Dienst im Biergarten
So in etwa sollte der See aussehen, zu dem ich auf so einem Weg mein Surfbrett hinunterschiebe, mit blauem Himmel türkisfarbenem Wasser und thermikfördernden Bergen am Ende. Und als ich gestern Abend nach Hause gerast bin, war auch schon viel Gegenwind spürbar.
Normalerweise ist der Weg von Reutberg nach Gmund ja eher eine lahme Strecke, auf der ich gerne trödle, zumal ich ja am nächsten Tag so einiges vor hatte, aber dann kam ein Anruf und ich raste und sass dann überraschenderweise um 10 Uhr, frisch geduscht und formal bekleidet, noch im ICE an die Donau, hörte mir unfreiwillig die Nöte der nahe mir sitzenden Angestellten an und weiss jetzt, was für eine fiese Ratte die Annette ist, die ihr den Arnold abspenstig gemacht hat, und dass jeder Trost der Gesprächspartnerin am Telefon vergebens ist. Man sollte halt Arbeit und Liebesleben nicht zu sehr verbinden, würde ich sagen, gerade wegen der Zwänge, aber was soll ich sagen, der ich gerade auch gezwungenermassen im Zug sitze? Ich fange halbherig einen Beitrag über das Elend der Singles in München an, da hält auch schon der Zug und ich mache das, wofür ich gekommen bin.
Zur Belohnung sitze ich dann 14 Stunden später in einem anderen, urigen Biergarten, nicht unter eine Kastanie, die ein Zeichen der Brauerei wäre, sondern unter einer Linde, die mehr den Gaststätten entspricht. Kundige Bayern wissen natürlich, dass früherunter Kastanien das Bier selbst gebraut und kühl gelagert wurde, und unter Linden das Essen in der Regel besser war. Linden machen einen anderen, milderen Schatten, unter ihnen ist es wärmer, und sie haben angesichts der Baumabsonderungen auch ihre Vorteile: Eine Lindenblüte kann man aus der Rahmsosse herausfischen, aber wenn so eine Kastanie heruntersaust, gibt es eine Mordssauerei. Früher war es dann auch so, dass die niedrigen Schichten unter Kastanien ihr selbst mitgebrachtes Brot mit angeschimmelten und vom Bier- und Paprikageschmack zugekleisterten Käsereste - heute als "Obazda" eine Spezialität - aus dem Papierl verzehrten, und die besseren Leute unter Linden bestellten. Das hier ist besser, denn die Familie sitzt hier schon etwas länger und hat viel, sehr viel Grund. Und wissen tue ich das, weil hier auch schon 4 andere Generationen meiner Familie gesessen sind. Und weil meine Familie diese Familie auch schon so lang kennt. Übrigens kommt auch die Katze Minka von hier.
Natürlich geht man mit der Zeit und es gibt sogar drei vegane Gerichte, und wenn das alles in zwei Jahren renoviert wird, hofft ein jeder, dass es immer noch so leger bleibt, und nicht pseudorustikal, wie manches am Tegernsee. Und dass die Ausweiserei von Baugrund all die Wiesen, die Hühnergehege und Äcker verschonen wird - das hier ist nämlich wie ein Pfropfen auf dem Westviertel, das gern weiterwuchern würde, weil das Bauen hier enorme Gewinne verspricht. Das Gelände ist ein wenig so wie die Alm am Tegernsee gegenüber meiner Terrasse: Da findet Landwirtschaft auf Abermillionen statt, die nicht erwirtschaftet werden. Dafür ist es eine schöne Wirtschaft. So schön, dass manche hier auch einfach heiraten. Ab und zu kommt die Polizei und überprüft, dass die Leute davor wirklich nur Tempo 20 fahren.
Danach ist dann noch Arbeit zu tun - einen Balauliegestuhl in den Urwald verfrachten zum Beispiel - und froh sein, dass solche Geschichten immer noch glimpflich bleiben und gut ausgehen, weil der Rest einfach stimmt und passt. Das ist die Welt, aus der ich stamme. Aber so wie ich das erlebe, ist es nicht die Welt, die noch sein wird, wenn ich das nicht mehr schreiben kann. Nicht dass ich Familie selbst haben wollen würde, aber bei mir ist noch vieles intakt, was denen in München, die dort allein leben und keine belastbaren Beziehungen haben, fehlt. Und das wird sich noch bitter rächen, wenn sie mal jemanden brauchen, der ihnen einen Liegestuhl besorgt, und das berufliche Umfeld nicht mehr da ist.
Normalerweise ist der Weg von Reutberg nach Gmund ja eher eine lahme Strecke, auf der ich gerne trödle, zumal ich ja am nächsten Tag so einiges vor hatte, aber dann kam ein Anruf und ich raste und sass dann überraschenderweise um 10 Uhr, frisch geduscht und formal bekleidet, noch im ICE an die Donau, hörte mir unfreiwillig die Nöte der nahe mir sitzenden Angestellten an und weiss jetzt, was für eine fiese Ratte die Annette ist, die ihr den Arnold abspenstig gemacht hat, und dass jeder Trost der Gesprächspartnerin am Telefon vergebens ist. Man sollte halt Arbeit und Liebesleben nicht zu sehr verbinden, würde ich sagen, gerade wegen der Zwänge, aber was soll ich sagen, der ich gerade auch gezwungenermassen im Zug sitze? Ich fange halbherig einen Beitrag über das Elend der Singles in München an, da hält auch schon der Zug und ich mache das, wofür ich gekommen bin.
Zur Belohnung sitze ich dann 14 Stunden später in einem anderen, urigen Biergarten, nicht unter eine Kastanie, die ein Zeichen der Brauerei wäre, sondern unter einer Linde, die mehr den Gaststätten entspricht. Kundige Bayern wissen natürlich, dass früherunter Kastanien das Bier selbst gebraut und kühl gelagert wurde, und unter Linden das Essen in der Regel besser war. Linden machen einen anderen, milderen Schatten, unter ihnen ist es wärmer, und sie haben angesichts der Baumabsonderungen auch ihre Vorteile: Eine Lindenblüte kann man aus der Rahmsosse herausfischen, aber wenn so eine Kastanie heruntersaust, gibt es eine Mordssauerei. Früher war es dann auch so, dass die niedrigen Schichten unter Kastanien ihr selbst mitgebrachtes Brot mit angeschimmelten und vom Bier- und Paprikageschmack zugekleisterten Käsereste - heute als "Obazda" eine Spezialität - aus dem Papierl verzehrten, und die besseren Leute unter Linden bestellten. Das hier ist besser, denn die Familie sitzt hier schon etwas länger und hat viel, sehr viel Grund. Und wissen tue ich das, weil hier auch schon 4 andere Generationen meiner Familie gesessen sind. Und weil meine Familie diese Familie auch schon so lang kennt. Übrigens kommt auch die Katze Minka von hier.
Natürlich geht man mit der Zeit und es gibt sogar drei vegane Gerichte, und wenn das alles in zwei Jahren renoviert wird, hofft ein jeder, dass es immer noch so leger bleibt, und nicht pseudorustikal, wie manches am Tegernsee. Und dass die Ausweiserei von Baugrund all die Wiesen, die Hühnergehege und Äcker verschonen wird - das hier ist nämlich wie ein Pfropfen auf dem Westviertel, das gern weiterwuchern würde, weil das Bauen hier enorme Gewinne verspricht. Das Gelände ist ein wenig so wie die Alm am Tegernsee gegenüber meiner Terrasse: Da findet Landwirtschaft auf Abermillionen statt, die nicht erwirtschaftet werden. Dafür ist es eine schöne Wirtschaft. So schön, dass manche hier auch einfach heiraten. Ab und zu kommt die Polizei und überprüft, dass die Leute davor wirklich nur Tempo 20 fahren.
Danach ist dann noch Arbeit zu tun - einen Balauliegestuhl in den Urwald verfrachten zum Beispiel - und froh sein, dass solche Geschichten immer noch glimpflich bleiben und gut ausgehen, weil der Rest einfach stimmt und passt. Das ist die Welt, aus der ich stamme. Aber so wie ich das erlebe, ist es nicht die Welt, die noch sein wird, wenn ich das nicht mehr schreiben kann. Nicht dass ich Familie selbst haben wollen würde, aber bei mir ist noch vieles intakt, was denen in München, die dort allein leben und keine belastbaren Beziehungen haben, fehlt. Und das wird sich noch bitter rächen, wenn sie mal jemanden brauchen, der ihnen einen Liegestuhl besorgt, und das berufliche Umfeld nicht mehr da ist.
donalphons, 15:14h
Montag, 8. Juli 2013, 15:14, von donalphons |
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jeeves,
Sonntag, 14. Juli 2013, 17:20
Von Linden fällt aber auch so manch Klebriges und wer(*) das absondert, das wollen Sie gar nicht so genau wissen.
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(* die wollige Napfschildlaus)
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(* die wollige Napfschildlaus)
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greenbowlerhat,
Sonntag, 14. Juli 2013, 17:31
Deshalb der grüne Napfschildlaus-Schirm, aus waschbarem Baumwollgewebe.
Oder so.
Oder so.
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greenbowlerhat,
Sonntag, 14. Juli 2013, 18:04
In diesen Tagen übrigens auch eine Bemerkung wert: die kommen da völlig ohne Social Media Strategie, Twitterkanal, Facebook "Like" usw. aus. Noch nicht mal tracking cookies gibt es, jedenfalls schlägt nichts an.
Man scheint sehr von der Qualität des eigenen Angebots, des Ortes und der Nachfrage überzeugt zu sein, und wenn es so schmeckt wie es auf den Bildern aussieht, dann kann man das auch weiterhin so halten.
Man scheint sehr von der Qualität des eigenen Angebots, des Ortes und der Nachfrage überzeugt zu sein, und wenn es so schmeckt wie es auf den Bildern aussieht, dann kann man das auch weiterhin so halten.
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windsbraut,
Montag, 15. Juli 2013, 11:38
Ah, die Linde! Einer meiner Lieblingsbäume. Unter Linden sitzen wir hierzulande doch schon viel länger rum als unter Kastanien (http://de.wikipedia.org/wiki/Sommer-Linde).
Im Mittelalter gab es übrigens das Gericht unter der Linde (judicium sub tilia), wo die leichteren Fälle verhandelt wurden (http://www.uni-goettingen.de/de/41768.html). Davon ist uns das Wort „subtil“ geblieben, wenn auch der Wortsinn sich etwas geändert hat.
Im Mittelalter gab es übrigens das Gericht unter der Linde (judicium sub tilia), wo die leichteren Fälle verhandelt wurden (http://www.uni-goettingen.de/de/41768.html). Davon ist uns das Wort „subtil“ geblieben, wenn auch der Wortsinn sich etwas geändert hat.
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pade,
Montag, 15. Juli 2013, 12:43
Oh, die Linde! Ich meide sie, wo ich kann, um meiner Allergie gegen die Lindenbluetenpollen keinen Vorschub zu leisten. Von Juni bis September muesste ich fluechten, dahin wo es keine Linden gibt also weit, weit, weg.
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donalphons,
Montag, 15. Juli 2013, 13:16
Also, mir machen Linden nichts aus - aber wie gesagt, es gibt Alternativen. Die Kastanie blüht schöner, und so oft macht es auch nicht plopp. Aber dafür ist die Linde halt sehr dauerhaft, drüben in Gasse steht eine jahrhunderte alte Linde, das ist nach meiner Meinung der beeindruckendste Baum am ganzen See.
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melursus,
Dienstag, 16. Juli 2013, 10:44
das berufliche Umfeld nicht mehr da ist....
nach acht Tagen fällt mir dieser Satz erst richtig auf. Und ich habe öfters mit Menschen zu tun, die gut funktionieren und es sich gut gehen lassen. Eingebettet in das berufliche Umfeld. Und ich habe mit den Ehemaligen zu tun, die eben nicht mehr eingebettet sind und hilflos.
Ganz passend auch, im Hinblick auf den 13/20 September. Geld werden die Ehemaligen genug haben. Teilweise auch noch Strippen. Aber keinen Fahrdienst mehr....
nach acht Tagen fällt mir dieser Satz erst richtig auf. Und ich habe öfters mit Menschen zu tun, die gut funktionieren und es sich gut gehen lassen. Eingebettet in das berufliche Umfeld. Und ich habe mit den Ehemaligen zu tun, die eben nicht mehr eingebettet sind und hilflos.
Ganz passend auch, im Hinblick auf den 13/20 September. Geld werden die Ehemaligen genug haben. Teilweise auch noch Strippen. Aber keinen Fahrdienst mehr....
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rollproll,
Dienstag, 16. Juli 2013, 11:18
mhh wie kann man denn nichts mit sich anzufangen wissen? es kann doch nicht so schwer sein ein hobby zu finden, was einen im alter nicht überfordert, in dem man kontakte knüpfen kann und die einen den tag über auslasten ...
die die da jetzt in der luft hängen. sind das auch die, die nur für den job gelebt haben, die die keine kinder haben (oder nicht in der nähe), die irgendwelche erbsenzähler-jobs hatten, in grauen cubicles ?
die die da jetzt in der luft hängen. sind das auch die, die nur für den job gelebt haben, die die keine kinder haben (oder nicht in der nähe), die irgendwelche erbsenzähler-jobs hatten, in grauen cubicles ?
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