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Sonntag, 23. November 2008
Spolien des Untergangs von Byzanz
Diese kahle Wüste, über die der Schnee von pfeifenden Winden getrieben wird; diese Senke zwischen schlechten Häusern einer schlechten Stadt, diese Nichtlandschaft mit vereinzelten, im Abbau begriffenen Ständen, dieses Nichts an Ort und Raum ist normalerweise am 4. Sonntag im Monat der grosse Pfaffenhofener Antikmarkt. Heute dagegen war er eine Katastrophe.
Der Spieltisch, an dem ich das hier schreibe, wurde dort erstanden. Stendhals Reise in Italien in rotem Leder, die vor mir auf dem Regal steht, habe ich hier aus einer Kiste gezogen. Den Biedermeiersessel neben mir habe ich dort für ein paar Mark erstanden, als er nur ein Haufen Trümmer in einer Schachtel war. Ich habe diesem Ort zu danken, aber diesmal war es ein Fehlschlag. Als wäre mit dem Niedergang der Wirtschaft auch der Kunde, der bessere Bürger aus den umliegenden Städten, mit lockerem Geld und einem Platz für was auch immer ausgestorben. Ich rannte einmal über die Ödnis, hörte mir einen lächerlichen Preis an - 180 Euro für eine Schreibtischlampe des Art Deco - und kehrte um. Ganz hinten, an der Brücke, wühlte eine dick vermummte Frau in einem Schneehaufen, der vor ein paar Stunden ihr Stand gewesen sein musste. Dann kam die Sonne heraus, und etwas in Schnee begann zu gleissen. Ein Kronleuchter. Und was für einer. Sechs Flammen, Barockform, wirklich alt und mit viel Patina.
Manche werden jetzt sagen, dass ich schon mehr als einen Kronleuchter habe, und diese Stücke bei mir auch in Schlafzimmer, Bad, Küche, Balkon und Abstellraum hängen. Das ist richtig und gleichzeitig nicht die ganze Wahrheit. Denn die Wohnung am Tegernsee hat gleich sechs Leuchter verschlungen, einer muss in ein Büro, ein anderer ist ein Geschenk, und damit ist mein Bestand auf zwei mickrige Leuchter zusammengeschmolzen - zu allem Unglück sind es 12-flammige Exemplare, die man nur begrenzt verwenden kann. Dieses Exemplar mit fünf Kerzen aussenrum und eine hängende Kerze in der Mitte. Er ist auch für kleinere Räume - Empfangszimmer, Ankleiden, Wartezimmer für die Dienerschaft, was man halt so braucht - geeignet.
Es gibt - nach 70 Jahren kein Wunder - natürlich ein paar Schäden. Dafür war er billig - gekauft habe ich ihn quasi zum Schrottpreis. Daheim ist noch ein Schubladen voller Kristalle, mit denen ich an diesen langen Winterabenden einiges basteln kann, bis der Leuchter wieder in alter Pracht erstrahlt. Dass er das tun wird, ist alles andere als selbstverständlich, denn die Zeit der Kronleuchter, der Perserteppiche und all des byzantinischen Prunks der letzten Jahre ist abgelaufen. Man macht das nicht mehr. Kronleuchter sind zu sehr auffällig, sie versprechen Luxus und Anspruch; alles Eigenschaften, die man in den kommenden Jahren zurückschrauben wird, um nicht aufzufallen. Wer gleisst und funkelt, macht sich in diesen Zeiten verdächtig, man passt sich an, und nicht umsonst sind es gerade die grossmäuligsten Werber, die in den verhautesten Klamotten auftreten. Die Ratten verlassen nicht das sinkenden Schiff, sie mischen sich unter die Plünderer. Man will wieder keiner mehr sein. Jede Rolex, ererbt oder erworben, macht verdächtig. Die Idioten gehen nach dem Offensichtlichen; Neid und Rachegelüste entzünden sich an Symbolen, und deshalb werden wir bald wieder die Rückkehr zu geraden Linien, indirekter Beleuchtung und reduziertem Mobiliar sehen. Man trägt, man ist wieder Müll. Bloss nicht auffallen, nur nicht aus der Deckung kommen, und wenn, dann als Anführer des Pöbels. Bald werden PRler wieder Maojacken unter Neonlicht tragen.
Es ist übrigens immer ein gutes Zeichen, wenn Vorbesitzer gewundene Glühbirnen eingeschraubt haben. Diese Leuchtmittel sind um den Faktor 5 teurer als Billigbirnen; wer so etwas tut, führt keinen schlechten Haushalt, sondern hat einen gewissen Anspruch und Mittel über dem Nötigsten. Es sind diese Haushalte, die sich mehr leisten konnten, und es ist nur legitim, sich deren Reste zusammenzukaufen und im Speicher zu bewahren für die Tage, da unser neues Byzanz entgültig abgebrannt ist, und man zum Schluss kommt, dass es jetzt genug ist mit Frohn und Ausgezehr, dass man genug mit allen Tieren gestorben ist, und dass man, bevor nichts nachher kommt, davor wenigstens das Gleissen und Funkeln haben möchte, das kleine Eckchen Pracht im Leben, das Sünde sein mag, aber wenigstens nicht dumm und scheusslich wie der Halogenspot, unter dem sich AnjaTanjas neue Trends für schlimme Zeiten einfallen lassen.
Der Spieltisch, an dem ich das hier schreibe, wurde dort erstanden. Stendhals Reise in Italien in rotem Leder, die vor mir auf dem Regal steht, habe ich hier aus einer Kiste gezogen. Den Biedermeiersessel neben mir habe ich dort für ein paar Mark erstanden, als er nur ein Haufen Trümmer in einer Schachtel war. Ich habe diesem Ort zu danken, aber diesmal war es ein Fehlschlag. Als wäre mit dem Niedergang der Wirtschaft auch der Kunde, der bessere Bürger aus den umliegenden Städten, mit lockerem Geld und einem Platz für was auch immer ausgestorben. Ich rannte einmal über die Ödnis, hörte mir einen lächerlichen Preis an - 180 Euro für eine Schreibtischlampe des Art Deco - und kehrte um. Ganz hinten, an der Brücke, wühlte eine dick vermummte Frau in einem Schneehaufen, der vor ein paar Stunden ihr Stand gewesen sein musste. Dann kam die Sonne heraus, und etwas in Schnee begann zu gleissen. Ein Kronleuchter. Und was für einer. Sechs Flammen, Barockform, wirklich alt und mit viel Patina.
Manche werden jetzt sagen, dass ich schon mehr als einen Kronleuchter habe, und diese Stücke bei mir auch in Schlafzimmer, Bad, Küche, Balkon und Abstellraum hängen. Das ist richtig und gleichzeitig nicht die ganze Wahrheit. Denn die Wohnung am Tegernsee hat gleich sechs Leuchter verschlungen, einer muss in ein Büro, ein anderer ist ein Geschenk, und damit ist mein Bestand auf zwei mickrige Leuchter zusammengeschmolzen - zu allem Unglück sind es 12-flammige Exemplare, die man nur begrenzt verwenden kann. Dieses Exemplar mit fünf Kerzen aussenrum und eine hängende Kerze in der Mitte. Er ist auch für kleinere Räume - Empfangszimmer, Ankleiden, Wartezimmer für die Dienerschaft, was man halt so braucht - geeignet.
Es gibt - nach 70 Jahren kein Wunder - natürlich ein paar Schäden. Dafür war er billig - gekauft habe ich ihn quasi zum Schrottpreis. Daheim ist noch ein Schubladen voller Kristalle, mit denen ich an diesen langen Winterabenden einiges basteln kann, bis der Leuchter wieder in alter Pracht erstrahlt. Dass er das tun wird, ist alles andere als selbstverständlich, denn die Zeit der Kronleuchter, der Perserteppiche und all des byzantinischen Prunks der letzten Jahre ist abgelaufen. Man macht das nicht mehr. Kronleuchter sind zu sehr auffällig, sie versprechen Luxus und Anspruch; alles Eigenschaften, die man in den kommenden Jahren zurückschrauben wird, um nicht aufzufallen. Wer gleisst und funkelt, macht sich in diesen Zeiten verdächtig, man passt sich an, und nicht umsonst sind es gerade die grossmäuligsten Werber, die in den verhautesten Klamotten auftreten. Die Ratten verlassen nicht das sinkenden Schiff, sie mischen sich unter die Plünderer. Man will wieder keiner mehr sein. Jede Rolex, ererbt oder erworben, macht verdächtig. Die Idioten gehen nach dem Offensichtlichen; Neid und Rachegelüste entzünden sich an Symbolen, und deshalb werden wir bald wieder die Rückkehr zu geraden Linien, indirekter Beleuchtung und reduziertem Mobiliar sehen. Man trägt, man ist wieder Müll. Bloss nicht auffallen, nur nicht aus der Deckung kommen, und wenn, dann als Anführer des Pöbels. Bald werden PRler wieder Maojacken unter Neonlicht tragen.
Es ist übrigens immer ein gutes Zeichen, wenn Vorbesitzer gewundene Glühbirnen eingeschraubt haben. Diese Leuchtmittel sind um den Faktor 5 teurer als Billigbirnen; wer so etwas tut, führt keinen schlechten Haushalt, sondern hat einen gewissen Anspruch und Mittel über dem Nötigsten. Es sind diese Haushalte, die sich mehr leisten konnten, und es ist nur legitim, sich deren Reste zusammenzukaufen und im Speicher zu bewahren für die Tage, da unser neues Byzanz entgültig abgebrannt ist, und man zum Schluss kommt, dass es jetzt genug ist mit Frohn und Ausgezehr, dass man genug mit allen Tieren gestorben ist, und dass man, bevor nichts nachher kommt, davor wenigstens das Gleissen und Funkeln haben möchte, das kleine Eckchen Pracht im Leben, das Sünde sein mag, aber wenigstens nicht dumm und scheusslich wie der Halogenspot, unter dem sich AnjaTanjas neue Trends für schlimme Zeiten einfallen lassen.
donalphons, 23:23h
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Real Life 23.11.08 - eine Überraschung für Iris
Oh, sagt Iris. Schick. Und nie wieder frieren im Winter. Das hättest du schon viel früher machen sollen. War es teuer?
So um die 1800 Euro, sagst du. Es ist eine Plage, es zu montieren, man muss die Fenster neu einstellen und die Dichtungen rumschieben, es ist sehr schwer und verändert den Schwerpunkt nach oben und hinten, und ich mag die Fahrgeräusche des normalen Verdecks.
Aber so ist es viel schöner und praktischer im Winter. Wo kommt das her?
Pffffhh, ich glaube, das haben meine Eltern in Passau geholt, mit einem Firmentransporter.
Dein Vater bekommt immer noch einen Transporter? Nobel.
Nein, das war schon, als sie das Auto gekauft haben, vor 13 Jahren, mein Vater hat damals schon jedes Jahr geflucht, wenn er das Ding draufmachen musste, und ich habe es jetzt auch nur zwangsweise aus dem Keller geholt, weil meine Mutter den Platz für die Oleander brauchte.
Soll das heissen, dass du schon die letzten zwei Winter ein Hardtop hattest und mich trotzdem in diesem eiskalten Wagen mit nichts ausser einem dünnen Stoffdach durch Eis und Schnee gefahren hast? Dass ich zwei Jahre umsonst gefroren habe?
Äh - nein. Wenn das Hardtop drauf ist und die Fenster nicht justiert wurden, läuft Wasser in die Dichtungen rein, dann frieren auch immer die Türen ein, und danach steht man vor dem Wagen und kann nicht weg. Als ich mit meiner Schwester im Winter in München Auto getauscht habe, damit sie einen trockenen Wagen hat, wollte ich mal ein Mädchen nach einem tollen Abend heimbringen, und letztendlich musste ich das Taxi bezahlen. Zuerst zu ihr, und dann zu mir, und am nächsten Tag zum Auto. Ich glaube, es gibt wenig, was unsexier ist als Männer mit zugefrorenen Roadstern, in denen eiskaltes Wasser schwappt.
Das liegt nicht am Auto.
So um die 1800 Euro, sagst du. Es ist eine Plage, es zu montieren, man muss die Fenster neu einstellen und die Dichtungen rumschieben, es ist sehr schwer und verändert den Schwerpunkt nach oben und hinten, und ich mag die Fahrgeräusche des normalen Verdecks.
Aber so ist es viel schöner und praktischer im Winter. Wo kommt das her?
Pffffhh, ich glaube, das haben meine Eltern in Passau geholt, mit einem Firmentransporter.
Dein Vater bekommt immer noch einen Transporter? Nobel.
Nein, das war schon, als sie das Auto gekauft haben, vor 13 Jahren, mein Vater hat damals schon jedes Jahr geflucht, wenn er das Ding draufmachen musste, und ich habe es jetzt auch nur zwangsweise aus dem Keller geholt, weil meine Mutter den Platz für die Oleander brauchte.
Soll das heissen, dass du schon die letzten zwei Winter ein Hardtop hattest und mich trotzdem in diesem eiskalten Wagen mit nichts ausser einem dünnen Stoffdach durch Eis und Schnee gefahren hast? Dass ich zwei Jahre umsonst gefroren habe?
Äh - nein. Wenn das Hardtop drauf ist und die Fenster nicht justiert wurden, läuft Wasser in die Dichtungen rein, dann frieren auch immer die Türen ein, und danach steht man vor dem Wagen und kann nicht weg. Als ich mit meiner Schwester im Winter in München Auto getauscht habe, damit sie einen trockenen Wagen hat, wollte ich mal ein Mädchen nach einem tollen Abend heimbringen, und letztendlich musste ich das Taxi bezahlen. Zuerst zu ihr, und dann zu mir, und am nächsten Tag zum Auto. Ich glaube, es gibt wenig, was unsexier ist als Männer mit zugefrorenen Roadstern, in denen eiskaltes Wasser schwappt.
Das liegt nicht am Auto.
donalphons, 19:36h
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