Einmal um Mirandola herum

Noch einmal wollen wir nach Süden fahren. Dorthin, wo nicht nur ein paar Häuser, sondern eine ganze Stadt gesperrt ist.



Mirandola liegt auf dieser Karte hier genau dort, wo die drei Sterne so nah zusammen sind. Entsprechend wird man schon am Ortseingang begrüsst.



Und machen wir es wie die ehemaligen Bewohner, die hier in den Camps sind. Gehen wir einmal um die gesperrte Altstadt herum und schauen.



Hier geht es zum Corso, der guten Stube der Stadt, wo man sieht und gesehen wird. Das geht jetzt natürlich nicht, aber es sind wenigstens Stühle da, damit man betrachten kann, wie sich der Katastrophenschutz durch die Zona Rossa bewegt.



Daneben steht das Pestkirchlein, zum Dank für die Verschonung von der Seuche errichtet. Noch. Ich glaube nicht, dass man es wird retten können.



Und jetzt - es kommen noch viele Bilder - bitte weiter in den Kommentaren.

Montag, 11. Juni 2012, 01:06, von donalphons | |comment

 
Mirandola wurde bereits am 20. Mai geräumt, und das in grosser Eile, weil die Risiken gross sind.



Am 29. Mai war die Wucht dann so gross, dass die schwer beschädigten Häuser eingestürzt sind, und die unbeschädigten Häuser Risse bekamen.



Aber obwohl die Fenster aufgeflogen und gebrochen sind, darf niemand hinein. Auch die Presse nicht.



Niemand räumt natürlich auch den Müll weg, den manche schon nach draussen gestellt haben, vor dem Beben.



Nicht alle sind in die Camps gegangen. Manche sind auch in der Nähe ihrer Häuser verblieben, wenn etwas ausserhalb ein wenig Platz ist.



Es war nicht genug Zeit, die Räder mitzunehmen. Die Autos sind meistens weg, aber Räder schleppt man nicht ab.



Aha, sagt der Kenner, dieser Platz dort, da muss eine Kirche stehen. Das sieht hier immer so aus.



Kirchen haben dickere Mauern, die fallen dann übereinander weg nach vorne hinaus, dünnere Hausmauern dagegen fallen senkrecht runter.



Hier dagegen war es das Dach, das teilweise nach vorne herunter gekommen ist. Und teilweise ins Haus hinein.



Es wurde ziemlich viel geöffnet, in diesen Tagen. Das ist das Motto im Guten wie im Schlechten.



Das Lager im Park. Man verlässt nur kurz den Rundweg, geht durch eine Siedlung mit zerplatzten Mauern, denn auch Stahlbeton hat nicht gehalten, und da sind sie dann. Jetzt, und während der nächsten Monate.



An der Aussenwand der Franziskanerkirche hat man einen guten Blick in die Fassadenkonstruktion der Gotik, und auf das Nichts, das einmal das Kirchenschiff war.



Die Beben sind erst mal vorüber, auch wenn vor weiteren schweren Stössen gewarnt wird. Was jetzt droht, ist der Regen.



Aber auch für Dachdecker wäre es jetzt zu gefährlich. Ausserdem, die schweren Schindeln: Man weiss nie, wie die Dachstühle aussehen, und ob sie vom Gewicht zerschlagen wurden .



An dieser Stelle haben sich die TV-Teams niedergelassen, hier ist das beste Licht, und ein Kiosk gegenüber. Und ein offenes WLAN.



Und wenn man richtig zoomt, ist neben dem Reporter dieser Campanile zu sehen.



Das ist dann spektakulärer als all die leeren Strassen, sie so gar nicht nach Italien aussehen. So leer. So still.



Nur ab und zu kommt die Polizei vorbei, alle 10 Minuten, und passt auf, dass niemand hinein geht. Dann bebt kurz die Erde, die Tauben fliegen auf, aber es ist nicht schlimm.



Und auch die Betroffenen müssen nicht auf Strassen mit lauschigen Bäumen verzichten, auf der anderen Seite geht es so weiter, nur in anderen Häusern.



Nur den bequemen Sessel, den haben sie in der Roten Zone zurück lassen müssen. Die Katzen, die letzten Wächter der Stadt, wird es freuen.



Es ist halt so, wie es ist: Manche kommen durch, andere nicht, und warum es so ist, darauf gibt es keine Antwort.



Auch ein paar Autos sind zurückgeblieben, die Besitzer waren nicht da, als das Unglück kam.



Die Banken erkennt man hier an der guten Absicherung, dazu war meistens noch Zeit. In diesem Haus sind noch Wohnungen zu vermieten, so neu ist es. Gewesen.



Baufällig, ein Fall für die Abrissbirne sind alle. Diese Wohnung wird auch keiner mehr mieten.



Ein Eckhaus auf der Strasse, dadurch sind gleich zwei Strassen versperrt. Kein Wunder, dass sie niemanden zurück in die Stadt lassen, so hart es auch sein mag.



Die einen fallen flach, die anderen zerreisst es in ihrer Höhe, wo ihre Schwäche liegt.



Wenn von da oben ein Dach herunterkommt, möchte man nicht näher sein. Man sieht auch so genug.



Manchmal hängt sogar noch die Wäsche draussen. man geht nur kurz zum Einkaufen, und dann ist das Haus zu. Mir ist das in Gonzaga passiert, da bin ich zum Parken in eine Strasse gefahren und dachte mir noch so: Das Haus an der Ecke sieht aber nicht gut aus. Nach einer Stunde kam ich wieder, und die Strasse war abgesperrt, weil das Dach eingebrochen ist.



Man muss das alles sehen, um es vergessen zu können. Ich weiss nicht, ob es Privileg oder ein Fluch ist, hier gewesen zu sein. Manche fallen, manche stehen. Manche bleiben weg, andere kommen. Man tut, was man kann, auch wenn es keinen Unterschied macht. Und manchmal, wenn es sehr ruhig ist, denkt man, das eigene Leben mit all seinen Brüchen, Fehlern und Enttäuschungen, das ist auch nur so ein Mirandola.

Dann fahre ich heim. Zurück nach Mantua, einem Ort, der mir hoffentlich mehr entspricht. Ein wenig angedetzt, aber keine Zona Rossa.

... link  

 
Dankbarkeit und Staunen
Den Toskanern bleibt nur Dankbarkeit. Auf dieser Basis kann mensch nach Verlusten weiterleben. Dankbar sein für das Überleben, das Dasein, die Freunde, dankbar sein für ein paar trockene Tage. Die anderen Haltungen und Emotionen sollte man sich nur kurz erlauben.
Uns Besuchern bleibt das Staunen. Vulkan ist ein Römer! Wieviel seismische Aktivitäten hat dieses Land seit Plinius erlebt? Und da steht noch soviel! Im März besuchte ich S Maria apud Martyros. Als Kirche geweiht am 1.11. 609. Nac h dem Bau unter Konsul Agrippa durch Feuer zerstört und von Domitian und Hadrian zweimal wiederaufgebaut steht es noch heute als Wunder da. Jedem Leser wünsche ich, diesen wunderbaren Bau einmal betreten zu dürfen. Oder die Diokletiansthermen, auch sie stehen seit unvostellbaren Zeiten.

... link  


... comment
 
Das tut weh
Ihre Berichterstattung und die Bilder sind wie Zahnschmerzen. Man möchte sie gern ignorieren, aber sie hören nicht auf und schließlich muß man sich ihnen stellen. Es tut weh. Es ist schmerzhaft anzusehen. Und es gibt auch keine gute Lösung -- entweder muß der Zahn raus oder es wird gebohrt. Aber es ist nie wieder wie es war.

... link  


... comment
 
immerhin - einer der wenigen aktuellen Berichte
http://mobile.nzz.ch/aktuell/feuilleton/kunst_architektur/inspektion-der-truemmer-in-italien-1.17219182

Ob die Autorin an Ort und Stelle war, lässt sich dem Bericht nicht schlüssig entnehmen.
(Erinnere mich gern an W.Raiths Korrespondenzen,
an einem Tag direkt aus Kalabrien und am Folgetag schon wieder aus Venedig berichtet.)

... link  


... comment