: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Sonntag, 6. Dezember 2009

Schöne Dinge für hässliche Tage

Letztes Jahr, in diesem harten, langen Winter, lag um diese Zeit schon genug Schnee zum Rodeln ab 750 Meter. Und ansonsten war das Wetter zwischen sagenhaft und keinesfalls zu kalt zum Aufsteigen. Dieses Jahr ist es enorm berlinerisch, fies windig und einsig, aber der Schnee ist noch viel zu niedrig, um mehr als eine Illusion abzugeben.



Entsprechend kurz sind die Wege durch die Kälte, entsprechend lang sitze ich in Restaurants und Lokalen, rede, verweile, denn draussen kann man es kaum ertragen. Draussen, wo der Postmann die Ergebnisse der grossen Krise des Vereinigten Königreiches anschleppt, denn als Dubai den Bankrott verkündete, wollte gerade wieder kein von den letzten Jahren gestresster Inselbewohner sein Geld für sinnlose Teekannen ausgeben, auch wenn sie schwer und bestens erhalten sind, und vom Hoflieferanten kommen. Krise ist, wenn man auch am Nationalstolz spart. Dabei ist Mappin & Webb stets ein klarer Kauf; ich habe mehr als eine Kanne von ihnen, und alle sind aussergewöhnlich hochwertig, so, wie man das zugunsten einer langen, intensiven Nutzung auch haben möchte. Dass sich diesmal die britische Post beeilte, kann eigentlich in dieser Jahreszeit nur ein Indiz sein, dass Briten gerade auch nichts zu verschenken und verschicken haben.



So aber bekomme ich wenigstens eine gute Tasse Tee aus einer feinen Kanne eines guten Hauses. Und wenn ich schon weder raus noch Rodeln gehen kann, so bleibt mir doch der Traum von der Abfahrt auf weissen Wegen, wenn ich mit dem Schleifpapier die Stahlkufen von Rost befreie. Ähnlich wie bei Teekannen habe ich zwar schon mehr als einen Rodel, aber wer aufmerksam über die Flohmärkte läuft, weiss, welche Unmengen an mehr oder weniger veralteten Rennskiern es gibt, und wie wenig Rennrodel - zeitlos und auch nach Jahrzehnten noch elegant - dort zu finden sind. Kinderschlitten sind leicht zu entdecken, aber echte Rennrodel fand ich bislang nur zwei - ein extrem überteuertes Exemplar eines Irren und heute ein tschechisches Produkt namens Jested, benannt nach einem hohen Berg und dem Ort der ersten österreich-ungarischen Rodelmeisterschaft - in Jested soll es heute noch Reste dieser Anlage geben. Jedenfalls entspricht der gerade entdeckte Rodel all den Erwartungen, den man auch an einen alten Bär, Köck oder Gasser aus Österreich haben würde; er ist flach, geschwungen, aus Eschenholz und hat dicke Eisenkufen.



Einer allein braucht nicht so viele Rodel, allein, es haben sich viele Gäste angekündigt, und dieses Stück ist sogar zweisitzig, falls sich jemand zusammen mit einem Kind in die Eisrinnen stürzen will. Nun sitze ich also da, poliere das Eisen für das kommende Eis, trinke Tee und schaue in den grauen Himmel. Die Freunde sind schon wieder fern, abgeflogen und auf Autobahnen, ich bin allein, es ist kalt draussen, und unten wäre der Nikolaus, die Kinder zu beschenken - aber ich muss arbeiten, kochen und hoffen, dass der Winter bald endlich richtig losgeht. Mit viel Schnee und viel Tee, den ich nach der Kälte und dem Rasen durch weiss bespitzte Wälder in der Wanne trinken werde. Dann aber wird der eisige Wind über dem Matsch andere heimsuchen, und ich werde sie fernmündlich sehr bedauern.

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