Urbanmistig

Manchmal wüsste ich gern, wie ich das früher ausgehalten habe. Und ob ich ein anderer war, als ich in richtigen Städten - und nicht nur einer urbanen Simulation an der Donau - lebte. berlin war & ist ein Anlass für stete schlechte Laune und Abwanderungswünsche, aber davor habe ich in München gelebt, und bin viel in anderen grossen Städten rumgekommen. Ohne mir je wtwas dabei zu denken. Heute fahre ich in grössere Städte, und meine Laune wird schlecht.



Mir gefallen grössere Städte nicht mehr. Jede Romantik zugunsten den Lichtermeeren geht mit inzwischen vollkommen ab, jede beschönigung von Menschenansammlung auf kleinem Raum. Ich merke an mir selbst, wie ich laut, aggressiv und fahrig werde. Es dauert eine Weile, bis ich so weit runter komme, dass ich wieder normal schreiben kann. Irgendwie konnte ich das früher alles wegdrücken oder anderweitig verarbeiten. Aber nach über drei Jahren ohne Dauererleben von urbanen Srukturen habe ich verlernt, wie das geht. Was bleibt, ist schnelles Ein- und Ausfallen, ein wenig Schlängelei in die Zentren und schnelles Verlassen.



Irgendwann muss man ohnehin raus; grosse Städte sind nur sehr begrenzt angenehme Lebensumfelder für alte Menschen; Berlin ganz sicher nicht, Frankfurt hat auch so seine miesen Ecken, aber selbst München ist wegen des Verkehrs nicht unbedingt lebensverbessernd. Vielleicht fange ich einfach nur zu früh damit an, und bin mal wieder Vorreiter. Trotzdem wüsste ich gerne, warum ich über ein Dutzend Jahre in München so vollkommen ungerührt von Lärm, Hektik und sozialem Druck durchgestanden habe. Vielleicht war damit - und dem nachfolgenden Berlin - einfach die Kraft ausgebraucht, die dafür zur Verfügung stand.

Donnerstag, 3. Dezember 2009, 22:45, von donalphons | |comment

 
lieber Don, Du hättest ja recht mit Deinen Worten…wenn da nicht meine Wohnung wäre.
Mitten in der Stadt ist sie soooo unendlich ruhig. Und dieses Urteil fälle ich, obwohl ich am Waldesrand gross geworden bin.

Evtl. besteht die Kunst darin, die ruhigen Inseln in einer Stadt zu finden ?

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miner, so sehe ich das auch. Ich hatte ebenfalls Glück mit unserer zentral gelegenen und doch sehr ruhigen Wohnung in FFM. Zum Arbeiten dann in den Taunus, gegen den Strom. Sehr angenehm.
Don hat ein Foto von der fiesesten Ecke Frankfurts (Hbf.) gemacht; das schmeichelt natürlich nicht. Hätte er mal auf mich gehört und sich von den Verlagsfuzzis ins Maingold einladen lassen. Er wäre mit einem besseren Gefühl nach Hause gefahren.

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Komisch - mir ging es nach 20 Jahren Frankfurt genauso, und deshalb wohne ich jetzt wieder in dem Vordertaunusstädtchen in dem ich aufgewachsen bin. Das Stadtleben ist mir mit der Zeit zu hektisch und vor allen Dingen zu laut geworden.

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Du hast Berlin wirklich nicht verstanden lieber Don. Ich lebe in Wilmersdorf. In meinem Kiez. Unter dem Kudamm fahre ich mit der U-Bahn durch, der Alexanderplatz ist Ausland, dass ich höchstens einmal im Jahr mit Besuchern sehe. Auf dem Weg nach Spandau führe ich den Reisepass mit. Vorsichtshalber.

Berlin ist eine Ansammlung von Dörfern, die wenig miteinander zu tun haben und sich auch nur selten treffen. Frankfurt war immer schon ein Moloch genau wie München. Hamburg hat etwas wenn man in den richtigen Vierteln lebt. Amsterdam und Madrid sind großartig.

Es ist nicht die Stadt, es ist die persönliche Einstellung. Das Land ist nur erträglich weil die Stadt nahe und jederzeit gebrauchbar ist. Land ist Ödnis. Müsstest du da leben würdest du dich verzweifelt wehren.

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Dem kann ich als ursprünglich West-Berliner nur beistimmen - Es gibt auch genug nette Ecken in Berlin (Schlachtensee, Lübars etc), wo man im Grünen auch alt werden könnte - und zum Einkaufen bleibt man im Kiez - und auch zum Weggehen muss man nicht zu den Hackeschen Höfen - das ist dann eher was für die Touristen.

Und warum sollte ich zur Friedrichstraße zum Einkaufen fahren, wenn ich in Steglitz alles in der Schlossstraße bekomme?

Frankfurt ist ein anderer Fall - hier gibt es auch grüne Nischen, aber die Stadt ist halt größenbedingt deutlich stärker auf das Zentrum zugeschnitten - aber auch hier gilt, wer auf der Zeil einkaufen geht, ist meist selber schuld.

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Kann ich nachvollziehen.
Wann genau es anfing, mich zu stressen in der Stadt, kann ich gar nicht mehr so exakt datieren. Zunächst war es auch nur ein diffuses Unbehagen über ein paar unschöne Entwicklungen in meinem Viertel. Dann kam der Umzug in eine nette südhessische Kleinstadt - und nach zwei Jahren dort dachte ich dann, eigentlich wieder bereit zu sein für eine Innenstadt-Wohnlage. Aber letztlich sprach bei all den Wohnungen, die wir in Dü-Dorf besichtigten, irgendwas im Detail dagegen. Wobei in unserem Fall halt auch die Frage eine Rolle spielte, ob es das ist, was man seinem Kind als Umgebung zum Aufwachsen bieten möchte. Und da würde ich jetzt zwischen Oberkassel, Unterbilk und Flingern nur graduelle, aber keine grundsätzlichen Unterschiede sehen. Hier wie dort sind es zu viele Menschen auf einem Fleck. Und damit komme ich nicht mehr so mühelos klar wie früher. Auch wenn ich mich wahrscheinlich wieder darauf einstellen könnte, wenn ich müsste.

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Kein Ausblick
*Das* ist das Schlimmste an der Stadt. Das Kucken vor's nächste Haus. Eine Reihenhaussiedlung auf dem Land ist daher auch kaum besser.

Sobald ich Ausblick habe und die Augen wandern können, beruhige ich mich.

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horizontblick
genau!

das ist es auch,
was mich in den nächsten jahren von berlin auf`s "land" zieht.

allerdings braucht es da noch nen
(gesprächs-)partner nahe bei -
denn
"allein in der provinz" grenzt an intellektuelle isolationshaft.

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so isses...
erinnere mich noch an einen Beilagentext bei SimCity 2000, nach der schon die Griechen jede Stadt über 20.000 Einwohner als nicht mhr menschengerecht beurteilten... weniger ist einfach mehr.

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ergo-->land-->langeweile-->sim city spielen

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Frankfurt, Zentrum, Thorwaldsenplatz. Ruhiger ist nicht mehr vorstellbar, und die riesigen Bäume schaffen eine Luft und ein frankfurtuntypisches Mikroklima, das schon in der nächsten Seitenstraße nicht mehr besteht.

München, Zentrum, Aventinstraße. Ruhiger ist nicht mehr vorstellbar; ein Dörfchen im Herzen der Innenstadt. Kleine Läden, Handwerker, verlangsamtes Tempo. Die Aventin führt direkt zum Viktualienmarkt. Als ich zum erstenmal den 3-Minuten-Weg ging und dann der Blick sich weitete zum Markt, dahinter die Türme – da schoß mir das Wasser in die Augen. Es war einer meiner größten emotionalen Momente ever.
Und es war nicht sozusagen personenbasiert: keine Frau, die da auch gewohnt hätte, und das Ambiente mit ihrem Körper umglänzt, nichts dergleichen.

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Don wird niemanden bekehren können. Denn die Vorzüge der Provinz erschliessen sich nur für den, der lange genug dort wohnt, und nicht nur negative Erinnerungen durch die glückliche Flucht aus der Enge in die Grossstadt als junger Erwachsener hat.

Mir fällt bei meinen Metropolen-Besuchen auf, dass die Grossstadt viel Kraft kostet. Lärm, Menschen, Geschwindigkeit. Energie, die man eigentlich besser nutzen kann.

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Energie
ist ein gutes Stichwort in diesem Zusammenhang. Vielleicht kommt einem die Fähigkeit irgendwann abhanden, die zweifellos vorhandene Energie in einer Stadt für sich positiv zu nutzen. Dann empfindet man es als nervig, stressig und ermüdend, sich da durchkämpfen zu müssen.

Wobei auch der noergler einen wichtigen Punkt anspricht: Diese besonderen Plätze und Perspektiven gibt es wahrscheinlich in jeder Stadt, wenn man offen dafür ist und nicht nur auf den Gehsteig unmittelbar vor den eigenen Füßen starrt. Ob man es schafft, sich so eine Oase auch dauerhaft zu sichern, steht freilich auf einem anderen Blatt. Dazu gehört dann wohl auch eine Portion Glück.

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zeit
großstadt kostet auch (lebens-) zeit:

für mich beispielsweise heute home - job - home:
wenn ich gut durch[berlin]komme schlappe drei stunden.

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...Frankfurt West nach Frankfurt Ost mit dem Fahrrad...ca. 25 min...Schont die Umwelt, spart Zeit.

Zur Umwelt: die Infrastrukturen eines jeden Kuhkaffs aufrecht zu erhalten, wird unter den Gesichtspunkten der Energieeffizienz wohl nicht mehr ewig möglich sein.

Mein Vorschlag: Dörfchen plattmachen ( A la *Unser Dorf soll platter werden* :-) ), Wildnis walten lassen. Es freuen sich Fuchs & Hase.

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Lieber Don, Sie müssen den Ausgleich schaffen. Die Mischung machts!
Ich lebe und arbeite im Sommer im Ferienhaus im Süden (120 Meter zum Meer, Ruhe) und im Winter bin ich in der 13-Mio-Stadt (Zentralheizung, nette Cafes und Restaurants um die Ecke, Supermarkt, action).
Im April freue ich mich auf die Sonne und das Wasser, die Berge und die Gelassenheit. Im November freue ich mich auf die vielen Menschen, das Chaos und den Großstadtdschungel.

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Berlin 59. Erste S-Bahnstation West, es war unglaublich. Zum Onkel nach Frohnau und mit ihm drei Tage durch Westberlin. Bis heute prägend, unvergesslich... Westberlin 89: Grafitti wie vom Hund hingemacht. Leere Läden, blinde Fenster, Dreck, aber auch der Eindruck einer unerhörten Vitalität im Zentrum ist erinnerlich. Berlin 09: weiß nicht... War in 09 zweimal dort: weiß nicht.

Meine Stadt (nicht Berlin) wird böser. Eigentlich wird sie immer lächerlicher.

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Ich war 2009 gut 20x dort, erschreckend oft. Vitalität habe ich nicht gespürt. Im Gegensatz zu früheren Jahren.

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Natur und Ruhe sind gewiss kein Laster
1. Der Mensch wird oft wählerischer, wenn er alt wird.
2. Die Lärmempfindlichkeit steigt mit dem Alter.
3. Der Spaß an urbanem Leben ist in der Jugend größer.

Tja, und dann gibt es noch einen negativen Trainingseffekt: Durch Dons Stadtentwöhnung wird ihm die Stadt fremd. Natur und (etwas mehr) Ruhe sind gewiss kein Laster.

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