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Mittwoch, 20. August 2008
Empfehlung heute - Über kurz oder lang, nah oder fern
Ich mag das hier, auch weil es ein Problem in einer Form treffend zusammenfasst, die diejenigen, die eine ähnliche Form zu beherrschen glauben, absolut nicht vertragen. Ich denke, wenn die Form extrem kurz ist, muss der Gedanke wirklich gross sein; "Wer, wenn nicht wir, wann, wenn nicht jetzt" etwa hat die nötige Tiefe und Bedeutung; wer es spricht, braucht eine gewisse Grösse und mehr als seinen klatschenden oder auch genervten Kegelclub.
Obwohl, natürlich kann es auch ganz anders sein. Fernsehen darf schliesslich auch 9live sein, Zeitung Bild und wer partout meint, sich ohne Schutz weitreichender Formulierungen und sprachlicher Arabesken, möchten sie auch noch so grob gearbeitet sein, der eigenen Nichtigkeit öffentlich versichern zu müssen - hey, das ist ein freies Land, es gibt wahrhaft Schlimmeres, nur wundere man sich bitte nicht, wenn hingeschluderte Wortbrocken jenseits der Folgergruppe nicht so gut ankommen wie durchkomponierte Erzählungen oder kluge Analysen.
Was natürlich bei Wortbrocken möglich ist: Das Deuten, das Überdeuten, das Hineinlesen. Amüsanterweise gibt es da eine Ähnlichkeit zu gern verhöhnten Literaturkritikern, die in ähnlich kurze Sätze Leipziger Literaturinstitutsprodukte so etwas wie Tiefe und Erkenntnis hineinlesen wollen; nicht wirklich unter Akzeptanz des Publikums, das dergleichen nach ein paar Monaten auf den Ramsch wandern lässt. Man kann es auch als Subkultur titulieren, als authentisch und anderes, was draussen vielleicht gut ankommt.
Oder auch nicht. Es ist auch nicht wichtig, und hätte sich heute nach dem grandiosen, in der Sonne beginnenden und von Wolken umtosten Aufstieg zum Neureuth nicht ein schweres Unwetter entladen, gäbe es auch diesen Beitrag nicht, von dessen Thema ich hoffe, dass die Bilder ein wenig die Diskrepanz aufzeigen zwischen dem, was ist, und dem, was Leute tun, wenn sie, ach, was interessiert es mich, warum, sollen sie, bitte.
donalphons, 01:11h
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Real Life irgentwaster.8.08 - Vorne, hinten, oben.
Vorne der See, die begrenzenden Berge und Hügel, darüber das grenzenlose Firmament und die Sonne; Wolken kommen erst ein paar Stunden später zum definitiven Sonnenuntergang; auch sie dünn und andeutungsweise wie eine Kurzgeschichte der Leipziger Literathurenschule, nicht störend und belanglos. Enten und Blässhuhner haben dich umzingelt, watscheln über das saftige Gras entlang der Ränder der Decken, picken im Boden und ignorieren dich weitgehend, als wären sie das Fäuleton des Delmenhortner Wochenblattes. Es ist warm, sehr warm, heiss eigentlich, und die Badehose stellt das perfekte Kleidungsstück dar. Es ist der Sommer, von dem man als Kind nie glaubt, dass er zu Ende gehen wird, mit all seinen Vergnügungen und Freuden, der Sommer im Wasser, im Spiel, im sicheren Leben.
Oder auch nicht. Sicher ist es durchaus bei so einem Papa wie der, der den Weg entlanggeht, in der üblichen Sommertracht der Besserverdienenden: Weisse Hose, gestreiftes Hemd, hellbeiger Pullover um die Schultern, weisse, vom Sand des Weges leicht staubige Schuhe, die sicher bald geputzt werden. Einer, der sicher nur das Beste will für sein Kind, dass sie mit vier bereits schreiben konnte, mit sechs englisch chattete und mit 22 fit für den globalen Markt ist, perfekt gestylt für den jeweiligen Auftritt. Jetzt ist sie vielleicht acht Jahre, schlank und blond hängt sie an seiner Hand, die orangen Flipflops sprechen für ihre Kindheit, aber das blauweissrote Dirndl, in das sie hier genötigt wurde, erzählt eine ganz andere Geschichte: Von einer Jugend als Teil einer Lebensplanung. Du kennst das, als du 10 Jahre alt warst, bedrängt Frau W. deine Mutter, dich fit zu machen für das Medizinstudium, und hätte dein Vater nicht andere Pläne mit dir gehabt, die zu leben dir auch nicht eingefallen wäre, dann wäre es alles ganz anders gekommen, und du würdest nicht hier liegen, die Sonne vor und den Edukationsabgrund hinter dir, und dich fragen, ob es eigentlich immer so sein muss.
Und ob es nicht trotzdem besser, sehr viel besser ist, als andernorts in anderen Schichten aufzuwachsen, denen man nur selten entkommt und die einen im Verharren prädestinieren, was gut, gerecht oder auch nur akzeptabel sein soll, in Systemen erzogen zu werden, die Wege verbauen und längst keine Anstrengung mehr unternehmen, das zu ändern, und damit freie Bahn lassen für die anderen, die schon oben sind und dafür Sorge tragen, dass sich an dieser Struktur auch nichts ändert. Beide Teile sind vermutlich notwendig, die Zukunft des Landes und der Fortbestand des Goldenen Zeitalters braucht besserverdienende Eliten und Deppen, die sich ungestört sozialabbauen lassen, und du würdest keinem wünschen, zum unteren Teil dieser ungleichen Rechnung mit unvermittelbarem Sozialrest zu gehören. Besser also, bei so einem Wetter ein Dirndl tragen zu müssen und nicht barfuss laufen zu dürfen, wenn Papa denkt, die Steine könnten Hornhaut auf die Füsse machen und einen zwingt, wieder die orangen Flipflops anzuziehen, die der einzige Stilbruch der besseren Idylle in der besten Lage sind, neben den Gedanken derer, die Entwicklungen sehen, aber auch keine Lösung haben. Es wird so sein, mit dem Auseinanderdriften werden die Abstossungseffekte grösser, die einen wollen nie fallen und die anderen werden wissen, dass sie es nie schaffen, und der Staat hat gelernt, das alles zu umklammern.
Über dir ist immer noch das ungerührte Blau des Himmels, der zu gross ist, als dass er sich mit diesen kleinen Fragen in diesem kleinen Land auseinandersetzen müsste, ein wenig blauer allerdings als anderswo, ein teures, exklusives Blau und dennoch ist es nicht voll am See, nicht jeder kommt hier einfach her, es ist eine Welt für sich und sowas wie die bessere Ecke der Zukuft, deren Teil deine Nachfahren zwecks Ausbleiben nicht sein werden, es geht dich nichts an, also nimmst du das Buch aus dem Korb und liest Pavese, während das Mädchen im Dirndl vielleicht schon wieder für das nächste Schuljahr büffelt, in einem hübschen Haus in dieser schönen Region am See. Irgendwann werden sich hier wieder Gletscher erstrecken und die Eisflut alles Gewesene wegräumen, in 30, 40.000 Jahren, es ist alles nicht so schlimm, der Moment zählt und vielleicht wird alles auch ganz anders.
Oder auch nicht. Sicher ist es durchaus bei so einem Papa wie der, der den Weg entlanggeht, in der üblichen Sommertracht der Besserverdienenden: Weisse Hose, gestreiftes Hemd, hellbeiger Pullover um die Schultern, weisse, vom Sand des Weges leicht staubige Schuhe, die sicher bald geputzt werden. Einer, der sicher nur das Beste will für sein Kind, dass sie mit vier bereits schreiben konnte, mit sechs englisch chattete und mit 22 fit für den globalen Markt ist, perfekt gestylt für den jeweiligen Auftritt. Jetzt ist sie vielleicht acht Jahre, schlank und blond hängt sie an seiner Hand, die orangen Flipflops sprechen für ihre Kindheit, aber das blauweissrote Dirndl, in das sie hier genötigt wurde, erzählt eine ganz andere Geschichte: Von einer Jugend als Teil einer Lebensplanung. Du kennst das, als du 10 Jahre alt warst, bedrängt Frau W. deine Mutter, dich fit zu machen für das Medizinstudium, und hätte dein Vater nicht andere Pläne mit dir gehabt, die zu leben dir auch nicht eingefallen wäre, dann wäre es alles ganz anders gekommen, und du würdest nicht hier liegen, die Sonne vor und den Edukationsabgrund hinter dir, und dich fragen, ob es eigentlich immer so sein muss.
Und ob es nicht trotzdem besser, sehr viel besser ist, als andernorts in anderen Schichten aufzuwachsen, denen man nur selten entkommt und die einen im Verharren prädestinieren, was gut, gerecht oder auch nur akzeptabel sein soll, in Systemen erzogen zu werden, die Wege verbauen und längst keine Anstrengung mehr unternehmen, das zu ändern, und damit freie Bahn lassen für die anderen, die schon oben sind und dafür Sorge tragen, dass sich an dieser Struktur auch nichts ändert. Beide Teile sind vermutlich notwendig, die Zukunft des Landes und der Fortbestand des Goldenen Zeitalters braucht besserverdienende Eliten und Deppen, die sich ungestört sozialabbauen lassen, und du würdest keinem wünschen, zum unteren Teil dieser ungleichen Rechnung mit unvermittelbarem Sozialrest zu gehören. Besser also, bei so einem Wetter ein Dirndl tragen zu müssen und nicht barfuss laufen zu dürfen, wenn Papa denkt, die Steine könnten Hornhaut auf die Füsse machen und einen zwingt, wieder die orangen Flipflops anzuziehen, die der einzige Stilbruch der besseren Idylle in der besten Lage sind, neben den Gedanken derer, die Entwicklungen sehen, aber auch keine Lösung haben. Es wird so sein, mit dem Auseinanderdriften werden die Abstossungseffekte grösser, die einen wollen nie fallen und die anderen werden wissen, dass sie es nie schaffen, und der Staat hat gelernt, das alles zu umklammern.
Über dir ist immer noch das ungerührte Blau des Himmels, der zu gross ist, als dass er sich mit diesen kleinen Fragen in diesem kleinen Land auseinandersetzen müsste, ein wenig blauer allerdings als anderswo, ein teures, exklusives Blau und dennoch ist es nicht voll am See, nicht jeder kommt hier einfach her, es ist eine Welt für sich und sowas wie die bessere Ecke der Zukuft, deren Teil deine Nachfahren zwecks Ausbleiben nicht sein werden, es geht dich nichts an, also nimmst du das Buch aus dem Korb und liest Pavese, während das Mädchen im Dirndl vielleicht schon wieder für das nächste Schuljahr büffelt, in einem hübschen Haus in dieser schönen Region am See. Irgendwann werden sich hier wieder Gletscher erstrecken und die Eisflut alles Gewesene wegräumen, in 30, 40.000 Jahren, es ist alles nicht so schlimm, der Moment zählt und vielleicht wird alles auch ganz anders.
donalphons, 13:50h
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