In Ausschnitte starren
Ich habe ein Faible für die Entwürfe von George Hepplewhite. Dessen Verdienst ist es, mit hohen Pfeilerfüssen eine Alternative zu den geschwungenen, gequetschten Beinen gefunden zu haben, die für das Werk des etwas früheren Thomas Chippendale typisch sind. Kontinental gesprochen steht steht Hepplewhite für Louis Seize/Klassizismus und Chippendale für Louis Quinze/Rokoko. Auch damals waren Möbel der Mode unterworfen, und der Umstand, dass Chippendale in Auktionen so viel teurer als Hepplewhite ist, liegt auch ein wenig daran, dass trotz der enorm umfangreichen Produktion in Chippendales Fabrik über die Zeitläufe mehr verloren ging. Hepplewhite geht mit seinen schlichten Formen eigentlich immer, Chippendale dagegen verlangt nach passender Ergänzung.
So oder so ist es heute jedoch nicht einfach möglich, in ein Geschäft zu gehen und zu sagen: Bitte westindisches Mahagoni, runde Intarsien und runde Kranzbeschläge, Pfeilerfüsse und das alles bitt'schön, wenn schon nicht von 1770, dann wenigstens als gute Kopie des 19. Jahrhunderts. So etwas muss man sich heute langsam zusammenkaufen, und man darf nie warten, bis man es braucht: Dann nämlich findet es man nicht.
Einen Sekretär oder echten Schreibtisch habe ich seit Jahren nicht mehr gebraucht. Fragte mich jemand, wo ich arbeitete, sah ich ihn verständnislos an und sagte: Arbeiten? Auch so, ja, da liege ich auf dem Sofa, dann tippe ich schnell was in den Rechner, aber so richtig arbeiten, über Stunden, nein, das tue ich nicht, dazu brauche ich auch keinen Schreibtisch.
Das war, wie leider ziemlich oft in meinem Leben, nur ein Drittel Wahrheit, denn zudem ist das Schreiben auf dem Sofa in zusammengekrümmter Haltung nur so mittelbequem, und wie jeder andere Mensch muss ich mich auch bei meiner Arbeit hin und wieder quälen, bis daraus ein guter Text entsteht. Man kann nicht immer kreativ sein. Man muss auch etwas erleben. Eigentlich arbeite ich immer, nur ist es keine Arbeit, die man, wie ein verkommener Medienrunterschreiber oder Postprifaqschist, allein am Rechner machen kann.
Insofern sind das Fehlen eines echten Arbeitsplatzes in den repräsentativen Räumen und der lächerlich kleine Schreibtisch im Schlafzimmer auch stets ein guter Grund gewesen, nicht immer vor dem Rechner zu sitzen. Das würde mein Rücken auf Dauer nicht mitmachen.Nun aber macht mein Arm diese spezielle Haltung überhaupt nicht mehr mit, denn irgendwie ist es mir beim unfreiwilligen Abgang in die Bergbotanik gelungen, ihn so zu verzerren, dass er weiterhin funktioniert, wenn ich auf dem Rad sitze, und er zwischen Lenker und Oberkörper verspannt ist. Beim Schreiben jedoch, das an dieser Misere vollkommen unschuldig ist, macht sich das Fehlen einer Auflage schnell in der Schulter bemerkbar. Ich kann den Arm nicht abgewinkelt stundenlang hoch halten.
Und weil es auf die Frage "Zum Arzt oder eunen Sekretär beschaffen" nur eine einzige richtige Antwort geben kann, und weil nun einfach auf die Schnelle kein Hepplewhitesekretär verfügbar ist, und auch keiner im Bestand war, musste ich notgedrungen auf Chippendale zurückgreifen. Die Beine, die Ornamente, das zu lebhafte Furnier: Alles passt zum Rokoko, aber weniger zu meiner Hepplewhite-Einrichtung. Da hilft es auch nicht, dass das gute Stück nun auch schon wieder etwas älter ist.
Damit das nicht zu sehr ins Auge sticht, habe ich darüber zu maximalen Ablenkungsmassnahmen gegriffen. Bei solchen freizügigen Bildern, nehme ich an, schaut keiner zu genau auf die Füsse des Sekretärs, sondern dahin, wohin man eben instinktiv schaut.
Andere hängen sich Postkarten über den Schreibtisch, oder ihre Überraschungseierfigurensammlung, oder Plakate von Veranstaltungen, bei denen sie teilgenommen haben; ich schaue mir halt gerne Ftauen an. Mein Rechner ist klein genug für die winzige Schreibfläche, die Handauflage ist bequem, und wenn die ungewohnte Sitzhaltung auf Dauer zu anstrengend wird, werfe ich mich unter andere Frauen auf ein Sofa: Es sind ja genug Sofas und Frauen bei mir daheim. Daran kann man sich noch schneller als an Chippendalebeine gewöhnen.
Ehrlich möchte ich sagen, dass mir die Wohnung ohne erkennbaren Arbeitsplatz erheblich besser gefallen hat, das schien alles so unernst und frei von Plackerei. Aber das sind eben so die Kompromisse, die man mit der Realität shliessen muss; es dient zwar weniger hehren Zielen denn vielmehr der Unwahrheitsfindung in meinen ethisch fragwürdigen Texten, aber auch meinem Arm und meinem Einkommen, damit das nicht die letzten Brüste sind, die ich begaffe.
So oder so ist es heute jedoch nicht einfach möglich, in ein Geschäft zu gehen und zu sagen: Bitte westindisches Mahagoni, runde Intarsien und runde Kranzbeschläge, Pfeilerfüsse und das alles bitt'schön, wenn schon nicht von 1770, dann wenigstens als gute Kopie des 19. Jahrhunderts. So etwas muss man sich heute langsam zusammenkaufen, und man darf nie warten, bis man es braucht: Dann nämlich findet es man nicht.
Einen Sekretär oder echten Schreibtisch habe ich seit Jahren nicht mehr gebraucht. Fragte mich jemand, wo ich arbeitete, sah ich ihn verständnislos an und sagte: Arbeiten? Auch so, ja, da liege ich auf dem Sofa, dann tippe ich schnell was in den Rechner, aber so richtig arbeiten, über Stunden, nein, das tue ich nicht, dazu brauche ich auch keinen Schreibtisch.
Das war, wie leider ziemlich oft in meinem Leben, nur ein Drittel Wahrheit, denn zudem ist das Schreiben auf dem Sofa in zusammengekrümmter Haltung nur so mittelbequem, und wie jeder andere Mensch muss ich mich auch bei meiner Arbeit hin und wieder quälen, bis daraus ein guter Text entsteht. Man kann nicht immer kreativ sein. Man muss auch etwas erleben. Eigentlich arbeite ich immer, nur ist es keine Arbeit, die man, wie ein verkommener Medienrunterschreiber oder Postprifaqschist, allein am Rechner machen kann.
Insofern sind das Fehlen eines echten Arbeitsplatzes in den repräsentativen Räumen und der lächerlich kleine Schreibtisch im Schlafzimmer auch stets ein guter Grund gewesen, nicht immer vor dem Rechner zu sitzen. Das würde mein Rücken auf Dauer nicht mitmachen.Nun aber macht mein Arm diese spezielle Haltung überhaupt nicht mehr mit, denn irgendwie ist es mir beim unfreiwilligen Abgang in die Bergbotanik gelungen, ihn so zu verzerren, dass er weiterhin funktioniert, wenn ich auf dem Rad sitze, und er zwischen Lenker und Oberkörper verspannt ist. Beim Schreiben jedoch, das an dieser Misere vollkommen unschuldig ist, macht sich das Fehlen einer Auflage schnell in der Schulter bemerkbar. Ich kann den Arm nicht abgewinkelt stundenlang hoch halten.
Und weil es auf die Frage "Zum Arzt oder eunen Sekretär beschaffen" nur eine einzige richtige Antwort geben kann, und weil nun einfach auf die Schnelle kein Hepplewhitesekretär verfügbar ist, und auch keiner im Bestand war, musste ich notgedrungen auf Chippendale zurückgreifen. Die Beine, die Ornamente, das zu lebhafte Furnier: Alles passt zum Rokoko, aber weniger zu meiner Hepplewhite-Einrichtung. Da hilft es auch nicht, dass das gute Stück nun auch schon wieder etwas älter ist.
Damit das nicht zu sehr ins Auge sticht, habe ich darüber zu maximalen Ablenkungsmassnahmen gegriffen. Bei solchen freizügigen Bildern, nehme ich an, schaut keiner zu genau auf die Füsse des Sekretärs, sondern dahin, wohin man eben instinktiv schaut.
Andere hängen sich Postkarten über den Schreibtisch, oder ihre Überraschungseierfigurensammlung, oder Plakate von Veranstaltungen, bei denen sie teilgenommen haben; ich schaue mir halt gerne Ftauen an. Mein Rechner ist klein genug für die winzige Schreibfläche, die Handauflage ist bequem, und wenn die ungewohnte Sitzhaltung auf Dauer zu anstrengend wird, werfe ich mich unter andere Frauen auf ein Sofa: Es sind ja genug Sofas und Frauen bei mir daheim. Daran kann man sich noch schneller als an Chippendalebeine gewöhnen.
Ehrlich möchte ich sagen, dass mir die Wohnung ohne erkennbaren Arbeitsplatz erheblich besser gefallen hat, das schien alles so unernst und frei von Plackerei. Aber das sind eben so die Kompromisse, die man mit der Realität shliessen muss; es dient zwar weniger hehren Zielen denn vielmehr der Unwahrheitsfindung in meinen ethisch fragwürdigen Texten, aber auch meinem Arm und meinem Einkommen, damit das nicht die letzten Brüste sind, die ich begaffe.
donalphons, 17:09h
Samstag, 27. Juli 2013, 17:09, von donalphons |
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greenbowlerhat,
Montag, 5. August 2013, 10:47
Ich würde sagen, mit dem Besatz an Klüngel kommt kaum einer so schnell auf die Idee, es handele sich um ein Möbelstück welches mehr als nur der sehr gelegentlichen Benutzung zum Arbeiten dient.
Aber, gibt es Furnier und generell den unteren Teil auch zu sehen? Ist ja kein Damenbild, was grad aufgrund des nicht gezeigten reizt.
Aber, gibt es Furnier und generell den unteren Teil auch zu sehen? Ist ja kein Damenbild, was grad aufgrund des nicht gezeigten reizt.
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donalphons,
Montag, 5. August 2013, 10:59
Davon habe ich noch keines gemacht.
Mir ist es auch wichtig gewesen, dass nicht der Eindruck von 2 Meter Besprechungskirsch entsteht. Wir haben daheim bei meinen Eltern noch einen geschreinerten Brauereibesitzerschreibtisch aus den 50er Jahren, der stark gerundet ist, aber der wäre viel zu gross gewesen, hätte nicht gepasst und sieht auch nach Kommerzienrat aus.
Mir ist es auch wichtig gewesen, dass nicht der Eindruck von 2 Meter Besprechungskirsch entsteht. Wir haben daheim bei meinen Eltern noch einen geschreinerten Brauereibesitzerschreibtisch aus den 50er Jahren, der stark gerundet ist, aber der wäre viel zu gross gewesen, hätte nicht gepasst und sieht auch nach Kommerzienrat aus.
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greenbowlerhat,
Montag, 5. August 2013, 13:49
Das verstehe ich, wo Sie doch täglich dran arbeiten bzw. radeln, nicht wie ein Kommerzienrat auszusehen...
Bei uns gibt es auch so ein Trumm, den alten Notarsschreibtisch meines Großvaters, wohl auch 50er. Wahnsinnig groß, dabei hat man dahinter kaum Platz. Vorneherum an der Stirnseite auf Kniehöhe eine Etage Bücherregal, mit den Buchrücken nach außen, damit der Besucher weiß, wen er vor sich hat. Nußbaum oder sowas.
Aber irgendwie find ich den ganz gut, so mit Marmor-Stiftablage, Briefhalter und Löschpapierschauel (oder wie man das nennt), und der ledernen Schreibunterlage. Und das mit dem Kommerzienrats-Aussehen, naja, das kriegen wir schon hin.
Bei uns gibt es auch so ein Trumm, den alten Notarsschreibtisch meines Großvaters, wohl auch 50er. Wahnsinnig groß, dabei hat man dahinter kaum Platz. Vorneherum an der Stirnseite auf Kniehöhe eine Etage Bücherregal, mit den Buchrücken nach außen, damit der Besucher weiß, wen er vor sich hat. Nußbaum oder sowas.
Aber irgendwie find ich den ganz gut, so mit Marmor-Stiftablage, Briefhalter und Löschpapierschauel (oder wie man das nennt), und der ledernen Schreibunterlage. Und das mit dem Kommerzienrats-Aussehen, naja, das kriegen wir schon hin.
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don ferrando,
Montag, 5. August 2013, 11:58
Die drei Damen auf der Photographie gehören zu den liebreizensten, die Sie bis jetzt gezeigt hatten.
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