: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Mittwoch, 20. Juni 2012

Das Grün der Städte und der Dörfer

In mir gärt es. Es ist nicht undelikat, weil es auch meinen Beruf tangiert. Aber mei. Auch nach 60 Kilometer Treten ist die Wut noch da.

Nehmen wir zum Beispiel Frau D. und ihren Biobauerhof. Frau D. ist eine Vorreiterin und schafft die Spargeläcker, den Hopfen, das Gemüse und die Kinder zum Wochenmarkt dazu. Der Hof ist ein Schmuckstück. Frau D. ist unpolitisch, geht in die Kirche, und hat jeden Abend Schmerzen in den Beinen von der Plackerei. Einmal alle zwei Jahre kann sie in Urlaub fahren, nach Rom, zum Papst. Ich kenne wenige Menschen, die so zufrieden, fröhlich und charmant wie Frau D. sind. Und wenn einmal die Rechnung aufgemacht wird, wo dieses Land wieder so schön und reizend wurde, dann wird Frau D. auf der Habenseite stehen. Aber keiner sagt deshalb danke, und wenn sie arbeitsunfähig werden sollte - man darf gar nicht daran denken.







Natürlich ist immer ein Risiko dabei. Einem Flughafenchef kann ein Flugzeug auf den Kopf fallen oder ein Bürgerentscheid, ein Maler kann eine Schaffenskrise bekommen, Banken wollen ausgebrannte Mitarbeiter entsorgen, und ich lebe allein von dem, was in meinem Kopf ist. Schlagerl kann ich mir keines leisten. Und deshalb neigen viele dazu, auch wenn sie gut sind und es auch mal schleifen lassen könnten, selbst wenn Sicherheiten da sind und es schon nicht so schlimm kommen wird, ein wenig vorzubeugen und das Schicksal nicht zu versuchen. Auch in einem reichen Land, man muss etwas tun. Da müsste man sich sonst Sünden fürchten, sagt man in Bayern.







Man darf sich nicht versündigen, nicht an der Natur und nicht an dem, was man hat. Ich kenne hier keinen, der sich als "links, ökologisch, gerechtigkeitsverliebt" bezeichnen würde, selbst wenn hier viele Leute richtig ackern und kämpfen: Gegen Startbahnen und Gentechnik, für Hecken und alte Obstsorten. Keiner von denen hat direkten Zugang zu den Schalthebeln der Medien, keiner kann einfach mal bei der FAZ schreiben, was wichtig wäre. Keiner läuft schlampig rum, alle achten darauf, dass ihr Lebensbereich in Ordnung ist. Das ist keine traditionelle Linke, sie fanden sich halt durch die Entwicklung der Welt an einem Punkt, an dem sie aktiv werden mussten. Sie sitzen in ihren Weilern und Höfen und führen einen langen, harten und schweren Kampf gegen Systeme, die sie, wenn sie könnten, längst ausgelöscht hätten. Meine Familie hat das Land schon lang verlassen, seit Jahrhunderten sind wir Stoderer, wie man hier sagt: Die und ich, wir denken komplett anders, in vielen Belangen. Aber ich habe eine stille Hochachtung vor ihnen.







Ein jeder eben an seinen Platz: Nur wenn die Reichen wissen, dass dieses Land nicht von nichts kommt, wird das bestehen. Man kann das fördern, indem man die Mittelleute umgeht und ein Gefühl für die Welt hat, in der man lebt. Das muss man den Unsrigen einschärfen. Ein Bäcker ist ein Bäcker und keine Backfabrik. Das ist zwar noch nicht links und nicht gerechtigkeitsverliebt, aber immerhin. Dafür arbeite ich ganz schön viel, dafür schreibe ich listig und packe sie so, wie sie gepackt werden wollen. Kein Verdienst, kein Dank nötig, ich mache das gerne., und es ist ja auch ein schöner Beruf. ich weiss, wie privilegiert ich bin, aber um das weiterhin zu bleiben, ackere ich auch heftig, selbst wenn es immer so leicht aussieht. Ich bin keiner von denen, die sich sagen: Boah, geschrieben, jetzt erst mal die Glotze an und Kommentare dann irgendwann, aber nur, wenn sie mir gefallen. Klar könnte ich es mir leichter machen, Netzschwafel geht auch immer irgendwie, da schaut man ein wenig rum und schmiert was hin und es klingt nicht ganz so verstaubt. Netzdreck von Leistungsschutzrecht bis Twitter, das kann man laufend machen, da ist immer was los, Tiefgang einer Pfütze nach dem Regen, aber Internetaktivistin klingt doch geil. Auch wenn es ein Begriff wie Hängemattenturner oder Sofahochleister ist. Internetaktivismus ist nämlich gar nichts. Man muss sich nur mal die Leute anschauen, die das möglichst laut betreibt: Würde man von von den exwerbewollenden Sixtus, Häusler, Lobo oder Niggemeier eine Gurke kaufen?







Ach so, jemanden vergessen: Die Julia Seeliger. Besagte Frau pflaumte letzthin allgemein bei der FAZ in ihrem Blog - "links, ökologisch, gerechtigkeitsverliebt" - gegen Leute, die Bilder von Essen ins Netz stellen. Das sie fies gegenüber Menschen, die kein Geld hätten, magersüchtig wären, oder in Syrien lebten. Da fällt einem gleich die alte Vettel ein, die sagte, iss auf und denk an die armen Neg Mohr POC in Afrika, die hungern. Linksgrünes Spiessertum in Selbstverliebtgerechtigkeit, und das kommt also dabei raus, wenn solche Chancen offen stehen. Kein Wort über Monsanto, keine Frage der Mobilität und ihre Erneuerung, so viele Fragen und Probleme - aber dann, bittschön, keine Essensbilder im Netz, Hanf aber ja schon, das nimmt man gerne, im digitalen Salon, wo man, im System angekommen, die Füsse unter dem Tisch ausstrecken und mal eben kurze, schlecht bebilderte Textanbsonderungen verkauft. Ja, das ist schon ein schönes Leben, so links, ökologisch und gerechtigkeitsverliebt als Sponti in der Hauptstadt. Etwas passt nicht? Schreibt man halt "Ist aber Quatsch" dazu. Dagegen ist das Oberland, das Donautal mit seinen Bauern ein Hort des grünen Kommunismus, bis zu den in die Kirche getragenen Blumengestecken. Schön, dass man sich in Berlin in solche Niederungen der Probleme nicht hinab begeben muss. Statt dessen ein wenig Aufregung über die Piraten oder Urheberrecht oder Gauck oder die Zeit anpflaumen. Was für ein Leben, so links, so ökologisch, so revolutionär, so karrierefreundlich und arbeitsunintensiv. Deutsche Politikaktivisten, im System angekommen. Kein Wunder, dass es Frau Merkel immer noch so gut geht.







Und dann:

"Idee: betrinken, dabei neuen Beruf aussuchen (für Gras ist kein Geld da)."

Klar, aber Bilder vom Essen zeigen, das ist böse.

Wenn ein Blog wenig erbaulich ist, ist das die eine Sache. Aber so sehen sie dann aus, die linken Vordenker, wenn man das Blabla wegstreicht. Da muss sich keiner wundern, warum Frau D. und Konsorten zwar grün sind, aber trotzdem die Schwarzen wählen: Weil die lieber intern auf Leutre Druck machen, die empfindlich dafür sind, weil sie noch den Ruf des "Ordentlichen" verlieren können, statt sich von Leuten vertreten lassen, die, siehe oben. Das mag vielleicht in Berlin eine Option sein, so kann man dort sagen, dass man "auf der richtigen Seite steht", aber wenn ich lese, dass es ein Elend ist, wenn kein Geld für ein Kabel zur Glotze da ist: Mei. Für Twitter reicht es noch, und dafür, diese Ereignisse in der Welt der Linken, Ökologischen und Gerechtigkeitsverliebten den Followern zu unterbreiten. Schön breit in der Öffentlichkeit des Netzes. Da wird dann schon wieder jemand kommen, der das lässig findet, Buch, taz, Talkshow, was weiss ich, da droben ist am Ende Platz für alle Selbstdarsteller: Aber hier unten hat man nichts dafür übrig, so vorgeführt zu werden.







Es hat lange gedauert, wir haben so lang dafür gekämpft, dieses Land aus dem Griff der CSU zu lösen. Manchmal hatte man den Eindruck, es wäre alles vergebens: Beim FMR2, zum Beispiel, beim Rhein-Main-Donaukanal, wo wir buchstäblich vor den Baggerschaufeln die neolithischen Siedlungen rausgekratzt haben, bei all den alten Häusern, in Wackersdorf, bei all den sinnlosen Infrastrukturmassnahmen, beim Mittleren Ring, den AKWs und beim Ausbau und der Zerstörung der Donau. Niemand war links, ökologisch, gerechtigkeitsverliebt, aber nach all den Jahren kann ich am Ende hier oben stehen und sagen: Es ist schön hier, und es wird besser, Hecke für Hecke, Obstbaum für Obstbaum. Aber wir machen das nicht, damit die da oben mit ihrer Art eine Basis für ihr miserabliges Verhalten haben. Macht gern weiter Eure Hanfparade und flennt rum, wenn das Gras zu teuer ist. Aber wir hier unten, die wir nicht in einem linken Mainstream gelebt haben, und uns jeden Millimeter, jede Stimme, jedes Vorhaben erkämpfen mussten, von den Kerndlfressern zum Bewusstsein, wie wichtig das ist, wir warten hier nicht auf Euch und Eure zugenebelten Hirne und Blogs.

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Wenn ich nicht hier bin

bin ich dabei, mich auf dem Sonnendeck mit der Klimakatastrophe auseinander zu setzen.



Denn vor vier Jahrzehnten, oder auch vor hundert Jahren, konnte man dort relativ gut draussen im Sommer verweilen. Das Blechdach wurde auch früher heiss, aber es war nicht so unerträglich wie heute. Wir haben Bilder aus jenen Zeiten, vom Sommer: Alle da, und durchaus normal angezogen. Heute ist es zu viel Hitze, zu unbarmherzig brennt die Sonne. Das hat mir in den letzten Jahren zunehmend ein wenig den Spass an der Dachterrasse verleidet. Man konnte am Morgen hinaus, und am Abend, und musste dafür zwei Stockwerke nach oben. Dazwischen musste man einpacken. Heute etwa war ich oben, beim Frühstück.







Die Sonne flammte licht auf diesem Moderleibe,
als koche sie die Fäulnis gar.
Ich jedoch streck mich aus und ja, ich bleibe,
denn das Kupferblech ist rar.

Genauer gesagt, ich habe ein paar Tage gearbeitet, um das komplexe Konstrukt mit gefalzten Blechen, bei denen man zudem immer vorsichtig sein musste, mit Zedernholzparkett zu füllen. Sieht jetzt ein wenig aus wie ein Schiffsdeck, hoch über der Stadt. Es ist übrigens gar nicht so klein, zu Beginn kaufte ich 8 Quadratmeter und belegte damit gerade einmal knapp die Hälfte. Am Wochenmarkt erzählte mir jemand, der eine Immobilie sucht, dass Balkone, die theoretisch nur mit dem halben Preis pro Quadratmeter eingerechnet werden dürfen, in den Innenstädten eher doppelt zu Buche schlagen. Weil sie so selten sind. Zumal im Baudenkmal.







Zusammen mit einem Strohhut kann ich jetzt auch wieder am Mittag in der prallen Sonne sein - überhaupt kein Problem. Auch das Zeernholz wird warm, aber nicht so glühend heiss wie das Blech, und sollte man Abkühlung brauchen, würde eine Giesskanne Wasser reichen. Immerhin habe ich mir meinen Lebensraum jetzt zurückerobert, und wenn es nicht noch übler kommt, wird das auch eine Weile reichen. Jetzt kommen Pflanzen, ein paar Restaurierungsarbeiten und, eventuell, bei grösseren Aufgaben zusätzlich, auch noch neue Eisengeländer. Da suche ich aber noch. Ich wüsste einen Ort, wo es hübsche Materialien gäbe, aber der ist in Belgien. Und ich bin hier im Moment recht unabkömmlich. Auch ein Grund, warum ich das gemacht habe.







In den Bergen wäre es kühler, und ich habe ohnehin einen Plan: In drei Tagen auf den Hirschberg und zurück. 140 Kilometer hinradeln, übernachten, auf den Berg und wieder hinunter, übernachten, 140 Kilometer zurückradeln. Aber das dauert noch. Solange weiter in den Hügelketten und tägliche Besteigung der Dachterrasse, 12,5 Meter über der Last des Alltags in der Innenstadt. Es duftet die Zeder, und ich habe heute keine Fliege gesehen.

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