Real Life 21.8.04 - Paradies mit beschränkter Haftung
Der Nachbar meiner Eltern hat für seine Tochter in Berlin eine Wohnung gekauft, und ist dort manchmal zu Besuch. Letzte Woche kam er wieder zurück, sichtlich genervt von all dem Dreck und den Belästigungen, und meinte, man würde bei ihnen im Paradies leben.
Da wusste er noch nicht, dass im gesamten Viertel nach den Hochwassern der letzten Jahre jetzt das Grundwasser zugeschlagen hat. Nebenan kann man nur noch mit Gasmasken ins Haus, weil der gesamte Keller verschimmelt ist. Bei meinen Eltern halten sich die Schäden noch in engen Grenzen. Aber es macht einen seltsamen Eindruck, in diesem perfekten Stadtviertel mit all seinen gepflegten Autos, grossen Gärten und repräsentativen Häusern Menschen mit Gasmasken zu sehen.
Möglicherweise wird das Haus abgerissen, und das schmiedeiserne Tor mit dem Rautenwappen und den Löwen wird dann auch verschwinden. Was in den späten 70ern als Ansiedlung junger, erfolgreicher Familien begann, ist inzwischen eine Rentnerkolonie, und jetzt, da die Keller morsch und schimmlig werden, ahnen sie, dass diese ihre Welt im Verschwinden begriffen ist. Ich glaube, sie haben vielleicht zum ersten Mal Angst, in einem Dasein, in dem Hartz IV oder Praxisgebühr nicht wahrgenommen werden. Sie befürchten nicht den Abstieg, dazu sind sie zu wohlhabend, aber das Ende ihres Wertesystems, in dem das eigene Haus einen zentralen Stellenwert einnahm.
Und was sie von ihren Kindern hören, ist auch nicht dazu angetan zu glauben, dass ihre Welt noch in Ordnung ist. Es ist vielleicht ganz gut, dass mein Vater nicht mit dem Internet umgehen kann. So bekommen sie die Lektionen hier aus dem Slum Berlin a.d. Spree nur stark gefiltert ab.
Da wusste er noch nicht, dass im gesamten Viertel nach den Hochwassern der letzten Jahre jetzt das Grundwasser zugeschlagen hat. Nebenan kann man nur noch mit Gasmasken ins Haus, weil der gesamte Keller verschimmelt ist. Bei meinen Eltern halten sich die Schäden noch in engen Grenzen. Aber es macht einen seltsamen Eindruck, in diesem perfekten Stadtviertel mit all seinen gepflegten Autos, grossen Gärten und repräsentativen Häusern Menschen mit Gasmasken zu sehen.
Möglicherweise wird das Haus abgerissen, und das schmiedeiserne Tor mit dem Rautenwappen und den Löwen wird dann auch verschwinden. Was in den späten 70ern als Ansiedlung junger, erfolgreicher Familien begann, ist inzwischen eine Rentnerkolonie, und jetzt, da die Keller morsch und schimmlig werden, ahnen sie, dass diese ihre Welt im Verschwinden begriffen ist. Ich glaube, sie haben vielleicht zum ersten Mal Angst, in einem Dasein, in dem Hartz IV oder Praxisgebühr nicht wahrgenommen werden. Sie befürchten nicht den Abstieg, dazu sind sie zu wohlhabend, aber das Ende ihres Wertesystems, in dem das eigene Haus einen zentralen Stellenwert einnahm.
Und was sie von ihren Kindern hören, ist auch nicht dazu angetan zu glauben, dass ihre Welt noch in Ordnung ist. Es ist vielleicht ganz gut, dass mein Vater nicht mit dem Internet umgehen kann. So bekommen sie die Lektionen hier aus dem Slum Berlin a.d. Spree nur stark gefiltert ab.
donalphons, 00:38h
Sonntag, 22. August 2004, 00:38, von donalphons |
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sinktank,
Sonntag, 22. August 2004, 04:29
Wie wohl das Bürgertum - gleich ob das der Bildung, der Wirtschaft oder das kleine - am Ende dieser Umwälzung aussehen wird? Welche Werte sie ablegen, welche sie unter allen Umständen verteidigen, welche sie sich neu zulegen werden? Welche Koalitionen sie eingehen oder kündigen werden? Bislang wurden in der deutschen Geschichte Prestige, sozialer Rang und ökonomische Grundlage mit allen erdenklichen Mitteln zu verteidigen versucht. Eine Idee, wie es diesmal sein wird, falls der gefühlte Niedergang unerbittlich voranschreiten sollte?
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donalphons,
Sonntag, 22. August 2004, 15:19
Das sieht man doch schon
Einfach mal zu Besuch bei einer Jungfamilie sein, die es nicht so weit wie ihre Eltern geschafft haben. Die auf deren "Werte" verzichten. Bei denen der Laptop vielleicht teuer, die Glotze gross, aber der Rest des Lebens vom Ikea-Starterpaket gestellt wird.
Und die, sie es geschafft haben, neigen eher zum Protzertum. Zumindest in den Metropolen...
Und die, sie es geschafft haben, neigen eher zum Protzertum. Zumindest in den Metropolen...
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