Real Life 03.01.05 - Am Abgrund
Im hinteren Teil sitzen noch ein paar Angestellte, die das neue Jahr feiern, vorne bei der Tür ist es schon ziemlich leer und still. An den südlichen Rändern des Glockenbachviertels bricht das launige Partymünchen steil ab in die stille Spiesserstadt, mit ihren normalen Arbeitern, Verwaltungsmenschen und Beamten, die seit Jahren nach Mitternacht keinen Fuss mehr vor die Tü der monotonen, sechsstöckigen Bebauung gesetzt haben. Gleich um die Ecke ist das Arbeitsamt und das KVR, und dieser Wechsel macht dem schwulen Bartreiben ein paar hundert Meter weiter nördlich den Garaus. Hier, genau an der Bar, verläuft die Grenze zwischen den Welten, genauso hermetisch wie die hohe Backsteinmauer, die die Strasse runter die Welt der Toten von den Lebenden trennt.
Nebenan geben sich zwei hoch aufgeschossene, nicht mehr ganz junge Starnbergerinnen alle Mühe, wie Sex and the City zu klingen, mit mässigem Erfolg, schliesslich ist das aktuelle Modethema das Ende von Rosy Maendler, und die Schuhmode im Luitpoldblock will ihnen auch nicht so richtig gefallen, trotz der massiven Rabatte, mit denen die Händler die Gattinnen der krisengeschüttelteten Munich Area anlocken wollen. Die Stadt, die Menschen, die Häuser, alles liegt still in Agonie, als wäre die magische Formel verklungen, die Jahrzehnte den Aufschwung und alle damit verbundenen Herrlichkeiten gezaubert hat.
So bleiben nur die Trümmer der vergangenen Zeit, die noch bewirtschaftet werden, man verkleinert sich, geht zurück in die Stätten alten Ruhms, ins Parkcafe oder an den Odeonsplatz, und gibt die Peripherie auf. Zusammengesunken, desillusioniert reden sie von der neuen Elite, von der Konzentration auf die happy few und ihre Geldbeutel, die immer gleichen upper 10.000 mit reichen Eltern und Lebensüberdruss, die nicht wissen, was sie tun sollen, ausser zu spät in Bars herumhängen und sich Ausreden für das versaute Examen einfallen zu lassen. Immerhin ist die Sperrstunde gefallen, man kann sich jetzt unbegrenzt gegen die Sorgen und das Gefühl der Leere abfüllen.
Die Starnbergerinnen haben noch 40 Kilometer vor sich, Richtung Süden, und brechen hastig auf, um in ein anderes Leben zu fliehen, angesteuert im Geländewagen unter der Finsternis eines eiskalten, funkelnden Sternenhimmels über die ersten Endmoränen der Alpenkette, hinter der Italien beginnt. Du erzählst was vom Plan, dich Mitte März auf den Weg zu machen, und sie sagt, dass sie definitiv keine Zeit haben wird, ohne dass du sie gefragt hättest.
Nebenan geben sich zwei hoch aufgeschossene, nicht mehr ganz junge Starnbergerinnen alle Mühe, wie Sex and the City zu klingen, mit mässigem Erfolg, schliesslich ist das aktuelle Modethema das Ende von Rosy Maendler, und die Schuhmode im Luitpoldblock will ihnen auch nicht so richtig gefallen, trotz der massiven Rabatte, mit denen die Händler die Gattinnen der krisengeschüttelteten Munich Area anlocken wollen. Die Stadt, die Menschen, die Häuser, alles liegt still in Agonie, als wäre die magische Formel verklungen, die Jahrzehnte den Aufschwung und alle damit verbundenen Herrlichkeiten gezaubert hat.
So bleiben nur die Trümmer der vergangenen Zeit, die noch bewirtschaftet werden, man verkleinert sich, geht zurück in die Stätten alten Ruhms, ins Parkcafe oder an den Odeonsplatz, und gibt die Peripherie auf. Zusammengesunken, desillusioniert reden sie von der neuen Elite, von der Konzentration auf die happy few und ihre Geldbeutel, die immer gleichen upper 10.000 mit reichen Eltern und Lebensüberdruss, die nicht wissen, was sie tun sollen, ausser zu spät in Bars herumhängen und sich Ausreden für das versaute Examen einfallen zu lassen. Immerhin ist die Sperrstunde gefallen, man kann sich jetzt unbegrenzt gegen die Sorgen und das Gefühl der Leere abfüllen.
Die Starnbergerinnen haben noch 40 Kilometer vor sich, Richtung Süden, und brechen hastig auf, um in ein anderes Leben zu fliehen, angesteuert im Geländewagen unter der Finsternis eines eiskalten, funkelnden Sternenhimmels über die ersten Endmoränen der Alpenkette, hinter der Italien beginnt. Du erzählst was vom Plan, dich Mitte März auf den Weg zu machen, und sie sagt, dass sie definitiv keine Zeit haben wird, ohne dass du sie gefragt hättest.
donalphons, 13:48h
Mittwoch, 4. Januar 2006, 13:48, von donalphons |
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drsno,
Mittwoch, 4. Januar 2006, 14:18
Ob da eine perfide städteplanerische Ironie dahinter steckt, dass die verrottenden Gebeine vor über 100 Jahren verblichener Fliessbandarbeiter hinüber winken, zu den neuen Toten, den arbeitssuchenden Überbleibern der NewEconomy?
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donalphons,
Mittwoch, 4. Januar 2006, 14:22
Die Fliessbandarbeiter liegen, denke ich, nochmals wo anders. Auf dem Flaucher findet man immer wieder Reste eines abgetragenen Friedhofs der schlechteren, südlichen Vororte. Was im übrigen auch ganz hübsch ist, vermutlich schauen da viele Badende nicht so genau. Im Glockenbachviertel dagegen, das um 1900 herum grossbürgelich war, liegt der Geldadel, der die Grundlage für das heutige System gelegt hat.
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bettyford,
Mittwoch, 4. Januar 2006, 14:42
Wo hat denn bitteschön im Glockenbachviertel der Geldadel gewohnt? In den zwei, drei, vier Gründerzeithäusern in der Hans Sachs und die Wittelsbacher entlang? Im Glockenbachviertel lag das Geld vom Geldadel in Form von Maschinenfabriken, Gewerbegebieten und Handwerk, der Adel wohnte ja wohl eher nördlich von der Fraunhofer.
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drsno,
Mittwoch, 4. Januar 2006, 14:44
Stimmt. So genau hatte ich mir meine Nachbarn noch gar nicht angeschaut: Bildhauer, Architekturmaler und königliche Professoren liegen da rum.
Obwohl, aus heutiger Sicht, die Rige von Ärzten in dem Familiengrab direkt hinter mir sich durchaus den Fliessbandarbeitern zugehörig fühlen darf.
Obwohl, aus heutiger Sicht, die Rige von Ärzten in dem Familiengrab direkt hinter mir sich durchaus den Fliessbandarbeitern zugehörig fühlen darf.
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donalphons,
Mittwoch, 4. Januar 2006, 17:03
Nun, der Friedhof ist voll von geldigen Leuten aus der Region. Schlecht war - und das auch nur partiell - die Ecke der Einwanderer aus dem Osten. Aber dieIsar runter steht durchaus Prunk, rund um das Gärtnerplatztheater, und so weiter.
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bettyford,
Mittwoch, 4. Januar 2006, 22:01
kleine beckmesserei: die Grenze zwischen Gärtnerplatzviertel und Glockenbachviertel ist die Fraunhoferstr. südlich ist die Bebauung schon deutlich weniger schick.
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donalphons,
Mittwoch, 4. Januar 2006, 22:04
Gut, dann verwende ich eben einen etwas weiter gefassten Begriff. Genau genommen wohne ich in der Maxvorstadt, aber alle Welt sagt Schwabing. Und die Immobilienmakler nennen auch Milbertshofen noch Schwabing (Nord).
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