: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Dienstag, 16. Dezember 2008

Empfehlung heute - Abendrodelgang vs. Wellness

Der Berg mit den zwei Spitzen und dem flachen Grat dazwischen, über dem die Sonne steht - das ist der Hirschberg.



Der Hirschberg ist ein Ort der persönlichen Demütigung und der einzige Berg dieses Jahres, vor dessen Gipfel ich wegen Nebel und Kälte umgekehrt bin. Zwei Tage später war ich dann oben, und hatte danach ernsthafte Probleme, das Tal zu erreichen: Zu spät aufgestiegen, nichts zum essen dabei, den Rückweg unterschätzt. Der Hirschberg nervt erst mit 500 Höhenmetern langweiliger Forststrassenlatscherei, bevor der eigentliche, harte Aufstieg kommt.



Jetzt jedoch ist es Winter, die Berghütte dort oben hat geschlossen, auch die Almen sind zu, und aus dem Hatscherer wird eine erstklassige Rodelstrecke, die am Nachmittag aber schon im Schatten der Berge liegt. Rechts geht es hinauf über Serpentinen, Eisplatten, ein wenig Steinflächen - und sehr viel sulziger Schnee. Was dumm ist.



Der Hirschberg ist die Nemesis meiner Fehleinschätzungen. Auf der Neureuth ist die ganze Piste vereist, und ich rase mit querstehendem Tourenrodel mit reichlich wenig Seitenhalt über spiegelplatte Kurven. Hier oben ist alles voller Schnee, und ich bin mit dem flachen Rennrodel unterwegs. Bei jedem Bremsmanöver vor den engen Kurven staubt der feuchte, klebrige Schnee zwischen Sitzfläche und Hinterteil. Dergestalt durchnässt, läuft man anschliessend durch einen Ort und ist ganz froh über die einbrechende Dunkelheit, die die Bletschade der Öffentlichkeit verbirgt.



Morgen kann ich es nochmal versuchen, denn es bleibt schön. Ich könnte aber auch einen faulen Tag mit Torte und Internet auf der Terasse machen. Oder in die Seesauna gehen, wo man mit ziemlich genau dieser Aussicht Wellness -

uh oh, ich glaube, ich probiere dann doch lieber die Strecke vom Setzberg aus. Und nenne sie die Burnster Bandscheiben Bedrouillen Tour, denn sowas passiert immer nur auf den Bürostühlen.

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Was tun, wenn das viele schöne Geld weg ist.

Als gestern ein paar mal das Geräusch reissender Stoffgurte durch den abendlich stillen Bergwald tönte und der Sitz unter mir sehr weich, viel zu weich wurde, da dachte ich mir einen Moment: Noch ein paar solcher Geräusche, und du steigst um von der Fussbremse auf das Bremsen mit einem Körperteil, der dafür rein technisch auch geeignet, für dich selbst jedoch eher unerquicklich ist. Nun ja, eigentlich hatte ich nur das Bild vor Augen und dachte mir: Auwehzwick.



Ich kann also irgendwie nachempfinden, was hier geschildert wird (via). Diese Angst, unvermittelt alle Sicherheit zu verlieren und am Abgrund zu stehen - auch, weil am Ende der Strecke eine vereiste Spitzkehre ist, und wer die nicht schafft, landet in halber Höhe auf reichlich hohen Bäumen. Die Möglichkeit, innerhalb weniger Sekunden vor dem Nichts zu stehen, die jetzt manche Investoren bei Bernie Madoff überkommt. Der Wechsel von absoluter Sicherheit zu absoluter Besitzlosigkeit innerhalb eines Anrufs. Vielleicht so wenig zu haben, dass man sich nicht mal einen Anwalt leisten kann.

Die meisten von denen werden schon noch irgendwo was haben: Eine Zweitimmobilie, Schmuck, die alten Aktien von Tante Elfriede und anderes, was sich so in den Handschuhfächern der Reichen ansammelt. Ob da wirklich einer auf der Strasse landet, wage ich zu bezweifeln, denn es gibt ja auch noch Familie. Das Mitleid kann sich also in gewissen Grenzen halten, und im Sudan ist Hilfe sicher wichtiger. Trotzdem muss das sehr hart sein.

Es gibt bei uns die Geschichte eines Verwandten, der, wie meine Tante Mami immer so schön sagte, "schwarz ausläuft wenn man ihn ansticht". Einer dieser Superdeutschen, wie es sie nur vor dem 1. Weltkrieg im aufstrebenden Bürgertum gab. Die Familie hat zwar eine lange sozialdemokratische oder schlimmstenfalls liberale Tradition, aber dieser Mann - Erbe von Geburt an - war anders, deutsch, national und angepasst. Ich habe bei einem Erbfall die Noten gefunden, aus denen er auf dem Flügel vorspielte, und "Heil Dir im Siegeskranz" ist da noch die freundlichste Übung aus der Zeit des grossen Krieges. Wie es sich so gehörte, gab er auf dem Paradeplatz nicht nur Gold für Eisen, sondern auch all sein Vermögen dem Kaisserreich zur Kriegsfinanzierung, und machte in der Familie Druck, dass man ihm nachtat. Er verlor folgerichtig nach dem Krieg alles, was ihn auch geistig an den Rand des Zusammenbruchs brachte.

Mit dem Ausruf "Mei Göid, mei Göid", die Hände über dem Kopf zusammenschlagend, lief er durch die Strassen der Stadt, in der man ihn kannte. In meiner Familie wird dieser Tiefpunkt unserer gesellschaftlichen Reputation gerne erzählt, wenn ein Kind etwas zu viel Geld ausgibt - also, bei allem, was mehr als 30 Euro kostet und nicht dringenst gebraucht wird, oder etwas Beschädigtes ersetzt, was man auch mit grünem Draht reparieren kann. Im ersten Moment musste es diesem Mann vorgekommen sein, als sei alles vorbei: Die gesellschaftliche Stellung, der gefüllte Tisch, die Sicherheit, die ihn sein Leben lang begleitet hat. Irgendwann sammelte die Verwandtschaft ihn ein, und man überlgte, was zu tun sei. Die Zeiten waren miserabel, die Stadt hatte mit dem Ende des Heeres ihre wichtigste Einkommensquelle verloren, und sie fingen mit dem an, was geblieben war: Ein paar Immobilien in der Stadt. Sie zogen näher zusammen, vermieteten den Rest, und nach ein paar weiteren Schlägen übelster, noch schlimmerer Art hat sich zumindest der Grundstock erhalten, mit dem die Krise überstanden wurde.

In den letzten Jahren galt es als dumm und verschwenderisch, Immobilien zu besitzen und zu vermieten, die Rendite ist klein und der Ärger ist gross, sagen diejenigen, die das Geld lieber dem Familiy Office überlassen, den Reedern oder den koreanischen Staatsanleihen. Es muss mehr als 7% geben, es passiert schon nichts, ein Haus ist totes Kapital. Man kann den Opfern von Madoff nur wünschen, dass sie möglichst viel derartig totes Kapital haben, und auch denen, die demnächst in die Dollar- und Pfundkrise rauschen.

Ich habe meine Gurte wieder festgenagelt. Sehr fest. Acht statt wie bisher nur drei Nägel.

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Klarstellung zu Dotcomtod

Wegen der Nachfragen: Ich war und bin nicht an der Planung, der Umsetzung und inhaltlichen Ausgestaltung des Projektes beteiligt, das aktuell auf der URL Dotcomtod betrieben wird, und werde dort auch nicht beteiligt sein. Es gibt für mich keinerlei erkennbare Verbindungen zwischen denen, die früher Dotcomtod mit Informationen versorgt haben, und dem, was dort im Moment geschieht. Ich kann dazu nichts sagen, weil es weder etwas mit mir noch mit dem, für das ich lange meinen Kopf hingehalten habe, zu tun hat. Ich bin generell aus dem Komplex "New Economy" und "Web2.0" draussen und auch gar nicht traurig, dass es so ist.

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