: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Freitag, 30. Dezember 2005

Was dabei herauskommt,

wenn Betriebswirtschaftler ohne geschichtliches Wissen versuchen, diesen Mangel zum Argument zu machen.

Sehr langer Artikel mit sehr vielen historischen Überlegungen, vielleicht für manche etwas zu viel, aber ich möchte ein paar Vorlagen nicht ungenutzt verstreichen lassen.

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Schneestürme über Deutschland?

Hier in Mittelbayern sitze ich gerade im strahlenden Sonnenschein, keine Ahnung, warum die Medien gerade was von wegen Schneechaos berichten.



Bei uns jedenfalls nicht.

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Unabhängigkeit der Presse nach SPONurnaille

Da steht bei SPON geschrieben:

In den ersten Wochen konnte die CDU-Politikerin weite Teile der skeptischen Bevölkerung und der Medienschar durch einen zurückhaltenden und unaufgeregten Politikstil für sich einnehmen. Von Severin Weiland

Ich dachte ja immer, dass sich Journalisten von nimanden einnehmen lassen sollten. Aber dass das bei der Spiegelgosse nicht gilt, war mir schon klar.

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Könnten Neoconnards lesen -

ich meine diesen Haufen, die ihren Traffic vor allem durch gegenseitige Verlinkung generieren - würde ich ihnen folgendes Buch empfehlen:

Carlo M. Cipolla, Die Odysse des spanischen Silbers

erschienen bei Wagenbach.Danach könnten sie sich ihre libertären Vorstellungen vom Aufschwung Europas ohne Kolonien gleich wieder sonstwohin stecken. Ungefähr dorthin, wo sie die Behauptung hernehmen, der ihren Verdrehungen zugrunde liegende kurze Aufsatz wäre "gerade veröffentlicht", denn es handelt sich bei

Acemoglu, Johnson, Robinson, 2002, The Rise of Europe: Atlantic Trade, Institutional Change and Economic Growth, NBER Working Paper No. w9378

wie man an der Jahreszahl bereits erkennt, um ein drei jahre altes Werk, das man übrigens seit drei Jahren auch hier als pdf herunterladen kann. Unglaublich, dass jemand, das das nicht weiss, an einer deutschen Uni was anderes bekommt als eine Kündigung.

Aber gehen wir nun ins Detail einer Arbeit, die der Frage nachgeht, wie der Raubbau an der Neuen Welt Europa beeinflusste. Ein Kernsatz der Arbeit, der dann auch bei den rechten Puppen ähnlich auftaucht, lässt einem Historiker den Mund offen stehen.

"In Britain and the Netherlands, new groups of merchants benefited from Atlantic trade and played a major role in inducing institutional change, unleashing a much larger economic potential from the rest of the society. In contrast, in Spain and Portugal, the monarchy and loyal groups with royal trading monopolies were the major beneficiaries of early profits from Atlantic trade and plunder because the monarchy was both strong and in tight control of the monopoly of trade."

Das kann man nur behaupten, wenn man vom globalen Handel der Zeit keine Ahnung hat - deshalb auch der Rat zu Cipollas vorzüglichem Buch. Vereinfacht dargestellt sieht der Export aus Übersee in der Zeit zwischen 1500 und 1800 so aus: Das wichtigste, absolut entscheidende "Exportgut" - nicht Handelsgut! - war das Silber, das die Spanier und in geringerem Masse die Portugiesen aus Amerika holten. Eine zentrale Rolle spielte dabei der Silberbergbau in Potosi im heutigen Bolivien und Zatatecas in Mexiko. Nur begannen damit auch schon die Pobleme, weshalb man über die Passage "the monarchy was both strong and in tight control of the monopoly of trade" nur lachen kann.

Spätestens 1600 ist es mit der Kontrolle vorbei, ab da gilt der Monopolhandel mit den Kolonien als vergleichsweise unlukrativ. Aber schon früher hatten andere als die Krone die Hand im Spiel: Zum einem benötigte man zur Silberproduktion Quecksilber. Und darauf hatten nicht die spanischen Könige, sondern die Fugger aus Augsburg ein Monopol - und das wiederum zeigt schön, mit welchen Methoden sich "Patrizier" und "bürgerliche Unternehmer" damals einen Vorteil verschafften - mit dem Kontrollapparat, den die Fürsten entgegen der Behauptungen im Text nicht hatten. Umgekehrt hatten die libertären Fugger auch das Monopol auf das amerikanische Guajakharz - das damailge Wundermittel gegen die Syphilisseuche und ein weiterer Quell des Reichtums von Augsburg.

Aber das Silber war entscheidend, der Wert des simplen Raubes war im 16. und 17. Jahrhundert vier bis zehn Mal so hoch wie der Wert des Handels. Neben dem theoretischen Monopol des spanischen Königs im Handel mit den atlantischen Kolonien gab es auch noch zwei andere Phänomene: Schmuggel und Piraterie. England verdankt seinen Aufstieg zu Seemacht zum grossen Teil lizensierten Unternehmerpersönlichkeiten wie dem Piraten Francis Drake. Spanier betrieben dagegen selbst den Silberschmuggel, der, wenn er denn aufflog, ca. 50% der Importe ausmachte. Cipolla spricht hier vonn einem spanischen "Volkssport", an dem sich so ziemlich alles und jeder beteiligte. Der dazu führte, dass lediglich 20-25% des "spanischen" Silbers bei der Krone und der gesamte Rest bei privaten Entrepreneuren landeten, die sich um irgendwelche Monopole und Kontrollen nicht scherten, Spanien scheint damals schon recht lockere Zöllner gehabt zu haben. Das Problem der Spanier wurde ein Zuviel an "Schwarzgeld"-Silber, das eine Inflation auslöste - sprich, die Verarmung weiter Teile Spaniens ist dem Umstand geschuldet, dass plötzlich 10 mal so viel Silbergeld da war.

Und nun zu den Holländern: Zu behaupten, dass sie aufgrund ihrer offenen Gesellschaft reicher als die Spanier wurden, blendet schlichtweg den eigentlichen Quell des Reichtums aus, der im Kern im Handelsdefizits Europas mit dem Orient begründet liegt. Und da entstand dann eine Monopolfirma namens Ostindische Kompanie, die auf Java und Sumatra praktisch eigene Kolonien unterhielt, zur Durchsetzung ihres Monopols Krieg etwa gegen die Portugiesen führten und sich schlimmer benahm als eine von Heuschrecken übernommene Ölgesellschaft bei der Ausbeutung eines korrupten afrikanischen Kleinstaates. Wenngleich als Aktiengesellschaft organisiert, war die Kompanie faktisch ein totalitäres Staatsgebilde. Was sie nicht aus den Bewohnern rausquetschen konnten, wurde mit dem spanischen Silber gekauft - Silber war das einzige "Wirtschaftsprodukt Europas", das im fernen Osten auf Interesse stiess.

Will sagen: Kann schon sein, dass die Niederlande und später England vergleichsweise wirtschaftsliberal waren - aber den Aufschwung als Handelsnationen verdanken sie brachialsten Wirtschaftsmethoden diesseits und jenseits der Atlantikroute, die auszublenden weniger der Grundfehler des fraglichen Beitrags als vielmehr der Puppen ist - wie gesagt, der eine von denen soll angeblich an einer Uni Assistent sein, es ist unfassbar, solche Leute dort zu sehen.

Inwieweit man, abgesehen davon, calvinistische Händler in den Niederlanden oder das von Religionskriegen erschütterte England, wo schon der Verdacht einer Beziehung zu den Jesuiten zur Verbrennung ausreichte, überhaupt als offene, liberale oder bürgerliche Gesellschaft bezeichnen darf, ist nochmal eine ganz andere Frage. In diesem Punkt geht mir der fragliche Beitrag viel zu schnell zur Glorious Revolution von 1688, und der erwähnte Geusenaufstand in Holland ist nicht in einer halben Zeile zu besprechen. Liest man Berichte aus der Zeit, scheint man es eher mit Gottesstaaten a la Iran zu tun zu haben. Wie auch immer, so ganz scheinen die Puppen den Text nicht gelesen zu haben, denn im Gegensatz zu ihrer Behauptung, die Gewinne - und damit das eigentlich entscheidende Kriterium - wären gering gewesen, steht im fraglichen Artikel:

"With the surge in Atlantic trade, the economic power of commercial and industrial interests grew considerably. Even though O’Brien’s (1982) estimates imply that the contribution of profits from international trade to capital accumulation was modest, the size of these profits were very large–about 5.5 to 7.5 percent of GDP. Perhaps more significantly, these profits were concentrated in the hands of a relatively small section of the bourgeoisie."

Solche Leute nennt man auch Geldadel, und wer sich mit England beschäftigt, erfährt, dass, wer immer zu Reichtum kam, danach trachtete, in den Closed Club der Adligen aufzusteigen - ich verweise da etwa auf die Bemühungen eines gewissen Londoner Immobilienspekulanten namens William Shakespeare, der so gar keine Lust auf eine offene Gesellschaft hatte, auch wenn seine Theaterstücke etwas anderes implizieren. Die gesamte Problematik dessen, was zur Profitmaximierung - gerade im Aussenhandel - geschieht, ist einfach nicht Gegenstand der Betrachtung. Zum Schluss stellen die Autoren ihren Artikel dann ohnehin so dar:

"At this point, we also must stress that the process of early modern European growth is undoubtedly multi-faceted. Any account of the history of a large and heterogeneous continent in terms of a few factors will be at best simplistic and at worst misleading. We are aware that many important aspects of the social and economic development of Western Europe are left out. It is nonetheless our hope that these hypotheses are plausible and will encourage high quality research on these topics."

Da kann man nur zustimmen. Der Artikel bringt skizzenhaft ein paar interessante Überlegungen "at large". Man müsste nun wirklich hinabsteigen auf die Geschichte einzelner Firmen und Händlergruppen, und dann nachrechnen, was entscheidend war für den Aufstieg. Man muss die Schattenwirtschaft von Krieg, Piraterie, Raub und Schmuggel mit einbeziehen. Man darf aber auch nicht ausblenden, wie die Arbeit in Potosi mit Quecksilber war, und die durch die Inflation verursachten Entwicklungen, die ihre Ursache nicht in einer kontrollierten Gesellschaft, sondern eher in der allgemeinen Unfähigkeit der Zeit im Umgang mit einer Geldschwemme haben. Man stelle sich nur vor, die EZB würde die Geldmenge von einem Tag auf den anderen vervierfachen: Dann hat man in etwa das Problem, an dem die Spanier scheiterten. Besonders das mit dem "at worst misleading" hätte man sich also zu Herzen nehmen sollen, bevor man so einen Text falsch interpretiert.

Und die Quelle im Internet nicht mal kennt, Ihr Pfeiffen.

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