: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Mittwoch, 27. Oktober 2004

Real Life 27.10.04 - Heroes just for one day

Dass da ein AOL-Internet-Terminal in der Ecke steht, realisiere ich erst, als der Typ an der Fenstertheke aufsteht, und seinen lahmen, vom vielen Rumsitzen unförmigen Körper hinschleppt. Es ist ein Coffee-Shop. Klar, da geht das irgendwie noch eher als in einem Old-Europe-Cafe, aber hier ist der Savignyplatz, der Altersschnitt im Laden ist so, dass ich mich noch jung fühlen kann, und dieses Glotzen auf den Bildschirm in der Öffentlichkeit hat was verzweifelt. Er surft kurz AOL an, dann, ein Runterscrollen lang den Spiegel, seine Web.de-Email, und dann setzt er sich wieder auf seinen Barhocker und schaut raus auf die Strasse, wo niemand kommt, zumindest niemand, der oder die ihn abholt, mit ihm spricht oder irgendwas mit ihm unternimmt.



Wir sitzen ganz hinten, wo es ruhig ist, und reden über das, was viele nicht haben: Zukunft und Chancen, es nochmal und andere Dinge auch noch zu tun, es auszubauen, es zum Anfang von etwas Grösserem werden zu lassen. Wenn ich irgendwas inm letzten Jahr gelernt habe, ist es, keine Chance auszulassen. Was sie gelernt hat, ist zu wissen, dass es irgendwann einfach passieren wird. Die Zeiten sind schlecht, aber für uns immer noch weitaus besser als für die meisten anderen, und irgendwann wird etwas Neues in den Trümmern der Populärkultur wachsen; Pionierpflanzen, hart und gierig, überlebensfähig in jedem Umfeld, Buch, Medien, Gestaltung, Marketing, Internet, und eben nicht nur für den einen grossen Tag, sondern länger, vielleicht nicht mehr so schnell, aber dafür dauerhaft.

Wir gehen, ich zahle bei der als Bedienung verkleideten Germanistikstudentin mit der rasend intelligenten Brille und dem himmelblauen T-Shirt. Nächste Woche ist sie vielleicht irgendwo Hostesse, in drei Monaten hat sie vielleicht Abgabe für die Magisterarbeit, aber das würde sie dann schieben, um hier, in diesem halbleeren Coffee Shop noch was dazu zu verdienen. Im Winter ist der Frust allgegenwärtig, und will mit Fluppen, Schokolade und ein klein wenig Luxus, oder was eben für so eine Studentin Luxus ist, bekämpft werden.

Wir treten durch dien Tür nach draussen in die verseuchte Berliner Luft, und machen uns auf den Weg zurück zum Auto, mit dem ich sie zum Zug bringe. Im Coffee Shop schleppt sich der Typ am Fenster schon wieder an die Surf Station.

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Danach,

wenn es vorbei ist, bleibt nicht mehr als eine vage Hoffnung.



Es gibt genug Publikum, um die Räume zu füllen, es gibt Medien, die es bekannt machen, es gibt genug gute Texte und Autoren und auch viele, die sagen oder auch nur insgeheim denken, man sollte doch mal eine Lesung machen.

Es geht. Man muss nur irgendwann selbst damit anfangen, man muss laut sagen, das machen wir jetzt, und sich nicht um das Gequäke der Sowiesodaheimbleiber und Ungefickragten kümmern. Dann komme ich gerne als Zuschauer.

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