Mitleid umschichten
Das glatte Gegenteil der Geschichte über das Rosa Haus von Tulfes ist in der Zeit nachzulesen - ein seinen Besitzer ruinierendes, 1000 m² grosses Anwesen im Engadin, nahe bei St. Moritz, und damit in einer Region, in die ich unter gar keinen Umständen ziehen würde. Das Engadin ist meines Erachtens sowieso nur als Steuersparmodell brauchbar; es gibt wirklich viel schönere Ecken in den Bergen, ganz ohne jene kargen Hänge und auch ohne die hohe Schweizer-, Amerikaner- und Russendichte, die ich persönlich ja eher als Nachteil erachte. Aber jeder, wie er mag, und mit dem nötigen Vermögen gibt es auch schlechtere Investitionen - Aktien der Commerzbank zum Beispiel, oder eine Henkelmerzunsympathenpartei.
Mehr als andere bin ich durchaus bereit, Hausbesitzerschicksale zu bedauern, zumal die Häuser alt und die Beziehungen durch die Kindheit geprägt sind. Es gibt alte Häuser, die Menschen nicht umfangen wie meines, sondern auspressen und aussaugen. Es gibt aber bei dieser Geschichte einen Punkt, bei dem ich wirklich kein Bedauern mehr empfinden kann: Eine viertel Million Franken jährliche Unterhaltskosten. Pardon, aber das sind auf den Quadratmeter umgelegt rund 200 Euro. Oder auf meine Karthause am Tegernsee weit über 10.000 Euro pro Jahr. Über 50.000 Euro für die vier Jahre, die ich hier wohne. Und ich wohne nun auch nicht gerade mit einer Kleiderstange, einem Feldbett ohne Heizung. Für 50.000 Euro könnte man hier die Wände einmal mit wirklich sauberen Portraits des 18. Jahrhunderts durchdekorieren. Es ist mir völlig unbegreiflich, wie man das als Unterhaltskosten zusammenbringt. Da muss man schon grosszügig sein.
Oder anders gesagt: Verschwenderisch. Auch solche Fälle gibt es immer mal wieder, gerne in England, wo Häuser für zu grosse Bedürfnisse entworfen wurden, die nicht zur Vermögensentwicklung passten. Das ist aber schon eine Weile her. So wurde man folgerichtig nicht reich, sondern arm, und das nicht ganz unverdient. Wenn ich dann noch lese, dass das Vermieten an Gäste praktisch auf Null hinaus gelaufen sein soll, ist wirklich der Punkt erreicht, wo ich doch lieber bis Weihnachten an die Hungernden in Afrika denke. Die ganz Geschichte stinkt vielleicht noch nicht zum Himmel, aber sie muffelt schon sehr nach "Nicht wissen, wo Schluss ist". Und das ist es nicht beim Verkauf, sondern beim Verzicht auf Halogenspots. Auch mit Naturseidenvorhängen muss man nicht weinen.
Natürlich: Wenn man nur mit den absoluten Spitzenfabrikaten leben kann, wenn es wirklich nur noch darum geht, alles aus einem idealen Guss zu haben, dann wird es teuer. Es wird aber auch ein wenig unbelebt und ungemütlich.So sieht es zumindest für mich auf den Bildern aus. Solche Objekte kennt man, da kann es gut sein, dass das Motto gewesen ist: So wie im Plan muss das alles jetzt sofort sein. Und nicht: Suchen, finden, wachsen. Wie es eigentlich fast immer war und auch sein sollte. Man tut einem alten Haus nichts Gutes, wenn man es nur als Leinwand für ein Innenarchitekturreadymade begreift. Verschwenderischer Luxus kann bedeuten: Verschwendung durch Luxus. Oder Luxus, der verschwenderisch wirkt.
Die vergangene Grösse nimmt einem keiner, wenn man sich etwas einschränken und in die Dachkammern oder Nebengebäude ziehen muss. Das ist dann immer noch ein Brückenkopf, vielleicht für einen selbst, wenn sich die Gunst des Schicksals wandelt, oder für Erben. Ein wenig Schwankung gehört dazu, und auch das geht bei alten Häusern. Sie sind in aller Regel genau dafür gemacht. Man muss nicht traurige Artikel über die Besitzer solcher Anwesen schreiben, es ändern sich nur die Privilegien, und dnn gibt es ja auch noch die alte Stadthausbesitzerweisheit:
Wer zvui Göid hod und is dumm
kaaft a oiz Haus und bauz donn um.
Nicht der Hauskauf ist das Problem. Das "etwas daraus machen was es nicht ist und das nichts einbringt".
Was da zu sehen ist, ist voll im Trend der 90er Jahre. Heute würde man so nicht mehr einrichten, da wäre mehr Prunk, mehr stimmiger Stil, und diese Pyramidenlampen gehen gar nicht - da müsste ein Kronleuchter her, und die Teppiche, oh je. Es sind die Berge! Da muss ein Perser her, ein wirklich grosser Perser.
Ich weiss nicht, ob das Ding so weggeht, um den Preis, der da erwähnt wird. Vielleicht schon, wegen der Finanzkrise. Wo Verlierer sind, sind auch Gewinner, oder wenigstens welche, die Sicherheit wollen. Man kann so etwas verkaufen, man kann so etwas machen. Aber eigentlich tut man so etwas nicht. So oder so, in Tulfes oder im Engadin, die Geschichte verschwindet. Und was bleibt? Nun. Man wird sehen. Es dauert sehr lang, bis Geschichte nachwachsen kann.
Mehr als andere bin ich durchaus bereit, Hausbesitzerschicksale zu bedauern, zumal die Häuser alt und die Beziehungen durch die Kindheit geprägt sind. Es gibt alte Häuser, die Menschen nicht umfangen wie meines, sondern auspressen und aussaugen. Es gibt aber bei dieser Geschichte einen Punkt, bei dem ich wirklich kein Bedauern mehr empfinden kann: Eine viertel Million Franken jährliche Unterhaltskosten. Pardon, aber das sind auf den Quadratmeter umgelegt rund 200 Euro. Oder auf meine Karthause am Tegernsee weit über 10.000 Euro pro Jahr. Über 50.000 Euro für die vier Jahre, die ich hier wohne. Und ich wohne nun auch nicht gerade mit einer Kleiderstange, einem Feldbett ohne Heizung. Für 50.000 Euro könnte man hier die Wände einmal mit wirklich sauberen Portraits des 18. Jahrhunderts durchdekorieren. Es ist mir völlig unbegreiflich, wie man das als Unterhaltskosten zusammenbringt. Da muss man schon grosszügig sein.
Oder anders gesagt: Verschwenderisch. Auch solche Fälle gibt es immer mal wieder, gerne in England, wo Häuser für zu grosse Bedürfnisse entworfen wurden, die nicht zur Vermögensentwicklung passten. Das ist aber schon eine Weile her. So wurde man folgerichtig nicht reich, sondern arm, und das nicht ganz unverdient. Wenn ich dann noch lese, dass das Vermieten an Gäste praktisch auf Null hinaus gelaufen sein soll, ist wirklich der Punkt erreicht, wo ich doch lieber bis Weihnachten an die Hungernden in Afrika denke. Die ganz Geschichte stinkt vielleicht noch nicht zum Himmel, aber sie muffelt schon sehr nach "Nicht wissen, wo Schluss ist". Und das ist es nicht beim Verkauf, sondern beim Verzicht auf Halogenspots. Auch mit Naturseidenvorhängen muss man nicht weinen.
Natürlich: Wenn man nur mit den absoluten Spitzenfabrikaten leben kann, wenn es wirklich nur noch darum geht, alles aus einem idealen Guss zu haben, dann wird es teuer. Es wird aber auch ein wenig unbelebt und ungemütlich.So sieht es zumindest für mich auf den Bildern aus. Solche Objekte kennt man, da kann es gut sein, dass das Motto gewesen ist: So wie im Plan muss das alles jetzt sofort sein. Und nicht: Suchen, finden, wachsen. Wie es eigentlich fast immer war und auch sein sollte. Man tut einem alten Haus nichts Gutes, wenn man es nur als Leinwand für ein Innenarchitekturreadymade begreift. Verschwenderischer Luxus kann bedeuten: Verschwendung durch Luxus. Oder Luxus, der verschwenderisch wirkt.
Die vergangene Grösse nimmt einem keiner, wenn man sich etwas einschränken und in die Dachkammern oder Nebengebäude ziehen muss. Das ist dann immer noch ein Brückenkopf, vielleicht für einen selbst, wenn sich die Gunst des Schicksals wandelt, oder für Erben. Ein wenig Schwankung gehört dazu, und auch das geht bei alten Häusern. Sie sind in aller Regel genau dafür gemacht. Man muss nicht traurige Artikel über die Besitzer solcher Anwesen schreiben, es ändern sich nur die Privilegien, und dnn gibt es ja auch noch die alte Stadthausbesitzerweisheit:
Wer zvui Göid hod und is dumm
kaaft a oiz Haus und bauz donn um.
Nicht der Hauskauf ist das Problem. Das "etwas daraus machen was es nicht ist und das nichts einbringt".
Was da zu sehen ist, ist voll im Trend der 90er Jahre. Heute würde man so nicht mehr einrichten, da wäre mehr Prunk, mehr stimmiger Stil, und diese Pyramidenlampen gehen gar nicht - da müsste ein Kronleuchter her, und die Teppiche, oh je. Es sind die Berge! Da muss ein Perser her, ein wirklich grosser Perser.
Ich weiss nicht, ob das Ding so weggeht, um den Preis, der da erwähnt wird. Vielleicht schon, wegen der Finanzkrise. Wo Verlierer sind, sind auch Gewinner, oder wenigstens welche, die Sicherheit wollen. Man kann so etwas verkaufen, man kann so etwas machen. Aber eigentlich tut man so etwas nicht. So oder so, in Tulfes oder im Engadin, die Geschichte verschwindet. Und was bleibt? Nun. Man wird sehen. Es dauert sehr lang, bis Geschichte nachwachsen kann.
donalphons, 00:45h
Montag, 5. Dezember 2011, 00:45, von donalphons |
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urriegel,
Montag, 5. Dezember 2011, 15:23
Passend zu Ihrem FAZ-Artikel heisst es bei uns:
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Wer zvü Göd hot und is recht dumm
kaft si a oids Bauernhaus und baut si's um!
.
lg
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Wer zvü Göd hot und is recht dumm
kaft si a oids Bauernhaus und baut si's um!
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lg
... link
donalphons,
Montag, 5. Dezember 2011, 15:25
Restaurieren ist etwas anderes als umbauen. Man muss das als Prozess begreifen, nicht als abgeschlossene Tat.
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holofernes,
Montag, 5. Dezember 2011, 17:54
nachtrag zum inntal, das oberste bild hier:
http://diewerkbank.com/2011/11/13/retten-was-noch-zu-retten-ist-_______/
es ist nicht so, daß es keine bemühungen gäbe.
http://diewerkbank.com/2011/11/13/retten-was-noch-zu-retten-ist-_______/
es ist nicht so, daß es keine bemühungen gäbe.
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holofernes,
Montag, 5. Dezember 2011, 18:02
das haus in st moritz ist wohl eher am zuviel als am zuwenig gescheitert. bei aller liebe war der man schlecht beraten, alle wollten nur sein bestes, sein geld.
dabei haben die da sogar einen der ganz wenigen architekten, der es gekonnt hätte:
http://irmaarchitecture.blogspot.com/2009/10/chesa-albertini-zuoz.html
was der nutzer nacher damit veranstaltet, ist dann immer noch eine frage der persönlichen kultur, das was in st. moritz gezeigt wird, sieht aus wie internationaler hotelstandard.
restaurieren als prozess ist ein gute einstellung, wenn das wissen um und der repekt vor dem überkommenen vorhanden ist. bei handwerkern übrigens selten vorauszusetzen und leider wohl auch bei vielen architekten.
dabei haben die da sogar einen der ganz wenigen architekten, der es gekonnt hätte:
http://irmaarchitecture.blogspot.com/2009/10/chesa-albertini-zuoz.html
was der nutzer nacher damit veranstaltet, ist dann immer noch eine frage der persönlichen kultur, das was in st. moritz gezeigt wird, sieht aus wie internationaler hotelstandard.
restaurieren als prozess ist ein gute einstellung, wenn das wissen um und der repekt vor dem überkommenen vorhanden ist. bei handwerkern übrigens selten vorauszusetzen und leider wohl auch bei vielen architekten.
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greenbowlerhat,
Montag, 5. Dezember 2011, 18:48
Wenn das, was der Artikel so alles über den Noch-Eigentümer schildert, nicht völlig überzeichnet ist, dann scheint er selbst das Problem zu sein. Und ich stimme Ihnen zu, DA, dass derart laufende Kosten exorbitant sind. Die Heizkosten dürfte es bei Dreifachfenstern jedenfalls nicht mehr sein.
Nichts gegen Luxus, aber hätten es die genannte Ausstattung nur für vier, fünf eigene Zimmer nicht auch getan? Und den Rest einfach an ganz normale Leute vermieten, jedenfalls solange bis man es sich leisten kann, den Rest auch so auszustatten wie er will?
Und mit Verlaub, wer sich neureiches neurotisches Gesocks und hysterische Oligarchentöchter/-gattinen/-gespielinnen als Mieter ins Haus holt, und so liest sich der Artikel, dem ist nicht zu helfen. Gehen Sie mal Torte essen in Baden-Baden und reden Sie mit den Leuten, die aussehen, als kommen sie von dort, die haben dieselbe Klientel, und da ist es genauso wie im Artikel geschildert. Keine Miete der Welt ist es wert, solche Nervensägen zu ertragen.
Nichts gegen Luxus, aber hätten es die genannte Ausstattung nur für vier, fünf eigene Zimmer nicht auch getan? Und den Rest einfach an ganz normale Leute vermieten, jedenfalls solange bis man es sich leisten kann, den Rest auch so auszustatten wie er will?
Und mit Verlaub, wer sich neureiches neurotisches Gesocks und hysterische Oligarchentöchter/-gattinen/-gespielinnen als Mieter ins Haus holt, und so liest sich der Artikel, dem ist nicht zu helfen. Gehen Sie mal Torte essen in Baden-Baden und reden Sie mit den Leuten, die aussehen, als kommen sie von dort, die haben dieselbe Klientel, und da ist es genauso wie im Artikel geschildert. Keine Miete der Welt ist es wert, solche Nervensägen zu ertragen.
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gabriele spangenberg,
Dienstag, 6. Dezember 2011, 10:44
Interessant, Don. Schrecklich wenn man sich von seinem Erbe nicht lösen kann, wie jener Herr. Er versucht sich eine Vergangenheit zu erkämpfen von der er meinte, dass sie nicht seine war. Als Lebensinhalt? Ich weiss allerdings auch nicht, ob es vernünftiger ist nur für die Zukunft zu leben, wie viele.
Geerbete Häuser bedeuten für die Erben aber auch, die Wünsche Ihrer Vorfahren zu verwaltem und eigene garnicht erst entwickeln zu dürfen. Sich an Toten messen zu müssen. Für die einen eine Aufgabe, für die anderen eine Fluch.
Bin übrigens nicht Ihrer Meinung mit einem Perser. Mit dem Kronleuchter schon.
Geerbete Häuser bedeuten für die Erben aber auch, die Wünsche Ihrer Vorfahren zu verwaltem und eigene garnicht erst entwickeln zu dürfen. Sich an Toten messen zu müssen. Für die einen eine Aufgabe, für die anderen eine Fluch.
Bin übrigens nicht Ihrer Meinung mit einem Perser. Mit dem Kronleuchter schon.
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