: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Dienstag, 21. Februar 2006

Ich darf eine kleine Sensation verkünden.

Der Special Guest bei der Bloglesung in München ist niemand geringeres als die famose

Lyssa.

So, jetzt macht hinne. Am besten meldet Ihr Euch, wenn Ihr kommt, bei mir per Email telefonisch bei der Reizbar, denn es scheint, dass es rappelvoll wird, und der Laden ist nicht wirklich gross.

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Die Sache mit dem Brokat

Schuld ist der Absolutismus. Während im XVI. Jahrhundert für Männer und viele sittsame Frauen die schwarze spanischer Hoftracht dominierte, kam mit dem gesteigerten Repräsentationsbedürfnis am Hofe Ludwig XIV und seiner Nachahmer in ganz Europa die "Mode" in einer Form auf, wie wir sie heute kennen. Vorbei die Zeiten, da man in den besseren Kreisen ein Kleid 10 Jahre lang tragen konnte. Vorbei die Schlichtheit, die allein des Tuches bedurfte, das zum Verhüllen des Körpers nötig war. Bis hinunter zum Knopfloch blieb kein Detail, das nicht irgendwie ausgeschmückt und verziert wurde. Wer etwas gelten wollte, musste sich beteiligen. Und so kam es, dass die flüchtigen Werke aus Brokat und Seide alle früheren Kosten des Haushaltes selbst in der prunkliebenden Zeit des Rokoko die Haushalte aufs Schlimmste belastete. Doch wer sich nicht beteiligte, am Schaulaufen der Eitelkeiten, war schnell als nicht gesellschaftsfähig erkannt und ausgeladen.

Kurz, Brokat, Samt, Seide und Damast und waren damals unverzichtbar, und selbst die Bürger, Handwerker und Dienstmädchen setzten alles daran, bei diesem Wettlauf der Schönheit über kotige Strassen und schlammige Plätze teilzunehmen. In Europa gab es innerhalb kürzester Zeit einen enormen Markt für ungewöhnliche Stoffe. Es konnte gar nicht bunt und verspielt genug sein. Allein, die Herstellung solcher feiner Gebilde war nicht einfach, beginnend bei den Farben bishin zur Kunstfertigkeit der Weber.

Historisch durch die Verbindungen und den Seidenhandel mit Constantinopel bedingt, war in Oberitalien schon im Mittelalter eine gut funktionierende Stoffindustrie entstanden, die von nun an das Geld des Nordens für überbordende Muster und feine Goldfäden kassierte. Ein Zustand, der in den Ökonomien des Merkantilismus nicht unbedingt gern gesehen wurde, als man vermehrt auf nationalstaatliche Autonomie drängte.

Und somit kam ein Menschenschlag ins Spiel, der damals "Projektemacher" hiess. Heute würde man sagen: Entrepreneur. Tatsächlich hatten die Projektemacher einen für diese Zeit globalisierte Weltbegriff; ihre Ideen und Vorschläge gingen an alle europäischen Höfe zwischen Paris und Petersburg. Tatsächlich zweifelte damals niemand daran, dass diese jungen, aufstrebenden Experten, die aus dem richtigen, oberitalienischen Umfeld stammten, genau wussten, wie das mit dem wichtigen Handelsgut der Textilien geht. Im Prinzip genügte es, ein Schreiben an eine Person zu richten, mit der ein Gönner gut vernetzt war, einen Plan auszuarbeiten, das nötige Geld zu erhalten und dann diese Idee umzusetzen.

Die Geschichte der europäischen Textilproduktion im XVII Jahrhundert ist reich an solchen Beispielen. Um 1760 etwa gibt der österreichische Minister Carl Coblenz 200.000 Gulden für eine Fabrikation von Färbemitteln, einem der teuersten und schwersten Bereiche der Textilproduktion aus. Auch er denkt weit über die engen Grenzen des Landes hinaus, das Geld wird in Belgien investiert. Häufig kommen begeisterte Berichte über den guten Fortgang des Projekts, und Coblenz kann sich gewiss sein, dass die Investition schon bald den Reichtum Österreichs vergrössern wird. Nach einer Weile trifft auch die Farbe aus der neuen Produktion ein, und Coblenz wähnt sich am Ziel seiner Träume.



Leider gibt sich sein Vorgesetzter, der strenge Staatskanzler Kaunitz, mit ein paar bunten Flaschen nicht zufrieden, und lässt sie von Experten prüfen. Das Ergebnis ist verheerend, die Farben sind allesamt untauglich, Coblenz ist einem gigantischen Betrug aufgesessen. Es dürfte ihn wenig beruhigt haben, dass die 200.000 Gulden der Krone dennoch nicht verloren waren. Soweit bekannt, begleiteten sie einen intelligenten Herren auf seiner weiteren Reise Richtung Italien, nach Livorno, einem Freihafen und natürlich ausserhalb des Herrschaftsbereichs der Österreicher.

Der Name des Herrn, des angeblich kundigen Stoffwirkers mit seinen vorzüglichen Plänen aus Oberitalen war Graf Bellamare, heutigentags vielleicht besser bekannt als Graf von Saint-Germain, dessen Ruhm als Mysterienerfinder und Goldmacher vollkommen ungerechtfertigt bis heute sein ungleich lukrativeres Dasein als Entrpreneur überstrahlt. Wenn nun also heute zu uns jemand tritt und behauptet, dass der Mensch, der Investor, oder auch der Staat klüger geworden sei mit dem Umgang seiner Mittel, wenn ein Markt zu florieren scheint, wenn geredet wird von Experten mit Verständnis für globale Märkte und den Skills für das Business für morgen, für eine wieder auflebende Gründerkultur, so erzählt ihm, falls er das Beispiel der Tulpnemanie in den Niederlanden schon kennt, einfach diese Geschichte. Die menschliche Geschichte ist nichts anderes als die unendliche Wiederholung der immer gleichen Fehler, und am Ende gibt es immer einen, unter dessen Droschke oder in dessen Ferrari das Geld über eine Grenze gebracht wird, von wo es nie zu dem zurückkommen wird, der es verloren hat. Saint Germain und Coblenz sind tot, Livorno ist ein runtergekommener Hafen, und Stoff kommt heute aus Sweat Shops in China. Dafür haben wir heute die Falks und Mobilcom-Schmids und die Haffas, die Schweiz ist um die Ecke, und die Staatssekratäre in Bayern, Hamburg und Schleswig-Holstein werden das nächste Mal wieder von den Chancen reden, die im Wettlauf der Standorte ergriffen werden müssen. Und natürlich fragt man sich am Ende, wie man so blöd sein konnte. Immer. Jedes Mal. Aufs Neue.

Nur muss keiner von denen heute mehr befürchten, wie Saint-Germains Nacheiferer zu enden, sei es wie Cagliostro in lebenslanger Haft in Rimini oder wie der vom Schlaganfall dahingeraffte Afflisio, nachdem man ihn acht Jahre auf einer Galeere festgekettet hatte.

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Morgen ist die Lesung.

Und ich habe mir noch nicht allzu viele Gedanken gemacht, was ich in Düsseldorf vorlesen soll. Eine Geschichte über Kommerz vielleicht, vielleicht eine über Iris. Ach je. Haben die werten Leser des Blogs vielleicht einen Vorschlag?

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