: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Donnerstag, 17. April 2008

Das Schaf der Apokalypse

400. ... Wer bietet 400. ... 350? ... Und zurück.

Die Krise hat viele Gesichter. Das Biedermeierportrait ist eines davon.

1000. ... Bietet jemand 1000? 900?
600!
600 unter Vorbehalt an die Nummer 84.

Die Krise hat viele Gesichter. Der Mann, der oft deutlich unterbietet, wenn keine Konkurrenz zu erwarten ist, hat eines davon.

De Artemis hier hinten. 1500. 1500 sind noch bei mir. ... Bietet jemand mehr? 1500. ... zum ersten, zweiten und ... dritten.

Die Krise hat viele Gesichter. Das Gesicht der griechischen Göttin, mit den sanften Lippen und dem verzückten Blick, um 1740 gemalt, ist kein banales 1500-Euro-Gesicht.

700. ... Sind 700 im Saal? ... 600? ... und zurück.

Die Krise hat viele Gesichter. Wie das Erstaunen der Dame, die vorne die Auktion leitet. Früher ging es so: Ein niedrig aussehendes Limit wird gesetzt, dann kommen hunderte in Hoffnung auf einen guten Kauf, steigern mit, und ehe sie sich versehen, haben sie sich schon versteigert, denn auf die 50 Euro kommt es im gefecht auch nicht mehr an, und prompt kann das Auktionshaus neue Rekorde vermelden. Liest sich gut für Einlieferer: Limit 500, verkauft für 4200 - Plus 24%. Das macht Stimmung. Aber diesmal nicht. Diesmal bleibt fast die Hälfte liegen. Das ist neu und ungewöhnlich, bei diesem aufstrebenden Haus in Schwabing. Die Käufer wollen nicht, sie halten das Geld zusammen. Ohne die Grunderwerbsteuer hätte ich mir die Artemis vielleicht gegönnt, oder zumindest versucht, gegen das schriftliche Gebot zuu bestehen, sie wäre es wert gewesen, aber so reihe auch ich mich ein in die Masse derer, die untätig dasitzt und wartet, auf die eine Nummer, wegen der sie gekommen sind, und ungerührt dem Debakel zuschauen. Jeder ist sich, auch in diesen Kreisen, gerade selbst der nächste.

Ich habe einen fremden Auftrag, und ein eigenes Ziel. Das eigene Ziel eigentlich nur, weil der Auftraggeber mutmasslich zu wenig bietet, und weil ich nicht ganz umsonst hier im überfüllten Raum der Kaufverweigerer sitzen will, während draussen das Münchner Leben den Frühling begrüsst. Ich weiss nicht, ob es Chancen gibt; wenn es um Toyohara Kunichika geht, kann man sehr schnell gegen ominöse Telefonbieter aus Fernost unterliegen, für die das eigene Limit von 300 Euro gerne auch nur die Umsatzsteuer auf das Aufgeld darstellen darf. Die damit gebündelten Damen von Kunimaru Utagawa sind glücklicherweise als "Anonym, um 1900" gekennzeichnet, auch wenn Utagawa brettlbreit draufsteht und das schrumplige Papier keine Zweifel am wahren Alter - so um 1820 - lässt. Es gibt also sowas wie relle Chancen, dass sie das Limit von 80 nicht allzusehr übertreten.

Zwei japanische Holzstiche ... 80. Wer bietet 80? ... 80? ... Und zur..
60! rufe ich in das gelangweilte Schweigen hinein.
60 wären schon bei mir, sagt die Auktionatorin.
70, sage ich.
80, sagt sie und weist auf jemandem hinter mir, der weniger von der Krise betroffen ist, als gehofft. Ich lasse mein Schild oben, damit sind es 90.
Und die Jagd ist eröffnet. 90 ... Bietet jemand mehr? Man spürt, dass es jetzt spannend wird, vielleicht denkt einer, wenn da schon zwei bieten, vielleicht ist es doch was, allein die Rahmen sind ja schon vierzig wert, da kann man eigentlich nichts falsch machen .... 90? ... 90 zum ersten, zum zweiten und - sie tickt mit dem Bleistift auf den Tisch - zum Dritten.



Die Krise hat viele Gesichter, wir nähern uns wieder dem Zeitpunkt, da ein Rubens für einen Sack Kartoffeln, ein Seidenteppich für einen Eimer Milch auf den Schwarzmarkt ging. Es sind fast argentinische Verhältnisse, und nie waren Konkubinen so billig in Anschaffung und Unterhalt wie gerade eben. Kein Wunder, dass die Kabuki-Schauspieler verzweifelt dreinschauen, wenn ihre Kunst nicht angemessen geschätzt wird. Auch sie sind Gesichter, die die Krise hat.

Bleibt noch der Auftrag, ein verstecktes, kleines Gemälde, Limit 250, mein Auftragslimit liegt bei 850, und es geht los mit..

bei mir sind 1650 ... 1650 ... bietet jemand im Saal 1700 1750 sind bei mir 1800 1850 sind bei mir 1900 1950 sind bei mir 2000 2100 sind bei mir 2200 2300 sind bei mir 2400...

Ich gehe nach draussen im Wissen, dass eine andere Krise gleich ein anderes Gesicht haben wird, und teile dem Auftraggeber das Debakel und mein Bedauern mit. Wir reden noch etwas, und er erzählt, dass Ende der nächsten Woche bei einer anderen Auktion ein apokalyptisches Schaf unter den Hammer kommt, auf dem Buch mit den sieben Siegeln, ob ich da nicht vielleicht auch Zeit hätte.

Die Krise hatte schon früher viele Gesichter.

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Empfehlung heute - Erweiterung

für den bekannten Kiosk von Herrn Paulsen - seit neuestem gibt es auch eine eigenständige Kocheinheit in Hamburg.

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Der Missbrauch der Freiheit

ich glaube nicht, dass man einen Ort finden kann, der das aktuelle Wirtschaftsdilemma von Kreditkrise, Inflation und kriminellem Kapital besser ausdrückt, als der Hügel nahe meinem Haus am Tegernsee, die gewellte grüne Wiese auf einer Anhöhe zwischen Tegernsee und dem Tal der Mangfall, das hier auf den Namen Louisenthal lautet.



Grossbild hier

Links, unter den Bäumen liegt die Leiche von Ludwig Erhard, der wohl kaum einfach nur zugesehen hätte, wenn ganze Länder destabilisiert werden, indem Wirtschaftskriminelle und ihre de facto Kartelle nach der Pleite mit Immobilienkrediten jetzt bei Grundnahrungsmitteln ein neues Feld für ihre Verbrechen entdecken - weil es für sie Sicherheit bedeutet, weil man an ihren Waren kaum vorbei kommt. Solange niemand auf die Idee verfällt, ihr Geschäftsmodell durch Plünderungen oder, langfristiger angelegt, durch Terrorismus zu schädigen. Was Hunger in Sachen Politik ermöglicht, wusste Erhard, und er hätte nach den Erfahrungen der frühen 30er Jahre sicher nicht einfach zugeschaut.

Eine Marktwirtschaft, die das Wohlergehen eines Spekulationsverbrechers über das einer Gesellschaft stellt, braucht weitgehende politische Regularien, die abwägt zwischen dem Existenzrecht einer Gesellschaft und der Freiheitderer, die eine Gesellschaft zu ihren Zwecken gefährden. An diesem Punkt sind wir mittlerweile angelangt, die globale Spekulation droht, ganze Bevölkerungsschichten in Hunger und Elend zu treiben, und als Folge werden wir alle einen hohen Preis zahlen, dem Spekulationsverbrecher dann wieder auf andere Arten entkommen wollen. Berufsmässige Antisoziale verdienen keine Freiheit, man sollte sie ihnen wegnehmen, wie allen anderen gefährlichen Psychopathen auch. Es ist genug zum Essen da, nur sind die Preise wegen der parasitären Marktteilnehmer und ihrem Versagen in anderen Märkten zu hoch.

Weil sich aber so schnell die Politik nicht zum Handeln entschliesst, und es für einen Kambodschaner nicht allzu einfach ist, als marktberuhigende Sofortmassnahme ein paar Warentermingeschäftemacher auf den leeren Bratspiess zu rammen (ich nenne es den Schnelltender der 3. Welt), hilft auch die Leiche Erhards nicht weiter. Ganz rechts ragt ein Schornstein in den Abendhimmel, und der Fabrik darunter geht es blendend. Das ist die Papierfabrik in Gmund, Weltmarktführer für die Bütten, auf denen Geld gedruckt wird. Geld für die Inflation, mit der wir alle für das Auskommen von Verbrechern bezahlen, Geld, das die missbrauchte Freiheit der Märkte verlangt, für die Vergrösserung sozialer Unterschiede, für ein Mehr, das weniger für alle bedeutet.

Natürlich kann man mit Milliarden für die Welthungerhilfe den ärgsten Folgen entgegensteuern. Aber warum? Ein ordentliches Gefangenenlager und ein paar Gesetze, um den Missbrauch der Freiheit zu dem juristisch verfolgbaren Verbrechen zu machen, das er jetzt schon im übertragenen Sinne ist, sind weitaus kosteneffizienter, und beruhigen die Märkte schneller als jetzt Zinssenkung. Durch das Wegsperren der übelsten Subjekte kann man auch davon ausgehen, dass der entsprechende Arbeitsmarkt bereinigt wird, und mehr noch, das Thema der Verluderung der Bankersitten durch schnelle Zugriffe und harte Strafen nicht mehr so relevant ist, dass es hunderttausende schädigen kann.

Dann kann man auch mal überlegen, welche Bereiche von Handel und Preisgestaltung ökonomisch sinnvoll sind, und welchen Bereiche man dauerhaft abschafft. Sollen diese Leute doch ihr Geld bei Onlinekasinos verzocken, da stört es keinen, und auch ohne Inflation geht in Gmund nicht die Arbeit aus.

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