn frühere Generationen es auch nicht nutzten; nicht aus Rücksicht, sondern aus Missachtung und Gründen der aufwendigen Reinigung. Aber jetzt gibt es einen Fall von grösserer Verachtung - und noch mehr Vorsicht.



Diese Teller sind ungefähr 200 Jahre alt und stammen laut Stempel aus einem der besten Häuser des Pariser Porzellanhandels, W. Toy in der Rue de la Chaussee d´Antin. Sie imitieren chinesische Motive der famille rose Malerei, die im 18. Jahrhundert aus China importiert wurde. Die Goldbemalung ist auf dem Porzellan und nicht eingebrannt; entsprechend sensibel muss man mit diesen Tellern umgehen. Sprich: Von ihnen essen sollte man heute noch seltener, als barockes Besteck verwenden. Der ideale Aufenthaltsort ist die Vitrine oder als Kunsthandwerksobjekt an der Wand. Nur habe ich gleich sechs Stück davon. Das hängt man nicht mal so eben auf, ein Stück mag hübsch sein, sechs Stücke sind etwas viel.

Verkauft wurden sie für 3 Euro das Stück; ein Preis, der die mangelnde Wertschätzung überdeutlich ausdrückt. Was ich mich in solchen Fällen gleich nach dem Kaufimpuls immer frage: Interessiert das die Besitzer nicht? Schauen sie nicht mal im Internet nach, was es sein könnte, bevor sie es in einem Waschkorb dem Trödler geben? Gibt es da keine Geschichte dazu? Wir befinden uns mit diesen Exemplaren in einem sozialen Umfeld, von dem man glauben sollte, es hätte Spuren hinterlassen, so sehr unterschied sich die Käuferschicht von dem, was damals "normale Menschen" ausmachte. Im Guten, wie im Schlechten. Wer immer beim Essen vor 200 Jahren die Ornamente zerkratzte, war Teil des obersten Promille der Gesellschaft. Gibt es keine Grosstanten mehr, die davon erzählen? Ist es den Menschen egal, woher sie kommen, und was früher war?



Nicht allen, natürlich - etwa denen, die keine Geschichte haben und gerne eine hätten (Achtung FAZ-Link). Ich fühle mich dann immer etwas verloren unter Leuten, die zum fetten Pelz lila Handtaschen, Schuhe und Hosen tragen und kaufen, was in den Weg kommt, und ein wenig dumm, etwas zu besitzen und es nicht verwenden zu können. Manchmal endet die Jagd über dem feuchten Boden in Pfaffenhofen im Triumpf, aber diesmal ist es eher ein gewisses Bedauern und Unwohlsein, über das ich vielleicht noch ein wenig werde nachdenken müssen.

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