Sehr zu empfehlen - Der Wintergarten

Reichtum, sagt ein altes Familienspruch dieses Clans, der nicht immer wohlhabend war, Reichtum ist die Kunst, aus Nichts etwas zu machen. Und aus wenig viel zu machen. Meine Vorfahren also stellten sich hin, kauften neben dem Stadtpalast und dem Dienstbotenhaus schräg dahinter auch noch einen Hof und bauten - schwarz natürlich, schliesslich befinden wir uns in Bayern - einen Anbau. Aus der Luft, wie es bei uns heisst, gewannen sie 45 Quadratmeter und eine ebenso grosse Terasse für das Piano Nobile, in dem sie wohnten. Ebenso schwarz errichteten sie dann in den 50er Jahren, stilecht aus massiven Trümmersteinen, einen Wintergarten, eine Erinnerung gewissermassen an die schlimme Zeit, die manche von ihnen im Heimatland der Wintergärten, in England, verbracht hatten. Damals war es ein Verbrechen am Stadtpalast, aber: Die Denkmalbehörden trugen ihn in den 70er Jahren ohne Murren ebenfalls als Denkmal ein. Wieder 8 Quadratmeter aus der Luft gewonnen.



Deutschland hat es nicht so mit Wintergärten. Dabei sind solche - heute würde man sagen Parasitenbauten - eigentlich hochmoderne Raumideen in den dicht verbauten Ballungszentren. Und gerade in einem Winter wie dem letzten und seinem elenden Ausklang wäre ein Wintergarten, der sich nach einer Stunde Licht sommerlich aufheizt, eine schöne Sache gewesen. Draussen genug, um die Dunkelheit zu vergessen, und soweit drinnen, um warm zu sein. Man kann ihn immer brauchen, ausgenommen Hochsommer. Morgen kommt das Glasdach drauf, und nächsten Winter Herbst Spätsommer (falls es den geben sollte) ist es dann soweit.

Montag, 24. April 2006, 13:13, von donalphons | |comment

 
In Hannover kenne ich ein Paradebeispiel. Da ist ein altes Siedlungshaus aus den 20ern, freistehend, dem erst eine Veranda, dann ein schuppenartiger Anbau und schließlich ein Zwischending aus Wintergarten und Apsis angefügt wurde, von den 50ern bis in die 70er Stück für Stück erweitert, und schließlich wurde die auf der Winterapsis befindliche Loggia durch eine Kuppel für die private Sternwarte überwölbt.

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Das ist nun echter Toskanastil - immer noch was anstückeln, bei Bedarf.

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Der Anbau eines Wintergartens aus dem Baumarkt-Katalog bietet gleichzeitig die gerne wahrgenommene Chance, selbst in einer Toskana-Neubausiedlung noch einen herausragenden Höhepunkt des ästhetischen Grauens zu verwirklichen.

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Ach, das dauert keine 5 Jahre, und der Wintergarten ist ein Winterpool - und dann bald wieder weg. Im Ernst, gute Wintergärten kosten nicht umsonst so viel wie ein normaler Raum - teure Hölzer, Isolierfensterflächen, frostsichere Fliessen, Installationen und und und... ich weiss wovon ich rede.

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So etwas hat leider seinen Preis. Und im 80qm-Garten des Reihenmittelhauses kann es fast ein wenig aufdringlich wirken.

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Wenn ich einmal häuslich werde, so richtig mit Grundbuch und bulthaup-Einbauküche, dann stelle ich mir auch einen Wintergarten über die Dächer von Berlin, habe ich mir gerade überlegt. Das hört sich wirklich, wirklich nett an, aber unter denkmalschutz stellen wird meinen zukünftigen Wintergarten wohl keiner, fürchte ich.

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Kein AGA? Wie schade. Aber so ein Wintergarten, mit hellen Fliessen und leichten Korbmöbeln, und Raum für die wirklich sehr grosse Pflanze des J., das muss schon sein. Am besten mit hübscher Aussicht auf das sterbende Berlin. Und darüber einen Kronleuchter aus einem geplünderten Patrizierhaushalt.

In Berlin kann man sich sowas ja noch leisten. Für das, was hier der Wintergarten kosten würde, bekäme man in Berlin bereits ein kleines Apartment.

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Mir fällt dazu ein Göttinger Wintergarten ein, in dem, von mächtigen Halogenstrahlern beleuchtet, ganz öffentlich sichtbar Cannabispflanzen wuchsen, und niemanden hat´s gestört :-)

Aber Modeste, wenn Du erst einen Wintergarten hast, dann sag Bescheid. Mit der Frau Modeste Tee trinkend und Tartes speisend aus dem Glaskasten auf das nächtliche Berlin blicken, das tue ich mir gerne an.

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Damit würde es auch dem Namen Observatory gerecht - hier bei uns kann man leider nur feiernden Sudetendeutschen im Nachbarpalast zuschauen.

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Von unserer früheren Dachterrasse konnte man mal vögelnden Pärchen im Stundenhotel zusehen.

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Eindeutig ein besserer Anblick (solange es keine Sudetenspitzbäuche beim Vögeln waren).

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Bauphysikalisch in klimatischen Regionen in denen Minusgrade herrschen eher ungünstig, vor allem weil es die Hausherren bekanntermaßen mit dem Thema Lüften nicht allzu genau nehmen.

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Die Anwesenheit des Familiensprosses garantiert ordentliches Verhalten.

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