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Dienstag, 3. August 2004
Munich Area revisited
Im Sommer des Jahres 1999 kam ich zum ersten Mal auf das sogenannte Stettenkasernen-Gelände an der Schwere-Reiter-Strasse im nördlichen Schwabing. Hier ist Schwabing nicht mehr das, was es in den Tourismusbroschüren ist. Die Gegend wurde erst in den 20er und 30er Jahren bebaut; es herrscht eine fast kleinbürgerliche Atmosphäre, und das Gelände, das hier vor allem in den 50er Jahren entstand, war nochmal eine Steigerung der Hässlichkeit.
Er hatte mich eingeladen. Wir kannten uns aus einem anderen Leben, Anfang der 90er in München. Keiner von uns machte sich damals Gedanken über das weitere Leben. Fast 10 Jahre später waren wir beide irgendwie in diese neue Wirtschaft geschlüpft, er als Entrepreneur und ich als etwas, das sich weder mit dem Wort "Journalist" noch mit "Berater" adäquat umschreiben lässt. Er suchte Informationen über einen Zukunftsmarkt, in den er mit seiner Company eindringen wollte, und war dabei auf mich gestossen. Wir sprachen über die guten alten Zeiten und die noch besseren Zeiten, die er vor uns sah.
Ich sagte ihm etwas, was ich 1999 so sonst fast nie gesagt habe, weil mein normaler Job nicht die Wahrheit, sondern die Verankerung der Phantasien in der Realität war - und die Phantasien waren das Einzige, was damals Geld brachte. Ich sagte ihm, er sollte da mal rausschauen und überlegen, was das ist: Nur ein paar kleine Softwarebuden in einer runtergekommenen Gegend, kein New Media Cluster der First Mover der Emerging Markets, die hier aufgrund des kreativen Networkings vielleicht in 5 statt in 6 Monaten zum IPO kommen. Ich sagte ihm, was wir intern längst wussten, dass die Party bald vorbei sein würde, und ich machte den Fehler, ihm zu sagen, er soll das Geld zusammenhalten.
Manchmal frage ich mich, wozu ich eigentlich aus dieser Schicht komme, wenn ich dann solche Dinge sage. Das Geld haben die 2, 3 Generationen vor uns zusammengehalten; für uns war das ein Zeichen von Spiessigkeit, genauso wie Kachelöfen und signierte Kunstdrucke von Dali. Wir hatten damals, in den frühen 90ern kein Geld, sondern eine Karte, und wenn die kein Geld mehr ausspuckte, gab es manchmal einen Anruf von Mama, oder auch nicht. Manche klauten einfach ein paar Wochen Zeug zusammen, bis die nächste Apanage das Konto wieder aus der Alarmstufe tiefrot gehoben hatte. Mein Gegenüber war von meinen Ratschlägen nicht direkt beleidigt, aber das Gespräch war bald vorbei. Ich hatte in seinen Augen nicht den richtigen Spirit, und auch nicht den Willen, mit dem er das Ding zum Fliegen bringen wollte.
2002 ging er pleite. Er hatte eine FFF - Family Fools & Friends - Finanzierung gemacht, und dadurch wohl auch einen grossen Teil seines Erbes durchgeorgelt. Der Insolvenzverwalter hat, erzählt man, mehrfach versucht, ihm das Auto abzunehmen. Er nennt sich jetzt freier Berater, lese ich auf seiner Website. Wir haben seit 1999 nicht mehr miteinander gesprochen, und meine paar Mails wurden, wenn überhaupt, nur sehr kurz beantwortet; ohne Anrede, Grüsse, und die Unterschrift ist nur ein Buchstabe und ein Punkt dahinter.
X Dot Nichtsmehr, wenn man so will.
Letztes Wochenende bin ich mal wieder über das Gelände gegangen und habe ein paar Bilder gemacht. Bilder von den Schildern, mit denen man sich dort präsentiert. Vieles ist dort verfallen, aber an den Schildern sieht man es überdeutlich. Bitte einfach clicken.
Dahinter stehen menschliche Schicksale. Ich glaube aber nicht, dass man Mitleid empfinden soll. Schliesslich ist es eine Luxuskrise, und solche Regungen hatten sie - wir, wenn man so will - auch nicht. Nicht genug, also kein Grund für Mitleid. Nicht wirklich.
Er hatte mich eingeladen. Wir kannten uns aus einem anderen Leben, Anfang der 90er in München. Keiner von uns machte sich damals Gedanken über das weitere Leben. Fast 10 Jahre später waren wir beide irgendwie in diese neue Wirtschaft geschlüpft, er als Entrepreneur und ich als etwas, das sich weder mit dem Wort "Journalist" noch mit "Berater" adäquat umschreiben lässt. Er suchte Informationen über einen Zukunftsmarkt, in den er mit seiner Company eindringen wollte, und war dabei auf mich gestossen. Wir sprachen über die guten alten Zeiten und die noch besseren Zeiten, die er vor uns sah.
Ich sagte ihm etwas, was ich 1999 so sonst fast nie gesagt habe, weil mein normaler Job nicht die Wahrheit, sondern die Verankerung der Phantasien in der Realität war - und die Phantasien waren das Einzige, was damals Geld brachte. Ich sagte ihm, er sollte da mal rausschauen und überlegen, was das ist: Nur ein paar kleine Softwarebuden in einer runtergekommenen Gegend, kein New Media Cluster der First Mover der Emerging Markets, die hier aufgrund des kreativen Networkings vielleicht in 5 statt in 6 Monaten zum IPO kommen. Ich sagte ihm, was wir intern längst wussten, dass die Party bald vorbei sein würde, und ich machte den Fehler, ihm zu sagen, er soll das Geld zusammenhalten.
Manchmal frage ich mich, wozu ich eigentlich aus dieser Schicht komme, wenn ich dann solche Dinge sage. Das Geld haben die 2, 3 Generationen vor uns zusammengehalten; für uns war das ein Zeichen von Spiessigkeit, genauso wie Kachelöfen und signierte Kunstdrucke von Dali. Wir hatten damals, in den frühen 90ern kein Geld, sondern eine Karte, und wenn die kein Geld mehr ausspuckte, gab es manchmal einen Anruf von Mama, oder auch nicht. Manche klauten einfach ein paar Wochen Zeug zusammen, bis die nächste Apanage das Konto wieder aus der Alarmstufe tiefrot gehoben hatte. Mein Gegenüber war von meinen Ratschlägen nicht direkt beleidigt, aber das Gespräch war bald vorbei. Ich hatte in seinen Augen nicht den richtigen Spirit, und auch nicht den Willen, mit dem er das Ding zum Fliegen bringen wollte.
2002 ging er pleite. Er hatte eine FFF - Family Fools & Friends - Finanzierung gemacht, und dadurch wohl auch einen grossen Teil seines Erbes durchgeorgelt. Der Insolvenzverwalter hat, erzählt man, mehrfach versucht, ihm das Auto abzunehmen. Er nennt sich jetzt freier Berater, lese ich auf seiner Website. Wir haben seit 1999 nicht mehr miteinander gesprochen, und meine paar Mails wurden, wenn überhaupt, nur sehr kurz beantwortet; ohne Anrede, Grüsse, und die Unterschrift ist nur ein Buchstabe und ein Punkt dahinter.
X Dot Nichtsmehr, wenn man so will.
Letztes Wochenende bin ich mal wieder über das Gelände gegangen und habe ein paar Bilder gemacht. Bilder von den Schildern, mit denen man sich dort präsentiert. Vieles ist dort verfallen, aber an den Schildern sieht man es überdeutlich. Bitte einfach clicken.
Dahinter stehen menschliche Schicksale. Ich glaube aber nicht, dass man Mitleid empfinden soll. Schliesslich ist es eine Luxuskrise, und solche Regungen hatten sie - wir, wenn man so will - auch nicht. Nicht genug, also kein Grund für Mitleid. Nicht wirklich.
donalphons, 19:33h
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Schwere-Reiter-Strasse 35
Man betritt das Gelände durch ein altes Eisentor. Angesichts der tiefen Löcher im Pflaster sollte man das Auto draussen abstellen, sofern es sich um einen Sportwagen handelt und man gesteigerten Wert auf den Auspuff und die Spoiler legt.
An Eingangstor ist ein Farbausdruck in Plastikfolie, für eine Veranstaltung von CapGemini. Der Drucker ist wahrscheinlich nicht mehr der Beste. Der Wegweiser wird von einer Schnur mit alten, schlaffen Luftballons umrankt. Der Symbolismus wurde hier unwillkürlich zu dick aufgetragen.
Man hat bei den Wegweisern die alten Schilder nicht abmontiert, um die neuen darauf befestigen zu können. Nun, da die neuen Schilder mitsamt Firmen verschwunden sind, weisen die alten Schilder wieder zu Einrichtungen, die es längst nicht mehr gibt.
Fast 600 Euro pro Monat für 43,5 Quadratmeter in dieser nicht eben luxuriösen Lage - das ist heute zu teuer. Ich glaube nicht, dass er dafür einen Nachmieter findet. Wenn man sich hier 2000 einmieten wollte, hatte man keine andere Wahl. München war vollkommen überbevölkert und ausgebucht. Manche mussten 5-jährige Laufzeiten akzeptieren. Mit den Startups kamen die Mitarbeiter. Die besten Köpfe aus der gesamten Republik, und die liessen auch die Mietpreise für Wohnungen explodieren. Studenten mussten deshalb noch im Winter 2001/02 in Turnhallen schlafen. Ich war damals eine Weile out of town und habe meine Wohnung an eine Studentin verliehen, die in der New Economy gescheitert war und eine Zuflucht brauchte.
Links hat die Krise ein grosses Loch gerissen. Es muss ein komisches Gefühl sein, das Firmenschild darüber oder darunter montiert zu haben und jeden Tag gleich zu Beginn des Arbeitstages das Scheitern der anderen zu sehen. Aber der Mensch gewöhnt sich an alles. Auch an das Schild rechts oben, ein vergilbter Farbausdruck in Plastikhülle, der mit Tesa angeklebt ist.
Eine andere Lösung ist es, den Firmennamen an die Wand zu schreiben. Nur sollte man das bisweilen nachpinseln lassen. Verwitterung macht bei aufstrebenden Jungunternehmen keinen so tollen Eindruck.
Manche leisten sich doch noch ordentliche Schilder an den Briefkästen, nachdem man die Reste der Vorgänger entfernt hat. Manchmal kleben aber die Rückstände noch dran, weil man wohl mit dem Schild an sich zufrieden war. Vielleicht haben die Leute hier gar nicht mehr die Kraft, ihren Besuchern etwas vorzumachen, und ihre Facilities rauszuputzen. Oder das pralle Leben aufzuführen, das hat man sich hier vorgestellt. Damals, 2000. Lauter junge, success-orientierte Kreative, vor einem schnellen Aufstieg in die Toppositionen der Neuen Wirtschaft, die alles Dagewesene in den Schatten stellt. Eine neue Welt sollte das hier werden, jung, aufgeschlosen, lässig, casual friday every day, good looking, sexy.
Dieser Anspruch wird nur noch von 9live-Mitarbeiterinnen erfüllt, die manchmal über das kaputte Kopfsteinpflaster stackseln. 9live verdient ja noch Geld. Einer Erfolgsgeschichte. Immerhin.
An Eingangstor ist ein Farbausdruck in Plastikfolie, für eine Veranstaltung von CapGemini. Der Drucker ist wahrscheinlich nicht mehr der Beste. Der Wegweiser wird von einer Schnur mit alten, schlaffen Luftballons umrankt. Der Symbolismus wurde hier unwillkürlich zu dick aufgetragen.
Man hat bei den Wegweisern die alten Schilder nicht abmontiert, um die neuen darauf befestigen zu können. Nun, da die neuen Schilder mitsamt Firmen verschwunden sind, weisen die alten Schilder wieder zu Einrichtungen, die es längst nicht mehr gibt.
Fast 600 Euro pro Monat für 43,5 Quadratmeter in dieser nicht eben luxuriösen Lage - das ist heute zu teuer. Ich glaube nicht, dass er dafür einen Nachmieter findet. Wenn man sich hier 2000 einmieten wollte, hatte man keine andere Wahl. München war vollkommen überbevölkert und ausgebucht. Manche mussten 5-jährige Laufzeiten akzeptieren. Mit den Startups kamen die Mitarbeiter. Die besten Köpfe aus der gesamten Republik, und die liessen auch die Mietpreise für Wohnungen explodieren. Studenten mussten deshalb noch im Winter 2001/02 in Turnhallen schlafen. Ich war damals eine Weile out of town und habe meine Wohnung an eine Studentin verliehen, die in der New Economy gescheitert war und eine Zuflucht brauchte.
Links hat die Krise ein grosses Loch gerissen. Es muss ein komisches Gefühl sein, das Firmenschild darüber oder darunter montiert zu haben und jeden Tag gleich zu Beginn des Arbeitstages das Scheitern der anderen zu sehen. Aber der Mensch gewöhnt sich an alles. Auch an das Schild rechts oben, ein vergilbter Farbausdruck in Plastikhülle, der mit Tesa angeklebt ist.
Eine andere Lösung ist es, den Firmennamen an die Wand zu schreiben. Nur sollte man das bisweilen nachpinseln lassen. Verwitterung macht bei aufstrebenden Jungunternehmen keinen so tollen Eindruck.
Manche leisten sich doch noch ordentliche Schilder an den Briefkästen, nachdem man die Reste der Vorgänger entfernt hat. Manchmal kleben aber die Rückstände noch dran, weil man wohl mit dem Schild an sich zufrieden war. Vielleicht haben die Leute hier gar nicht mehr die Kraft, ihren Besuchern etwas vorzumachen, und ihre Facilities rauszuputzen. Oder das pralle Leben aufzuführen, das hat man sich hier vorgestellt. Damals, 2000. Lauter junge, success-orientierte Kreative, vor einem schnellen Aufstieg in die Toppositionen der Neuen Wirtschaft, die alles Dagewesene in den Schatten stellt. Eine neue Welt sollte das hier werden, jung, aufgeschlosen, lässig, casual friday every day, good looking, sexy.
Dieser Anspruch wird nur noch von 9live-Mitarbeiterinnen erfüllt, die manchmal über das kaputte Kopfsteinpflaster stackseln. 9live verdient ja noch Geld. Einer Erfolgsgeschichte. Immerhin.
donalphons, 19:25h
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