Opas Bestes

Sie sagen einem ja, dass die Nachfrage das Angebot bedingt, und scheinbar gibt es wirklich Leute, die unter 80 Putzmitteln im Supermarkt wählen möchten. Sie sagen, dass früher Hunger herrschte, und heute alles sofort beschafft werden kann. Sie sagen, dass der Kapitalismus alle Wünsche zu erfüllen in der Lage ist, zumindest, wenn man in einer grossen Stadt wohnt und nicht in einem Kaff, wo die Shopping Mall in zwanzig Kilometer Entfernung den Metzger, den Bäcker und den Kramladen getötet hat. Ich bin gerade in so einer grossen Stadt. Und am Sonntag ist mir eingefallen, was ich gerne hätte: Ein Set Handschuhe. Nicht nur ein Paar, sondern gleich zwei Paar, die zusammenpassen. Ein Paar sollen feine, braune Autofahhrerhandschuhe sein, und ein Paar, wenn ich aus dem Auto aussteige, feine graue Handschuhe für den Anzug. Schwarz kann jeder Depp, aber Grau ist selten und schwer. Und ausserdem sollten sie aus Peccaryleder sein, jener Haut des südamerikanischen Wildschweins, das das beste Material für Handschuhe liefert, sich am besten anfühlt und mit das Teuerste ist, was man bekommen kann. In Grösse 8 1/2.



Ich bin bei getragener Kleidung ja immer etwas skeptisch, aber der Wunsch entstand, als ich die entsprechenden Handschuhe sah - nicht in einem Geschäft, sondern auf dem Flohmarkt. Die Stadt hat zwar über 100.000 Einwohner, aber der letzte Herrenausstatter, der so etwas hatte, hat vor 20 Jahren geschlossen. Man bekommt in dieser Stadt keine Herrenhandschuhe aus Peccaryleder mehr. Früher war das kein Problem, denn neben dem Herrenausstatter gab es auch noch das traditionelle Geschäft für Leder in der Fussgängerzone - der Erbe hat es geschlossen und lebt heute vom Vermieten der Räume an eine typische Kleiderkette, Ärzte und Rechtsanwälte. Aus diesem Geschäft kommen diese Handschuhe, erzählte die Enkelin des Mannes, dem sie gehört hatten. Ich zog sie an, sie passten. Sie hatten nicht nur die richtige Grösse, sie sind wie eine zweite Haut. Vermutlich hatten sie auf mich gewartet.



Meine zweitältesten Peccaryhandschuhe sind nach Aussage von Roeckl mindestens 70 Jahre alt und immer noch tragbar. Die ältesten Exemplare dürften noch aus der Zeit um 191o stammen, und selbst die könnte man noch anziehen, auch wenn sie mir ein wenig eng sind. Man denkt sich irgendwann: Warum sollte man sich mit weniger zufrieden geben, nichts ist so weich und so angenehm, sie wurden meistens auch besonders gut genäht, und das Leben ist zu kurz für schlechtes Zeug. Aber gleich zwei Paar, eines für die Fahrt und eines für das Ausgehen, das ist natürlich nochmal eine Stufe weiter. Drei Euro kosteten sie, und nachdem ich schon etliche andere habe, werde ich sie nicht oft benutzen. Spezielle Gelegenheiten vielleicht. Handschuhfach des Sunbeams, wenn die Schweisser endlich - ENDLICH! - mal hinmachen. Sie sagen, ähnlich wie der kapitalismus, dass man alles kriegen kann, was man will. Aber man bekommt es nicht und wenn doch, dann nur unter Umwegen, Warten und Mühsal.



Mein anderes Rad ist bekanntlich ein Rocky Mountain Vertex, aber dann war da noch ein Muddy Fox, das ich kaufte und restaurierte, weil es eine weitere Geschichte über die Krankheit des Kapitalismus ist, die zu erzählen sein wird. Denn der Kapitalismus lässt mich nicht nur meine Handschuhe auf dem Flohmarkt kaufen, weil ich sie sonst nirgendwo bekomme. Er versorgt mich auch mit einem Rad für 20 Euro, das wegen zwei kleinen kapitalistischen Federn von 1400 Mark auf diesen Preis abgestürzt ist.

Das alles ist nicht der Kapitalismus, den ich gerne hätte, auch wenn ich davon profitiere.

Dienstag, 3. November 2009, 00:54, von donalphons | |comment

 
Schön!
"Er versorgt mich auch mit einem Rad für 20 Euro, das wegen zwei kleinen kapitalistischen Federn von 1400 Mark auf diesen Preis abgestürzt ist."

Und dazu noch ein Rad, das zwei wichtige Kriterien erfüllt: 1. Es kommt nicht aus dem Supermarkt. 2. Es hat eine starre Vordergabel (soweit ich das erkennen kann).

Die Handschuhe sind wirklich ein Augenschmaus! Kann sie mir sogar beide sehr gut zum Sakko vorstellen.

Schöner Kauf!

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Ich denke, es ist gut, wenn man so wenig wie möglich warten muss. Von Federgabeln hört man entweder, dass sie nichts aushalten und alle zwei Jahre gewechselt werden, oder dass sie extrem schwer sind. Ich denke, das brauche ich nicht am Gästerad.

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Wir haben von meinen Großeltern auch noch diverse, wunderschöne Handschuhpaare, die denen links im Bild arg ähneln. Meiner Schwester passen die Handschuhe meiner Großmutter perfekt, aber mein Cousin und ich haben unglücklicherweise zu große Pranken für die Handschuhe unseres Großvaters. Trotzdem würden sie niemals auf einem Flohmarkt landen.

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eine ähnliche Qualität findest Du übrigends bei alten Uniformteilen: Die Handschuhe sind unzerstörbar & liegen sanft auf der Haut, ein dunkelbrauner, dunkelblauer oder dunkelgrüner Schal schmiegt sich angenehm um den Hals, lässt nie Fäden (!) und entfernt Dich gleichzeitig gut sichtbar von dem globalen-City-Büropack mit den gestreiften H&M-Schals und die Strickwesten heizen Dich auch beim Wandern zur kalten Jahreszeit schön auf...ganz zu schweigen von den gefütterten langen Unterhosen, die einen leider ein wenig optisch "aufdicken" :-)

Mal abgesehen, dass man spätestens bei der Strickjacke der Schneiderin des Vertrauens einen Auftrag zur Abänderung des Teils geben muss, um militärischen Zierrat wie Schulterklappen/Brusttaschen zu entfernen...
nein, dass Problem ist, dass man auch an diese alte Qualitätsware nur über extreme Umwege oder mit ein wenig Glück rankommt.

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"alten Uniformteilen": wie alt? Napoleon, Wilhelm, Schickelgruber oder später?

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...aus den 50ern bis rein in die 90iger...von polizei & bw.
jetzt nix aus der zeit der alten roemer oder den hut vom grimmigen onkel aus elba... :-)

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... zu spät, ich hab den Spaten schon hier und fange jetzt an zu graben ;-)

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es geht halt nichts über so einen ordentlichen roemischen schildpanzer...aber ich glaube, mit so prähistorischen kleidungsstücken kennt sich der hiesige blogmeister ein wenig besser aus...

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Die Ganzjahressocke
Bis in die 1990er Jahre wurde diese Qualität an die Bundeswehr geliefert – Soldaten trugen diese Socke das ganze Jahr über zum „Ausgeh-Anzug“. Sie wird aus einem Zwirn aus 50% Baumwolle und 50% Schurwolle gestrickt, einer Materialmischung, die hinsichtlich des Tragekomforts und der Strapazierbarkeit ideal ist: Wolle wärmt und nimmt viel Feuchtigkeit auf, ohne sich feucht anzufühlen. Baumwolle ist weich und sehr hautfreundlich. Ferse und Spitze sind verstärkt. Aus den genannten Gründen nur in der Farbe Schwarz erhältlich. Wollwaschgang bei 30 °C.


Alte Uniformteile.

Scheint was dran zu sein :-D


Quelle: Manu's Faktum. Nr: 78339

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Manufaktum? Ist das nicht der Laden, wo es brutal überteuerten Schrott gibt, der mit lautem Verkaufsgebrüll nicht als solcher, sondern als besonders hochwertig angepriesen wird? Auch eine Form des Kapitalismus: Legaler Betrug bzw. gezielte Übervorteilung der Kundschaft. Nun, anderseits - wo sonst kann man Kleidung aus selbst reinigender Wolle kaufen?

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Nicht so schlimm wie Pro Idee. Elektrische Leuchtpfeffermühlen. Pfff...

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Nichts gegen elektische Leuchtpfeffermühlen!
;-)
...ähem: ich hatte so einen Schrott mal für zwei Euro gekauft. Ich würde sagen, mein schlechtester Kauf ever. Das Ding funktionierte geradezu bösartig schlecht - ich hätte es unmittelbar nach dem Auspacken in die Mülltüte werfen sollen.

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Wozu soll denn eigentlich eine elektrische Leuchtpfeffermühle gut sein?

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Das andere elektrische Küchenkleingetier bleibt halt so ungern allein.


Wenn man sich schon die Schränke mit Nutzlosem verstopft, dann soll auch keine Ritze frei bleiben.

;-)


@dr.dean: Du meinst Waschbär & Konsorten.

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Nach meinem subjektiven Eindruck
verlaufen die Grenzen zwischen Waschbär und Manufactum fließend. Wobei: So richtig übers Ohr gehauen habe ich mich weder vom einen noch vom anderen bisher gefühlt, aber ich bestelle da eh nur alle Jubeljahre was.

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Wer es ganz warm im Winter haben will: Vollharnisch des 16. Jahrhunderts, und dann in die pralle Sonne stellen.

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Der römische Brustpanzer war eher dafür bekannt, dass er für offene und wunde Stellen an Körper sorgte. Überall dort wo der Legionär beim Bewegen sich dran rieb. Dann schon lieber die mit Buttersäure schwarz eloxierte Rüstung des Mittelalters, die bei den Kreuzzügen zu einer "natürlichen" Dezimierung führte ;-)

Die Krönung des Versandhandels ist meiner Meinung nach immer noch Torquato. Die haben neben Trittleitern für die Bibliothek auch Trüffel oder Milchflaschen mit Bügelverschluss.

Und wenn man mal ein Photo der Inhaber gesehen hat - die gehören definitiv auch zu den SdG...

[Edit:]Gerade gesehen: http://www.torquato.de/kinder-picknick-koffer_3.html (Don, falls Du mal Kinder beschenkst)

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Alte Handschuhe...
hab ich auch noch, Opas fellgefütterte Winterhandschuhe, in denen ich, die notorische Frostbeule, noch nie gefroren habe.
Vor der Entdeckung dieses Schatzes hatte ich brandneue, super-goretex-wasweißich-Hightech-Dinger, die kalt waren und zu schnell naß wurden.
Fazit: Schön, dass es die alten noch gibt.

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Man kann sagen was man will, aber di organischen Fähigkeiten von Naturmaterial bekommt man mit Kunststoff einfach nicht hin. Irgendwie fehlt da das Lebendige.

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Meine schönen Roeckl-Handschuhe werde ich niemandem vererben können, sie werden aber auch nie auf dem Flohmarkt landen - ich trage sie so viel, dass sich irgendwann immer das Innenfutter auflöst und sie an den Fingerspitzen kaputt gehen. Eigentlich ist schon wieder Zeit für ein neues Paar.

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Man könnte sie natürlich auch nähen lassen; die halten das schon aus.

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Oh, die sind schon etliche Male an den Fingerspitzen genäht worden, aber irgendwann geht das auch nicht mehr. Und das wollene Innenfutter löst sich bei mir auch regelmäßig komplett auf, das lässt sich dann irgendwann auch nicht mehr stopfen, es ist einfach weg. Da friert es mich dann immer. Es ist halt das eine Paar, das ich Tag für Tag vom Herbst bis zum Frühling (sprich: wenn das Thermometer wieder über 15 Grad anzeigt) trage.

An den Fingerspitzen gehen sie eben auf Dauer kaputt, weil meine Finger für die Größe 7 1/2 eigentlich zu lang sind, aber meine Hände für Größe 8 zu schmal. Das sieht komisch aus, wenn die Handschuhe zu weit sind, außerdem pfeift ja dann der Wind rein. Also muss ich mit der halben Nummer kleiner klar kommen, was die Handschuhe an den Fingerspitzen aber auf Dauer doch übel nehmen.

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Ja, das Klavierspielerinnenhändeproblem, das kenne ich auch. Da muss man lange probieren, vielleicht auch mal bei anderen Marken.

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