: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Sonntag, 18. Januar 2009

Die zweite Stufe

Meinen Aufenthalt im Würzburger Schlossgarten habe ich abrupt beendet. Ich war zwar ohnehin durch und durchgefroren, aber als die Nachricht kam, dass im Haus zwei Leitungen gefroren sind, rannte ich zum Auto und fuhr heim. Mit Tempo 200.



Geplatzte Leitungen sind schon in modernen Häusern unschön, aber ich wohne in einem Baudenkmal, wo schon eine übergelaufene Waschmaschine Folgekosten von 10.000 Euro haben kann. Die Reparatur einer verzogenen Tür aus der Zeit um 1720 würde mehr kosten, als eine neue Tür mit Rahmen und Einbau. Und weil das Haus in manchen Bereichen - wie etwa meine Wohnung - immer noch manche Drähte aus der Zeit besitzt, in der Elektrifizierung der avantgardistischste Schnickschnack war... 200 ist nicht langsam, man sollte sich konzentrieren, aber es geht einem viel durch den Kopf. Ich hatte das alles schon mal, ich muss das nicht nochmal erleben.



Normalerweise führen solche Vorgänge, selbst, wenn sie der Nachlässigkeit der Mieter und nicht der Qualität des Hauses geschuldet sind, im Familienrat zur Diskussion, ob es nicht doch besser wäre, den Stadtpalast mit seinen 50 plus x Räumen und Hinterhaus und Holzlegen und Waschhaus zu verkaufen. Nachdem man mit solchen Objekten Steuern sparen kann, wäre es absolut kein Problem, einen Käufer zu finden, und unter normalen Bedingungen ist das klassische Argument: Wir verkaufen es, und wir haben ausgesorgt. Gerade meine Frau Mama, die ein gespaltenes Verhältnis zum Haus hat, versteht sich darin fast so gut, wie ich in der Empörung, für so etwas banales wie Geld 160 Jahre Familientradition zu verkaufen. Geld hat jeder Depp, aber wer hat schon einen Stammsitz? Als diesmal jedoch die Gefahr gebannt war, dachte niemand daran, sich der Sorgen mit einem Verkauf zu entledigen. Vielmehr sprachen wir über ein anderes Haus.



Ein Haus, das die Tochter von Bekannten bewohnt. Ein kleines Haus, das meine Eltern kauften, um dem Wohnfluch im Stadtpalast zu entgehen, den alle Generationen davor klaglos hingenommen hatten, und den ich so schätzte, dass ich mit fünf zarten Jahren plärrte und schrie, als ich aus dem Geburtshaus - und hoffentlich dereinst auch meinem Sterbehaus - ausziehen musste. Die erste Immobilie in einer Vorstadt reichte bald nicht mehr, und so bauten sie ein anderes, und vermieteten das kleine Haus. Dessen Mieter nun würden es gerne kaufen, das Geld wäre da, der Preis hätte sich in den letzten 35 Jahren auch angenehm vervierfacht. Es wäre weniger Arbeit für mich, und genug, um -



um was? Dann hat man Geld. Genau zu dem Zeitpunkt, da die grosse Bankenkrise in ihre zweite Stufe tritt. Bisher hatten wir, um eine Flugzeuganalogie zu bemühen, das Versagen der Triebwerke und das Platzen der Brennkammern. Was jetzt kommt, ist der Einschlag der glühenden Trümmer in die Tanks. Das Problem ist nicht mehr Subprime oder Autokredite oder amerikanische Studenten, sondern Bereiche, die lange Zeit als gesund galten. Ich sage hier schon länger, dass Gewerbeimmobilien das neue Subprime sind. Wenn die Banken bisher Risikopositionen abgeschrieben haben und den Rest für gesund erklärten, stehen sie jetzt vor neuen Herausforderungen. Bei einer Rezession von drei, vier Jahren sind die allgemeinen Bewertungen einfach nicht mehr zu halten. Bei 2% Wirtschaftsschrumpfung und Deflation vieler Assets muss man über alle, wirklich alle Bereiche weiter abschreiben, abschreiben, abschreiben. Nicht so viel, wie im Bereich Derivate, aber beim niedrigen Eigenkapital vieler Banken reichen schon 2, 3% über die gesamten Assets, um die Dinger explodieren zu lassen. Natürlich kann die Politik Geld nachpumpen. Aber kein Mensch käme auf die Idee, in den explodierenden Tank eines Flugzeugs Kerosin zu pumpen in der Hoffnung, dass es das Feuer rausdrückt und sogar die Triebwerke wieder anspringen. Und für meine kleine Welt würde die Zufuhr von Kerosin durch einen Hausverkauf nur bedeuten, dass ich es so schnell wie möglich wieder los werden müsste.

Es gibt zu viele Banken, als dass man sie retten könnte. Es gibt zu viele Schulden, als dass man sie bezahlen könnte. Es gibt zu viele künstliche Werte, aber nur das, was stofflich auf der Welt vorhanden ist. Es ist ein Missverhältnis, das zuungunsten der künstlichen Werte ausgehen wird und muss. Ich bin sehr froh, dass der deutsche Finanzminister Steinbrück heisst, der bislang einen bemerkenswert guten Job gemacht hat. Trotzdem ist es nicht die Zeit, in der man auf Kerosinkanistern sitzen möchte. Brandschutzräume, das sind die besten Asset unserer Tage.

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