Menschen mit Waffen

(nein, ich meine nicht das hier, ausserdem habe ich Zweifel, ob man ein Umerziehungslager mit faulen Säcken überhaupt betriebswirtschaftlich betreiben könnte, und damit nicht wieder gegen die Chinesen verlöre.)

Ich dachte zu Beginn der Kreditkrise, dass wir ein Tal der Tränen durchschreiten würden, das viele in Mitleidenschaft zieht und uns alle sauber reinlegt. Irgendjemand würde die Rechnung zahlen müssen, und es war absehbar, dasss man die Kriminellen in den Banken nicht einsperren würde, selbst, wenn es dazu jede Handhabe gäbe. Ich denke, es wäre wirklich sinnvoll gewesen, zumindest scharf zu prüfen, ob man nicht die Hauptschuldigen vor Gericht hätte bringen können. Ich war mir aber auch sicher, dass es so etwas wie Revolutionen oder Umstürze im näheren Bereich nicht geben würde. Mitteleuropa und die USA erschienen mir zu gefestigt, zu fett, zu faul, zu verblödet, u sehr gewohnt an solche Dinge, und morgen gibt es neue Skandale.



Seit heute bin ich mir da nicht mehr so sicher. Wegen dieser Geschichte: Barclay´s, die notleidende britische Grossbank, brauchte nicht nur Abermilliarden vom Staat. Sie hatte in einer reichlich exotischen Abteilung auch 110 hochbezahlte Mitarbeiter sitzen, deren Sinn und Zweck es war, Gewinne zu verstecken und, grob gesagt, Steuern zu vermeiden. Sprich, die Bank entzog über Tricks und Töchter im Ausland dem Staat, von dem sie gerettet werden wollen, Milliarden. Und sorgte dafür, dass der Guardian die entsprechenden Dokumente, die ein Mitarbeiter an die Öffentlichkeit gab, wieder von der Website nahm.

Man ist ja einiges gewohnt, aber das Mindeste, was jetzt kommen sollte, wäre ein Bank Run. Die angemessene Antwort wäre kaum mehr im Rahmen allgemeingültiger Gesetze zu verorten. Selbst mit hinreichend reaktionärer Grundhaltung stellt sich die Frage, was das anderes als eine kriminelle Vereinigung ist, und ob es nicht das Recht des Volkes ist, wenn die Staatsmacht das nicht kann, sich dagegen zur Wehr zu setzen. Man kann sich so etwas nicht mit gutem Gewissen gefallen lassen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man dauerhaft solche Gaunerstücke, die zudem mit der Unterdrückung der Presse verbunden sind, einfach so erträgt. Da sind Strukturen, die nicht überleben dürfen. Egal ob die Boni für AIG-Mitarbeiter, Luxusmeetings geretteter Banken, oder die Schurkenstücke aus London. Verbieten, juristisch aufarbeiten, einknasten. Oder damit leben, dass irgendwann Menschen mit Waffen in den Strassen stehen. Nicht die eh nichs begreifenden Gamer, sondern diejenigen, die wissen, was es mit den Gewehren der Frau Carrar auf sich hatte. Es gibt einfach Grenzen, und die hat Barclay´s heute Nacht überschritten.

Dienstag, 17. März 2009, 15:55, von donalphons | |comment

 
Boerclaysbank
Für schmutzige Geschäfte waren die schon immer gut - man denke an ihr Engagement in Südafrika zur Zeit der Apartheid oder an die Kredite für Mugabe.

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Was einmal draussen ist, ist draussen
neue Regel im Internetzeitalter:

http://www.wikileaks.com/wiki/The_Guardian:_Censored_Barclays_tax_avoidance_leaked_memos%2C_16_Mar_2009

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Was mich an der gesamten Finanzkrisen Debatte erstaunt, ist die immer wieder zum Ausdruck kommende latente Erwartungshaltung, es gebe so etwas wie kollektive Verantwortung oder korporative Moral in grossen Unternehmen. Das halte ich fuer eine Fehlannahme. Nur Individuen haben Moral, Unternehmen nicht. Ein verantwortungsvoller Geschaeftsfuehrer kann bis zu einer bestimmten Groesse durch persoenlichen Einfluss das Geschaeftsverhalten steuern, aber eben nur bis zu einer gegebenen Grenze - danach entwickeln Unternehmen eine Masse und Fliehkraft, die nicht mehr beherrschbar ist. Im Geflecht der Hierarchie wird die Verantwortung des Einzelnen immer weiter nach oben delegiert, am Ende der Kette steht der Aktionaer. Und das sind wir - fast - alle. Selbst die grossen institutionellen Investoren verwalten im Zweifel meine Rentenansprueche - es mangelt mir nur leider an Einfluss auf deren Investitionsstrategie. Keine Frage, nebenbei maximieren die Verwalter auch ihren eigenen Nutzen, aber von den kritisierten Strategien zur Steuervermeidung profitieren alle Aktionaere - und in letzter Konsequenz mancher bescheidene Arbeitnehmer, dessen Rentenansprueche oder Versicherungseinlagen in Aktien investiert sind. Was ich sagen will: wir sind alle Schuld, ein kleines bisschen, an einem System organisierter Verantwortungslosigkeit, und die Schuld allein den gierigen Bankern zuzuweisen, ist verlogen und unehrlich - auf verschlungenen Wegen haengt jeder drin, der Aktien besitzt oder seinem Investmentberater bei der Sparkasse irgendwann signalisiert hat, weniger als zehn Prozent Rendite im Depot sei doch eine bescheidene Leistung.
Und von den Briten, die sich seit Jahren per CCTV ueberwachen lassen, wuerde ich nun wirklich als letztes eine Aufschrei des Protests erwarten, die sind der buergerlichen Freiheiten ja schon laenger entwoehnt.

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Ganz ohne Frage stellt man sich die Frage in wie weit ist man "mitschuldig". Ich fühle mich letztlich nur verarscht. Denn wo wollen wir die Grenze kollektiver Mitschuld ziehen? "Iss auf mein Kind, in der dritten Welt verhungern die Kinder." Klar profitieren wir alle von irgendwelchen Systemen, aber die Frage ist doch an welcher Stelle wir dabei stehen? Doch nur als Mittel zum Zweck der Bereicherung anderer. Wogegen ja prinzipiell nichts ein zuwenden wäre, ist ja normale Dienstleistung. Nur haben sich die Proportionen deutlich verschoben. Wir haben doch letztlich nur die Aufgabe die Produkte die sich jemand ausgedacht hat zu kaufen, natürlich müssten wir nicht (die Engländer haben da eine nette Wendung: "you should" oder "you ought to"). Ums mal platt zu sagen: wenn der Staat auf einmal mitteilt er kann die Renten nicht mehr sichern spielt er doch solchen Figuren in die Hände. Der Otto-Normal-Bürger steigt doch noch nicht mal bei seiner Krankenversicherung durch. Wie kann man dann erwarten, dass er mit Aktien jongliert um seine Altersvorsorge unter Dach und Fach zu bringen? Dafür gibt es eben Fachleute und so genannte "Fachleute". So wie für die Steuererklärung, für den Rechtsstreit und und und... Bereiche die nur deshalb so aus dem Verständnisruder laufen weil die Anpassung an komplizierte Sachverhalte immer umfangreicher wird, will sagen: mit der Differenzierung der Gesetze werden die Schlupflöcher nur größer. Weil eben keine Sau mehr durchsteigt. Solange es keine Instanzen gibt die diesen Schweinepriestern auf die Finger schaut und haut wird es solche Systeme immer wieder geben.
Der Don hat nur recht wenn er sagt, dass Barclay´s eine Grenze überschritten hat. Aber wen juckts? Die klopfen sich noch gegenseitig auf die Schultern, ohne dass ihnen jemand den Kopf von denselben schlägt. Und dei Grenzen haben andere schon längst überschritten. Barclay´s vielleicht ethisch am weitesten.

An diese Stelle noch mal ein Dankeschön an den Don für seinen Blog. Immer wieder gut.

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ein ganz normales multinationales Unternehmen
"110 hochbezahlte Mitarbeiter sitzen, deren Sinn und Zweck es war, Gewinne zu verstecken und, grob gesagt, Steuern zu vermeiden"

Was ist daran "wunderlich" ??
Ich schätze, Firmen wie IBM, Intel, HP, Dell, Siemens, VW und sehr viele Andere, beschäftigen jeweils mehr als nur 110 Personen mit dieser Aufgabe.
In den 90ern soll doch z.B. der größte Teils des VW-Gewinns zufällig im Werk Brüssel angefallen sein (hier hat sich der Staat als Anteilseigner sogar selbst besch....)
und US-Firmen wickeln alle ihre Europa-Geschäfte seit Anfang der 90er über Irland ab Auch wenn ein Produkt in Deutschland hergestellt und in Deutschland bestellt wird, macht es einen kleinen Umweg über Irland um den Gewinn dort abzuladen ....

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Don ist naiv
Sorry, aber das muss jetzt mal sein: Die "Structured tax" Abteilungen sind ganz "normale" Abteilungen, die jede Investmentbank hat. Die machen seit Jahren (Jahrzehnten) damit Geschäfte, dass sie für Ihre Kunden (große Corporates) nach Steuerlöchern sucht und diese ausnutzt. Beispiele von früher: Doppelbesteuerungsabkommen Italien-Brasilien oder auch Repatriierung von Gewinnen aus Kanada.

Der "Gewinn" (= Steuerersparnis) wird zwischen Kunden und Bank aufgeteilt. Es überrascht nicht wirklich, dass Barclays das jetzt auch macht, um die eigene Steuerquote zu senken - 25% after tax return schafft man nur, indem wann das Risiko hochzieht und die Steuern senkt.

Die Wikileaks-Artikel sind ziemlich interessant und in dieser Art sehr selten public - und wahrscheinlich wird man nach längerer Untersuchung feststellen, dass alles "legal" war ...

Das soll jetzt wirklich kein bashing sein - ich lese dein Blog sehr gerne, aber darüber überrascht zu sein, ist (bei deinem sonstigen Realismus) doch ziemlich naiv.

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eiwassdenn, nää, die beese ennglännä alls.

die landesbanken dieser republik hatte und haben filialen in luxemburg und in der schweiz. na, zu was wohl und für wen denn wohl.

und da gibt es noch welche, die glauben, verstaatlichen würde helfen. klar wird es helfen, aber nicht dem, der dafür am ende zahlt.

einknasten?
da müssten erstmal die für diese staatsbürger mit resozialisierungsbedürfnissen angemessene vollzugsgebäude erbaut werden, wir wollen landes- unbd andere bänker nicht mit ein paar rauschgiftsüchtigen und aids-kranken (hier darf sich jeder nationalität und kriminalität denken, es lebe die politische korrektness) in eine zelle sperren, nicht dass am ende noch da vollzugsziel bei der letzeren kundschaft gefährdet ist.

eigentlich wäre das ja des stoff für eine nette komödie, eine gäng einsitzender altbänker erklärt dem direktor, sie hätten jetzt (der vollzug wurde im rahmen der krise privatisiert) eben mal die mehrheit an seinem arbeitgeber erworben, die anstalt gehöre also ihnen, er dürfe aber bleiben, wenn er in zukunft...

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Nun, es macht den Eindruck, als hätte da die SCM-Abteilung wirklich gesaubeutelt und nicht nur etwas geschmutzt. Über 20 Milliarden runmschieben und Tarnfirmen gründen ist etwas, das steuerrechtlich hziemlich böse enden kann. Man wird sehen; die Stimmung auf der Insel klingt reichlich, hm, angespannt.

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"das steuerrechtlich hziemlich böse enden kann."

ist man erst mal insolvent, lebt sich völlig ungeniert.

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Wunderschön geschrieben und 100%ACK!

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und wall street watch dokumentiert ...
... die lobbyarbeit der finanzwelt in den usa der letzten 10 jahre. "3000 Lobbyists Dictated Washington Policy - Americans were betrayed, and we are paying a high price -- trillions of dollars -- for that betrayal."

http://wallstreetwatch.org/soldoutreport.htm

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uh oh
Ich arbeite in UK und bin Barclays-Kunde. Die Filial-Mitarbeiter sind alle furchtbar nett und hilfreich, haben Familien und Traeume. Das macht mir die Entscheidung zu wechseln schwer, aber das geht mal garnicht.

Habe schon Ewigkeiten darauf gewartet, dass bei Barclays irgendwas hochgeht, aber mit sowas habe ich nicht gerechnet. Vor allem weil sie mir letzte Woche noch ein Flyer ueber "ethical banking" geschickt haben ...

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Das geht gar nicht.
Konkret guter Beitrag.

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auf jeden...

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he?
"...die zudem mit der Unterdrückung der Presse verbunden sind". Welche Unterdrückung? ;)

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äh, mit allem schuldigen respekt - das wundert mich jetzt aber auch, dass dich das wundert.

ist aber egal. ich bin genauso naiv. und im gegensatz zu dir hoffe ich sogar jetzt noch darauf, dass der eine oder andere - man denke an steinbrück und die HRE-5-jahres-frist geschichte - einfährt.

http://kritik-und-kunst.blog.de/2009/03/17/don-genauso-naiv-5778602/

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Ist mir noch nicht aufgefallen, dass beim Guardian die zensierten Kommentare als gelöscht weiter angezeigt werden. Sind viele dabei...

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Bank run?
cheffe, isse abgesagt: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,613750,00.html - zumindest für Leute, die nur den Anfang der Gossenpresseartikel lesen (so in der Art "executive summary"). Was ja vermutlich genau die falschen tun.

Könnten wir derweil nicht dazu übergehen, die nächsten Ansagen mit voraussichtlichem Datum und womöglich Uhrzeit des Eintritts zu versehen?

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Kein Ende des Wunderns
"äh, mit allem schuldigen respekt - das wundert mich jetzt aber auch, dass dich das wundert."...
"hoffe..., dass der eine oder andere ... einfährt."

Wie schön ist doch dieses zähe Hoffen nach solch reichlichem Wundern!

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Wir erleben gerade eine Fortsetzung der Citi-CEO-Briefe in der Hoffnung, dass es jeder fressen möge. Man wird sehen, wann die ersten Kasse machen, und wir uns mit normalen KGVs auseinandersetzen können.

Und ich finde, man sollte die Hoffnung nie aufgeben.

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Die Gewehre der Frau Carrar...
...kann man sicher immer mit Gewinn lesen; ich hätte ja eher 'was "Sezuanigeres" erwartet - immerhin schließt sich der Vorhang IMHO ziemlich bald :o)

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http://kritik-und-kunst.blog.de/2009/03/18/bitte-mehrheit-unserer-bevoelkerung-5784631/

ich bitte um Weiterverbreitung. Gerade an die, die "uns" bis jetzt vielleicht nicht so nahe stehen.

Danke

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