Real Life 24.8.04 - Die talentierten Mr. Ripleys

48 Seiten dick ist die Mappe., da da als Initiativbewerbung reingeflattert kommt.Alles hübsch knapp gehalten; könnte glatt ein Buch werden, ein Roman eines jungen Lebens, wenn es etwas ausgewalzt wäre. Ein Roman ohne Eigenschaften. Unfassbar, was da an Qualifikationen drin steht. Auch nur 9 Semester bis zum Abschluss; ich frage mich, wie das geht, wie man daneben noch gelebt haben will, und all die Dinge machen, von denen die Zeugnisse Auskunft geben. Alles atmet diese naturpralle "Best man for the job"-Attitüde. Ich frage mich, wer denen das beibringt. Und warum. So kriegen sie sicher einen Job bei einer Consultingfirma, wenn sie zu den 5% Glücklichen gehören, die im Auswahlverfahren durchkommen. Aber warum soll man jemanden einstellen, dessen Leistungsbereitschaft ihn früher oder später dazu bringen wird, nach meinem Stuhl zu spähen?

Auf der anderen Seite ist da eine junge Frau, der ich durch die Blume ein angeblich nicht existierendes, noch zu schaffendes Praktikum nahegelgt habe, Papierform unter aller Kanone, laut Selbstauskunft wankelmütig, Studienabbruch, unstetig, und nicht im Mendesten den Anforderunegn entsprechend. Eigentlich. Aber unglaublich talentiert.

Vor ihm und seinen 48 Seiten Qualifikation müsste ich als Nobrainer, der sich nur mit der falschen Behauptung, dass er es kann, auf die forderen Plätze geschoben hat, auf die Knie gehen und dankbar sein, dass er unter so jemandem arbeiten will. Es würde nicht gut gehen. Diese Jungs werden es nie akzeptieren, dass es auch ohne die 48 Seiten geht, die ihnen das Recht garantieren, den Posten zu bekommen, aufzusteigen und andere wiederum nach den 48 Seiten zu selektieren.

Deshalb werde ich der Studienabbrecherin in den nächsten Tagen, wenn das Praktikum bewilligt ist, nochmal eine Mail schreiben, sie soll sich mal für den Winter was überlegen. Ihre Unarten kenne ich ja schon, damit kann ich leben. Und arbeiten.

Dienstag, 24. August 2004, 18:18, von donalphons | |comment

 
wer
meint, sein Leben auf 48 Seiten ausbreiten zu müssen könnte ein ernsthaftes Egoproblem haben. Insofern wäre der Knabe tatsächlich im Consulting Bereich gut aufgehoben. Da kann er ganz fleissig Business "mitdevelopen" (Verzeihung für's Denglish) und versonnen mit einem milden Lächeln seinen 500seitigen Road-Maps, Biz-Plänen und Pflichtenheften lauschen, irgendwann einmal 250 Euronen die Stunde billen und 50jährigen mittelständischen Unternehmern erklären, wie man heute "richtig" Geschäfte macht .

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Kommt drauf an
Nämlich auf die Branche. Im Kreativbereich z.B. ist verloren, wer nicht eine Mappe mit Arbeitsproben abgibt, dazu würden in meinem Fall mehrere komplette Zeitschriften gehören, das wären dann schon an die 100 Seiten. Überqualifizierung ist in Deutschland, und nur hier, eines der schlimmsten Bewerbungshemnisse. Diese allgemeine Erkenntnis macht den offensichtlichen Lackaffen, der sich da bei Don beworben hat, allerdings um keinen Deut sympathischer :-)

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Moment!
Arbeitsproben, die sozusagen für sich sprechen will ich ausdrücklich nicht gemeint haben! Dagegen sehr wohl die wortgewaltige Ausschmückung jedes möglichen 10 Jahre zurückliegenden 2-Wochen-Sinnlos-Praktikums bei einer heute nicht mehr existenten Firma! Hey! 48 Seiten!

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Ja, da sind sehr viele Sachen dabei, die nicht wirklich relevant sind. However, man muss sich ganz schön langmachen, um das alles zu schaffen.

Ich bin zwar ein Glückskind, aber ich mag vor allem Menschen, die wissen, was Schmerz, Unsicherheit und Angst bedeutet. Und wenn schon Glückskind, sollten sie wenigstens wissen, wie brüchig das Eis ist, auf dem sie dahingleiten.

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Ich habe mein Studium ebenfalls in 9 Semestern geschafft (Informatik), da war sogar noch ein Semester im Ausland mit drin. Und ich hatte nicht das Gefühl mich übermäßig angestrengt zu haben.

Was natürlich eine 48-Seiten-Bewerbung ausmacht...auf was für einen Job hat sich der junge Mann denn beworben?

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@girl, mike
Okay, wenns nur um die Selbstschilderung geht und das die 48 eiten wirklich gefüllt hat, haste recht. Und wer sich bei Don bewirbt, bewirbt sich wohl meistens als Redakteur. Ich habe für mein Studium 16 Semester gebraucht, aber für mich war Student sein eine Lebensform, die es mir ermöglichte, mein Leben dem Kampf um eine andere Gesellschaft zu widmen, und das brachte mich auch schon ein paar Mal ins Visier der Staatsanwaltschaft. Was ich in der Zeit gemacht habe, kann man für kaum einen Arbeitgeber in den Lebenslauf schreiben....

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Nein, nicht Redakteur, das Ding kam für eine andere Sache rein.

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Ist ja nicht schlecht, für eine Bewerbung aus 48 Seiten Qualifikationen auswählen zu können. AUSWÄHLEN.
Ich habe leidvoll gelernt, so manche Qualifikation zu unterschlagen - sonst muss ich das AUCH noch machen.

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Ich hab sowas gar nicht, keine Scheine, keine Praktika, keine Volontariate. Manchmal habe ich den Eindruck, alle stürzen sich auf die Kasse mit der Schlange, ich nehm lieber die, wo nichts los ist.

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bei zuvielen Qualifikationsnachweisen und zu jungen Jahren drängt sich mir oft der Verdacht auf: "ist überall dabeigewesen und kann doch nichts richtig"

Und da es heut hier so rough zugeht: Nein, dies kann man natürlich nicht Verallgemeinern! Und ja, der Gegenbeweis ist stets zulässig!

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Ich schreibe nachher gleich eine kleine, nette Success-Story über den gelungenen Verkauf eines Startups :-)

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uii! *händereib* sucess-stories sind selten heutzutage ;) kriege in letzter zeit immer nur die asset-deals zu sehen, bei denen das produkt in höchster not verscherbelt wird, ein paar entwicklern die übernahme angeboten wird und der rest über die klinge springt. aber lass hören!

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