: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Donnerstag, 14. Juni 2012

Madonna della Corona

Das ist einer dieser Orte, wenn man ihn sieht, glaubt man zuerst an eine optische Täuschung.



Menschen können sehr seltsame Dinge tun, wenn sie an etwas wirklich glauben.

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Frei

Ich war knapp davor, einen grossen Fehler zu machen. Einen sehr, sehr grossen Fehler. Die Sorte Fehler, die andere in unglückliche Ehen treiben. Nur eben nicht mit einer Frau.

Das ist vielleicht auch nur gerecht. Der eine wünscht sich eine dauerhafte Beziehung so sehr, dass er im falschen Moment Ja sagt. Der andere hat andere Schwächen. Bei mir sind es Bücher.

Seit Februar lag ein gewisser Druck auf mir, das Gefühl, etwas wirklich gern tun zu wollen und die Ahnung, dass es nicht gut ausgehen würde, weil vieles einfach nicht glatt und sauber laufen will. Wenn ich in solchen Zwiespalten stecke, kompensiere ich es durch Schreiben, oder anders gesagt, es schreibt mich über all die Sorgen hinweg. Hier jedoch war es genau das Kernproblem, denn es ging um dieses Schreiben. Und da drückt man vieles einfach beiseite. Man kommt weit und weiter, und wenn das eine so gut geht, vielleicht klappt das andere ja trotzdem.

Und dann kam der Vertrag - durch einen Fehler sehr spät. Und dann das Erdbeben - gerade rechtzeitig. Ziemlich viele, eigentlich alle Freunde fanden die Idee, ausgerechnet jetzt, in dieser Zeit nach Italien zu gehen, statt zu unterschreiben und mit dem Geld ein Jahr Urlaub zu machen, reichlich doof. Ein Jahr Nichtstun, ist ja egal, kein Ärger mehr mit den Kommentaren, kein Warten auf das Anteasern mehr, einfach ein Jahr gutes Leben, oder auch länger. Andere würden vielleicht eine Flasche Sekt aufmachen, ich machte mich auf in die Ruinen. Es ist schon ein komisches Gefühl, vor so einer 12 Meter hohen, bröckelnden Kirchenfront zu stehen, wo es keine Absperrung gibt, oben ist alles offen, und die Risse gehen bis ins Fundament, auf einem Steinhaufen gestürzter Trümmer, hochzuschauen und zu denken - jetzt ein 5er, und es wird posthum, wenn sie es von der Festplatte kratzen. Aber soll das mein letzter Text gewesen sein? Das? Und was werden sie daraus machen?

Das 5er kam nicht, aber der Anruf vom Anwalt, der den Vertrag schnell gelesen hatte und nicht zufrieden war. Nun könnte man sicher noch etwas machen, dachte ich am Abend, und tat das, was ich immer tue: Ich kochte einen Tee, hob die Kanne, und das Wasser spritzte über den Herd und die Küchenzeile, und grellrot wurden die blauen Flammen.

Denn das 5eer kam in der Nacht. Die Front brach weiter ein, architektonisch betrachtet ein klein wenig, aber ein paar Kubikmeter Ziegel sind relativ, je nachdem ob man drunter steht oder nicht. Man kann auch nicht anders, als Angst zu empfinden, über das, was ist und das, was man getan hat. Aber es hat in mir die Gedanken wieder gerade gerückt. Das mag blöd klingen, aber wenn man die Wahl zwischen einem Erdbeben und einem nicht unlukrativen Vertrag hat, ist das Erdbeben in seiner Absolutheit und Ehrlichkeit die bessere Entscheidung. Und so wie sich die Erde von der Spannung mit einem Beben befreit, habe ich mich jetzt nach langem Überlegen auch befreit. Vexilla regis Prodeunt Inferni, die Banner des Höllenkönigs kamen auf mich zu, ich habe sie gesehen und gespürt. Es ist alles nicht wichtig, das Erdbeben ist gross, und was wir auf seiner brüchigen Kruste tun, sagen oder schreiben, ist bedeutungslos.

Ich war zwischen Reggiolo und Gonzaga, ich sah die Zelte auf Wiesen und unter Bäumen, ohne Sanitäranlage, und an Bächen, sie sind da seit Wochen und werden Monate bleiben, immer so weiter an den Strassen, 60 Kilometer lang und 40 Kilometer breit:

















Ich liege in meinem warmen Bett, ich bedaure ausser den Menschen dort unten nichts. Was ich schreiben musste, habe ich geschrieben.

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