Keine Wahlempfehlung IV

Möllemann wird bald tot sein, aber hier war er nochmal richtig in seinem Element. Ich bin der letzte, der mit ihm spricht, er weiss, dass ich von der anderen Seite komme. Kurz zuvor hat er noch den Mossad beschuldigt, dass er Westerwelle erpresst hätte. Wir reden miteinander, von Satz zu Satz wird er kleiner, stiller, er ist ausgebrannt, chancenlos, es gab zu viel Gegenwehr der Journaille. Er hat verloren, alle, wirklich alle, sogar sein Verleger hat ihn verraten. Er signiert das Buch, und dann gehe ich und

denke nicht an der Artikel, der sofort fertig werden muss. Sondern an den Abend im Nachtcafe fast fünf Jahre zuvor, als Westerwelle da war. Mit dabei waren auch die Jungs von der Schwulenredaktion des Senders, für die aaalles klar war. Westerwelle legte damals in mein Mikrophon ein flammendes Bekenntnis für Minderheiten ab. Vier Jahre später hechelte er Möllemann hinterher. Um ihn dann alleine untergehen zu lassen. Nicht wegen dem Mossad. Sondern wegen der Umfragewerte.

Ich war kurz vor Westerwelles Rückzieher in einer Call-in-Sendung eingeladen, als Vertreter amerikanischer Medien, um zu erklären, was man auf der anderen Seite des Atlantiks davon hält. In dieser Stunde bekam ich den ganzen Sturm ab, den Möllemann und Westerwelle angezettelt hatten. Ich kann mit dem Pack umgehen, ich habe die Beisshemmung von FJS und genug on-Air-Erfahrung. Die anderen hatten sicher weniger Spass als ich. Aber danach habe ich schon ein paar Wochen darüber nachgedacht, ob ich meine Opt-in-Option für den Nahen Osten nicht ziehen soll. Das alles kommt auf dem Heimweg von Möllemann zu meinem Notebook nochmal hoch. Man soll das alles nicht so an sich ranlassen, sagen einem die alten Hasen down in Gaza. Aber an diesem Tag, im sonnigen München ist mir speiübel im Gedanken an den Hetzer und seinen untreuen Helfershelfer.

Ich war nicht überrascht, als Möllemann dann gesprungen ist. Ironischerweise war in dem Stern zu seinem Tod die erste euphorische Besprechung von Liquide. Ich kann ihm nachträglich einen gewissen Respekt nicht verwehren, weil er straight war. Der andere, der ist ein falscher Hund, ein Verräter, der alles für die Quote ist, heute verbaler Brandstifter, morgen Meuchler, das letzte mal Sharon und der Zentralrat, diesmal Kirchhof. Lügen und Betrügen gehört zum Spiel dazu, das kann man nie ganz vermeiden. Aber an der Spitze der FDP ist das die einzige Lebensmaxime und Existenzberechtigung.

Aber um das zu verstehen, muss man diese Leute persönlich erlebt haben. Deshalb kommt die Partei der Opportunisten und Nebenerwerbsdemagogen immer noch über die 5%. Ich finde das schlimm, aber jeder muss selbst wissen, wem er vertraut. Ich wähle SPD, da weiss ich, was ich zu erwarten habe. Wer FDP wählt, sollte besser der Partei nie den Rücken zudrehen. Ich weiss das. Und sie werden es erfahren.

Mittwoch, 14. September 2005, 01:21, von donalphons | |comment

 
Eine Zeitlang hatte ich angenommen, Mölle und seine insgeheimen Gesinnungsgenossen würden in der FDP einen Putsch veranstalten, den Laden übernehmen und Leute wie die ehemalige Justizministerin mit Doppelnamen aus der Partei treiben. Aber das wollten/konnten sie dann wohl doch nicht. Eigentlich schade, dann hätte man wenigstes ein klares Ziel gehabt, auf das man sich hätte einschießen können. Bei Westerwelle, Pieper und so fort, da weiss man immer nicht so recht, wie man da im Wortsinne die Knarre anlegen sollte, weil die sich vor dem Schuß schon weggedreht haben. Es ist halt leicht, wenn man keinen Standpunkt hat.

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Einerseits wundert es einen, wieso Leute wie LS und Burkhard Hirsch überhaupt noch in der Partei sind.
Andererseits ist Alexander von Stahl muttlerweile im NPD-Umfeld aktiv. Sicher ist: die alte Genscher-FDP gibt es nicht mehr.

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alexander von stahl? das war doch der generalbundesanwalt, gelle? oha, google platz 1:
http://www.udo-leuschner.de/liberalismus/fdp33.htm

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Ganz recht(s), dieser Alexander von Stahl schreibt heute für die Junge Freiheit und berät die NPD.

http://www.stern.de/politik/deutschland/540302.html?p=2&nv=ct_cb&eid=540855

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oha!!! danke für den link...!

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Bütteschön :-)

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Tja, die FDP...
Welche andere Partei verfügt schon über das Maß an Selbstironie, auf ihre Plakate "Nein zu 18%" zu schreiben?

(Ja, ich weiß: Es heißt "Nein zu 18% Mehrwertsteuer!". Aber "Mehrwertsteuer" steht in einer gesonderten Zeile und ist kleiner gedruckt als der Rest.)

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Welche Partei wäre im Machtergreifungsfall garantiert umgefallen?

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Dazu noch eine kleine andere Geschichte. Dresden hat ja einen FDP-Oberbürgermeister. Dieser wurde seinerzeit (2001) durch SPD, PDS, freie Wählergemeinschaften usw. gewählt. Ja, das Fehlen seiner eigenen Partei in dieser Liste ist kein Fehler - die unterstützte stattdessen den CDU-Kandidaten, glücklicherweise erfolglos.
Hier bildete übrigens die FDP mit der DSU (kennt die noch jemand?) im Stadtrat eine gemeinsame Fraktion.

Das Bild der FDP in den neuen Bundesländern ist ziemlich trostlos, weshalb sie ja froh sein kann, überhaupt in die Länderparlamente 'reinzukommen.

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in neufünfland gilt möllemann noch heute als aufrechter, integrer charakter, ein deutscher, als einer, der sich getraut hat, unbequeme wahrheiten auszusprechen.
ist so. sagt einiges über unsere brüder und schwestern dort aus. das nur am rande.

die f.d.p. als "die Partei der Opportunisten und Nebenerwerbsdemagogen". da halte ich doch dagegen:

opportunismus ist das ausnutzen von gelegenheiten. gehört bei der politik auch mit dazu, und ist sich keiner der dort mitmacht, zu schade für. das trifft aber den dreipunkteverein nicht vollständig: was ist einer, der sich die gelegenheiten, die er auszunutzen gedenkt, selber schafft, z.b. durch betrieb einer förderungskörperschaft auf gegenseitigkeit und das nachhaltig?

nebenerwerbsdemagogen sind nicht sonderlich effektiv, jeder gute liberale meint zu wissen, dass nur voller einsatz gutes ergebnis bringt. selbstverständlich handelt es sich beim dreipunkteverein um full time deceivers (ftd) oder haupterwerbsdemagogen.

oder anders: könnte es sein, dass die f.d.p. für die politik das ist, was scientology für die religion ist, also so etwas wie eine lizenz zum absahnen und -fetten?

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Die Partei der Macht
Damals, da dachte ich noch, dass sowas bloß Übereifer ist. Der Mann hat sich verrannt, sowas gibt es ja, er meint es wohl ganz gut, er will ja nur Gerechtigkeit, das ist noch kein Hunnenwahn. Und dann hörte ich in Inforadio völlig live und seinerseits enthemmt "ich als Reserveoffizier der Bundeswehr" oder "natürlich auch im Feindland" oder "Vorwärtsverteidigung".

Vor meinem Auge sah ich vorwärtsverteidigte Kinderleichenkörper und fand das gar nicht mehr lustig. Auch die beschwichtigenden Reaktionen in seiner Partei waren nicht lustig. Für mich war das der eigentliche Skandal.

Der Mann machte dann geradezu beflügelt weiter, nicht etwa erkennend, auf welcher Autobahn er voranrauscht. Ob nun Zentralrat, Friedman, Scharon - überall sah er den ekligen Feind, und er schämte sich auch nicht, sich in einer Landtagswahl als Mann der klaren Worte zu inszenieren, mit einem Thema, das in Landtagswahlen nun einmal nichts verloren hat, um damit auf jene Stimmen zu zielen, die ihm seinen Hunnenwahn goutieren.

Ich verüble dieser Partei, dass sie in in ihren Kreisen immer noch eine Art Vorratshaltung für trübrechte-propatriotisch-ressentimente Ansichten unterhält, offenbar immer noch auf den Moment hoffend, wo man nach Vorbild der FPÖ [korrigiert] an die ganz großen Töpfe kommt.

Ich verüble dieser Partei, dass sie jede Bürokratisierung mit geradezu arischem Hurrah-Gebell bejubelt, wenn sich diese gegen soziale Verlierer richtet.

Ich verüble den zahlreichen Huren dieser Partei, dass sie in den Ländern alles dafür tun, ihren "Privaten" Kumpels Monopolbetriebe, Berufsschulen und anderes zuschanzen, sogar dann, wenn der Souverän dagegen gestimmt hat.

Neulich sprach ich mit einem erkennbar gut situtierten "Verhandlungsführer", der dann mit nur matt glitzernden Krokodilstränen schilderte, dass er ja so gerne die Hamburger Krankenhausbetriebe erst einmal in kleinere Teilgesellschaften umgewandelt hätte, des lieben Wettbewerbs wegen und wie falsch er es doch fand, dass "Private" diesen Großbetrieb zur Gänze erhielten. Wettbewerb sei ja irgendwie besser. Der Deal war offenkundig ein anderer. Und dem Mann geht es gut.

Seitdem bin ich mir völlig sicher: Diese Leute sind in jeder Hinsicht wertefrei, sogar dort, wo sie ihren "Kern" vorzufinden meinen - sie hätten vor 70 Jahren gewiss die allerbesten Karrieren gemacht. Und die proidiotisch fundamentalistischen Neoblogger hoffen insgeheim genau darauf.

Auf Karriere und persönlichen "Fortschritt" - egal wie.

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FPÖ, nicht ÖVP. Ansonsten dito, but: Wie oben schon skizziert, ein paar Aufrechte, aber weitgehend Einflusslose gibts da schon noch. Das Wesentliche an dieser Partei ist ihre Vorgeschichte. Hier kommen Traditionslinien zusammen, die eigentlich nicht zusammengehören, der Sozialliberalismus (die alte DDP der Weimarer Republik), der Radikaldemokratismus (die alte Radikaldemokratische Partei Deutschlands), Der Nationalliberalimus (die alte DVP, eine deutlich rechte Partei) und neuerdings Neoliberale anglo-amerikanischer Prägung. Im Augenblick haben die Neoliberalen das sagen, die Nationalliberalen sind als Strömung zumindest stärker als die Sozialliberalen und die fast samt und sonders aus der Partei gedrängten Radikaldemokraten, die heute als Jungdemokraten/Junge Linke ein Mauerblümchendasein fristen.

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@auch-einer

in neufünfland gilt möllemann noch heute als aufrechter, integrer charakter, ein deutscher, als einer, der sich getraut hat, unbequeme wahrheiten auszusprechen.
ist so. sagt einiges über unsere brüder und schwestern dort aus. das nur am rande.


Das ist, mit Verlaub, Schwachsinn. Möllemann hatte noch nie einen guten Ruf im Osten (wie die FDP insgesamt). Möllemann galt als der Wirtschaftsminister, der - ausser große Töne zu spucken - gar nichts konnte, der eine starke Neigung zu Selbstdarstellung hatte und der letztlich seinen Posten räumen musste, weil er zwischen privaten und öffentlichen Dingen nicht trennen konnte.

Aus was für Quellen beziehst Du eigentlich Dein "Ostwissen"?

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Der späte JWM hat wohl tatsächlich viel zuspruch im Oster erfahren, wenn man ihn mit der Restpartei und ihren Schickimickis vergleicht. Das ganz sicher.

Und sein Rücktritt als Minister - der vorgeschobene Anlass wäre in Zeiten nach Kochs jüdischen Vermächtnissen eine Lappalie.

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@ oberlehrer

ich wohne dort
(schreistaat faxen, regierungsbezirk chemnitz, landkreis mittweida)

vielleicht kenne ich nur die falschen leute.
aber wenn mir einer, multiplikator, akademiker, zu ddr-zeiten umweltschützer, anlässlich der seinerzeitigen flugblatt-geschichte sagt, also möllemann hat doch eigentlich recht, mit dem was er da meint, nun, mir hat es zu denken gegeben.

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@auch-einer

vielleicht kenne ich nur die falschen leute.
aber wenn mir einer,


Einer? Daraus generalisierend etwas abzuleiten, ist wohl doch etwas, ahem, mutig.

@Don

Lappalie hin, Lappalie her - er war ja nicht der einzige. Ziemlich zeitnah wurde ja auch Günter Krause zurückgetreten. Möllemann und Krause gelten im Osten als Angehörige einer "politischen Klasse", die sozusagen den Hals nicht voll genug bekommen kann.

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