: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Sonntag, 22. Januar 2006

Blau

Plötzlich, als die Sonne schon untergegangen ist, sind auch die Wolken weg. Es liegt ein giftiges, falsches Blau über der kleinen Stadt, es verheisst nichs Gutes, denn er wird kalt.



Eltern schleifen ihre Blagen ins Kino, damit sie endlich mal ruhig sind. Vor dem Juwelier drängeln sich die Herrschaften, nachdem das Cafe geschlossen ist, und diskutieren über Luxusuhren und Schmuck. Weiter oben, am Fastfoodschlonzer, schreien ein paar Jugendliche. Und daneben freut man sich über das reiche Angebot des neu eröffneten Spiesserladens, der genau das langweilige Zeug anbietet, das so praktisch, so nachhaltig, so farblich passend für die ganze Familie ist, vom Mantel bis zur Reizwäsche. Auf den Plakaten versprechen kulturell engagierte Mitbürger Konzertsensationen, überraschend und neu wie der Pausenprosecco. Um diese Zeit jedoch sollte man sich nicht mehr telefonisch verabreden; sobald es dunkel wird, verbietet sich das Telefonat, wurde einem hier noch beigebracht. Die Stadt bereitet sich auf den sündenfreien Schlaf vor, und wer jetzt noch ausgeht, macht sich auf den Weg in den Abendgötzendienst.

Ich aber gehe lächelnd durch die Strassen, wissend, dass morgen der Tag sein wird, auf den zu warten sich gelohnt hat. Ich muss noch was schreiben, für den Tag des Zorns.

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Wedding, meine Liebe

Auch, wenn jetzt, angeschürt durch einen hysterischen Artikel in der strunzkonservativen Springer-WELT, der Wedding als Beispiel für die versagende Integration von Türken in Deutschland gebracht wird: Ich habe im Wedding über eineinhalb Jahre geabeitet, unser Büro war 4 Jahre dort. Abgesehen von eon paar kiffenden Kids auf der Treppe nach Mitternacht, die dabei Orangensaft (!) getrunken haben, ist mir nie, kein einziges Mal etwas untergekommen, was auch nur ansatzweise in Richtung Kriminalität ging. Und ich war in einem Teils des Weddings mit wirklich hoher Ausländerquote. In meiner Wohnanlage waren rund 40% Türken. Als es einen Wettbewerb um den schönsten Balkon gab, hatte ich keine Chance gegen die. Und mein Balkon war nun wirklich vollkommen begrünt.

Der Wedding ist ein Mikrokosmos. Ich habe nie, wirklich kein einziges Mal jemanden erlebt, der nicht Deutsch konnte. Wenn ich einen Bayern in Berlin treffe, rede ich auch eine Sprache, die kaum jemand da oben versteht. Und bei den Türken schleicht sich Deutschland sowieso in die Umgangssprache, Kräutersosse zum Beispiel heisst Wedding-türkisch auch so. Manche Frauen tragen Kopftuch, als wären sie in einem bayerischen Kaff. Aber das ist die Minderheit. Der Wedding hat die gefühlt höchste Dichte an Maniküren und Beautyshops, und das liegt nicht an den Eingeborenen.

Es bedarf, das gebe ich zu, einer gewissen Gewöhnung, sich dem Bezirk zu nähern. Man kann im Wedding nicht leben, ohne dauernden Kontakt zu Nichtdeutschen. Und Nichtdeutsche können dort nicht ohne dauernden Kontakt mit Deutschen leben. Das Ergebnis ist halt keine Staatsoper und keine Friedrichstrassengala, sondern ein wildes Durcheinander von Kommerz, Kultur, Fortschritt und Traditionen. Wer glaubt, dass die jungen Türken im Wedding in einer zurückgebliebenen Parallelgesellschaft leben, war noch nie nach acht in einem Internetcafe. Wer glaubt, dass es dort nichts gibt, was den Besuch lohnt, war noch nie in der Schererstrasse, im wild wedding oder im Cafe Schmidt.



Der Wedding ist gross, laut und arm. Der Wedding ist aber schon lange nicht mehr am Nullpunkt. Der Wedding hat noch die Chancen, die Mitte längst verspielt hat, und es würde mich überraschen, wenn die Weddinger diese Chancen ebenso schluffig verspielen wie die arroganten Kotzbrocken im Presseviertel. All die bescheuerten Legenden über den Wedding in der Welt, dem Tagesspiegel und anderen Mitte-Medien beruhen darauf, dass sie nie ihren Arsch aus ihrem Kiez rausbekommen. Die Arroganz gegenüber dem Wedding ist eigenrlich nur ein weiterer guter Grund, neben dem Palast der Repulik gleich noch den Rest des Slums Berlin plattzumachen. Wenn man schon mal dabei ist... niemand baucht solche Mitte-Lackaffen.

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Kleine Kommentarschliessung über Nacht

Ich hatte gestern/heute Abend in den Kommentaren wieder eine Spamattacke durch den bei vielen rechten Bloggern gern verlinkten Gegenstimme-"Autor" Michael Meyn aka "Germanican" über einen amerikanischen Provider. Was halt gewisse rechtsgerichtete Blogger so tun, wenn sie nicht gerade mutmassliche Aufrufe zur Ermordung ihnen verhasster Staatslenker verfassen oder Minderheiten diskrimieren.

Die Kommentare sind vorübergehend geschlossen, und ich hoffe, dass die Sache morgen insofern von seinem Mitautor/presserechtlich Mitverantwortlichen Jürgen Krafzik gelöst wird, dass sie in Zukunft in ihrer Ecke bleiben und ich keine konsequenten Liebesgrüsse aus Paragraphistan rüberschicken lassen muss. Ich denke, es ist nachvollziehbar, dass ich Personen wie Meyn nicht in meinen Kommentaren haben will. Bislang war das alles noch zivil, und es wäre wirklich nett, wenn es so bleiben könnte. Nicht nur für mich.

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