Die Bäckermeistersgattin, der Autor, seine Kamera und ihr Verbleib

Du verlierst am Samstag deine Kamera beim Einkaufen in Berlin. Du lässt sie irgendwo offen liegen, denkst nicht mehr daran, gehst weiter, und erst, als Du am Abend zu Hause bist, fällt dir auf - sie ist weg. Am nächsten Montag machst du eine Tour durch alle Läden, fragst, bettelst, hinterlässt deine Telefonnummer, aber niemand kann sich an dich oder gar die Kamera erinnern. Du bist verzweifelt. Weniger wegen der Kamera, die nur zum Rumschleifen da war, als vielmehr wegen der darin befindlichen Karte. Es gibt da ein paar Bilder, von denen du keinesfalls willst, dass sie jemand sieht. Oder gar blogt. Du wartest zwei Wochen, zum Glück tauchen nirgendwo Bilder irgendwelcher Geliebter auf, aber zu deinem Pech bleibt die Kamera verschwunden, egal wie oft du bei den Läden anrufst. Wahrscheinlich steht das Ding längst irgendwo bei einem An- und Verkauf, und die Bilder machen die Runde bei einem Amateurbild-Zirkel. So ist das in Berlin.

Zum Glück vergisst du deine Kamera beim Bäcker in der Provinz. Du bemerkst es nicht, aber ein anderer Kunde sieht sie und gibt sie der Bäckermeistersgattin. Die weiss, dass hier nur wenige so neumodisches Zeug haben, und hat dich schon öfters mit so einem Ding gesehen. Naja, der war ja auch eine Weile in Berlin, unvorstellbar... Sie weiss natürlich, wer du bist und wo du wohnst. Also nimmt sie eine Rechnung, auf der ihre Telefonnummer noch als "Fernruf" steht, schreibt das hier drauf,



schickt eine Verkäuferin bei dir vorbei, die erst klingelt, und als du nicht da bist, den Zettel in deinen Briefkasten wirft. Du findest ihn um sieben Uhr, noch bevor du deine Kamera vermisst hast. Natürlich macht die Bäckermeistersgattin nochmal für dich auf und freut sich, dass sie es erraten hat. Du bist dir sicher, dass sie keines der Bilder gesehen hat, das Aufschluss über das skandalträchtige Liebesleben einer geschiedenen Tochter eines besseren Clans der kleinen Stadt geben könnte.

So ist das in der Provinz, wo jeder jeden kennt, besonders, er aus der richtigen Schicht kommt. Das ist die gute Version des menschlichen Abgrunds, der sich beim Pausenprosecco der hiesigen Konzertvereinigung auftut. Für die dich deine Eltern wieder angemeldet haben, aber das ist eine andere Geschichte.

Mittwoch, 29. Juni 2005, 18:17, von donalphons | |comment

 
Ich war völlig baff, als ich letztes Jahr in einer spanischen Kleinstadt abseits der Touristenströme einem Fotoladenbesitzer für zwei Filme nur 50 Euro geben konnte, die er nicvht wechseln konnte, und er sagte, ich solle die Filme mitnehmen, und wenn ich die nächsten Tage wieder ins Hafenviertel käme, könnte ich das Geld ja passend vorbeibringen.

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"Die weiss, dass hier nur wenige so neumodisches Zeug haben"
Habe meinem Bruder (Etting) in sein Geburtstagspaket auch eine CD mit den Bildern gesteckt, die ich bei der Taufe seiner Tochter aufgenommen habe, Aufschrift "Taufe Isabel". Gestern ruft er mich an, bedankt sich für das Paket und meint, das mit der CD müsse ich ihm aber nochmal erklären, in seinem CD Player habe sie irgendwie nicht funktioniert.

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Vorschlag: Schick ihm ne Mail oder SMS mit dem Hinweis, dass ihm in de.alt.rec.digitalfotografie ganz bestimmt jemand helfen kann. :)

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Dafür müssten die aber mal ihr Handy einschalten. Wenn meine Eltern in Urlaub sind, schalten sie es nur zwischen 6 und 7 Uhr Abends ein. Und sie müssten wissen, wie man SMS abruft.

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Ähem. Also, ich spreche HTML, JavaScript und Flash, baue meine Webseiten von Hand, beherrsche Layout bis zur Druckvorstufe, aber sms abrufen? Keine Ahnung, wie das geht. Solange ich an mein Handy kein Keyboard anschließen kann, wil ich das auch gar nicht wissen.

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@che - ja da kann doch geholfen werden: gibt es doch an vielen Volkshochschulen Kurse fuer Senioren in denen in die Geheimnisse des tragbaren Telephons eingewiesen wird.

Einfach ueber den eigenen (grauen) Schatten springen und teilnehmen - dann klappts auch mit der SMS.

(Und naechstes Semester dann: "Und wie geht das mit MMS?")

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Zwei Probleme: Ich gehöre rein altersmäßig in die Generation, die die ganze Zeitgeist-Lifestyle-Chose erfunden hat, da fiele ich in solch einem Kurs sehr auf.
Und ich finde es entwürdigend, mich auf diese Winztasten einzulassen, wenn es nach mir ginge, hätte auch ein Computer die Dimensionen eines Klaviers.

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aha - ja, ich sehe das anders - zwar finde ich handy tastaturen auch immer recht klein und frikkelig - und wenn ich hordenweise adoleszierendes Junggemuese an der Bushaltestelle sich den Daumen halb ausrenken sehe wird meine DNA bruechig - aber das Mobiltelephon mag halt mobil sein und kann deshalb halt nicht so gross sein. (Wenn alles so einfach waere.)

Zur Tatstatur (oder "le clavier" wie der Franzose sagt) eruebrigt sich mit Rueckblick auf meinen letzten Klaviertransport jeder Kommentar.

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Ich benutze mein Mobiltelefon ja auch zum Telefonieren und auch zum Fotografieren, aber eben nicht für sms, Spiele und den ganzen anderen Schamott. Menno, das ist erst 12 Jahre her, da bildeten wir zur Koordination einer bundesweiten Demo noch ein achtköpfiges Team, welche den Transport und Schutz eines der benötigten Mobiltelefone zu organisieren hatte, das war groß wie ein Kofferadio und hatte eine Wählscheibe. Wahnsinn, dieser technische Fortschritt. Telefoniert man in zehn Jahren mit seiner Armbanduhr oder nem USB-Stick? Bekommen die Leute irgendwann die Telefone eingepflanzt?

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eins zwei drei im Sauseschritt
es laeuft die Zeit - wir laufen mit.

Ist doch schoen das es staendig neuen Bloedsinn gibt. (Aktuell freue ich mich sehr auf einen funktionierenden Fusionsreaktor, neue sony notebooks und die jsf ajax integration).

Es geht voran.

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Keine ATempause, Geschichte wird gemacht.

Und kommt die Quarkbombe, haben wir auch wieder ein stabiles Gleichgewicht des Schreckens

http://environ.de/us/che/?postid=242

Was ist eigentlich mit Terminator 4 und der Verfilmung des Silmarillions?

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nein, nein keine begruendete Gewalt auf der Leinwand - da warte ich lieber auf melancholische Filme von Eric Romer -
endlose Labereien vor graeulichgruener Bretagne Kulisse.

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@Che: ich habe schon seit Mitte der 90er gleich nach der Einführung des D1-Netzes mit dem Handy telefoniert, weil es bei uns damals noch keine Festnetzanschlüsse gab (den ersten hatte ich Anfang '98). Ich habe auch noch nie eine SMS geschrieben.

Ich bin gegen eine Verfilmung des Silmarillions. Ein wenig Phantasie sollte uns doch noch erhalten bleiben.

Eine wirklich vernünftige Erfindung wäre eine kleine Brennstoffzelle (in Akkugröße) für das Notebook mit einer Laufzeit von 12 Stunden. Aber doch nicht das immer-noch-kleinere-Handy, dass man irgendwann nicht mehr wiederfindet :-)

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ideale größe
ich erinnere mich noch am beitext von SimCity 2000, das bei den griechen die ideale stadtgröße 20.000 einwohner hatte. von wegen sozialem verhalten unter den bewohnern.

tja, ja - lang ists her, aber wohl noch immer gültig...

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Gut, diese Stadt hat 120.000 Einwohner, aber der sich oben wähnende closed circle kommt auf etwa 5.000.

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