Nur für den Fall

Es gibt manchmal Tage im Februar in München, da kann man draussen sitzen. Wenn es nach Südwesten geht, nichts davorsteht und die Ziegel die Wärme der Sonne an Föhntagen zurückstrahlt. Dann ist die Maxvorstadt klimatisch fast so eine Art Zauberberg.



Diesmal nicht. Noch nicht. Aber sicherheitshalber stehen die Stühle draussen. Es könnte ja sein. Und ab 10 Grad plus ist ohnehin wieder Cabriozeit. So ist das, in der Maxvorstadt. Und wenn wir, die wir lange in Berlin oder woanders fern der Heimat waren, uns dort an etwas erinnerten, dann waren es die Abende auf diesen Stühlen. Weshalb wir, die Kinder der Tempo, das auch in unsere Bücher schreiben. Dieser Ort muss vorkommen, dieser Ort ist das 103 der Maxvorstadt. Das eint uns. Selbst, wenn wir die anderen eigentlich nicht mögen. Aber wenn wir wieder da sind, dann sitzen wir wieder hier. In spätestens zwei Monaten.

Montag, 6. Februar 2006, 22:47, von donalphons | |comment

 
So sieht Optimismus aus.

Nächste Woche bin ich in München. Das Leben ist schön.

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Wieder einmal: Kinder der Tempo. Was, bitte, hatte dieses mäßig interessante Hochglanzblättchen, was unterschied es von Programmagazinen oder dem Tip? Ich würde mich auch nicht zu den Kindern der BUKO oder Kindern der radikal, Kindern der Titanic, Kindern der taz oder Kindern der konkret rechnen, obwohl ich die alle mal gelesen habe. Was aber stand in tempo, was nicht auch in tip, Max, Prinz, Wiener, Vogue und ähnlichen Zeitgeistwichsblättern zu lesen gewesen wäre?

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Zusammen mit dem Wiener
war Tempo einfach ne Zeitlang vorne. Die tips, zittys, Maxe und andere haben sich da nur drangehängt. Der Vorsprung hat auch nicht lange angehalten, und es lag in der Natur der Sache, dass die ganze Attitüde dahinter irgendwann hohl drehen musste. Aber wie gesagt, ne Zeitlang hat das Blatt das Lebensgefühl einer gewissen Generation ganz gut bedient.

Du bist vermutlich einfach zu anders sozialisiert gewesen, Che, um da mitgehen zu können. Sag ich mal ganz wertneutral.

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So was wie Tempo gabs schon vor dem Tempo, z.B. den Göttinger Charakter, und auch tip war schon 1984 auf dem Level. Aber natürlich, für mich und meinesgleichen waren all die Blätter von Vornherein für die Tonne.

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Irgendwie war ich für tempo, wiener & Co ein klein wenig zu alt. Wenn dann bin ich ein Kind des "Sounds" - obwohl ich Dietrich Dietrichsen mittlerweile ziemlich dröge finde.

Und der tip war 1984 wirklich schon auf dem Level - nur hat die "Generation Tempo" das nicht mitbekommen. Weil sie statt die Nächte in Berlin durchzumachen, die Tage in der Oberstufe ihres Provinzgymnasiums verbracht haben.

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Tempo war schlicht und einfach stilbildend, ganz ohne den ganzen alsten 68er-Schund. Der propagierte Lebensstil war einzigartig zu dieser Zeit - und über die Gossenvarianten Max. Coupe und Co kann man nur sagen, dass sie, wie so oft, die Lehre nicht verstanden habe. Der Untergang kam mit dem Aufgeben der elitären Positionen, als Tempo so eine Art Stern für junge Leute werden sollte. Das ging gar nicht.

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@che: Die Kinder der Tempo waren Kinder der Tempo, weil sie sein wollten wie Kinder - eingemummelt in weiche Decken mit einer Tasse heißen Nesquicks und dem guten Gefühl, gleichzeitig geborgen und mitten im Leben zu stehen. Generation Schizo. Die definieren sich nur darüber, dass die 68er scheiße waren.

@Don: Wer Tempo allen Ernstes als stilbildend bezeichnet, der muss mir mal erklären, welchen Stils. Weißgekachelte Bars mit bunten Cocktails? Depeche Mode? Oder was? Ich erinnere mich nicht mehr daran - weder an Tempo noch an Wiener. Muss an meinem Alter liegen...

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Es ging damals um einen dritten Weg - nicht Alt-68er, nicht uralt-Rechtsnational. Und für alles weitere verweise ich auf diesen alten, immer noch zutreffenden Grundsatzartikel.

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Weissgekachelte Bars und Neon waren vorher: Ich erinnere mich da noch gerne an die Bar "Cha Cha" in Hamburg oder das Cafe M(itropa) in der Goltzstrasse, die war Ende der 70er/Anfang der 80er sowas, was die Kastanienallee heute gerne wäre.

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Also entweder hatte man
das entsprechende Lebensgefühl, das sich in Tempo & Wiener spiegelte oder eben nicht. Klar mag sich einiges davon schon im tip gefunden haben, aber für mich als völligen Wessi war dieses Inselblatt doch größtenteils uninteressant und insiderisch.

@rainersacht: Die Welt hatte sich nun mal weitergedreht in der Zwischenzeit, von daher hätte ich als 1963 geborener selbst wenn ich gewollt hätte kein 68er mehr werden können. Und wie der Don so richtig anmerkt, war der Eintritt in die Junge Union nicht die zwangsläufige Alternative dazu. In uns hat sich erstmals der postmoderne Eklektizismus in Richtung des anything goes verkörpert. Es ist nicht die Frage, ob 68er Scheiße waren. Diese Welt war uns qua Geburt verschlossen sowie vielen von meiner Generation später das Loveparade-Ding tendenziell eher fremd blieb. Man ist halt in ein gewisses Zeitfenster mit bestimmten kulturellen Prägungen reingeboren...

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Sagen wir mal so: Die Zerfallserscheinungen der 68er, die man Ende der 80er erlebt hat, waren jetzt nicht so sexy, als dass man damit als normaler aufgeschlossener Mensch was hätte anfangen können. Dieser ganze theoriemüll, die sekten, die Grüppchen, fuck wir wollten Spass haben und kein Geseier, dass eine Nacht im Parkcafe den Kampf in Nicaragua nicht unterstützt.

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zerfall der 68er?
die haben grade noch ihre renten einzementiert und sorgen dafür, daß sie so gut wie die letzte generation sind, die noch ohne einschränkungen nach herzenslust rumstudieren konnte

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W ir hatten auf den Zerfall der 68er unsere eigene Antwort, und die Streetfighter und - rinnen in ihrern hautengen Lederkluften waren höchst erotisch. Unsere Kritik an den 68ern war, dass sie nicht radikal genug waren, und wir wollten unseren Outdoor-Fick im Park nach der Vorbesprechung zur Haue- Demo als Lebensgefühl kultivieren.

Ich habe das ja schon mal veröffentlicht und verweise abermals darauf:
http://che2001.blogger.de/stories/382362/


Tempo war für uns ein aussageloses, aber rechtes Blatt (rechts war alles, was die Konsumgesellschaft nicht kritisierte). Ein paar einzelne Beiträge waren interessant, z.B. das Kühnen-Interview, im Großen Ganzen fiel Tempo, wie tip, Charakter etc. (und nicht ganz so schlimm wie Wiener) durch seine Inhaltsleere auf.

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Ich habe einige Freunde
an exakt dieses Milieu verloren, das Du schon mehrfach so treffend beschrieben hast, Che. Ich hab diese Leute für ihre "politische" Action schon ein Stück weit bewundert, aber schon allein aufgrund dieses sektenartigen Konformitätszwangs innerhalb dieser Strukturen und der ewigen Abweichler-Verräter-Debatten war mir das immer zu verspannt und unlocker. Irgendwann hatte ich auch den Eindruck, dass sich das Randalieren und Putz-Machen so weit verselbständigt hat, dass da gar nicht mehr so genau geguckt worden ist, wofür und wogegen es im einzelnen ging. Und was soll ich über einen Großteil der Damen sagen, die mir in diesen Kreisen begegnet sind? Wenig lohnende Ziele dabei, selbst wenn man ein weiter gefasstes Beutschema hatte als Schicki-Schnitten...

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Ich habe mich über den Dogmatismus dieses Milieus lustig gemacht. Anfangs traf mich noch der Bannfluch, später, als ich in der offensichtlich nioht vorhandenen Hierarchie sehr weit oben stand, ungestraft in der veganen Volksküche Puten zubereitet. Was die Weiblichkeit angeht, so waren zu meiner Anfangszeit in dieser Szene die schärfsten Frauen unterwegs. Später mehr so überhaupt nicht mehr, und eine Sexualmoral wie ein mittlerer Dominikanerorden. Aber das war eine schleichende Entwicklung über zwei Jahrzehnte. Viele, denen der Laden zu moralisch wurde, wanderten ab in die Travellerszene, wo man vielleicht neun Monate in Deutschland ein relativ angepasstes Leben führte, um dann etliche Wochen durch die Mongolei, Australien oder die Anden zu trampen und "Born to be wild" auszuprobieren.

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Ich denke, das muss man miterlebt haben. "Gegen Konsum" war ja nicht nur eine Haltung, sondern implizierte auch Aktivitäten. Die Alternativ-Szene ist nicht durch die 68er entstanden, sondern durch die Nachfolger Ende der 70er, die ihre Haltung in alternativen Lebens- und Arbeitsformen Ausdruck geben wollten (alternative Netzwerke , "Neue soziale Bewegung"). Dazu gehört auch die Gründung der taz oder der Grünen.

Man muss sich mal in die Situation Ende der 70er/Anfang der 80er Jahre reindenken. Der "deutsche Herbst" hatte seine Folgen: Viele auch nicht terroristische politisch links und teilweise auch liberal orientierte Gruppen und Einzelpersonen, die zu einer vernünftigeren Haltung mahnten und etwa nach den Ursachen des Terrorismus fragten, wobei auch Verantwortlichkeiten der Politik, der Wirtschaft und der Massenmedien kritisch hinterfragt wurden, wurden als angebliche Sympathisanten der Terroristen verunglimpft und oftmals gesellschaftlich ausgegrenzt. Vereinzelt wurden entsprechend denunzierte Personen mit in die staatliche Verfolgung einbezogen und hatten unter verschiedenartigen Repressionen zu leiden. Selbst Böll und Grass wurden in diesem Zusammenhang verunglimpft. Eine "Gegengesellschaft" war die logische Konsequenz.

Dazu noch der Einmarsch der UdSSR in Afghanistan und der NATO-Doppelbeschluss.

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Wendland
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Startbahn-West
Hausbesetzungen
Tunix-Kongresse

Es war eine sehr politisierte gesellschaftliche Stimmung.

Disclaimer: Der Autor des Kommentars hat zu der Zeit am linken IfS der FU studiert.

Ach ja: Die Medien waren fast gleichgeschaltet. Internet, blogs, privates Fernsehen - gab es nicht. War ein ziemlich frostiges Klima.

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Frostiges Klima,
das stimmt. Für mich, der ich ja die Kuba-Krise nicht erlebt habe, waren diese frühen 80er tatsächlich so was wie der Höhepunkt des kalten Krieges.

Obwohl damals in meinem Umfeld wirklich JEDER verweigrt hat, habe ich den einsamen Entschluss gefasst, doch zum Bund zu gehen. Weil ich es (trotz aller nachvollziehbaren Gründe für das Verweigern) falsch fand und immer noch falsch finde, die Armee eher den rechten/konservativen Kreisen alleine zu überlassen. Zudem wollte ich mir die nötige Schusswaffenpraxis für den zu erwartenden Bürgerkrieg nicht in Palästina aneignen, sondern beim zu erwartenden Gegner. Und so stand ich anno 84 mit 100 Schuss auf einem Wachturm vor einem Raketenlager rum, nicht so recht wissend, ob ich nicht zuerst auf die eigenen Offiziere schießen würde, wenns wirklich los geht. Meine spätere Freundin war derweil in der Londoner Hausbesetzer-Szene unterwegs und kampierte wochenlang in einem Lesben-Protest-Camp vor einem ähnlichen Raketendepot in England. Das war eine ganz schön kranke und irre Zeit damals...

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Zum frostigen Klima fallen mir die Eltern ein, die in ihrem Vorgarten demonstrativ die Marx-Bände ihrer Kinder verbrannten, damals, 1977. Die ersten Popper (also die Vorgänger des Tempo-Publikums) nahmich als brave Kinder wahr, denen der Mumm zur Konfrontation fehlte, Überläufer zum Klassenfeind aus Bquemlichkeit. Bei Allem: Unsere jetzige Zeit ist eher mehr als weniger krank und irre, nir völlig anders...

Völlig? Nun, die Symbole haben sich geändert, und Defätismus und Prinzipienlosigkeit sind Mainstream.

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Das ulkige war doch aber, dass ich durchaus links sien konnte und Tempo irgendwie irre toll finden. Nun bin ich am jüngsten Rand der Tempo-Leser, aber dafür hatte ich astreine 68er-Eltern und keinen Grund mehr, mich abzuarbeiten an der Faschistengeneration. Gleichzeitig zum harten Kern der SPD-marxistischen-stamokap Schülergruppen in Hamburg zu gehören und Tempo zu lesen war vielleicht schizo - aber die Realität. Und der Anfang von allem....

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Das ist Deine Lebenserfahrung, die für Dich richtig ist, sich mit meiner aber nicht vergleichen lässt. Ich hatte Eltern, die das Dritte Reich sehr unmittelbar erlebt hatten (Mutter Tochter eines politischen Häftlings, Vater geläuterter Hauptsturmführer der SS-Division Hitlerjugend), die 68er waren für mich langweilig gewordene Vorbilder, die man überholen und übertreffen wollte, die den Kampf aus Opportunismus aufgegeben hatten, weswegen meinereiner ihn umso konsequenter fortsetzen wollte.

SPD-Stamokap-usw. waren für uns schon keine Linken mehr, sondern allenfalls taktische Verbündete. Als ein SHB-Typ im ASTA sagte "Immerhin stehen wir im Verfassungsschutzbericht," kam es von uns "Wir auch. Nur in einer anderen Rubrik, da, wo die kleinen Fähnchen oder Blitze eingetragen sind."
Und in Tempo stand einfach nichts drin. Man las das Blatt heimlich auf dem Klo, ähnlich wie den Playboy, wegen der bunten Bilder und ab und an der Ausgehtips.

Zeitschriftentechnisch galt für mich lange die Regel: Bei der Dialektik von Form und Inhalt interessiert mich nur der Inhalt und nie die Form (Bleiwüste pur kein Problem, oh je, und heute mache ich buntestes Layout), aber Hochglanzmagazine waren einfach igitt.

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Nachtrag zu 68
Don, wenn Du schreibst, die 68er hätten Deinesgleichen ein schlechtes Gewissen einreden wollen, wenn ihr auf eine Party statt auf eine Nicaragua-Soli-Veranstaltung gegangen seid (den Unterschied gab es bei uns nicht, der Erlös jeder Party kam irgendeiner sozialen oder revolutionären Bewegung zu gute, so dass jeder Suff und jede Partyangrabung ein revolutionärer Akt war :-) ), dann möchte ich darauf hinweisen, dass die 68er zu Deinen Tempo-Leser-Zeiten so zwischen 35 und Anfang 40 waren. Echt, die rannten damals noch im Münchner Nachtleben umher und wollten Studis und Schülern Vorschriften machen? Also, zwischen Göttingen, Braunschweig und Bremen waren das unsere Referendare oder Jungdozenten, die mit unserem Nachtleben und unseren Demos nichts mehr zu tun hatten.

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not on topic
Lieber Don,

Habe mir Deine Headline "Rebellen ohne Markt" noch mal durch den Kopf gehen lassen...

Einem Herren von Deinem Format wird Palatino nicht gerecht.

Der Immobilienmakler empfiehlt:

Walbaum
Corporate A

oder eventuell... die beste Schriftart der Welt....

Agfa Rotis Semi Serif

Think about it ;-)

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2 Worte: Zu faul.

:-)

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didot käme sicher auch gut, aber ich wüsste nicht, wo es die für lau gibt.

dtl - dutch type library hat auch schönes zu bieten, ist aber was für leute mit einem geldscheisser im keller.

was für fontoholics: http://moorstation.org/typoasis/designers/klein/index.htm
mk - manfred klein. sehr zu empfehlen, was hiermit geschehen ist.

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Ja, die Stühle stehen draußen. Hat Mike vom Fryhstyxradio auch immer gemocht:
http://www.bei-gertrud.de/ser/mike_stuehle.html

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Thomas, an mein Herz! Beste fryhstyxradiozeiten, ja, das war noch was reelles....

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Erinnern an die Maxvorstadt tut weh, gerade dann wenn's schön war. Weg damit.

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Meister Buns, eine Flugstunde von Berlin, das ist doch nur ein Hüpfer, und am Abend ins Atomic.

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Don't call me Buns:)

Geleckmiamomd, Don, das Atomic. Das ist kein Club, das ist ein Gewächshaus für interhumanitäre Kalamitäten. Hab mir selbst Hausverbot erteilt. Hier in Berlin gibts auch noch genug zum kaputtmachen. Altersresidenz München. Maximal.

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Mei BuRRRRRns, ignwohea muas as junge Gmias jo kumma - und wenn ihr zMinga aufschpuits, dann wäre das doch die Location schlechthin, all die schmachtenden 5-Semestlerinnen...

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Das ist auch die einzige Chance auf ein Atomic Comeback. Als Rockstar. Dann könnens schaun, die ganzn Britschn.

In Planung.

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1 - 2 - 3 - 4
Eines Tages werd ich mich rächen,
ich werd die Herzen aller Mädchen brechen,
lalala...

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haargenau!

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