Segler, Golfer, Lobo

Während drüben bei Yahoos früherem Werbepartner Spreeblick ein wenig biologistische Hetze gegen die Kinder von Besserverdienenden betrieben wird, kann man im Werbenetzwerk Adical auch noch ganz anders. Ich persönlich meide solche Wäb tuh oh Iwänts wie die Cholera, ich war da zu oft und ertrage diesen Unsinn da nicht mehr, aber es begab sich, dass der grosse Schweiger und Adical-Geschäftsführer Sascha Lobo plötzlich doch den Mund auftat, und zwar bei einem Ontröprönör-Treffen im schönen - oder so - Bremen. Und wie es der Zufall so wollte, ist unter den High Potentials der altehrwürdigen Wrackplünderermetropole auch ein alter Bekannter das Dotcomtodzeiten, der freundlich genug war, mir einen kleinen Bericht über Lobos Auftritt bei den Seglern und Golfern mit dem longen Tail zu schicken. Und bevor einer nörgelt: Ich arbeite nicht wie Stefan Niggemeier, ich habe natürlich vorher eine weitere, unabhängige Quelle befragt:

Bei der adical-yahoo-Geschichte war Sascha Lobo abgetaucht. Wieder aufgetaucht ist er in der Bremer Provinz. Dort gibt es noch Leute, denen Lobo die digitale Bohème als Panazee verkaufen kann und die begeistert jedem zuhören, der ihnen hilft, ihr Pleite-Bundesland schön zu fabulieren. Da sieht man routiniert über die verrosteten Eisenträgern im heruntergekommenen Hangar am Airport Bremen hinweg.

Willkommen in der deutschen Realität abseits der schicken DLDs, Barcamps und web2.0-Tagungen. War (fast) alles so wie früher. Bunte Punkte auf dem Namensschild (gelb=Dienstleister, rot=Investor, grün=Gründer, usw. - die Älteren werden sich erinnern), die Subventionshaie aus der Wirtschaftsförderszene, Start-up-Gründer, Verwaltung, Politik und sogar zwei Landesminister (Senatoren) - nur die Location und das Catering waren Web2.0 und nicht NE.

Warm-Upper Dirk Beckmann gab den Massstab vor: Milliarden werden investiert, Web2.0 ist eine "Kulturrevolution", eine "Haltung". Und wie auf Bestellung wird "Yahoo Clever" gelobt. Er nutzt es regelmässig. Er also.

Alles bereit zur Lobo-Selbstvermarktungsshow. Irgendjemand hatte Lobo wohl eingeredet, dass er vor honorigen hanseatischen Kaufleuten auftritt. Sein Iro blieb im Schrank, und er wandte sich in sonorem Ton an die "Golfer und Segler" im Publikum. Zwei eigene NE-Pleiten sollten als Ausweis der Erfahrung herhalten und natürlich sein Netzwerk. Wie die Freundin in New York, die als Beispiel für die beeindruckende Macht des Longtails herhalten musste. "Jamie", so ihr Name, beklebt Lichtschalter mit Renaissance-Motiven und vertickt diese im Internet. Ein Business-Konzept, das uns ohne Web2.0 erspart geblieben wäre.

Natürlich spielen blogs eine Rolle in Lobos Social Media Welt, obwohl er eigentlich gekommen war, "um Sie vor Blogs zu warnen". Sieht aus, als hätte aus der adical-Diskussion gelernt. Blogs sind eine gefährliche Sache: "ab heute wird zurückkommuniziert". In der Provinz galt es für den Propheten bahnbrechende Entwicklungen zu verkünden. Vor 10 Jahren musste ein Experte ein Buch schreiben, um von den Medien wahrgenommen und zu Talkshows eingeladen zu werden. Heute reiche ein Blog aus - ohne zu darauf einzugehen, dass er selbst doch ein Buch brauchte. Der Vorteil von Web2.0 ist die Ansprache ohne Streuverluste. Da gäbe es einen Blogger, der Monoblock-Stühle [ja, der Garten-Sondermüll] als Thema auserkoren hätte. Ein echtes Expertenblog. Verlustfreie Werbeplattform für Plastikfetisch-Artikel?

Lobo sah in Zukunft "für jeden Markt eine Community". Second Life wird es jedoch nicht sein, "da brauchen Sie nicht zu investieren" - "geben Sie kein Geld aus". Selbstkritisch vermerkte er, dass dies sich in seinem Buch noch anders angehört hatte. Nicht jeder Trendzug fährt halt zum Erfolg. Wenn es Richtung Kinderpornos und Cybersex geht, springt auch Lobo besser ab.

Das urbane Pennertum, die Experten für beklebte Lichtschalter und Billigstühle, wurde in der Veranstaltung als neue "creative class" gefeiert, das von den Städten anlockt werden müsste, damit die Unternehmen dann von selbst kommen. Da stellt man sich unwillkürlich das von Lobos ZIA geplante Schlafsacklager "9to5" vor. Nachdem in Bremen die übliche Wirtschaftsförderung das Land an die Wand gefahren hat, muss man befürchten, dass die Senatoren Lobo ernst nehmen und Campingplätze freiräumen.

Gott sei Dank wurde die abschliessende Diskussion ganz schnell abgesagt. Ein Blick nach draussen hätte genügt, um das reale Business zu sehen und nicht die Gaga-web2.0-Geschäftsideen. Die Boombranche der letzten Jahre: Die Jets der Billigflieger für Ausflüge in die Realität statt ins virtuelle Netz. Leider werden nie Digitalnomaden in den Fliegern sitzen, auf dem Weg zum Strand, wo sie mit dem Notebook arbeiten und Aufträge nur zwischen 20:00 und 24:00 Uhr entgegennehmen.

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Vielen Dank, A.! Und um das an der Stelle auch noch gleich loszuwerden: Aufgrund einer massiven Uneinsichtigkeit eines wenig seriösen Autors und trotz mehrerer Warnungen musste ich jetzt auch noch eine Strafanzeige gegen ein kommerzielles Medienangebot stellen lassen. Nur damit sich demnächst keiner wundert, wenn es wieder etwas härter zugeht - sage bitte keiner, ich würde das heimlich tun.

Donnerstag, 12. Juli 2007, 22:57, von donalphons | |comment

 
lockt die [hüstel. Don] in die Stadt

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Hey kleiner Mann, deine Armut kotzt mich an. Hast du nicht ne Mama oder'n Pappa, der was kann? oder so ähnlich

Da kann man schon mal biologistisch hetzen. Obwohl Kritik natürlich anders aussieht. Auf jeden Fall hat der Popdiskurs damit erstmal einen Eisberg gerammt.

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Das sind ein paar Studenten, die sich einen Witz sowohl aus Aggro Berlin als auch aus der Pullachei machen. Und Stehkrägen habe ich im Lehnbach nur bei FFBlern gesehen.

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popdiskurs? eisberg? eieieieiei.

würde man diese beiden "richtungen" tatsächlich vergleichen wollen, so wäre das ziel heiterer weise in sich nicht unähnlich. komplette bejahung. sauuninteressant - aber is ja sonst nix los im popdiskurs - gell? arme frau bunz.

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Nein, du hast schon recht. Man kann das als sprechendes Beispiel für den Niedergang von Spreeblick nehmen. Johnny hätte sich das vor zwei Jahren noch anders vorgenommen, das war seine Domäne, sein Heimspiel und egal in welcher Form das abgehandelt worden wäre, man hätte es lesen wollen. Heute hat Spreeblick den Charme eines Dauerräumungsverkaufs im Teppichlager mit Malte als alles muss raus!-Conferencier, Mahoni als Hossa-Einpeitscher für das mehrheitlich stützstrumpftragende Publikum und im vermilbten Hinterzimmer klebt Johnny mit dem Pritstift total famose Anzeigen für die Abverkaufsaktion am nächsten Wochenende zusammen.

Und wie Frau Bunz versucht, ihren Geliebten Pop in die Blogs herüberzuretten, ist tatsächlich sauuninteressant.

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Pop ist tot! Pop bleibt tot!
"Wohin ist Pop?" rief er [der tolle Mensch, Anm. des Kommentators], " ich will es euch sagen! Wir haben ihn getötet, - ihr und ich! Wir alle sind seine Mörder. Aber wie haben wir dies gemacht? Wie vermochten wir das Meer auszutrinken? Wer gab uns den Schwamm, um den ganzen Horizont wegzuwischen? Was thaten wir, als wir diese Erde von ihrer Sonne losketteten? Wohin bewegt sie sich nun? Wohin bewegen wir uns? Fort von allen Sonnen? Stürzen wir nicht fortwährend? Und rückwärts, seitwärts, vorwärts, nach allen Seiten? Giebt es noch ein Oben und ein Unten? Irren wir nicht wie durch ein unendliches Nichts?"

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Spreeblick ist nicht im Mindesten am Ende, aber es erreicht meines Erachtens nicht mehr das, as es mal früher gemacht hat. Vor einem Jahr war es unangreifbar, und zwar aus wirklich guten Gründen. Sie haben tolle Aktionen gemacht, sie haben mit den Hosen auch tolle Werbung gemacht. Aber inzwischen ist meines Erachtens ein klein wenig die Luft raus.

Geht mir sowieso weg mit Pop. ich bin nicht Pop. Ich bin nicht Popkultur. Ich will kein Poplabel, Pop ist lebt nur, weil er nicht sterben kann, und Dada war sowieso viel besser.

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Da, da, da ... du liebst mich nicht, ich lieb´Dich nicht... und das Nietzscheentchen ... Mensch, das ist ja hier das Hochkulturblog. :))

Das Problem für "ambitionierte" Blogs ist die gesellschaftliche Relevanz - wenn man nach "Bedeutung" sucht, muß man irgendein Thema "hochziehen".

Auch die Gruppe 47 hat nicht von Brot allein gelebt aber sie hat nicht selbst eine Werbeagentur gegründet/geführt, um Persil-Werbung zu machen.

Das Establishment hat kein Interesse an Blogs und die "Gesellschaftskritik" als natürlicher Freund der Aufklärung ist spätestens seit Ende der 80iger selbst Establishment. ;)

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Oh, ich kann prima "da unten" weitermachen, mir ist es egal, was das Establishment denkt und ob es eine Verwertungsstrategie gibt - die anderen haben da ein Problem.

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Genau das wird das Problem sein:
Wie komm´ "ich" an Kohle ?

... und deshalb gibt es auch die Eiertänze um yahoo, G8 und diese PseudoKritik gg. ein paar FunRapper: kritisch und geldgeil - das gelingt nicht jedem. ;)

Nimm´doch einen Niggemeier. Glaubst Du, der wäre nicht lieber Fölleton-Chef bei Süddeutscher/FAZ/Zeit oder irgendwo stellv. Chefredakteur als sich als Vorzeige-Blogger ´rumschlagen zu müssen ?

Die Jungs werden schon den Mumm haben müssen, "Revolution" zu machen - sonst bleiben sie in ihrem "WirNennenEsArbeit"-Armenhaus sitzen - zumindest die meisten.

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Zuerst mal: ich glaube vielen, nicht nur den Adicalteilnehmern, dass sie das mit dem Leben durch das Bloggen ernst meinen. Und der aktuelle Journalismus ist wirklich nicht nett, wenn man nicht zufällig irgendwo "oben" ist. Die Auflagenverluste werden sich nicht stoppen lassen, und es gibt tatsächlich eine Wanderungsbewegung im netz. Die Frage ist nur: Wer fängt sie auf?

Blogs - sicher auch. Blogs sind dadurch in Konkurrenz zu den Medien, bei Themen wie Werbunbg sowieso. Aber das meiste geht schlicht und einfach verloren, und das ist es, was Lobo ja auch gesagt hat: Community für alles und jeden. Insofern wäre ich übrigens auch gar nicht überrascht, wenn der nächste Partner von Adical kein Blog, sondern eine Community wäre. Blogs haben ihren Platz und ihr Publikum, aber es ist nicht DER Platz und DAS Publikum. Und diesen Umstand zu überleben und damit geld zu verdienen, ist das Problem. Neben dem Fluch, dann eben täglich bloggen zu MÜSSEN. Sollte man einen anderen Job haben wollen, ist man zudem ein Blogger, der es nicht geschafft hat. Nicht so arg doll, glaube ich.

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Verlage, die vor ein, zwei Jahren wie wild Blogs hochzogen, gründen nun fast noch wilder Communities. Die haben ja auch unschätzbare Vorteile, man muß keine einzelnen Schreiber mehr beschäftigen (und bezahlen), die Nutzer füllen portiönchenweise ihre Welt selber. Das Ganze ist viel besser steuerbar. Sozusagen die Stadionrockversion vom Blogger-Punk.

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Oder, um es anders zu illustrieren: Galt für Blogs noch die Gleichung "Katzencontent" (und assoziierte damit eine gewisse widerspenstige Individualität), kommen die Medienkonzerne nunmehr auf den Community-Hund.

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Ist doch prima.
Je weniger die hier draussen unqualifiziert powerpointschubsen, desto besser. Und die Journalisten, die wirklich wollen, kommen schon von allein. Spätestens, wenn sie freigestellt werden. Und keine Alternative mehr haben. Was mich mal interessieren würde, wäre die Entwicklung der Werbeeinnahmen, die nur durch Journalismus erwirtschaftet werden, und nicht durch Gaudi und Glotze. Das dürfte die eigentliche Gefahr werden.

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Was hast du gegen beklebte Lichtschalter? Die Jesuiten haben im 19. Jhdt. schließlich auch ad majorem Dei gloriam wasserlösliche Heiligenbildchen verkauft... Erleuchtung allerorten.

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wen betrifft denn die strafanzeige?

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Wird demnächst sicher auf einem einschlägig bekannten Blog nachzulesen sein.

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Ein Werber, der wirbt - deutet sich hier der nächste Skandal an? Scheint fast so.

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Nein! Ganz im Gegenteil! Das ist seine Natur und sein gutes Recht. Und zur Publizität drängt doch alles, denn wie er schon sagte, ab heute wird zurückgebloggt.

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Der Schluß, quasi die Pointe, ist göttlich :o)

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