: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Mittwoch, 27. Februar 2008

1 Jahr Adical

Heute Abend hatte ich etwas Zeit und ging einen kleinen Umweg in die Flussauen, während die Sonne hinter den Wolkenbänken verschwand. Ich mag diese Gegend, ihre skurrilen Formen und reduzierten Farben im Spätwinter. Ich mag es auch, wenn andere sich um Kopf und Kragen reden, weil sie in gewissen Kreisen everybodies Darling sein wollen, und wie Franz Josef Strauss einmal so treffend bemerkte, Everybodies darling is everybodies Depp. So geschehen auch mit dem Blogvermarkter Adical, der mit dem Schlachtruf "ich mach Euch alle reich" (Sascha Lobo) vielen vieles versprochen und erzählt hat, der in zwei Tagen Geburtstag feiert, soweit da was zu feiern ist, nachdem Anspruch und Wirklichkeit etwas auseinanderklafften, wie man in den Verlautbarungen nachvollziehen kann:



meine Hoffnung, und so ist es geplant, ist, dass sich Sascha um die Kunden kümmert und eben nicht mehr wir, das hat uns in letzter Zeit viel zu sehr von dem abgelenkt, was wir tun wollen: Schreiben, Podcasten, etc. - Sascha kommt vom Marketing, spricht die Sprache und kann das alles viel besser als wir. Wir wollten das schon so lange machen, aber genau dieser Posten war immer unbesetzt. Jetzt nicht mehr. (Spreeblick am 28.2.2007)



Wer Werbung in Medien grundsätzlich und immer und sowieso verdammt, kann das gerne tun, sollte aber nochmal nachdenken, vielleicht während eines Praktikums bei der Nordkoreanischen Staatszeitung. (Lobo im Adical-Blog, 10. April 2007)



Dass eine Professionalisierung der deutschen Blogosphäre ins Haus steht, kann niemand ernsthaft bezweifeln. (Ebenda)



Mit Blogs erreicht man einfach eine sehr interessante Zielgruppe", sagt Sascha Lobo. Das klingt wie reine Werbung für sein Unternehmen - und darüber muss er selbst lachen. Aber: "Das sage nicht nur ich, sondern auch die einschlägigen Studien." (Die Zeit, Zünder, Ausgabe 15 April 2007)



"Das ist das Problem jeder Subkultur, wenn sie in einem Bereich der Gesellschaft ankommt, der mit Kommerzialisierung und Professionalisierung zu tun hat. Das ist wie bei Punkmusik und Skateboardfahren." Die Rebellion gegen Adical ist nach seiner Ansicht eine Art Wachstumsschmerz der Blogosphäre: "Eine Subkultur auf dem Weg zur Kultur bäumt sich auf." (Lobo zu Spiegel Online, 14. Mai 2007)



Lobo etwa trifft sich zwei, drei Mal die Woche mit den anderen Gründern der Firma Adical, die auf Jahresumsätze im sechsstelligen Bereich kommt. (Berliner Zeitung Anfang September 2007)



Dann wurde es etwas stiller um Adical, zumal es im Sommer und Winter gut 5 Monate Werbepause gab. Aber fast pünktlich zum Einjährigen hat die Zeit Lobo nochmal in einem etwas anderen Kontext gebracht:

Jetzt arbeitet er am nächsten Buch und hat gerade genug zum Leben. (Die Zeit, Februar 2008)

Weiter so, Adical. Immer den Mund schön voll machen, keine Gelegenheit auslassen, was bedeutet euch das Geschwätz von gestern. Versendet sich alles, mehr oder weniger. Und wenn alle Stricke reissen, kann man sich auch um ein Praktikum bewerben, vielleicht bei den Imagebroschüren Berliner Lobbyistenvereine.

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Agewandte Lernfähigkeit

10 Regeln, die eigentlich allgemein bekannt sein sollten, es aber offensichtlich nicht sind.

1. Internet ist gnadenlos.
2. Es kommt immer raus.
3. Nichts versendet sich
4. Aber es gibt immer einen Idioten, der glaubt, er kommt immer durch
5. und immer einen, der das nicht glaubt und es beweisen kann.
6. Drohungen helfen im Gegensatz zu Taten nicht weiter.
7. Die lautesten Unterstützer sind dumm und deshalb die schlimmsten Feinde.
8. Man trifft sich immer zweimal
9. wenn man nach dem ersten Mal nochmal auf die Beine kommt
10. aber es muss dann auch nicht besser laufen.

Punkt 4 bis 10 finden sicher auch bald passende Links. Und das 11. Gebot:

Es macht alles keinen Spass.

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Aus der guten alten Zeit der Steuerhinterziehung

Man stelle sich mal vor, der Treppenbauer Bichlhuber aus Hinteremding würde eine Anzeige in einem Hausbauermagazin schalten, mit folgendem Inhalt:

Bichlbauer - unsere Treppen bringen die Sie nach oben und die Steuern runter

Die Kunst, mit innovativen Stufen aus dem kostengündstigen Ausland und Abschreibungstricks an die Spitze zu gelangen, später auch den Dachboden auszubauen und dabei alle Begehrlichkeiten des Staates zu umgehen


Bichlbauer hätte morgen die Steuerfahndung im Büro, und das Häuslebauermagazin hätte enormen Stress mit ehrlichen Handwerkern, die Steuern zahlen und Tariflöhne zahlen. Dass dergleichen gemacht wird, steht ausser Frage, aber dafür offen Werbung schalten käme wohl keinem in den Sinn. Sollte man meinen. Allerdings gelten da, wo manche die Bessere Gesellschaft vermuten, andere Regeln:



Eine Anzeige, geradezu eine Selbstanzeige der LGT in der deutschen Einrichtungszeitschrift AD (Condé Nast) Nummer 6/2006, Seite 79. Deshalb hat sich kein Hochglanzmagazin was gedacht, das waren prima Kunden aus der Schweiz und Liechtenstein, das war damals üblich und wäre es bis heute, wenn es nicht aufgeflogen wäre. In einem halben Jahr, wenn man vertrauensbildenden Massnahmen für die nächste Generation der Steuerbetrüger schaffen muss, wird vielleicht etwas dezenter formuliert.

Das Problem der Steuerhinterziehung über Liechtenstein war kein geheimes Gemauschel, kein informelles Gespräch, kein verschwiegenes Treffen, es war öffentlich, jederzeit und allerorten anzutreffen, es hat Werbung geschaltet, und kein Mensch dieser Klasse hatte offensichtlich daran etwas auszusetzen. Und es ist ein rein deutsches Problem: In der britischen World of Interiors aus dem gleichen Haus wird man dergleichen vergeblich suchen. Das sind wir. Das ist diese Gesellschaft. Das sind unsere Eliten. Nicht alle, nicht jeder. Aber es dürfte sich für alle Beteiligten damals gelohnt haben.

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