: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Donnerstag, 16. Oktober 2008

Nachrichten, die man in Deutschland nicht liest.

Ich habe mich hier ausgesprochen negativ über die Versuche der Iren geäussert, das marode Bankensystem der Insel mit unbezahlbaren Garantien und einer Art Schneeballsystem gegen den Euro abzusichern. Möglicherweise tendieren jetzt auch manche Iren zu dieser Sichtweise, denn die Folgen der irischen Bankenkrise kosten jetzt die Bürger einen ganzen Haufen Geld. Sofort. Denn Irland hebt angesichts der neuen Kosten die Steuern massiv an und spart gleichzeitig an den Ausgaben. Es ist noch nicht so schlimm wie Island, wo man inzwischen wieder die Netze als ökonomisches Rückgrat entdeckt, wohingegen Irland immerhin noch Schafe hätte, und vielleicht sogar lukrativen Tiersextourismus. Aber dennoch übel: 1 bis 2 Prozent mehr Einkommenssteuer, ein halbes Prozent mehr Mehrwertsteuer, 3% mehr Zinsertragssteuer, 10 Euro für jeden Irland verlassenden Flugreisenden (fast schon wie im Mittelalter), höhere Steuern auf Benzin, Alkohol und Zigaretten. Gleich bleiben nur Diesel, Bier und die niedrigen Steuern für die dort angesiedelten Banken. Das alles nehmen sie hin. They don´t make Irish as they used to.



Solche Nachrichten sind nichts für den Kontinantaleuropäer, der das nicht mögen würde - deshalb steht es ja auch nicht in den Zeitungen. Demnächst jedoch werden wir möglicherweise sehen können, wie Österreicher, Ungarn und - Bayern, ja, sowas wie ich - auf derartige Verwerfungen reagieren. Ja, richtig gelesen, auch manche Insel der Seligen bekommt Schlagseite. Das steht indirekt in Schweizer und amerikanischen Medien, bei der BAZ und Bloomberg, aber hierzulande könnte man fast den Verdacht bekommen, selbst erstklassige Medien würden die Öffentlichkeit gezielt anlügen. Hier in der ARD redet eine Mitarbeiterin der österreichischen Raiffeisenbank die aktuelle Krise in Ungarn mit den Worten "Wäre verheerend, jetzt auszusteigen" klein. Verheerend wäre es aber weniger für die Investoren, als vielmehr für das Institut, für das diese Frau spricht: Mit der Raiffeisen International sind die österreichischen Raiffeisenbanken führend im Kreditgeschäft Ungarns tätig, und das steht dank einer speziellen Strategie des Kreditwesens zusammen mit den beteiligten Banken am Abgrund - ein Abgrund, der gerade mit 5 Milliarden Euro von der EZB abgesichert werden muss.

Ungarn war bis vor kurzem einer der Emerging Markets, die nicht von ungefähr an die Subprimekrise in den USA oder die Bankenkrise in Island erinnern. Jedes Jahr stiegen die Hauspreise um 10 bis 20% an, und die Kreditfinanzierung für Häuser, Autos, Konsum, Industrieanlagen lockte eine Reihe bekannter österreichischer Institute und die Bayern LB an. Ganz vorne mit dabei waren die italienische Unicredit über die Bank Austria, die Erste Bank der österreichischen Sparkassen, die Volksbank, die schon erwähnte Raiffeisen International und gleich doppelt die Bayerische Landesbank mit Töchtern, der drittgrössten ungarischen Privatbank MKB und der Hypo Alpe Adria, die man noch 2007 dem Land Kärnten unter Haider abgekauft hatte - nach einem Haufen Skandalen übrigens.

Nun ist ein Kredit erst mal nichts schlimmes, aber in Ungarn haben sich Banken wie Hedgefonds oder eine isländische Bank benommen: Die meisten Kredite in Ungarn sind nämloch sogenannte Carry Trades: Die Banken nehmen Geld in niedrig verzinsten Schweizer Franken auf und gegen sie zu hohen Zinsen im Hochzinsland Ungarn weiter. Solange in Ungarn die Hauspreise nach oben gingen und der Schweizer Franken niedrig blieb, konnte man die Schulden locker begleichen, und die Banken hatten ausreichend Sicherheiten. 23,2 Milliarden Euro Privatkredite gibt es in Ungarn, davon rund 2/3 in Fremdwährung, dazu kommen nochmal - je nach Kurs - über 12 Milliarden Euro Firmenkredite in Fremdwährung, vor allem in Schweizer Franken. Es ist eine gigantische Blase in Berner Batzen, die sich im privaten Bereich von 2001 bis 2008 fast verzwanzigfacht hat, im ersten Halbjahr 2008 nochmal expandierte - und noch ziemlich viele Jahre Bestand haben dürfte.

Und jetzt platzt die Blase: Die Hauspreise in Ungarn fallen, die Wirtschaft kommt ins Stottern, der ungarische Forint stürzt ab, und der Schweizer Franken, in dem die Schulden getilgt werden müssen, steigt. Ungarn selbst kann auf dem freien Markt keine Staatsanleihen mehr platzieren, um damit den Niedergang aufzuhalten. Und Ungarns Kreditgeber und -nehmer haben damit nicht nur ein Subprimeproblem ihrer überteuerten Häuser an der Backe, sondern auch noch ein Währungsrisiko, das beim Staatsbankrott so ziemlich extrem gigantisch sein dürfte - wenn der Forint zum Franken 50% verliert, hat man schlagartig 100% mehr Schulden. Ganz schön scheisse, oder? Von den darin schon erfahrenen Isländern lernen heisst Angeln und Rationieren lernen.



Insofern ist es wirklich seltsam, dass man davon relativ viel in der Schweiz lesen kann: Denn die MKB und die Volksbank stoppen die Vergabe von Krediten in Franken, weil sie wohl nicht zu Unrecht den Ausfall der ungarischen Kredite fürchten. Denn wenn der Forint crasht, ist es für normale Ungarn unmöglich, die Schulden zu bezahlen, und die Sicherheiten der Häuser sind dann auch nicht mehr viel wert. Der ORF macht das gigantische Problem für den österreichischen Bankensektor netterweise nur an einer laschen 10%-Beteiligung der Volksbank an der bayerisch geführten MKB fest - im Bereich "Volksgruppen" (!). Obwohl man mit Fug und Recht auch sagen könnte, dass aus Ungarn gerade ein Multimilliardenrisiko von Island-Dimensionen auf Österreich und Bayern zurauscht.

Drei Dinge möchte ich dazu bemerken: Ich habe in dieser Krise, schlimmer noch als in der New Economy, jedes Vertrauen in die Medien verloren. Entweder sind sie zu dumm zu verstehen, was in der Wirtschaft wirklich los ist - dann gehören sie gefeuert. Oder sie decken das alles - dann gehören sie meines Erachtens für den Rest ihres Lebens mit Berufsverbot belegt. Und wäre ich neuer bayerischer Ministerpräsident, würde ich mir sehr gut überlegen, ob ich mit dem alten Finanzminister weiterwursteln würde, der die Carry Trades aus dem Aufsichtsrat der Bayern LB kennen dürfte. Wenn die werte Leserschaft aber eines Morgens in der Mainstreampresse verwunderte Kommentare über plötzlich hochverschuldete Banken des Alpenraumes und neue Steuern liest - sage bitte keiner, er wäre nicht gewarnt gewesen.

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