: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Samstag, 6. Dezember 2003

Manifesto

1986

wurden die 68er spiessig. Hippe Schreiber, witzige Werber und flotte Kreative rebellierten. Die 68er sagten selbst, dass sie die Welt von ihren Kindern nur geliehen hatten - also her damit.


1997

hatten sie es geschafft. Die 68er hatten fertig. Die Rebellen sassen in den Feuilletons, erfanden Trends, gaben in der Jugend den Ton an. Zusammen mit den Neokonservativen und der Wirtschaft machten sie Revolution. Popkultur goes Business. Sie nannten es: Die New Economy. Alle wollten dabei sein. Diese Revolution wird ein Festessen


2000

gab es für New Economy und Rebellen ein unvorhersehbares Problem.


2002

Die Wirtschaft will sie nicht mehr. Die Popkultur ist tot. Die Reaktion frisst ihre Kinder. Sie sind REBELLEN OHNE MARKT.


2003

sitzen die Rebellen im Arbeitsamt. Und die 68er als Generation Mallorca auf ihrer Finca. Die Rebellen hätten jetzt gern einen Marsch durch die Institutionen, wie ihn die 68er geschafft haben. Und die neukonservativen Freunde in Politik und Medien diktieren ihre Konditionen: Soziale Einschnitte, Fleiss, Gehorsam, Unterordnung und Schwangerschaft. Die Party ist vorbei. Die Ideologie der spiessigen 50er Jahre ist wieder da. Die Rebellen waren erst die nützlichen Idioten der Reaktion. Jetzt, nach der Pleite, sind sie die Opfer.


2004

hilft nur eins: Kreativ sein. Firmen gründen. Nochmal rebellieren und einen eigenen Markt schaffen. Denn wenn es Alternativen zur konservativen Reaktion gibt, muss man sich nicht mehr unterordnen. Von den 68ern lernen heisst da siegen lernen. Diese Revolution wird ist kein Festessen, sondern ein Akt der Gewalt gegen die Mächtigen.


Don Alphonso dixit.

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2 Fehleinschätzungen und 30 Jahre

Es beginnt eine neue Phase einer überaus chancenreichen und interessanten Entwicklung: das Verschmelzen zweier Welten, der Old und der New Economy. Was wir erleben, ist der Strukturwandel zur Netzwerkökonomie, eine digitale Revolution, die praktisch den gesamten Alltag durchdringt.
Werner Schulz, B90/Grüne, 15.02.2001 im Bundestag

Der Autoritätsanspruch der Älteren ist in dieser Lage nur noch eine Waffe zur Verteidigung ihrer materiellen Interessen gegenüber den jüngeren. Diese sind die Träger des für den kapitalistischen Verwertungsprozeß unentbehrlichen aktuellen Wissens und der modernen technologischen Qualifikation und Soziopraktiken, die aus diesem Grunde die Älteren immer schneller aus ihren Positionen im Produktionsprozeß verdrängen, dequalifizieren und schließlich deklassieren.
Rote Armee Fraktion, Über den bewaffneten Kampf in Westeuropa, Mai 1971

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Fettschlanke Malle-Spiesserrevolutionäre

Irgendwo in Mittelbayern. An prominenter Stelle ein Schmuckgeschäft. Schräg davor ein silberner Audi TT. Aus den Sitzen schälen sich zwei Berufsjugendliche weit jenseits der 50er Grenze. Nachbarn meiner Eltern, Makler. Sie hat das Grinsen chirurgisch hochgetackert, er kunstvoll die Löcher im Haupthaar mit Wetgel zugeschleimt. Lässige Freizeitkleidung, braunverbrannt.

Sie gehen zum Juwelier. Sie streckt eine Hand mit viel Weissgold-Plunder aus und zeigt auf etwas. Das da, sagt sie, ist doch was schönes für Anabel, oder? So jugendlich.

Er greift mit lässiger Pose in die Hosentasche, den Daumen in Richtung Primärgenital, die Breitling sichtbar, und nickt cool. Klar, sagt er, greift um ihre Taille und gibt ihr einen Kuss. Öffentlich, damit es jeder sieht, dass sie immer noch guten Sex haben. Da kaufen wir aber lieber zwei, denn Dir steht das sicher auch, Babe. Dann verschwinden sie im Laden.

Anabel ist ihre Tochter. Sie ist Ende 20 und arbeitslos. Sie sitzt in München in der Eigentumswohnung ihrer Eltern und macht irgendwelche Freelancersachen. Manchmal treffen wir uns, und sie erzählt, dass sie sich nicht mal Mallorcaurlaub leisten kann. Sie sagt es ihren Eltern nicht, denn die hätten sicher Verständnis und würden ihr was zustecken.

Schliesslich waren sie auch noch jünger als heute und wissen, dass das Leben was kostet. Wahrscheinlich würden sie nur mit den Schultern zucken, wenn sie bei Anabel Haschisch finden würden. Sie verstehen es. Sie können es sich leisten, und später mal kann Anabel alles haben. Dann haben ihre Eltern ja noch die Rente.

Und das Haus in der Provence mit Ökogarten, von dem Mama schon geträumt hat, als sie noch Soziologie in Marburg studierte. Und der Kontakt mit dem Bullenstaat noch was anderes war als der Strafzettel, den sie hier im Halteverbot bekommen wird.

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Don Alphonso

ist

: : Mitte 30 Inzwischen schon eher Mitte 40

ist nicht

: : real, nur ein Pseudonym

lebt

: : Hideout irgendwo in Bayern
: : München Maxvorstadt Nicht mehr seit 2006
: : Berlin Wedding Nicht mehr seit 2005
: : seit 2006 in einer sehr viel grösseren Wohnung an der Donau
: : seit 2008 in Gmund am Tegernsee
: : seit 2011 auch ein Viertel des Jahres in Mantua

macht

: : Journalismus
: : Bücher
: : 2003 Liquide
: : 2004 Doppelschlag:
: : Blogs! eine kleine Kampfschrift gegen die etablierten Medienmonopole
: : Rebellen ohne Markt: eine Schmähschrift über Tempo, New Economy und die Folgen wegen Schreibfaulheit gestrichen

liest

: : Giovanni Boccaccio
: : Pietro Aretino
: : Christine de Pizan
: : Francois Villon
: : Niccolo Machiavelli
: : Alain Renee Le Sage
: : Denis Diderot
: : Voltaire
: : Lorenzo da Ponte
: : Ambrose Bierce
: : Louis Aragon
: : Oskar Panizza
: : Lion Feuchtwanger
: : Kurt Tucholsky
: : Bert Brecht
: : Ilja Ehrenburg
: : Louise Brooks
: : Pitigrilli
: : Raymond Chandler
: : Evelyn Waugh
: : Ruth Westheimer

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Katastrophentourismus

am mittleren Ring in München. Geplant Ende der 90er. Auf Grundlage falscher Erwartungen der Mietpreissteigerung. Hier sollten die Startups der Jahre 2004 bis 2007 unterkommen.



Mit Videoconferencing, redundanter Highspeed-Anbindung und Parkett nach Belieben. Gern auch Tropenhölzer.

Nach oben hin kommen nochmal 10 hell erleuchtete Stockwerke. Mit nichts drin ausser Licht. München leuchtet.

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