: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Samstag, 13. Dezember 2003

Damals, in den besten Zeiten

Damals gab es einen Chipkonzern, der ein paar Probleme hatte. Damals, in den besten Zeiten, wollte man wissen, was in der Unternehmenskommunikation falsch läuft. Damals fragte man jemanden an, der sich das mal anschauen sollte. Der jemand war nicht billig, aber gut.

Der jemand begann mit seiner Recherche auf den Seiten diverser Jobbörsen. Der Chiphersteller hatte 3 HR-Abteilungen. Alle drei verwendeten ein unterschiedliches Layout mit entsprechend unterschiedlichen Logos. Ein ganz altes, ein weiteres aus Zeiten des Börsengangs, ein aktuelles.

Das war schon mal schlecht.

Der jemand suchte ein Stellenangebot heraus, der genau auf ihn zugeschnitten war, und bewarb sich online. Sein Auftraggeber sagte ihm, das sei die perfekte Bewerbung für den Posten. Der jemand hörte 6 Wochen nichts und bekam dann eine Absage. Er sei nicht geeignet. Das Schreiben kam von einer anderen HR-Abteilung als der, die die Stelle ausgeschrieben hatte. Noch ein paar Wochen später kam noch ein Brief, diesmal von der dritten HR. Man wolle seine Daten speichern und ihn zu einem exclusiven Recruiting Event einladen. Die Stelle, um die es ging, was damals noch immer nicht besetzt - angeblich gab es keine Bewerber.

Der jemand schrieb einen Bericht und machte Vorschläge. Der Chiphersteller fand das spannend und wollte die Vorschläge umsetzen. Man bedankte sich. Allerdings waren Monate später noch immer die falschen Layouts online. Bekannte des jemand, die als Highpotentials händeringend gesucht wurden, erhielten noch nicht mal Absagen auf ihre Bewerbungen. Und der Mann, der damals etwas verändern wollte, war abgeschoben worden.

Vielleicht sind die Deutschen wirklich faul und technologiefeindlich, wie der Chef des Münchner Chipherstellers Infineon heute im Münchner Merkur sagt. Er selbst ist ja sehr umtriebig; seine Rennergebnisse wurden sogar als Teil der Unternehmensphilosophie im Konzern bekannt gemacht. Da kann nicht jeder mithalten. Kein Wunder, wenn so jemand die Reaktion fordert, zurück zu den Entbehrungen der 50er Jahre. Auch damals gab es schon Leute, die Porsche hatten.

Ob das etwas an der Inkompetenz und Intriganz der leitenden Mitarbeiter von Chipherstellern ändern würde, die Millliarden Verluste verursachen, ist eine andere Frage.

Die Herrn Schuhmacher niemand stellt.

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Real Life - November 2003

Niemand ist besser geeignet als Sie, das Thema zu vertiefen, stand in der Mail der Fernsehstation. Liquide und Dotcomtod bei einer Sendung zum Tod im Internet. Das Format ist auf Internet spezialisiert. Warum nicht.

Alles soweit normal. Eine Praktikantin holt mich ab und kümmert sich um mich. Wir reden über die Krise am Medienstandort, ich erzähle, wer ich bin. Wie das damals war, 2000, als die Nacht über dem Netz voller brennender Maschinen war, und wie ich durchgekommen bin. Warum es die anderen erwischt hat und nicht mich. Sie ist zu jung, um den Irrsinn damals miterlebt zu haben. Sie sagt nicht, dass er ihr noch bevorsteht.

Danach Maske, bei der Produktion zuschauen. Dann der Auftritt. Es ist nichts vorher abgesprochen, aber es läuft gut. Der Moderator ist kein Quatschkopf, sondern setzt auch leicht kritische Fragen gegen mich. Es gibt fast so etwas wie eine Diskussion. Ich bin ziemlich zynisch, mache sarkastische Witze über die Leichen des Hypes, und bringe den schwarzen Humor rein. Gefeixe hinter den Kameras.

Nach einer halben Stunde ist alles im Kasten. Ich habe das letzte Wort, nochmal ein Lacher. Dann die Abmod des Moderators, vielen Dank fürs Zuschauen, wer will, im Internet bleibt das Archiv der Sendung, aber das Format wird im Fernsehen eingestellt. Tod nicht nur im Internet.

Sie müssen sparen. Das Format, vor ein paar Jahren mit grossem Bohei on Air gebracht, hat die Unterstützer verloren. Passt nicht mehr in die Zeit, lohnt sich nicht mehr, ist ja nur Internet, und von New Economy will man nichts mehr hören. Mitttelstandsförderung wäre dagegen ein klasse Thema, lassen die Gremien durchsickern, und der Sender vollstreckt. Erfahre ich danach. Es ist auch nicht lange her, als sie es selbst erfahren haben. Sowas geht schnell.

Es gibt nicht viel zu sagen. Es ist das übliche Spiel, es sind die immer gleichen persönlichen Folgen, eine weitere banale Geschichte vom Scheitern an den Gegebenheiten des Marktes und an den feigen Schweinen, die es entscheiden und deshalb nicht ausbaden müssen.

Die Praktikantin bringt mich zur Pforte. Ich schenke ihr zum Abschied mein Buch. Sie hat bald genug Zeit, es zu lesen. Draussen, in der Tiefebene, ist es neblig.

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Highspeed Vergänglichkeit

Die Hausverwaltungen sind zu langsam. Als in diesem Gebäude in der Theresienstrasse ein Incubator einzog, gab es keine Möglichkeit, ein Schild anzubringen. Die Leitung zögerte nicht lange und druckte einen Zettel mit einem orangen @ und dem Firmennamen aus. Der wurde in eine Klarsichthülle gesteckt an die Tür geklebt. Über die Glasfläche mit den Namen seltsamer Verbände; Relikte einer vergangenen Epoche. Es war das Jahr 2000.

In diesem Sommer knirschten die Märkte. VCs liefen aufgeregt glücklich durch die Büros und freuten sich, dass Startup-Beteiligungen jetzt wieder billig zu haben waren. Die beginnende Krise heizte den Gründerhype nochmal an. Jeder Exit in Richtung Insolvenz machte ein Stück Markt frei. Incubatoren, wie der in diesem Haus, jagten die Firmen in wenigen Monaten zur Marktreife. Für Schilder hatten sie einfach keine Zeit, zwischen Notartermin und Pizza spät Nachts.



Es war also nur ein einziger Handgriff nötig, um Anfang 2001 das Schild wieder abzunehmen. Die Fensterreinigung, die langsam, aber zuverlässlich ist, besorgte den Rest. Der Incubator war, wie fast alle anderen auch, vom nicht existierenden Markt gefegt worden. Die Verbände und die Hausverwaltung haben jetzt wieder Ruhe in ihrem Gebäude.

Und der Pizzaabend, der auf einem der anderen aufgeklebten Schilder angekündigt wird, hat nichts mit mehr New Economy zu tun.

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Roll out. So fühlt es sich an.

Niemand sieht uns kommen. Dabei sollten sie es ahnen. Der Typ am Steuer hat schon einmal so einen Angriff geflogen. Danach gab es für die anderen keinen Markt mehr, nur noch eine ausgeglühte Hölle, und niemand interessierte sich für die Nachfolger. Nicht der erste gewinnt, nicht der grösste, sondern der, der alle anderen aus der Atmosphäre putzt. Das ist die Regel des Spiels, das wir ab sofort wieder spielen. Denn seit 18.00 Uhr gibt es kein Zurück mehr.



Bald werden wir auf ihrem Radar sein. Wir sind etwas, das diese Welt noch nicht gesehen hat, und wir hatten Monate für die Planung dieses Einsatzes. Sie werden trotzdem ihre Jäger in einem ungleichen Kampf schicken. Sie werden uns den ganzen Weg verfolgen, aber wir sind schneller. Wir kennen ihre Taktik, ihre technischen Möglichkeiten, und wir wissen, wie unendlich langsam sie im Vergleich zu uns sind. Wir haben sie schon mal abgeschossen. Wir werden es wieder tun.

Aber noch durchschneiden wir ungehindert die Atmosphäre der ewigen Nacht des Netzes. An den Spitzen der Propeller glüht die Luft schon jetzt neongelb wie Phosphor. Wir sind noch nicht mal auf halber Angriffsgeschwindigkeit. Noch sind die gewaltigen Kompressoren abgeschaltet. Aber bald werden sich die Walzen drehen, und dann brüllen die Zylinder unter vollem Druck. Statt Kerosin haben wir Nitroglycerin im Tank.

Es ist wieder da, das Startup-Feeling, wenn sich das Leben zum schmalen Abgrund verengt, und die Zeit wird wie Papier verknittern, bis sie sich dann letztlich in flüssig wird. Die Luft wird brennen, wenn wir vorbeifliegen.

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