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Mittwoch, 31. Dezember 2003
Snapshots: 2003 war das Jahr in dem
- ich gefragt wurde, warum ich noch von New Economy rede; die gebe es doch gar nicht mehr und niemand nutzt noch den Begriff.
- mir von verschiedenen Seiten bestätigt wurde, dass niemand mehr davon was hören oder lesen wollte, und schon gar nicht auf 416 Seiten.
- mir verschiedene andere Seiten meinem Treiben dann den Begriff "Schlüsselroman der New Economy" anhefteten, nachdem klar wurde, dass die 416 Seiten über die New Economy doch gelesen werden.
- bei der Premiere die Stühle nicht ausreichten und die Leute am Ende auf eilig herbeigebrachten, goldfarbenen Sitzsäcken lümmelten, was ein sehr surreales Erlebnis war, wie überhaupt das ganze Jahr das Lümmeln auf einem solchen goldenen, immer variablen und zerknautschten Etwas war.
- die Debutanten um mich herum mit ihren Erstlingen nach allen Regeln der Kunst und des Buchhandels scheiterten, ganz gleich, wie aufwendig die PR-Kampagne war, und auch die Etablierten flopten.
- es sowieso so schlimm wie seit der Erfindung der Popliteratur nicht mehr war, weil zwar alle Kritiker das Fräuleinwunder der jungen deutschen Literatur beschworen, es aber letztlich beim Fräuleinplunder blieb, weil die Leser kein Interesse hatten und die Bücher zu der Auslieferung zurückkommen, wo meines immer noch raus geht.
- die Schlappschwänze des Feuilletons eigentlich hätten feiern können, denn nie waren die Neuerscheinungen so sklavisch an den Wünschen der Hirnficker orientiert, die Jungautoren kotzten nachdenklich-stilles Kunstwollen über die Blätter, und der Literaturpreis wurde das Core Asset, das man einfach haben musste.
- die Schlappschwänze aber dann doch noch ein anderes Problem hatten, nämlich den eignenen hirnaufbewahrenden weissen Fettarsch, der von der Medienkrise gegrillt wurde, weshalb sich all ihr Denken um das Überleben drehte, das viele nicht schafften, weshalb sie jetzt versuchen, selbst Autoren kunstwollender Bücher zu werden und Verleger mit ihren Manuskripten quälen.
- die Verleger die Notbremse zogen und junge deutsche Literatur für die nächste Saison so weit wie möglich runterfahren, denn der normale Schund und die alten Säcke und die internationalen Rechte an Dreck für den internationalen Markt laufen ja weiter, nur die Neulinge sind ein viel zu hohes Risiko, und wenn die Verleger das auch nicht offen sagen: Gerade, wenn so ein Knilch aus einer Redaktion gefeuert wurde, kann das ja gar nichts werden.
- die Knilche dann winselten, dass letztlich die völlig überhitzte Hype- und Spassgesellschaft mit all ihren Erscheinungen daran Schuld ist, und wenn sie als Freie doch mal was schreien durften, machten sie die gewesene New Economy verantwortlich, die alle Bereiche des Daseins - diese zeitung ausgenommen, die schon immer für Anstand und Qualität bürgte - korrumpiert hatte.
- die Unterhaltungsindustrie da nur beipflichteten konnte, weil sie diese Artikel teilweise auch bezahlte, und mal wieder versuchte, die bisherige Ordnung der Dinge wiederherzustellen, indem man gegen Musiktauschbörsen und deren Nutzer vorging, Blogs runterputzte und viele Leute freisetzte.
- die bekannte Welt der Popkultur mitsamt der Popökonomie durch diese dauernde Miesmachung und Schimpferei vernichtet wurde, ohne dass es etwas neues geben würde.
- dabei viele Leute übrig blieben, für die es keine Verwendung mehr gibt:
Rebellen ohne Markt.
Inzwischen sind es so viele, dass sie für 2004 selbst ein bedeutender Markt werden.
Das sollte uns zu denken geben.
donalphons, 18:44h
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