1 Jahr Adical

Heute Abend hatte ich etwas Zeit und ging einen kleinen Umweg in die Flussauen, während die Sonne hinter den Wolkenbänken verschwand. Ich mag diese Gegend, ihre skurrilen Formen und reduzierten Farben im Spätwinter. Ich mag es auch, wenn andere sich um Kopf und Kragen reden, weil sie in gewissen Kreisen everybodies Darling sein wollen, und wie Franz Josef Strauss einmal so treffend bemerkte, Everybodies darling is everybodies Depp. So geschehen auch mit dem Blogvermarkter Adical, der mit dem Schlachtruf "ich mach Euch alle reich" (Sascha Lobo) vielen vieles versprochen und erzählt hat, der in zwei Tagen Geburtstag feiert, soweit da was zu feiern ist, nachdem Anspruch und Wirklichkeit etwas auseinanderklafften, wie man in den Verlautbarungen nachvollziehen kann:



meine Hoffnung, und so ist es geplant, ist, dass sich Sascha um die Kunden kümmert und eben nicht mehr wir, das hat uns in letzter Zeit viel zu sehr von dem abgelenkt, was wir tun wollen: Schreiben, Podcasten, etc. - Sascha kommt vom Marketing, spricht die Sprache und kann das alles viel besser als wir. Wir wollten das schon so lange machen, aber genau dieser Posten war immer unbesetzt. Jetzt nicht mehr. (Spreeblick am 28.2.2007)



Wer Werbung in Medien grundsätzlich und immer und sowieso verdammt, kann das gerne tun, sollte aber nochmal nachdenken, vielleicht während eines Praktikums bei der Nordkoreanischen Staatszeitung. (Lobo im Adical-Blog, 10. April 2007)



Dass eine Professionalisierung der deutschen Blogosphäre ins Haus steht, kann niemand ernsthaft bezweifeln. (Ebenda)



Mit Blogs erreicht man einfach eine sehr interessante Zielgruppe", sagt Sascha Lobo. Das klingt wie reine Werbung für sein Unternehmen - und darüber muss er selbst lachen. Aber: "Das sage nicht nur ich, sondern auch die einschlägigen Studien." (Die Zeit, Zünder, Ausgabe 15 April 2007)



"Das ist das Problem jeder Subkultur, wenn sie in einem Bereich der Gesellschaft ankommt, der mit Kommerzialisierung und Professionalisierung zu tun hat. Das ist wie bei Punkmusik und Skateboardfahren." Die Rebellion gegen Adical ist nach seiner Ansicht eine Art Wachstumsschmerz der Blogosphäre: "Eine Subkultur auf dem Weg zur Kultur bäumt sich auf." (Lobo zu Spiegel Online, 14. Mai 2007)



Lobo etwa trifft sich zwei, drei Mal die Woche mit den anderen Gründern der Firma Adical, die auf Jahresumsätze im sechsstelligen Bereich kommt. (Berliner Zeitung Anfang September 2007)



Dann wurde es etwas stiller um Adical, zumal es im Sommer und Winter gut 5 Monate Werbepause gab. Aber fast pünktlich zum Einjährigen hat die Zeit Lobo nochmal in einem etwas anderen Kontext gebracht:

Jetzt arbeitet er am nächsten Buch und hat gerade genug zum Leben. (Die Zeit, Februar 2008)

Weiter so, Adical. Immer den Mund schön voll machen, keine Gelegenheit auslassen, was bedeutet euch das Geschwätz von gestern. Versendet sich alles, mehr oder weniger. Und wenn alle Stricke reissen, kann man sich auch um ein Praktikum bewerben, vielleicht bei den Imagebroschüren Berliner Lobbyistenvereine.

Mittwoch, 27. Februar 2008, 00:32, von donalphons | |comment

 
Es ist sehr gut vorstellbar, daß einer, der alleine im Jahr 2007 von Gräfe und Unzer einen deutlich fünfstelligen Betrag für das Aufstellen von Küchengötter.de bekommen hat plus dem sechsstelligen Vorschuss für das Buch, das er gerade mit der Passig über den Berliner Ritalinvortrag schreibt, plötzlich einen Lebensstil pflegt, der ihm "gerade genug zum Leben läßt". Falls man mit einbezieht, daß er seine Fresse in diverse Kameras zu halten und im SPD-Internetding neben Lumma mitzuwirken auch nicht kostenlos macht. Adical ist da nicht mehr als Peanuts.

Ich glaube eher, daß der Zeit-Mensch da irgendwie eine Ironie in der Aussage nicht mitbekommen hat.

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Ach?
Küchengötter, wo man noch immer auf die Landung der Gastautoren der ZIA wartet? Irgendwas ist da nicht, wie es sein soll.

Ironie hin oder her, das Erfreuliche sind doch die kleinen Brötchen, die in der Bloggerei gebacken werden, und wenn Adical nur unter ferner liefen läuft, ist das auch fein.

Vom Internet-Dingens der Sozen weiss ich zu berichten, dass die sehr knausrig sind, und es da eher um die Einflusssimulation geht.

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Ach ja, ob man da wirklich auf Frau Passig wartet, ober ob sie nur vollmundig angekündigt wurde, weil sich eine Bachmann-Preisträgerin gut im Portfolio macht, kann ich nicht beurteilen. Meiner Meinung nach ist Lobo wenn man die Projekte ansieht, die er so "betreut", das Cebit-Blog habe ich dabei vorhin vergessen, ziemlich gut aufgestellt. Kunden, die gut und zuverlässig bezahlen, mit gesunder Streuung, gute Medienpräsenz, da brennt so schnell nichts an. Da kann die Bloggerei wirklich völlig egal sein. Alles, nur kein Grund, den Satz "er hat gerade genug zum Leben" zu glauben.

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Ach, Cebit :-/

Ich denke eher, dass die Cebit nächstes Jahr wieder reumütig zu Burda Yukom zurückkehrt und dann gerne die Konditionen hätte, die sie ihnen dieses Jahr angeboten haben. Bei heise stand was von 10.000 Euro, was jetzt nicht wirklich viel wäre, wenn man mal von der Qualität des Gebotenen absieht. Küchengötter ist jetzt auch schon wieder weit hinter die Ankündigungen zurückgefallen, nachdem sich dort wohl doch nicht so viele anmelden, und ansonsten, mei... über kurz oder lang wird das alles wieder so erfolgreich laufen wie 2004 mit dieser Firma und den komischen Online-Coachingangeboten für Erotik und anderes.

Irgendwann fällt es halt auf, dass nach den Visionen nicht mehr die brillianteste Umsetzung kommt. Ulf Poschardt der Blogosphäre.

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Ups, sehe gerade, das fehlt ja mitsamt Folgen in der offiziellen Vita.

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PopPopPopPopLiteraten
Interessant diese Assoziation zu Porschloch Ulf. Um gleich noch einen dieser sogenannten Pop-Literaten zu nennen. Der Burkhard Spinnen wird ja Jury-Chef beim Bachmann Preis. Der hatte ja mal ein Buch zusammen mit einem Siemensmanager geschrieben: Klarsichthüllen - ein Dialog über Sprache in der Modernen Wirtschaft. Auch wenn er da den pseudo-intellektuellen Skeptiker mimte. Das Buch war nix anderes als eine Werbebroschüre für die Methode eines Unternehmensberaters, der seine Methode "Storytelling" nannte und netterweise auch die Herausgabe betreute. Hab das Buch gekauft, weil mich das Thema interessierte (Sprache in der Modernen Wirtschaft) und war maßlos enttäuscht über die miese Qualität, die diese Richtung von Schriftstellern produziert. Aber vom Geschäft und "Wind machen" verstehen sie offensichtlich was.

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Ich denke, die deutschen Popliteraten um 2000 sind sowas wie die Blaupause für die auch nicht schönere Berliner Kopie. Oder auch die CSU Hinterurhartingen, Netzwerk, Seilschaft, der Wunsch, das Ding zu machen, und ein paar Mitläufer, die sich was davon versprechen. Nur mit dem Problem, dass der Markt nicht so toll war, wie man dachte.

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Heißt das nicht Popoliteraten und Hinterhurhartingen?
Auch wenn manch einer das für Großdingharting hält.

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Ein sechsstelliger Vorschuss?
Für ein Buch? Das wage ich zu bezweifeln.

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Nicht wenn eine Bachmann-Preisträgerin Co-Autorin ist und beide Autoren sich den Grimme-Preis er-(setzt Euch was ein) haben.

Wie hiess das Gelobhudel der Jury beim Grimme-Preis:
Die Texte sind zum Teil so gut, dass Leser respektvoll Neid-Depressionen eingestehen

Gibt auch bei den Buchschreibern A- und B-Lister.

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So wie ich das via Twitter mitbekommen habe, hat die Zeit da tatsächlich was falsch verstanden, mit der Lebenssituation. Zitat Lobo: "ich habe mehr Geld, als ich essen kann". Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, dass jemand sich dieses unglaublich unsinnige und fies teure Macbook Air kauft, wenn man gerade genug zum Leben hat.

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Man geht nicht insolvent, wenn man nicht Dinge kauft, die man nicht zahlen kann. Kann man Geld essen?

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Du weißt aber schon, dass das Geld einer GmbH nicht notwendig etwas mit dem Geld seiner Gesellschafter zu tun hat?

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Man kann immer mehr ausgeben, als man einnimmt. Mit oder ohne Vorschuss.

Ach ja, und finanzielle Altlasten sind ja auch nicht selten.

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Durchaus. Hängt halt davon ab, ob ein Gesellschafter persönlich haftet und es sowas wie Durchgriffshaftung gibt. Frankly said.

Aber ich bin mit den Usancen des Erotikkursgeschäfts nicht so vertraut.

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Abgesehen davon fährt man ohnehin bei solchen Leuten nicht schlecht damit, wenn man erst mal absolut jede Aussage abzüglich derer der Amtsgerichte und Zwangsvollstrecker als Berliner Ironie auffasst.

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/*** Klugscheißermodeus an
In einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung gibt es grundsätzlich keine persönlich haftenden Gesellschafter, weil die Gesellschaft als juristische Person selber haftet und zwar in Höhe ihrer Einlagen. Persönlich haftende Gesellschafter gibt es nur in einer GbR.
Die Durchgriffshaftung wiederum gilt nur in Ausnahmefällen und zwar dann, wenn sich die Gesellschafter illegal persönlich bereichert haben. Was man in diesem Fall nicht ohne Indizien unterstellen sollte.
****/

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Unterstelle ich was? Es kann allgemein gesagt vieles schief laufen, und damit zur Durchgriffshaftung kommen.

Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten jenseits der Untreue, zum Beispiel die bei Startups nicht seltene Vermögensvermischung. Beispielsweise der Firmenwagen, der plötzlich ein Privatwagen ist. Oder vorsätzliche Sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB. Beispiel: Jemand schliesst einen Vertrag über eine Leistung ab, von der er weiss, dass seine GmbH sie kaum wird erbringen können. Ich habe hier gerade so ein Dingens auf dem Tisch, wo jemand einen Auftrag bekommen hat, für den ihm jede finanzielle und wirtschaftliche Grundlage gefehlt hat, und der unvorsichtig genug war zu behaupten, dergleichen zu besitzen, und der damit ein ziemlich grosses Projekt mit vielen Beteiligten ziemlich in die Kostenexplosion gefahren hat. Das hat mit klassischer Untreue im Sinne von Bereicherung wenig zu tun.

Ein weites Feld, diese Durchgriffshaftung, und gesetzlich unklar geregelt. Bei der Gelegenheit empfehle ich gern einen Blick in das Buch Minusvisionen, da geht es auch um einige, die mit der Haftungsbegrenzung ganz unschöne Erfahrungen gemacht haben.

Und dann gibt es da noch die nicht ganz seltene "Mischform", dass man gesellschafter einer GmbH mit Druckmitteln dazu bekommt, nochmal geld und Sicherheiten nachzuschiessen. Ähm ja. Ein weites Feld. Mit viel Platz neben klaren gesetzlichen Vorgaben.

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Und wer gibt einer GmbH
heute noch Kredite, ohne dass der geschäftsführende Gesellschafter auch privat dafür haftet?

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Wer gab je einer GmbH Kredite, ohne dass der/die Gesellschafter persönlich haften?

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Trotz Bachmann und Grimme
bezweifle ich das. "Wir nennen es Arbeit" hat sich 35.000 x verkauft, und das ist schon die laute Angabe des Verlags. Vielleicht stelle ich mir unter dem neuen Buch ja was Falsches vor, aber Lifestyle of Bad Organisation ist m.E. kein Thema, aus dem der neue Schott oder Ankowitsch wird.
Welcher Verlag ist es überhaupt?

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"Scheitern" war schon immer ein großes Thema der Popliteratur!

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@_florian:
Du kannst es ja gerne bezweifeln, trotzdem bleibt es wahr, was wohl auch nicht so sehr an Grimme und Bachmann liegt - schließlich wird es ja ein Sachbuch und keine Belletristik - sondern eher daran, daß sich die Vorgänger wochenlang in den Amazon-Top-30 hielten (Lobo) beziehungsweise in der Bestsellerliste des Spiegel in den Top Ten waren (Passigs Lexikon).

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Immer den Mund schön voll machen [...]

Ohne jemandem Unrecht tun zu wollen: Aber ich glaube, dass ist einfach so eine Berliner Spezialität.

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Ist es das? In meiner Berliner Verbannungszeit habe ich die Leute dort als eher maulfaul und mürrisch erlebt. Kann in diesen Kreisen anders sein, aber vielleicht hat das mehr mit dem Thema "Werber" zu tun, denn mit Berlin.

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Hmm... stimmt auch wieder. Vielleicht ja ein Gemisch aus beidem (Wobei ich nicht weiß, wie Werber anderen Orts drauf sind).

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..den mund schön weit aufmachen, ja, so ist es gut.

es tut nur ein ganz bisschen weh!

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Ich bin der Letzte, der das Maul groß aufreißen würde - was sich für mich sogar manchmal als Nachteil darstellt. Meine Einschätzung war stark subjektiv geprägt, was ich ja auch zum Ausdruck gebracht habe. Nachdem Don es erwähnt hat, ist mir auch aufgefallen, dass sie hauptsächlich durch Leute aus der Branche (wenn auch nicht durch "Werber" in dem Sinne) zustande gekommen ist. Und ich gebe es auch zu, wenn ich mich geirrt habe. Was ebenfalls etwas Anderes ist als "den Mund schön voll machen".

Dieser Schreibstiel gefällt mir allerdings wirklich, wirklich gut.

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haben die eigentlich mit den Bloggern Exklusivverträge? Würde mich ja schon ärgern, wenn ich 5 Monate auf Einnahmen verzichten muss, weil ein anderer es nicht gebacken kriegt.
Ansonsten wäre es ja zumindest für die Blogger egal, können dann wieder Google Ads einfügen :).

Ist mir so oder so egal, Adblock Plus sei Dank, hab ich gar nicht mitbekommen, dass das schon so lange Werbepause ist.

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Nein, es ist nicht exklusiv. Ich nehme mal an, dass es inzwischen ein Kernproblem von Adical ist. Warum sollte man des Lobos teure Preise zahlen für Blogs, die auch Parship, Amazom und Google für kleines Geld den Werbeträger machen?

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oder man umgeht einfach den Mittelsmann, da der ja eh nur die so genannten "Top-Blogger" im Portfolio hat. Die kann man sich dann auch selbst raussuchen.
Schwierig ist denke ich auch mal, da eine homogene Zielgruppe auszumachen, denen ich meine wie auch immer gearteten Produkte andrehen will. Aber das ist ein generelles Problem bei Online Werbung.

Google Ads funktioniert ja auch nur, weil keiner deren CPC System hinterfragt und mal überprüft, wie hoch denn tatsächlich die Klickbetrugraten sind.

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Dazu müsste man erst mal jemanden finden, der auf Blogs seinen Mediaetat verschwenden möchte, ganz ohne Nutzeranalyse, Zielgruppe und gesicherte Zahlen. Sol nicht ganz leicht sein, was man so hört. Und sieht.

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und es werden wohl auch immer weniger:
http://finance. yahoo.com/tech-ticker/article/3571/Google-Shocker:-Paid-Click-Hits-Wall?tickers=GOOG

Wer mag auch schon Geld verschenken, vor allem, wenn er dafür nicht einmal sicher sein kann, besonderen, sinnvollen oder wertvollen Content zu erhalten, in dem er einen oder mehrere Blogger finanziert.

Ich bin ja mal gespannt, ob Chris Anderson in seinem Buch da Antworten findet. Ganz im Sinne seines Titels wird er es ja dann sicher frei als PDF verfügbar machen.

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