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Dienstag, 3. November 2009
Opas Bestes
Sie sagen einem ja, dass die Nachfrage das Angebot bedingt, und scheinbar gibt es wirklich Leute, die unter 80 Putzmitteln im Supermarkt wählen möchten. Sie sagen, dass früher Hunger herrschte, und heute alles sofort beschafft werden kann. Sie sagen, dass der Kapitalismus alle Wünsche zu erfüllen in der Lage ist, zumindest, wenn man in einer grossen Stadt wohnt und nicht in einem Kaff, wo die Shopping Mall in zwanzig Kilometer Entfernung den Metzger, den Bäcker und den Kramladen getötet hat. Ich bin gerade in so einer grossen Stadt. Und am Sonntag ist mir eingefallen, was ich gerne hätte: Ein Set Handschuhe. Nicht nur ein Paar, sondern gleich zwei Paar, die zusammenpassen. Ein Paar sollen feine, braune Autofahhrerhandschuhe sein, und ein Paar, wenn ich aus dem Auto aussteige, feine graue Handschuhe für den Anzug. Schwarz kann jeder Depp, aber Grau ist selten und schwer. Und ausserdem sollten sie aus Peccaryleder sein, jener Haut des südamerikanischen Wildschweins, das das beste Material für Handschuhe liefert, sich am besten anfühlt und mit das Teuerste ist, was man bekommen kann. In Grösse 8 1/2.
Ich bin bei getragener Kleidung ja immer etwas skeptisch, aber der Wunsch entstand, als ich die entsprechenden Handschuhe sah - nicht in einem Geschäft, sondern auf dem Flohmarkt. Die Stadt hat zwar über 100.000 Einwohner, aber der letzte Herrenausstatter, der so etwas hatte, hat vor 20 Jahren geschlossen. Man bekommt in dieser Stadt keine Herrenhandschuhe aus Peccaryleder mehr. Früher war das kein Problem, denn neben dem Herrenausstatter gab es auch noch das traditionelle Geschäft für Leder in der Fussgängerzone - der Erbe hat es geschlossen und lebt heute vom Vermieten der Räume an eine typische Kleiderkette, Ärzte und Rechtsanwälte. Aus diesem Geschäft kommen diese Handschuhe, erzählte die Enkelin des Mannes, dem sie gehört hatten. Ich zog sie an, sie passten. Sie hatten nicht nur die richtige Grösse, sie sind wie eine zweite Haut. Vermutlich hatten sie auf mich gewartet.
Meine zweitältesten Peccaryhandschuhe sind nach Aussage von Roeckl mindestens 70 Jahre alt und immer noch tragbar. Die ältesten Exemplare dürften noch aus der Zeit um 191o stammen, und selbst die könnte man noch anziehen, auch wenn sie mir ein wenig eng sind. Man denkt sich irgendwann: Warum sollte man sich mit weniger zufrieden geben, nichts ist so weich und so angenehm, sie wurden meistens auch besonders gut genäht, und das Leben ist zu kurz für schlechtes Zeug. Aber gleich zwei Paar, eines für die Fahrt und eines für das Ausgehen, das ist natürlich nochmal eine Stufe weiter. Drei Euro kosteten sie, und nachdem ich schon etliche andere habe, werde ich sie nicht oft benutzen. Spezielle Gelegenheiten vielleicht. Handschuhfach des Sunbeams, wenn die Schweisser endlich - ENDLICH! - mal hinmachen. Sie sagen, ähnlich wie der kapitalismus, dass man alles kriegen kann, was man will. Aber man bekommt es nicht und wenn doch, dann nur unter Umwegen, Warten und Mühsal.
Mein anderes Rad ist bekanntlich ein Rocky Mountain Vertex, aber dann war da noch ein Muddy Fox, das ich kaufte und restaurierte, weil es eine weitere Geschichte über die Krankheit des Kapitalismus ist, die zu erzählen sein wird. Denn der Kapitalismus lässt mich nicht nur meine Handschuhe auf dem Flohmarkt kaufen, weil ich sie sonst nirgendwo bekomme. Er versorgt mich auch mit einem Rad für 20 Euro, das wegen zwei kleinen kapitalistischen Federn von 1400 Mark auf diesen Preis abgestürzt ist.
Das alles ist nicht der Kapitalismus, den ich gerne hätte, auch wenn ich davon profitiere.
Ich bin bei getragener Kleidung ja immer etwas skeptisch, aber der Wunsch entstand, als ich die entsprechenden Handschuhe sah - nicht in einem Geschäft, sondern auf dem Flohmarkt. Die Stadt hat zwar über 100.000 Einwohner, aber der letzte Herrenausstatter, der so etwas hatte, hat vor 20 Jahren geschlossen. Man bekommt in dieser Stadt keine Herrenhandschuhe aus Peccaryleder mehr. Früher war das kein Problem, denn neben dem Herrenausstatter gab es auch noch das traditionelle Geschäft für Leder in der Fussgängerzone - der Erbe hat es geschlossen und lebt heute vom Vermieten der Räume an eine typische Kleiderkette, Ärzte und Rechtsanwälte. Aus diesem Geschäft kommen diese Handschuhe, erzählte die Enkelin des Mannes, dem sie gehört hatten. Ich zog sie an, sie passten. Sie hatten nicht nur die richtige Grösse, sie sind wie eine zweite Haut. Vermutlich hatten sie auf mich gewartet.
Meine zweitältesten Peccaryhandschuhe sind nach Aussage von Roeckl mindestens 70 Jahre alt und immer noch tragbar. Die ältesten Exemplare dürften noch aus der Zeit um 191o stammen, und selbst die könnte man noch anziehen, auch wenn sie mir ein wenig eng sind. Man denkt sich irgendwann: Warum sollte man sich mit weniger zufrieden geben, nichts ist so weich und so angenehm, sie wurden meistens auch besonders gut genäht, und das Leben ist zu kurz für schlechtes Zeug. Aber gleich zwei Paar, eines für die Fahrt und eines für das Ausgehen, das ist natürlich nochmal eine Stufe weiter. Drei Euro kosteten sie, und nachdem ich schon etliche andere habe, werde ich sie nicht oft benutzen. Spezielle Gelegenheiten vielleicht. Handschuhfach des Sunbeams, wenn die Schweisser endlich - ENDLICH! - mal hinmachen. Sie sagen, ähnlich wie der kapitalismus, dass man alles kriegen kann, was man will. Aber man bekommt es nicht und wenn doch, dann nur unter Umwegen, Warten und Mühsal.
Mein anderes Rad ist bekanntlich ein Rocky Mountain Vertex, aber dann war da noch ein Muddy Fox, das ich kaufte und restaurierte, weil es eine weitere Geschichte über die Krankheit des Kapitalismus ist, die zu erzählen sein wird. Denn der Kapitalismus lässt mich nicht nur meine Handschuhe auf dem Flohmarkt kaufen, weil ich sie sonst nirgendwo bekomme. Er versorgt mich auch mit einem Rad für 20 Euro, das wegen zwei kleinen kapitalistischen Federn von 1400 Mark auf diesen Preis abgestürzt ist.
Das alles ist nicht der Kapitalismus, den ich gerne hätte, auch wenn ich davon profitiere.
donalphons, 00:54h
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