Langsam wird es kritisch
Ja, auch mit dem Platz. Gestern etwa habe ich mal wieder die Frage "Art Deco oder viktorianisch" gestellt, und die Antwort wird mich von einer Last des Besitzes befreien, die - am besten erkläre ich das mit den Worten einer Verkäuferin aus Leeds, die auf meine Einlassung, schon 40 davon zu besitzen, mit "Wow! You must like cleaning!!" antwortete.
Aber das ist nicht das Problem. Das Problem ist meine zunehmende Feigheit, Dinge zu benutzen, die ich mag. Bisher waren es vor allem Familien- und Erbstücke, die ich nicht durch Unachtsamkeit verlieren will. Es bleibt so wenig übrig, man hat kein Recht, es zur Gaudi oder am Tisch mit Leuten, die keine Achtung haben, zu ruinieren. Also steht vieles in einer Vitrine und wird nie, oder nur sehr selten benutzt. Auch, wenn frühere Generationen es auch nicht nutzten; nicht aus Rücksicht, sondern aus Missachtung und Gründen der aufwendigen Reinigung. Aber jetzt gibt es einen Fall von grösserer Verachtung - und noch mehr Vorsicht.
Diese Teller sind ungefähr 200 Jahre alt und stammen laut Stempel aus einem der besten Häuser des Pariser Porzellanhandels, W. Toy in der Rue de la Chaussee d´Antin. Sie imitieren chinesische Motive der famille rose Malerei, die im 18. Jahrhundert aus China importiert wurde. Die Goldbemalung ist auf dem Porzellan und nicht eingebrannt; entsprechend sensibel muss man mit diesen Tellern umgehen. Sprich: Von ihnen essen sollte man heute noch seltener, als barockes Besteck verwenden. Der ideale Aufenthaltsort ist die Vitrine oder als Kunsthandwerksobjekt an der Wand. Nur habe ich gleich sechs Stück davon. Das hängt man nicht mal so eben auf, ein Stück mag hübsch sein, sechs Stücke sind etwas viel.
Verkauft wurden sie für 3 Euro das Stück; ein Preis, der die mangelnde Wertschätzung überdeutlich ausdrückt. Was ich mich in solchen Fällen gleich nach dem Kaufimpuls immer frage: Interessiert das die Besitzer nicht? Schauen sie nicht mal im Internet nach, was es sein könnte, bevor sie es in einem Waschkorb dem Trödler geben? Gibt es da keine Geschichte dazu? Wir befinden uns mit diesen Exemplaren in einem sozialen Umfeld, von dem man glauben sollte, es hätte Spuren hinterlassen, so sehr unterschied sich die Käuferschicht von dem, was damals "normale Menschen" ausmachte. Im Guten, wie im Schlechten. Wer immer beim Essen vor 200 Jahren die Ornamente zerkratzte, war Teil des obersten Promille der Gesellschaft. Gibt es keine Grosstanten mehr, die davon erzählen? Ist es den Menschen egal, woher sie kommen, und was früher war?
Nicht allen, natürlich - etwa denen, die keine Geschichte haben und gerne eine hätten (Achtung FAZ-Link). Ich fühle mich dann immer etwas verloren unter Leuten, die zum fetten Pelz lila Handtaschen, Schuhe und Hosen tragen und kaufen, was in den Weg kommt, und ein wenig dumm, etwas zu besitzen und es nicht verwenden zu können. Manchmal endet die Jagd über dem feuchten Boden in Pfaffenhofen im Triumpf, aber diesmal ist es eher ein gewisses Bedauern und Unwohlsein, über das ich vielleicht noch ein wenig werde nachdenken müssen.
Aber das ist nicht das Problem. Das Problem ist meine zunehmende Feigheit, Dinge zu benutzen, die ich mag. Bisher waren es vor allem Familien- und Erbstücke, die ich nicht durch Unachtsamkeit verlieren will. Es bleibt so wenig übrig, man hat kein Recht, es zur Gaudi oder am Tisch mit Leuten, die keine Achtung haben, zu ruinieren. Also steht vieles in einer Vitrine und wird nie, oder nur sehr selten benutzt. Auch, wenn frühere Generationen es auch nicht nutzten; nicht aus Rücksicht, sondern aus Missachtung und Gründen der aufwendigen Reinigung. Aber jetzt gibt es einen Fall von grösserer Verachtung - und noch mehr Vorsicht.
Diese Teller sind ungefähr 200 Jahre alt und stammen laut Stempel aus einem der besten Häuser des Pariser Porzellanhandels, W. Toy in der Rue de la Chaussee d´Antin. Sie imitieren chinesische Motive der famille rose Malerei, die im 18. Jahrhundert aus China importiert wurde. Die Goldbemalung ist auf dem Porzellan und nicht eingebrannt; entsprechend sensibel muss man mit diesen Tellern umgehen. Sprich: Von ihnen essen sollte man heute noch seltener, als barockes Besteck verwenden. Der ideale Aufenthaltsort ist die Vitrine oder als Kunsthandwerksobjekt an der Wand. Nur habe ich gleich sechs Stück davon. Das hängt man nicht mal so eben auf, ein Stück mag hübsch sein, sechs Stücke sind etwas viel.
Verkauft wurden sie für 3 Euro das Stück; ein Preis, der die mangelnde Wertschätzung überdeutlich ausdrückt. Was ich mich in solchen Fällen gleich nach dem Kaufimpuls immer frage: Interessiert das die Besitzer nicht? Schauen sie nicht mal im Internet nach, was es sein könnte, bevor sie es in einem Waschkorb dem Trödler geben? Gibt es da keine Geschichte dazu? Wir befinden uns mit diesen Exemplaren in einem sozialen Umfeld, von dem man glauben sollte, es hätte Spuren hinterlassen, so sehr unterschied sich die Käuferschicht von dem, was damals "normale Menschen" ausmachte. Im Guten, wie im Schlechten. Wer immer beim Essen vor 200 Jahren die Ornamente zerkratzte, war Teil des obersten Promille der Gesellschaft. Gibt es keine Grosstanten mehr, die davon erzählen? Ist es den Menschen egal, woher sie kommen, und was früher war?
Nicht allen, natürlich - etwa denen, die keine Geschichte haben und gerne eine hätten (Achtung FAZ-Link). Ich fühle mich dann immer etwas verloren unter Leuten, die zum fetten Pelz lila Handtaschen, Schuhe und Hosen tragen und kaufen, was in den Weg kommt, und ein wenig dumm, etwas zu besitzen und es nicht verwenden zu können. Manchmal endet die Jagd über dem feuchten Boden in Pfaffenhofen im Triumpf, aber diesmal ist es eher ein gewisses Bedauern und Unwohlsein, über das ich vielleicht noch ein wenig werde nachdenken müssen.
donalphons, 12:15h
Sonntag, 25. Januar 2009, 12:15, von donalphons |
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loreley,
Montag, 26. Januar 2009, 16:09
Ich frage mich bei alten Sachen auch immer, was sie wohl erzählen könnten. Ja, schon seltsam, dass die Teller nicht erkannt wurden.
Bei meinem Neffen beispielsweise, könnte ich mir vorstellen, dass ihm das egal ist, von wem jetzt die Möbel, das Geschirr und noch so ein paar andere Sachen sind. Er hat die Urgrosstanten bei denen das stand, nicht mehr gekannt und ich glaube, deshalb wird er auch keine Beziehung dazu entwickeln. Vielleicht sollte ich ihm mal was von ihnen erzählen, wenn ich ihn von seinem Computer wegbekomme. Aber vielleicht lasse ich den Versuch lieber. Meine Schwester ist eh schon von mir genervt, wenn sie sieht, wie ich die Stirn darüber runzle. Schliesslich zweifle ich damit ihre Erziehungsmethoden an. Und vielleicht denke ich gerade auch nur so pessimistisch, weil mir der Winter heuer besonders auf den Geist geht.
Bei meinem Neffen beispielsweise, könnte ich mir vorstellen, dass ihm das egal ist, von wem jetzt die Möbel, das Geschirr und noch so ein paar andere Sachen sind. Er hat die Urgrosstanten bei denen das stand, nicht mehr gekannt und ich glaube, deshalb wird er auch keine Beziehung dazu entwickeln. Vielleicht sollte ich ihm mal was von ihnen erzählen, wenn ich ihn von seinem Computer wegbekomme. Aber vielleicht lasse ich den Versuch lieber. Meine Schwester ist eh schon von mir genervt, wenn sie sieht, wie ich die Stirn darüber runzle. Schliesslich zweifle ich damit ihre Erziehungsmethoden an. Und vielleicht denke ich gerade auch nur so pessimistisch, weil mir der Winter heuer besonders auf den Geist geht.
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exurbia,
Montag, 26. Januar 2009, 16:29
Im Grunde gibt gerade der Pessimismus zu Optimismus Anlaß. Es kommt nämlich vor, daß der Abstand in der Entfernung reflexiv wird und ein zölibatärer Bildschirmbetrachter auf einmal an Gobelins oder Kirchenfenstern etwas entdeckt, was bislang niemand gesehen hat. 200 Jahre gelten als Zeitmaß der europäischen Renaissancen. Insofern hätte das Farbenspiel des Tellers auch der (heut früh schon bewunderten) Dame in Pink auffallen können.
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donalphons,
Montag, 26. Januar 2009, 22:08
Loreley, also, im Fall des Falles: So viel Platz, um es vor Neffen zu retten und die Gechichte aufzuschreiben, hätte ich dann auch noch. Wobei Neffen sich vielleicht auch irgendwann ändern.
Man muss schon ein bisschen tiefer in der Materie drin sein, um frühes Porzellan zu erkennen und von schlechtem, neuem Porzellan unterscheiden zu können. Aber der Stempel machte es offensichtlich. Aber wer kennt heute schon die Entwicklung von Porzellanstempeln? Ausserdem ist famille rose ohnehin nur was für Kenner, die nach Meissen weiterdenken.
Man muss schon ein bisschen tiefer in der Materie drin sein, um frühes Porzellan zu erkennen und von schlechtem, neuem Porzellan unterscheiden zu können. Aber der Stempel machte es offensichtlich. Aber wer kennt heute schon die Entwicklung von Porzellanstempeln? Ausserdem ist famille rose ohnehin nur was für Kenner, die nach Meissen weiterdenken.
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zonebattler,
Montag, 26. Januar 2009, 16:30
Überall das Gleiche...
...und auf den hiesigen Flohmärkten kein bißchen anders: Mit den verstorbenen Alten wird die Familiengeschichte schnellstmöglich entsorgt, der Entrümpler soll Haus oder Wohnung binnen Wochenfrist bitte besenrein hinterlassen. Hauptsache, das Zeugs ist weg, samt Fotoalben (!) und anderem sentimental-persönlichem Geraffel. Dabei wäre es heutzutage so einfach, sich zumindest bei Gegenständen mit wertiger Anmutung übers Internet zu informieren (und dabei womöglich noch was dazuzulernen). Interessiert aber keinen (oder es hat kaum noch einer ein Gespür für wertige Anmutung jenseits schreiender Marken-Label)! Im Grunde muß man als Kundiger froh sein, wenn unentdeckte Pretiosen es überhaupt bis zum Flohmarkt oder Wertstoffhof schaffen. Gefragt sind heutzutage offenbar nur Billig-Parfum und billiger Elektronik-Schrott... Traurig stimmen mich immer wieder die empfindlicheren Sachen wie Bücher, Alben und Möbel, die da bei jedem Wetter lieblos hingekarrt und "präsentiert" werden und die bei Morgenfeuchte oder gar Regen im Nu dahin sind, nach mehreren Jahrzehnten des sorgfältigen Gehütetwerdens. Das zu überleben, mehrfach gar, hat Porzellan immerhin die besseren Chancen...
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auch-einer,
Montag, 26. Januar 2009, 19:01
ernsthaft, erben wissen mit allem, wo nicht der preis in euro und cent angegeben ist, wenig anzufangen.
man bedenke auch, dass der zeitfaktor eine rolle spielt, eine wohnung muss geräumt werden, der transport und das einlagern käme teurer als das verschenken oder, ja, dem diebstahl zuzusehen.
einzige abhilfe: testamentarische verfügung. aber wer macht da, schon zu lebzeiten ein inventar aufzunehmen und entsprechend zu verfügen.
für sammlungen: schon an stiften gedacht?
man bedenke auch, dass der zeitfaktor eine rolle spielt, eine wohnung muss geräumt werden, der transport und das einlagern käme teurer als das verschenken oder, ja, dem diebstahl zuzusehen.
einzige abhilfe: testamentarische verfügung. aber wer macht da, schon zu lebzeiten ein inventar aufzunehmen und entsprechend zu verfügen.
für sammlungen: schon an stiften gedacht?
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che2001,
Montag, 26. Januar 2009, 19:14
Womit die was anzufangen wissen oder nicht ist eine Frage der Kinderstube, der Bildung (sowohl der formalen als auch der Herzensbildung), der persönlichen sozialen Situation und des Geschmacks. Bei uns in der Familie sind die Claims heute schon einigermaßen verteilt, mit und ohne Testament.
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donalphons,
Montag, 26. Januar 2009, 19:24
Blogger am Rande des Nervenzusammenbruchs
Kann mal jemand auf den Link zu FAZ.net klicken und schauen, ob es bei ihm auch nicht geht und [edit] Fehlermeldung kommt?
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ahlendorfer,
Montag, 26. Januar 2009, 19:29
nein don , geht auch bei mir nicht. Fehlermeldung kommt
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first_dr.dean,
Montag, 26. Januar 2009, 19:51
Die Wanne ist voll!
(...das Blog-System der FAZ ist scheinbar zusammengebrochen bzw. hat irreparablen Wasserschaden erlitten)
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donalphons,
Montag, 26. Januar 2009, 21:40
Jetzt geht es wieder, glücklicherweise. Ein Bad kann helfen.
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