2 Jahre Rebellen ohne Markt ohne Web 2.0

Manche wissen vielleicht, dass es den im Internet täglich schreibenden Don Alphonso schon ein wenig länger gibt als den Begriff "Bloggen" in Deutschland, aber dieses Blog hier, das ist mit dem heutigen Tag gerade mal 2 Jahre alt geworden. Für mich war und ist es eine private, nichtkommerzielle Skizzensammlung, oder vielleicht auch nur ein Schmierblock, um etwas auszuprobieren. Ich habe mich dran gewöhnt, es gehört zu meinem Leben mehr als das Klopapier, aber weniger als die Tasse Tee, und nichts garantiert mir, dass es auch noch ein drittes Jahr geben wird. Der "Erfolg", sei es nun in Aufmerksamkeit oder Leserzahlen, ist reiner Zufall und hat für die Frage, ob und wie lange es weiter geht, keine Bedeutung.

Wie auch letztlich dieses Blog hier. Würde ich es dicht machen [EDIT: REIN HYPOTHETISCH!!!], würden es manche vielleicht bedauern, dann aber zu anderen Blogs gehen. Vielleicht würde sich auch einer einen Grossteil meiner Leser unter den Nagel reissen, was ich ihm von Herzen gönnen würde, wenn er denn Wert darauf legt. Das Ganze ist mitunter stressiger, als man glauben möchte. Was nicht heisst, dass es auch sehr viel Spass macht. Trotzdem kann irgendwann Schluss sein.

Wie - und da kommen wir zu diesem Idiotenbegriff Web2.0 und seinem zentralen Element, dem persönlichen Blog - bei so vielen anderen, die vor ungefähr 2, 3 Jahren bei den Opas der Szene Antville.org, Blogger.com und Blogger.de begonnen haben. Von denen haben nur die wenigsten 2 Jahre erreicht. 2 Jahre ist relativ gesehen ein enorm langes Bloggerdasein, selbst wenn man die Totgeburten ausser Acht lässt. Nur jeder 5., grob anhand meiner alten Links aus der Konzeptionszeit des Blogbuchs, schreibt heute noch, der Rest ist Geschichte. Mitunter ist das sehr schade, wie ein Buch, das mittendrin zugeklappt wurde, aber für die Gesamtheit der Blogs ist es ohne Bedeutung, zu dynamisch wächst das System an sich, für jeden Alten kommen ein paar Neue nach.

Für einen zentralen Baustein der Theorie um Web2.0 hat das verheerende Folgen. Schliesslich soll das Blog die private Homepge dieser "neuen Kultur" sein, in den Augen einer wilden Horde aus wenig erfolgreichen Dotcommies, Restjournaille und Möchtegern-Consultats, die mutmasslich Kulturphänomene so beurteilen wie der Zuhälter die 17-jährige Ausreisserin. So wie der stinkende Lude im Camaro den weiteren Lebensweg auf dem Strich als gegeben ansieht, wird bei dieser Gruppe davon ausgegangen, dass sich alle und jeder, der etas fortschrittlich denkt, so ein dolles Egopromotionteil zulegt, mit dem er partizipiert und damit "empowert" wird, weil die Firmen das abgrasen und in Dialog mit ihm treten, er seine Kompetenzen unter Beweis stellt und stets aktuell im Netz präsent ist, und dergleichen mehr. Diese gefälschte Brillirolex der Zukunftsversprechen wird aber mit der Aufgabe eines Blogs zurückgewiesen; man kommt nicht umhin zuzugeben, dass es für viele aus den unterschiedlichsten Gründen einfach nicht taugt. Und mir ist kein Fall bekannt, den die obigen Argumente überzeugen würden, das Blog wieder aufzumachen.

Für die meisten dürfte Bloggen eine vorübergehende Erscheinung sein, wie so viele andere Hobbies auch. Ein paar werden es mit der gleichen Begeisterung betreiben, mit der andere Schiffsmodelle aus Streichhölzern bauen oder Überraschungseier sammeln. Die anderen werden sich nicht dauerhaft von dem immer gleichen Gerede einer Vernetzung mit dem sozialen Netzwerk Internet überzeugen lassen, allein schon, weil es, wenn es ernsthaft gemacht werden soll, zu viel Zeit am Computer erfordert. Bloggen allein geht noch, aber dann noch Flickrn und Links sammeln und Kontakte pflegen und Blogroll abklappern und die Amazonliste updaten und zur Informationsbewältigung den RSS-Reader checken und bei jedem Kauf die Meinung anderer vertrauenswürdiger Blogs raussuchen und und und - das setzt ein Leben am Rechner voraus, das mittelfrostig wirklich ein Problem für das Leben in der Realität wird, und die kranken Ideen von Web2.0 sind da nicht weniger als das Symptom der webbasierten geistigen Verkümmerung - und mit Verlaub: genauso lesen sich dann auch die Blogs der Apologeten.

Keiner von denen hat eine Geschichte zu erzählen. Aber nur drum geht es - zumindest mir.

Also, macht die Kiste aus, lest ein Buch, trefft Euch mit jemandem im Cafe, schaut, dass ihr einen Geschlechtspartner ins Bett bekommt, das alles ist besser und wichtiger als all die Versprechungen und der Müll des Netzes. Mehr als 3, 4 gehaltvolle Beiträge am Tag schafft der Mensch nebenbei ohnehin nicht. Dass ich ab und zu für manche einen dieser Texte schreibe, ist schön und wird auch noch eine Weile so weitergehen. Das grosse Ding am Bloggen ist nicht, dass es jeder tut, sondern nur, dass es jeder tun könnte und die, die es tun, das alte Monopol der Gatekeeper zerstören.

Anything goes.

Samstag, 3. Dezember 2005, 06:16, von donalphons | |comment

 
Bitte nicht.
Lieber Don Alphonso,
bitte nicht zumachen, diese Seite. Wo sonst sollte ich so wertvolle Anregungen her holen, wie die von Ihnen, endlich ein Kochbuch2.0 zu starten, oder wie die von Mark, mal wieder "Brot-und-Butter-Storys" zu schreiben? Bleiben Sie rebellisch und genießen Sie Ihr Leben zuhause ;-(o)

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kein problem
jeder braucht mal ne pause.

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Nun blogge ich ja schon länger als sie, aber nicht unbedingt besser. Womit sie aber Recht haben: 2 Jahre sind eine lange Zeit.
Nundenn, ich wünsche ihnen noch eine schöne Zeit, auf dass sie noch vieles "sehr empfehlen" und ein paar Skalpe einsammeln.
Und natürlich das alte Monopol der Gatekeeper zerstören.

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"Keiner von denen hat eine Geschichte zu erzählen. Aber nur drum geht es - zumindest mir."

mir auch. und wenn sich die geschichte lediglich stückchenhaft aus den täglichen versatzstücken 'meinung, ansicht, erfahrung, überlegung' zusammensetzt. das macht es jedesmal spannend und lesenswert. gratuliere zu den zwei jahren and the beat goes on...! :o)

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Danke :-) Was die Geschichte angeht: Es geht da um die eine grosse Geschichte eines Blogs, um die fortgeschriebene Handlung, und nicht zwingend um die tägliche Geschichte.

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@Geschichte erzählen: Für mich ist das Bloggen die Fortsetzung meiner politischen Praxis, meiner wissenschaftlichen und publizistischen Arbeit mit anderen Mitteln. Letztlich geht es darum, aufklärerische, emanzipative, rebellische Inhalte in die Welt zu setzen sowie den Hungerspekulanten, amtierenden Wolkenschiebern und PR-Quatschmicheln Saures zu geben.

La lucha continua, siempre!

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Wie war das früher in der NE: "Ein Internetjahr entspricht 7 real-life Jahre"?

Dann wäre Rebellen ohne Markt nun 14 und mitten in der rebellischen Pubertät. Keep on rockin' fürs nächste Jahr.

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Paps, darf ich dann bald mal ins Bordell? ;-)

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Da ueberlege ich doch ob die Frage so ganz richtig gestellt ist - Du bist doch hier im Bordell - aka internet - also muesste es dann richtiger heissen: Paps, darf ich dann bald mal aus dem Bordell?

Ansonsten natuerlich schoenen Geburtstag, gibts Kuchen?

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Bloggen allein geht noch, aber dann noch Flickrn und Links sammeln und Kontakte pflegen und Blogroll abklappern und die Amazonliste updaten und zur Informationsbewältigung den RSS-Reader checken und bei jedem Kauf die Meinung anderer vertrauenswürdiger Blogs raussuchen und und und - das setzt ein Leben am Rechner voraus, das mittelfrostig wirklich ein Problem für das Leben in der Realität wird.

War vielleicht keine Absicht, ist aber trotzdem sehr treffend formuliert: Frostig würden beide Leben.
Die Figur Donalphonso wird's vielleicht nicht mögen, wenn ich das sage, aber hier strahlt oft die Warmherzigkeit des Autors durch. Was einer der Gründe ist, warum ich dieses Blog mag.

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Don, Du Ferkel
[Rebellmarkt] gehört zu meinem Leben, mehr als das Klopapier
Ansonsten alles Gute! Immer pathetisch bleiben!

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Das wäre ein trauriger Tag, an dem rebellmarkt aus dem Web verschwände. Themenwahl, Sprachkraft, polemische Kompetenz, all das ist anderswo so nicht zu finden.

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Tun wir unser Bestes, um den Don bei Laune zu halten :-)

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OK, dann mal alle aufstellen zum erotischen Ausdruckstanz. Und eins, zwei drei vier...

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Ich bin mir nicht sicher, ob du dir das wirklich antun willst. Ich dachte, du hättest einen ausgesuchten Geschmack für die schönen Sachen der Welt.

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Ich brauche Stoff für den Pussy Prosa Preis, und schlimmer als Ramallah ´98 kann es auch nicht sein.

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Und nochmal: 2004 war ein Schaltjahr. Daher werden die Rebellen erst morgen 2! Aber trotzdem auch von mir: Gratulation!! :-)

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@ blog
Ich würde die herrlichen Geschichten aus dem Leben des Dons sehr vermissen. Mach weiter so wünscht ein treuer Leser.

Du bist Don Alphonso ;-)

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Der erste Eintrag war vom 3. Dezember 2003, 23.50 Uhr. Also doch zwei Jahre.

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@immobilienmakler: Sei geherzt für diese Webseite!

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Wirklich köstlich, wie immo den DbD-Schwumpf nochmals ungespitzt in den Boden rammt!

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nachdem sich dein rückblick auf zwei erfolgreiche jahre (so lange ist das schon wieder) eher wie ein abschied liest:

danke für diese deine zeit, die du, don, auch dafür verwendet hast, mir freude zu machen. mit deinen texten. die immer noch so gut sind, na ja, früher einmal, bei der chip glaube ich, hiess das referenzklasse.

klar, ich habe noch nicht genug davon, andere, nehme ich an auch nicht, bitte mach weiter, wenn es dir möglich ist. freuen über dein schweigen könnten sich nur diejenigen, deren zehen in zukunft von dir unbetreten blieben. aber ich sehe es ein, es ist dein blog und deine entscheidung.

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Öps, da wurde etwas grundsätzlich missverstanden, bitte nicht mehr Bedeutung in die Worte reinquetschen, als drin ist. Ich bin ein manischer Schreiber, wenn ich die Eiungabemaske sehe, geht es los, ich kann gar nicht anders, und natürlich versuche ich nicht, direkt schlecht zu schreiben. Ich wollte nur mal sagen, dass es tatsächlich viele gibt, für die es langfristig nichts ist. Ich habe allenfalls Probleme damit, dass es mitunter etwas viel um die Ohren ist, das ist aber auch schon alles.

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