: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Samstag, 23. Juni 2012

In Eile

1995 waren die teuersten Rennräder für mich so unerschwinglich, wie sie es noch immer sind: Nicht, weil ich nicht kann, sondern weil da eine Hürde in meinem Kopf ist. Irgendwann einmal, sage ich mir dann. Aber 1995 konnte ich noch nicht wissen, wie die Welt sich entwickelt, und wie sehr wir zu einem Wegwerfplaneten werden. Wenn etwas 1995 auf den Markt kam, war klar, dass es auch 2000 noch auf dem Markt sein würde. Es kam das Jahr 2000, und diese Wahrheit wurde umgestossen. Seitdem rechnet man nicht mehr in Generationen, sondern in Jahren. Dass mein De Rosa Planet von 1995 ist, erkenne ich nur an ein paar Details, und weil es damals zu teuer war: Was man sich nicht leistet, bleibt einem gut in Erinnerung. Und dann, letzten Herbst am schönen Gardasee, stand es zu einem Preis da, der sehr viel über unsere Welt und unsere Art der Produktion sagt. Es wäre schade darum gewesen. Und es ist schade, dass ich es seit dem letzten Herbst nicht mehr gefahren bin - das sagt leier viel über das deutsche Wetter aus. Aber heute, heute war es so weit.







Hätte ich dabei auch etwas geplant - sagen wir mal, am Morgen schon die Reifen aufgepumpt, um zu sehen, ob sie die Luft halten - wäre ich vermutlich nicht erst um 20 Uhr losgefahren, nein losgerast auf einem neuen Satz Laufräder. Wie es nun mal so ist: Man denkt sich, wieso den Schlauch wechseln, wenn andere Räder gerade rumstehen, baut sie ein, fährt los, es geht schwer, so schwer, irgendwas stimmt nicht: Die Felgen sind breiter, damit auch die Reifen, die auch sonst breiter wären, und weil das Rad anders zentriert ist, schleift es. Am Rahmen, an den Bremsen, an der Gabel. Es folgen Justierungsbemühungen, aber immerhin: Inmitten von in die Stadt ziehenden Fussballfans. Sie sind dort, wo ich nicht sein werde, und umgekehrt.







Kurz, ich fliege in ein fast menschen- und autofreies Umland. Fussball zieht die Leute von den Strassen weg, alles ist frei, niemand knattert, rast oder quietscht mit den Bremsen. Nur ich. Viele Vögel. Und ein paar unentwegte Radler, die wie ich denken. Man grüsst sich. Man denkt sich das gleiche: Wenn es nur immer so wäre. Und wenn es noch früher wäre, müsste ich auch nicht so rasen. Aber ich habe ein Ziel, und daher mache ich meinen eigenen Hochleistungsduathlon: Schnell treten und aus dem Sattel knipsen. Es geht nicht anders. 40 Kilometer müssen sein. Oder es gibt kein Abendessen mehr. Da bin ich jetzt knallhart mit mir selbst, denn Sonntag mache ich Sportpause.







Derweilen mobben sich in Berlin die Piraten in der Fraktion, es kommt zu Durchmärschen über gesichertes Unterstützergebiet, Vorabsprachen und Hinweise an Konkurrenten, dass sie sich besser mal nicht aufstellen lassen, wenn sie keine harte Landung wollen. Was seit Monaten mit Durchstechereien vorbereitet wurde, mit persönlichen Diffamierungen und Kompromat aus dem Lebenslauf, wird jetzt gezündet: Kann sein, dass der Senat platzt, dann hält die Fraktion vielleicht bis zun Ende durch. Ich vermute aber eher, dass irgendwann die Piraten platzen, im Verhältnis 10 zu 5. Oder sie bröckeln, oder was auch immer. Jedenfalls zeigen die Pirtaten, dass in Sachen Machtpolitik die Transparenz hochgehalten wird, wenn es anderen schadet. In Bayern, hört man, sind sie nicht ganz so, aber schlimm ist das schon. Weil das, was in Berlin passiert, auf alle durchschlägt. Aber kein Schaden ohne Nutzen. Die Schramm gibt zu Protokoll:

"Danke, dass ich heute daran erinnert wurde, warum ich definitiv nicht für den Bundestag kandidieren werde."







"Fuchs und Trauben"

höhnt jemand zurück, aber ich denke auch, dass diese Berliner Postentrauben ähnlich gut reifen, wie die echten. Bestenfalls sauer, normalerweise magenverderbend. Das liegt teilweise an den Menschen und an der Partei, und dann auch am Umstand, dass diese Menschen und diese Partei so perfekt nach Berlin passen: Das Neue, das Andere, das Schnelle, gestern noch Hoffnung und morgen schon Mobber, eben noch Jungstar und dann schon Spezlwirtschaft, vor neun Monaten auf den Posten und dann auf die Hinterbank, nur die unrasiertte Ahnungslosigkeit mit dem psychischen Defekt, die bleibt und kommt nach vorne. Politik anders machen. Sich gegenseitig abschlachten. Man hat keine Stiftung auf die man sich abschieben lassen kann, und so ist das dann Lustigerweise haben zwar die Spezialistinnen der Portale mit dem "S" das ganze Material brühwarm, aber sie schreiben kein Wort darüber. Nur Lob für den Putschbetreiber. das musste sein, die Fraktion hatte so viele Probleme. Ich dagegen bin in Bayern, es säuselt der Wind, und auf jeder Kuppe kommt noch einmal die Sonne heraus.







Die Luft mag aus dem Reifen sein, aber den kann man flicken. So etwas gehört dazu, es mindert nicht den Spass am De Rosa, es ist immer noch ein tolles Rad, und ein wenig schade ist es, dass ich es so selten gefahren bin, wie die anderen auch. So fliege ich von Kuppe zu Kuppe, zwischen Licht und Finsternis, allein und frai von aller Last. Was für ein Sommer.

Daheim muss ich schnell noch etwas anderes machen und schlafe auf dem Sofa ein. Mit 53 Kilometern in den Beinen, und ohne Essen.

(Man frage mich bitte nicht, wie das mit den Bildern von vorne über die Vorderachse geht. Es geht halt. Aber man sollte es nicht machen.)

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