: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Sonntag, 29. Januar 2006

Giftschrank

Eifrige Besucher echter Antiquariate - also nicht irgendwelcher Ramschpalettenverkäufer - kennen das vielleicht: Ich komme, oft an einem glasig kalten Wintermorgen, in eines dieser leicht verstaubten Geschäfte in der Maxvorstadt, und der Besitzer, Berater, Verkäufer und Ordnungshasser in Personalunion hat gerade wieder frische Umzugskartons gebracht, voll mit Büchern aus Wohnungsauflösungen. Da sind die Bibliotheken noch im Urzustand, vielleicht über 2, 3 Generationen zusammengeerbt, mit unterschiedslos allem, was man früher gelesen hat in den besseren Kreisen: Kein Brecht, kaum Heine, aber dafür Wagners Wesendonkbriefe, Gustav Frenssen, der Bestseller Wilhelm Raabe, und von da an geht es hinab in die Niederungen dessen, was heute noch gute Preise erzielt - die Rosenbergs und ähnliche Volkstumsbewahrer finden immer noch ihre alten und neuen Liebhaber.

Erzähle mir keiner, dass man sich die Herrschaften erzwungenerweise in die Bücherschränke gepackt hat. Desto dümmer, desto gemeiner und marktschreierischer, desto lieber wurde das braune Dreck gekauft und gehortet, so dass er auch noch jahrzehnte später intakt in den Antiquariaten ankommt, laut Exlibris oder Besitzervermerk gekauft von der Funktionselite des Landes; Professoren, leitende Angestellte, über gar nicht so wenige findet man heute im Internet noch Spuren dessen, was sie dann später in Feldgrau oder SS-Schwarz taten.



Bunt statt halbledern, modern typographiert und dennoch nicht differenzierter in Inhalt und Ideologie, stehen sie heute wieder Seit an Seit in den Flughafenbuchhandlungen und warten auf die gelangweilte Elite, die sich beim Business-City-Hopping mentalitätsmässig auf den neuesten Stand bringen will. Hier ist demokratisches Ausnahmegebiet, hier triumphiert der Starke qua Definition über den Schwachen, man schreit nach Revolution und fetten Würsten für die Elite, nach einem Ende des Mitleids und dem Anbruch eines neuen Systems. Die neuen Parteibücher geben Aufschluss über den richtigen Weg, beim Lesen so wenig herausfordernd wie die Mao-Bibel, so einfach wie alles, was meint recht haben zu müssen, egal wie komplex die Realität ist, die es unterzupflügen gilt, schon im Executive Summary, das früher vielleicht Parole hiess. Das Blabla-Prinzip, die Kotzbrech-Methode, der endgültige Drecksack in 100 Tagen, 10 Millionen in 10 Schritten, Small talk for jerks, Career für mobbende Sachbearbeiter, Power Business Success Awareness Strategy 4 complete assholes in emerging improved markets like web2.0.

Es sind die Bücher, von denen man hofft, dass sie aus der Gutenberg-Galaxis hinausgeschleudert werden in die schwarzen Löcher der E-Books und ihrer DRMs und ever changing Format which means you can buy the shit again each time you get one of those brand new fuzzy reading gadgets, auf dass in Zukunft die Antiquariate nicht versaut werden durch diesen Dreck, der vielleicht die wirtschftlichen Entscheidungen, nicht aber den Geist dieser Epoche bestimmt.

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Besser als jede Medizin

Auch Typepad geht jetzt - endlich, wie schon Twoday.net - gegen rechtsradikale Schreiberlinge vor und mahnt sie ab. Kein Wunder, dass solche Gestalten Myblog.de bevorzugen. Und ich weiss wieder, dass krank im Kopf viel schlimmer ist als krank im Bauch.

höhö

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