: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Samstag, 1. Oktober 2005

Former known as state of the art.

Und in Zitronengelb musste er sein, ganz frisch und laut. Unbedingt. Das war der neue Stil. Die neue Leichtigkeit, für Sie und Ihn. Der smarte BMW für alle, denen der Smart zu popelig war. Die eingebaute Vorfahrt für die Bizz-Prolls mit irrem Track Record bei studentischen Beratungsprojekten und 3 Monate Kaffekochen bei McK.



Dann ging es ihnen nass rein. Die Wunden von damals sind so halbwegs repariert, und einen Spiegel braucht man nicht, denn niemand schaut gern zurück auf diese Zeit. Und wenn es nicht regnen würde und nicht 6 Monate Winter kurz vor dem Einzug in die Hochebene stünden, könnte man aufmachen und durchatmen, wie damals.

Aber das geht nicht mehr, und für die Reparaturen ist angesichts der Mieten kein Geld mehr da. Obwohl man sich schon auf 32 Quadratmeter verkleinert hat. In Nordschwabing, former known as Freimann. Nicht gut, das. Vielleicht rettet einen ja ein Assiposten, irgendwo in der Provinz.

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Münchner Gespräche

Lass uns heute Abend treffen.
Gut, aber etwas später, sonst ist die U-Bahn so voll.
Aber dafür ein wenig länger, damit auf dem Heimweg nichts passiert.
Und irgendwo im Norden der Stadt. Mit Türe.
Das Puck soll angeblich frei von denen sein.
Gut, dann um 9 im Puck.

Oktoberfest. Echte Münchner verstecken sich vor der Meute. Die Stadt ist voll mit denen und ihren komischen Hüten, fast wie bei der Papsteinführung im Vatikan. An solchen Tagen erlebt man auch den Anbiederungskretinismus der zugezogenen FDP-Wähler, wenn sie ihre Pseudotrachten auftragen und ihren penetranten rheinisch-preussischen Frohsinn versprühen, der so gar nicht zur bayerisch-dumpfen Lethargie der Säufer passen will.

Ein Double Date heute, zwei Termine morgen und dann nichts wie weg. Heute und morgen sind die schlimmsten Tage des Jahres (und die letzten Tage des Oktoberfestes unterm Stoiber, so oder so).

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Real Life 01.10.05 - Eine Liebe Swanns

Was ist das, will die Elitesse wissen, und du schluckst gerade noch die Antwort "Das nennt man in gebildeten Kreisen ein Buch" runter. "Das, was Harry Potter vor der Verfilmung war" wäre auch gegangen. Auf dem Deckel steht es ganz deutlich, Proust, Eine Liebe Swanns. Man könnte sagen, dass die Stimmung schon mal besser war. Die Luft ist voller Zickigkeiten und einem Mangel an Gelegenheiten, das irgendwie rauszulassen. No Sex, please, just conversation. Auf neutralem Boden, im Café. Immerhin wurde es nicht die Havanna Bar.

Das ist das Wunder an solchen Abenden; irgendwann zerfällt die Spannung und das lange Grübeln, was man mit der überhaupt reden soll, löst sich in wirklich angenehmen Smalltalk auf. Die Leiden des Praktikums, die Streitereien mit den alten Säcken, die Arbeitsüberlastung nine 2 ten, all das wird zu einem munteren Plätschern durch Stunden, die so gar nicht vorgesehen waren; sie antwortet wochenlang nicht auf Mails, hält keine Zusage ein, und dann steht sie plötzlich vor der Tür in der Erwartung, dass man sie unterhält, ganz gleich wie rabenschwarz die Stimmung ist.

Sie saugt an einem roten Strohhalm, bedächtig, ganz langsam, du lächelst sie an, wie es nun mal so Sitte ist, sie konzentriert sich stillganz auf das Saugen, und deshalb kommt das Interview wieder hoch, in dem sich der alte Mann heute nachmittag verplappert hat, kein Wunder nach den Rechtstreitigkeiten mit seiner scheinbar übermächtigen Konkurrenz. Er ist zu tief in deren Strukturen eingestiegen, er kennt die Tricks und er weiss, was für diese Leute das Heer der chancenlosen jungen Mädchen aus dem Ostblock bedeutet, auf die sie dank ihrer Netzwerke durchgreifen können. Leute, die sich nicht nach unseren Vorstellungen verhalten, nennt das der oberste Sicherheitsmann in seinem Büro, 13 Stockwerke über der Spree.

Es ist nicht so, dass es unbekannt wäre, gemunkelt wird viel, und es ist nicht verboten, Clubs aufzumachen und eine Provision zu kassieren, wenn es klappt. Es ist legal, es ist sogar von der Arbeitsagentur für gut befunden. In Berlin kostet es angeblich zwei Drinks oder 20 Euro, sagen gut informierte Quellen; da, wo der Mann seine Geschäfte betreibt, ist weniger Angebot an solchen Abendgestaltungen, also könnte es teurer sein. Du kennst den Namen von früher, der Mann gilt als Wohltäter in seiner Welt, er gibt ihren Vätern kleine Jobs, die Mädchen, wie eine deiner Bekannten machen dann auch mal was, vielleicht eine Übersetzung, eine Tour nach Osten. Danach der Spass mit dem Arbeitgeber in den Discos, in denen sie sich sonst nicht mal ein Glas Wasser leisten könnten von der Sozialhilfe, und dann gleiten sie ab. Manche haben es wenigstens geschafft, sich bis zum Abi durchzuboxen. Du hörst diese Geschichte im Interview nochmal, du weisst, dass er dich nicht anlügt, und den Rest des Tages suchst du die verdammte Nummer von ihr, um zu hören, dass es ihr gut geht und sie nach den zwei Jahren Funkstille bitte bitte irgendwas studiert und nebenbei in einer Videothek jobt, aber bitte nicht das, nicht diese dreckige Seite der sogenannten Intergrationspolitik, die jeder Bildleser kennt und keine Ahnung hat, was da im Hintergrund den Bach runtergeht. Kein Drama für die Kriminalstatistik dieses Landes, alles legal, und selbst, wenn fragen könntest und es wäre so schlimm, wie es sich anfühlt - dann wäre es nur ein Stück Dreck im Kampf zweier alter Männer, ein Argument in einer Frage, die die Gerichte schon entschieden haben. Ohne dass es etwas mit der russischen Clubszene zu tun gehabt hätte.

Du hast sie natürlich nicht erreicht, und jetzt sitzt du da und denkst daran, ob sie nicht vielleicht auch gerade an so an einem Stohhalm die Lippen spitzt, nur im völlig falschen Kontext. Dann setzt der Wortschwall wieder ein, die hinterhältige Vorstandsassistentin, im Hintergrund baut sich wieder das Stimmengewirr zufriedener Jungspiesser auf, jemand ruft zu laut nach dem Kellner. Vielleicht bist du nur paranoid, vielleicht sind es die Bilder im Kopf von der polnischen Grenze, die Erinnerung an das Essen mit dem Clubbesitzer vor 4 Jahren in einem völlig leeren Restaurant, nur er, du und seine vier Freunde, seine Tips, dass ich doch was nach seinem Willen schreiben könnte, und ob ich nicht bleiben wollte, am Abend könnten wir in seine neu eröffnete Disco, das alles hast du damals abgetan, es war ein Lacher in der Redaktion, diese Westentaschenmafiosi, aber jetzt ist es präsenter denn je, das alles wird zu einem klebrigen Cocktail, den du nicht runterkriegst, obwohl es deine verdammte Pflicht als Gatekeeper ist. Down in Gaza ist es schlimmer, das hier ist noch nicht mal Busbahnhof Tel Aviv, es ist noch nicht mal so übel wie in Frankfurt, wo man dir mal die Mädchen hinter den Mülltonnen mit dem Besteck gezeigt hat, aber da ist die nagende Angst, dass es irgendwo in einem seiner Clubs vielleicht kein anonymes Leben in einem billigen Kleid ist.

Die Elitesse trägt einen hellen, dicken Zopfpulli, als käme sie frisch vom Segeln oder Strandspaziergang, unendlich weit entfernt von all den Niederungen. Ihr Clan hat die andere Seite nur Sekunden beim Zappen in RTLII gesehen, ansonsten existiert das in ihrer netten, angenehmen Welt nicht. Der Abend wird nicht sehr lang, und das leichte Schwanken, die feine Unsicherheit beim Abschied bleibt gänzlich unbeachtet. Es ist eine Nacht für Proust, bestenfalls.

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